ALS EINFÜHRUNG: ASIEN FÜR SICH, FÜR UNS UND DIE WELT



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Transkript:

ALS EINFÜHRUNG: ASIEN FÜR SICH, FÜR UNS UND DIE WELT Asien aus dem Westen Was vermittelt uns Asien heute? Wir kennen Indien als Land, Staat und Subkontinent und seine Kultur und Gesellschaft in ihrer Vielgestaltigkeit, ebenso das zwar ethnisch und kulturell homogenere aber schon wegen des sich über alle Klimazonen unserer Erde geologisch hinziehende, vielgestaltige, unübersehbare China daneben das benachbarte zwar verwandte aber doch so andere Japan. Zwar weniger herausragend als diese drei Großen, aber jedes für sich eigene Vorstellungen erweckend: Das einstige Siam heute Thailand der Tempel und Könige, der Weltstadt Bangkok und weltbekannter Badestrände; das benachbarte und doch so andere Malaysia des Islam und der Sultane, der höchsten Zwillingstürme Asiens und der Welt im modernen Kuala Lumpur und der Brücke über den River Kwai; das Indonesien Balis, Borobodurs und Prampanans, einer zahllosen unübersehbaren Inselwelt, der Haupt- und Vielmillionenstadt Djakarta als das frühere Batavia unvergessen; das Burma Rangoons mit dem Goldenen und vielen anderen Tempeln, heute das Myanmar mit Yangon der Generale; Korea und Vietnam als mit dem Westen durch Blut und Emotionen verbundene Kriegsschauplätze; die Philippinen im äußersten Südosten als Inselwelt im Pazifik, Pakistan im Nordwesten kulturell fast schon Mittlerer Osten 1. Und blickt man in die Vergangenheit oft vieltausendjähriger Geschichte der einzelnen asiatischen Länder und Regionen zurück, so werden Verschiedenheiten, Eigenheiten und Besonderheiten noch deutlicher als sie heute unter der Tünche der Modernisierung erscheinen. Es gibt keine asiatische Geschichte, so wie es keine asiatische Zivilisation und keine asiatische Kultur gab und auch nicht gibt, während es sich durchaus von einer auch zurückreichenden westlichen und davor noch von einer europäischen Zivilisation bzw. Kultur sprechen lässt, auch wenn eine eigentliche europäische Geschichte erst sehr jungen Datums ist. Als man im griechischen Altertum einen ersten Begriff von der Existenz des Kontinents bekam und ihm einen Namen gab, von dem das heutige Asien bzw. Asia abgeleitet ist, kennzeichnete dieser eine vage Ferne und trifft heute noch, jedenfalls für seine Gesamtheit, zu 2. 1 Von dem hier und im Folgenden als einem anderen Asien abgesehen wird. 2 Im Römischen Reich hat es einmal eine im Jahre 133 v.ch. konstituierte, aber nicht dauerhafte Provinz mit Namen Asia gegeben.

2 Immerhin wird heute, in dem Maße, wie Asien global einbezogen wurde und viele seiner Länder als Wirtschaftspartner immer interessanter wurden, bei uns Asien nicht mehr nur als abstrakter geographisch zusammengefasster Begriff gesehen und verwendet, sondern auch für die Werbung entdeckt und im allgemeinen Sprachgebrauch verwendet. Handels- und Dienstleistungsfirmen, Wirtschaftsverbände und Fachmedien nannten sich so. Wissenschaftliche Institute haben ihre länderbezogenen Forschungen unter einen asiatischen Hut gebracht, wie dies auch schon früher vereinzelt der Fall war, so die ehrwürdige Asiatic Society in London schon früher in Kalkutta, die Ostasiatischen Vereine in Hamburg und Bremen (die das Ost beibehalten haben, auch wenn sich ihre Aktivitäten schon lange nicht mehr darauf beschränken); das 1958 entstandene wissenschaftlich renommierte Institut für Asienkunde in Hamburg. Aber selbst danach blieb und bleibt Asien ein mehr oder weniger abstrakter, geografischer und selbst dabei nicht eindeutiger, sowohl zu Afrika wie zu Europa ziemlich willkürlich abgegrenzter Begriff. Wie chinesische oder indische Freundschaftsgesellschaften oder solche aus anderen asiatischen Ländern mit westlichen Ländern, lässt sich keine asiatisch/westliche Freundschaftsgesellschaft, oder lassen sich keine wie Old China Hands oder India Wallahs Old Asia Hands vorstellen. Inder, Chinesen, Japaner und andere Asiaten identifizieren sich nicht als solche und mögen dies, wenn sie so bezeichnet werden, sogar als derogativ empfinden, während wir uns als Europäer bekennen, und dies auch unabhängig von der Idee eines vereinigten Europas aus den gemeinsamen hellenistisch/römischen kulturellen Wurzeln. In den asiatischen Ländern richtet sich die Pflege und Förderung des historischen kulturellen Bewusstseins ganz auf das nationale Erbe. Kaum ein Staat in Asien hat nicht sein Land im Rückblick auf seine nationale Geschichte und Kultur umgetauft: Ceylon wurde Sri Lanka, Burma Myanmar, Ostbengalen Bangladesh, Kambodscha Kampuchea, Peking Beijing, Bombay Mumbay usw. Dagegen ist kein Versuch bekannt, Asien seinerseits zu asiatisieren. Asien unterscheidet sich insofern nicht nur von Europa sondern auch von den anderen Erdteilen: In Nordamerika heißt der größte Staat nach dem Erdteil, in Australien sind Staat und Kontinent identisch, und Afrika nennen wir immerhin den Schwarzen Kontinent. Abgesehen von ihren gemeinsamen europäischen Wurzeln historischer und kontinentaler Gemeinsamkeiten für Amerika die Gestalt des Kolumbus, die Mayflower und die späteren Einwanderungswellen aus Europa, für Südamerika die Konquistadoren und die Befreiung von ihnen, für Australien die Pionierleistungen der ersten aus ihrer britischen Heimat strafverbannten und späterer Einwanderer. In Asien gibt es nichts Entsprechendes: Auch der Freiheitskampf gegen den Kolonialismus spielte sich

