Eröffnungsgottesdienst zum Kongress Freude am Glauben in Karlsruhe St. Bernhard Die Kirche und ihre Sorge für die Menschen. Lesung: 1 Kor 3, 9c-11.16-17 Evangelium: Mt 28, 16-20 Liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Kongress Freude am Glauben, liebe Mitfeiernde aus Karlsruhe, Schwestern und Brüder in der Gemeinschaft des Glaubens, was bringt es mir, dass ich glaube?, diese Frage kann man immer wieder hören, wenn man mit anderen Menschen ins Gespräch kommt. Und es gibt Studien, die besagen, dass gläubige Menschen, dass sie sich ehrenamtlich stärker engagieren, sie zufriedener sind und schließlich auch länger leben. Natürlich freuen wir uns darüber immer und sehen es ein Stück weit als Bestätigung für uns selbst an oder als kleine Argumentationshilfe, wenn diese Frage in unserem Umfeld wieder auftaucht. Ein Grund, weshalb diese positiven Aussagen über Glaubende zutreffen, ist letztlich in dem einfachen Satz enthalten, der am Ende des Matthäus-Evangeliums steht und den wir soeben gehört haben: in der Zusage Jesu: Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt. (Mt 28,20) Das ist in der Tat eine Verheißung, die Mut macht und die trägt. Das ist das Fundament, auf dem wir stehen können. Und doch: bereits die Frage, was mir der Glaube bringt, scheint mir letztlich falsch gestellt. Sie entspringt dem heutigen Denken und hat ihren Grund in einem weit verbreiteten Materialismus: Alles, was ich tue, mit was ich meine Zeit verbringe, muss mir zu etwas dienen. Ich muss wenigstens etwas davon haben, wenn ich mich schon für Gott einsetze und für den Glauben etwas investiere. Wie anders ist da das Denken und Handeln Gottes! Er ist bereit, dem einen verlorenen Schaf nachzugehen und fragt nicht danach, ob das einen Nutzen darstellt oder nicht eher die anderen Schafe gefährdet. Wie anders ist das Beispiel Jesu, der für uns Menschen den Weg ans Kreuz gegangen und für uns gestorben ist! Er tat dies nicht, weil es ihm etwas gebracht hätte, sondern weil er uns dadurch Anteil am ewigen Leben schenken konnte. Ja, Gott fragt nicht nach dem Nutzen, sondern nach dem Dienst. Und damit zeigt er, was die richtige Haltung für uns ist, wenn wir ihm nachfolgen wollen. 1
Deshalb freut es mich, dass Sie für Ihren Kongress Freude am Glauben das Leitwort Die Kirche und ihre Sorge für die Menschen ausgewählt haben. Denn, liebe Schwestern und Brüder, darin können wir erkennen, worauf es für uns als Christen je persönlich und für uns als Kirche im Gesamten ankommt. Dass wir bereit sind, in der Nachfolge Christi, den Menschen zu dienen, uns um sie zu sorgen und für sie da zu sein. Deshalb ist es für die Kirche keine Frage des Kalküls, ob es in der Öffentlichkeit gut angenommen wird oder nicht, wenn wir Kindergärten und Seniorenheime unterhalten; es ist keine Frage der Berechnung, wenn wir zu Spenden aufrufen, wie jetzt für die hungernden Menschen in Ostafrika, oder wenn wir etwa in der Sternsinger-Aktion bereits den Kindern und Jugendlichen zeigen, dass es zum christlichen Glauben gehört und einen Wert darstellt, sich für ärmere Menschen zu engagieren. Es ist schlicht und einfach der Auftrag Jesu, den wir als Kirche, den jeder und jede Einzelne als Christ darin erfüllen. Und es tut heute, so meine ich, aus zwei Gründen Not, diesen Auftrag wieder klarer in den Blick zu nehmen. Zum einen deshalb, weil