3 national und jeweils sehr verschieden ab. Will man Asien irgendwie insgesamt charakterisieren, so geht dies höchstens auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner, etwa Asien sei anders oder besonders uneinheitlich, auch in sich sehr verschieden. Das konturlose Bild Asiens hat eine westliche Tradition, die es über die objektive Wirklichkeit subjektiv noch mehr verschwimmen lässt: Sein Asien ist für England Indien, für Frankreich war es zuletzt Indochina, nachdem auf dem vorderindischen Subkontinent nach Ende der napoleonischen Kriege nur vereinzelte französische Reste übrig geblieben waren. Die Holländer fühlen sich noch immer mit dem heutigen Indonesien als dem ehemaligen holländisch-hinterindien, ungeachtet mangelnder Gegenliebe, nostalgisch verbunden. Den chinesischen Kuchen hatte sich der Westen gemeinsam aufgeteilt; auch deswegen wird China vielleicht noch am ehesten von uns als asiatisch identifiziert. Auf der anderen Seite scheint uns Japan so sehr einen eigenen Weg verfolgt zu haben, dass wir es schon fast westlich sehen, obwohl es eigentlich das dem Westen fremdeste Land in Asien ist. Nicht nur China, auch anderwärts wurde Asien mehr Objekt als Subjekt ein Feld westlicher Interessen, die sich überschnitten, mit denen man sich interwestlich auseinandersetzte und ausglich. Asien spielte dabei eine Nebenrolle: England gegen Frankreich in Indien, England und Russland in Zentralasien und Tibet mit Blick auf Indien, Holland gegen Portugal in Ceylon und im östlichen Hinterindien. Als sich nach dem zweiten Weltkrieg die kolonialen Herrschaften ab-, bzw. auflösten, wirkte sehr bald ideologisch und/oder opportunistisch motiviert die politisch/ideologische Konfrontation zwischen dem Westen und der Sowjetunion hinein, die beide ihre Interessen in Asien zu fördern suchten. Dazwischen, im und zum zweiten Weltkrieg, scheiterte der erste und soweit einzige Versuch, eine asiatische Identität durch die von Japan initiierte und propagierte Co-Prosperity-Idee zu wecken und sich ihrer zu bedienen. Die Erinnerung wirkt sich heute eher gegenteilig aus: Das Projekt starb nicht nur wegen Japans Niederlage sondern war durch seine Durchsichtigkeit als japanisches Machtinstrument außer mehr oder weniger zwangsweise vorübergehend in den von Japan besetzten Teilen Asiens wirkungslos. Es gibt im heutigen Asien keine gemeinsame asiatische Idee wie die der europäischen Einigung, und die Ansätze interasiatischer Zusammenarbeit,