dieses Bewusstsein in der Bevölkerung, ja sogar unter Katholiken, offentsichtlich nicht mehr genügend präsent ist. Vor allem aber deshalb, weil wir uns dies als Kirche erneut vor Augen zu führen haben. In den vergangenen Jahren haben wir uns, wenn wir das selbstkritisch sagen dürfen, oftmals zu sehr in Strukturfragen gefangen so notwendig diese waren und sind, um in einer veränderten Situation Pastoral betreiben zu können. Und dabei haben wir ohne unseren Willen nicht nur nach außen hin das Bild abgegeben, es käme uns vor allem auf eine gute Versorgung und auf passende Strukturen an und wenn diese entsprechend geschaffen wären, dann sei schon irgendwie alles in Ordnung. Dem gegenüber müssen wir uns immer wieder daran erinnern lassen, dass das Entscheidende und Tragende unseres Glaubens nicht Strukturen sind, sondern Menschen, die von Jesus Christus begeistert sind; Priester wie Laien, die gemeinsam die Sendung Jesu aufgreifen, von der uns das Evangelium heute sagt: Geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern. (Mt 28,19) Diesen Auftrag können wir im Letzten nicht deshalb erfüllen, weil wir uns einen guten Plan zurechtgelegt hätten und dafür vielleicht auch die beste nur denkbare Ausrüstung bereit halten. Wir können ihm deshalb gerecht werden, weil wir spüren, dass wir von Christus ganz ergriffen sind, weil wir darum wissen, dass wir Gottes 2
Tempel sind. (vgl. 1 Kor 3,16) Das ist es, was von der ersten Stunde an die Jünger bewegt hat, weshalb sie bereit waren, Schwierigkeiten und Nachteile zu ertragen, weil ihnen das Herz brannte, als sie Jesus im Hören auf sein Wort und im Brechen des Brotes begegnet sind. (vgl. Lk 24) Deshalb ist es auch unsere erste und wichtigste Aufgabe, die Menschen zu Jesus Christus zu führen und mit ihm zu verbinden. Deshalb ist die Feier der Eucharistie und das Hören auf Gottes Wort nicht eine zusätzliche Pflicht, die wir als Christen eben auch noch zu erfüllen hätten. Es geht entscheidend darum, in der Feier der Liturgie das Fundament für unser christliches Leben zu legen und stets neu zu stärken. Papst Benedikt zeigt uns dies deutlich, wenn er sagt: Jeder Mensch braucht eine Mitte für sein Leben, eine Quelle der Wahrheit und der Güte, aus der er in der Abfolge der verschiedenen Situationen und in der Mühe des Alltags schöpfen kann. Beim stillen Innehalten hat ein jeder von uns nötig, nicht nur den eigenen Herzschlag, sondern das Pochen einer verlässlichen Gegenwart in größerer Tiefe zu verspüren, die mit den Sinnen des Glaubens wahrnehmbar und dennoch weitaus wirklicher ist: die Gegenwart Christi, des Herzens der Welt. Ja, weil wir in der Begegnung mit Christus erfahren, wie er sich um uns sorgt, wie er uns Heil schenkt, spüren wir, dass hier die Grundlage für unser Handeln als Christen liegt. Wer beschenkt ist, der kann geben. Wer geliebt wird, der kann lieben. Diese einfache Erfahrung ist es, die uns antreibt und der wir uns zugleich stets neu zu vergewissern haben, damit unser Tun nicht äußeren Aktionismus oder oberflächlicher Eifer wird. Immer wieder haben wir uns deshalb an Jesus Christus zu orientieren, uns mit ihm zu verbinden. Um es wieder mit den Worten unseres Heiligen Vaters zu sagen: Jedes mal, wenn wir [ ] an der Eucharistie, der Quelle und Schule der Liebe, teilnehmen, werden wir fähig diese Liebe zu leben, sie zu verkünden und sie durch unser Leben zu bezeugen. Denn es ist gewiss: was die Welt braucht, ist die Liebe Gottes Christus zu begegnen und an ihn zu glauben. Darum ist die Eucharistie nicht nur Quelle und Höhepunkt des Lebens der Kirche, sondern auch ihrer Sendung: eine authentisch eucharistische Kirche ist eine missionarische Kirche. Liebe Schwestern, liebe Brüder, ich bin Ihnen dankbar, dass es auf Ihrem Kongress hier in Karlsruhe Ihr Anliegen ist, deutlich zu machen, dass es genau darauf ankommt: aus der Liebe Christi, die uns in der Eucharistie begegnet, zu leben und damit beinahe von Innen her zu einer 3
missionarischen Kirche zu werden, die sich um die Menschen sorgt. Das ist es, was wir in unserer Kirche brauchen, was Papst Benedikt herausstellt, wenn er den Rat zur Neuevangelisierung ins Leben gerufen hat, um genau diesem Anliegen Rechnung zu tragen. Und aus der Eucharistie, dem Sakrament der Einheit, erwächst zugleich auch der Auftrag an uns, als Kirche diese Einheit zu leben und zu gestalten. Es wäre falsch verstanden, dies mit Uniformität gleich zu setzen. Es ist notwendig und uns aufgetragen, um den rechten Weg der Kirche in unserer Zeit zu ringen. Und wir sind nicht die einzigen und die ersten, die mit dieser Aufgabe betraut sind. Petrus und Paulus haben auf dem Apostelkonzil miteinander um den rechten Weg gerungen (Apg); seitdem haben zu allen Zeiten Gläubige, Theologen und Bischöfe danach gesucht, wie der Glaube in der jeweiligen Zeit verstanden werden und seine Ausdrucksform finden konnte, damit die Menschen die Schönheit des Glaubens erkennen können. Eine anspruchsvolle und zugleich eine nicht verzichtbare Aufgabe! Wir haben ja, liebe Schwestern und Brüder, das Evangelium nicht wie einen Meteoriten empfangen, der uns unmittelbar aus der Herrlichkeit Gottes zugefallen wäre und in dem alle Fragen, die uns beschäftigen, direkt eine Antwort enthielten, die wir dann nur noch umzusetzen bräuchten. Wir stehen vor der täglichen Aufgabe, das Evangelium heute zu verkünden, es in unsere Zeit zu übertragen, mit unserem Leben in Verbindung zu bringen. Und deshalb ist es für die Kirche in unserem Land wichtig, dass wir gemeinsam neu und vertieft auf Gott und aufeinander hören, dass wir darüber in den Dialog eintreten, wie der Glaube heute gelebt und seine Lebenskraft dem Menschen erschlossen und vermittelt werden kann. Wir wollen uns von Gott zeigen lassen, welchen Weg er uns in die Zukunft führen will. Dass sich diese Frage im Laufe der Zeit stets neu stellt, ist schon aus der Geschichte leicht zu erkennen und auch beinahe selbstverständlich, wenn wir bedenken, wie sehr sich das menschliche Miteinander die Jahrhunderte über verändert hat. Wie stark unterscheidet sich allein das heutige Lebensgefühl der Menschen, die überall auf der Welt mit allen ihren Freunden und Arbeitskollegen vernetzt sind, von dem, was noch vor 100 Jahren Realität war, wo man über den Nachbarort hinaus kaum mit anderen Menschen in Kontakt treten konnte. Ja, wir haben uns deshalb zu fragen, wie wir die bleibende Gültigkeit des Evangeliums heute so bezeugen, dass unsere Mitmenschen aufmerksam, neugierig und aufgeschlossen werden für die Güte und Liebe Gottes, die ihnen begegnet. 4
Der erste Weg dazu ist die persönliche Verbindung mit Gott selbst, der die Liebe ist. Nur in der Beziehung zu ihm und in der Bindung an ihn kann der Dialog, kann das Gespräch miteinander die entscheidend christliche Prägung erfahren. Und nur auf diese Weise kann uns gelingen, dass wir uns nicht wie politische Parteien gebärden und versuchen Mehrheiten durchzusetzen oder Allianzen zu schmieden. Wir haben ein klares Fundament und eine gemeinsame tragende Grundlage. Im Licht des Evangeliums und von ihm geleitet führen wir den Dialog; in der Einheit mit unserem Heiligen Vater lassen wir uns den Weg in die Zukunft führen. Nur so können wir etwas von dem erreichen, was uns im Sendungsauftrag Jesu Christi mitgegeben ist: andere von der Schönheit des Glaubens zu überzeugen und sie dafür zu begeistern. Und deshalb freue ich mich sehr, dass Papst Benedikt gerade in dieser Zeit zu uns nach Deutschland kommt, um uns auf diesem Weg zu stärken und wertvolle Impulse für diesen Weg zu geben. Er sagt es uns dabei deutlich mit dem Leitwort, das über seinem Besuch steht: Wo Gott ist, da ist Zukunft! Das gilt in der Tat, weil dort, wo wir Christen uns aus unserem Glauben heraus um die Menschen sorgen, ihnen neue Zukunft erwächst. Wo wir uns in der Frage des Lebensschutzes engagieren und den ungeborenen Kindern zu einer Zukunft verhelfen; wo wir uns in der Caritas der sozial Schwachen in unserem Land annehmen; wo wir uns gegen den weltweiten Hunger oder die Ausbeutung der Schöpfung einsetzen. Überall da wird sichtbar, dass aus dem Handeln von Gläubigen Zukunft gestaltet wird. Und doch bedeutet Zukunft für uns noch mehr: wir wissen darum, dass unser Leben hier auf der Erde nicht seine volle Erfüllung findet, dass wir eine Zukunft bei Gott haben, die über den Tod hinaus besteht. Eine hoffnungsvolle und trostreiche Botschaft, die uns immer wieder erfüllen darf! Ja, wir haben der Welt eine Botschaft zu bringen, derer sie notwendig bedarf und die für Gegenwart und Zukunft entscheidend ist. Vergeuden wir daher nicht unsere Zeit und Kraft durch Klagen, Jammern und Kritisieren! Zeigen wir, wie Papst Benedikt sagt, die Schönheit und den Lebenswert des Glaubens auf! Stellen Sie das Guter heraus, das uns Gott schenkt! Bleiben Sie bei Ihrem Leitwort Freude am Glauben! Stecken Sie Menschen an! Begeistern Sie für Jesus, sein Evangelium, seine Kirche! Leben entzündet sich an Leben, Glauben an Glauben, Freude an Freude! Liebe Schwestern, liebe Brüder, 5
eingangs stellten wir die Frage, was einem der Glaube bringen kann. Und ich habe darauf hingewiesen, dass dies nicht die Kategorie ist, in der gläubige Menschen denken, dass das nicht die Gedanken Gottes sind. Dass nicht der Nutzen, sondern das Dienen Grundhaltung christlichen Glaubens ist. Und doch: gerade weil das so ist, werden wir und auch unsere Gesellschaft durch das Engagement der Christen in der Tat reich beschenkt. Deshalb sind wir eingeladen, diese Freude am Glauben ausstrahlen! Denn wir sind erfüllt von einer tiefen Dankbarkeit Gott gegenüber, weil wir wissen, wie wertvoll wir in seinen Augen sind. Wir dürfen uns freuen über all das Gute, mit dem er uns beschenkt, und brauchen uns deshalb nicht über andere zu definieren, die uns unseren Glauben, die Gemeinschaft der Kirche und auch die ganze Gesellschaft in unserem Land madig machen wollen. Die Beziehung zu Jesus Christus, die Verbundenheit in der Gemeinschaft der Glaubenden, sie ist stärker: darüber dürfen wir uns freuen. 6