4 auf die im Einzelnen zurückgekommen wird 3, sind funktional und regional begrenzt. Es gibt auch nichts der Institutionalisierung und Verwirklichung der Idee einer Sicherheitszusammenarbeit in der NATO Vergleichbares. Der Freundschafts- (und Schutz-) Vertrag der USA mit Japan und die Sicherheitszusammenarbeit mit Taiwan spaltet in Asien statt zu einigen; auch das einmal so willkommene Schutzschild Amerikas für Korea hat heute auch gegenteilige Auswirkungen. Betrachtet man Asien heute, nach Ende der Ost/West Konfrontation mit ihrem Höhepunkt in Asien, dem Vietnam-Konflikt, so lässt sich zwischen Abu Sayid auf den Philippinen, dem Konflikt um Osttimor, dem Problem der beiden Chinas und der Tibetfrage nicht auch nur entfernt eine verbindende asiatische Idee erkennen. Gewiss, es gibt jetzt Gemeinsamkeiten im Anti-Terrorismus; aber diese gehen über Asien hinaus. Er ist mit dem Westen ein globales Phänomen. Im Verständnis aus dem Westen war es ein radikaler Bruch mit den bisherigen Vorstellungen, als in den achtziger Jahren vor der 2000-Wende das asiatische Wirtschaftswunder entdeckt wurde. Und es tat jedenfalls dem asiatischen darin keinen Abbruch, als die Asienkrise folgte. Im Gegenteil wurde die asiatische Identität noch erhärtet, als in Asien als Reaktion und Konfrontation zum Westen und der ihm zugeschriebenen Globalisierung die asiatischen Werte erfunden wurden. Es bedurfte dafür auch keines besonderen intellektuellen Anstoßes wie seinerzeit die Neuerkenntnis des Verhältnisses Westeuropas zu Nordamerika durch Servan- Schreibers The American Challenge oder des japanischen Verhältnisses zum seinerzeitigen Sieger USA mit Man kann auch NEIN sagen als Zeichen eines psychologischen Wandels. Wie meist schwingt bei solchen Neuerkenntnissen in unserer Zeit der Mediatisierung das Pendel weiter aus als realistisch gerechtfertigt. Weder stimmt es absolut, dass es früher keine interasiatischen Zusammenhänge gab, noch dass jetzt Asien im Begriff ist, eine einheitliche Wirtschaftsmacht zu werden oder dies bereits sein soll. Eine europäische Integration lässt sich in Asien nicht wiederholen oder auch nur vorstellen. Abgesehen von den kulturellen Eigenheiten, die sich zwar oberflächlich abschleifen mögen, andererseits aber ausdrücklich und bewusst gepflegt und gefördert werden, sind Größen- und Machtverhältnisse mit zumindest einer wenn nicht zwei potentiellen Supermächten und mindesten drei Nuklearmächten zu stark, und sind Wohlstands- und Entwicklungszustand zu verschieden. Auch ist die neue asiatische Wirtschaftsdynamik weniger nach innen, viel- 3 Hier wirkte sich unerwartet aber sehr augenfällig ein neues Phänomen aus, jedoch begrenzt und konzentriert auf die Wirtschaftsentwicklung.

5 mehr und vor allem nach außen, über Asien hinaus gerichtet, mit der Öffnung als Anstoß und der Globalisierung als Rahmen. Auf der anderen Seite hat es geschichtlich und bis in die Gegenwart interasiatische Zusammenhänge gegeben: Das Vordringen indischer Kultur und des Buddhismus nach Osten und die Verbreitung der Ideen des Konfuzianismus nach Ost- und Südostasien hatte man vielleicht nicht so wahrgenommen, weil es sich im Gegensatz zum Islam und in manchen Phasen des Christentums durchweg gewaltlos vollzog. Neueren Datums und von unmittelbarer Bedeutung für die asiatische Renaissance im Wirtschaftswunder sind die interasiatischen (aber auch darüber hinaus reichenden) Netzwerke der Übersee-Chinesen und Auslands-Inder. Zählt man die Hongkong-Chinesen zu ersteren hinzu, so kam und kommt mehr als die Hälfte des Auslandskapitals in China von chinesischen Unternehmern und nationalgesinnten philanthropischen Mäzenen im Ausland. Die indische Regierung ist gezielt bemüht, durch Präferenzbedingungen die oft milliardenreichen Auslands-Inder für Anlagen in Indien zu gewinnen, mit dem sie häufig nicht nur ethnisch sondern auch kulturell und emotional als ihrer alten Heimat verbunden geblieben sind. Gerade dies, und noch mehr als bei den Auslandsindern, bei den eng an ihre kulturellen Eigenheiten festhaltenden Übersee-Chinesen, erschwert die Integration in den jeweiligen neuen Heimaten; dessen ungeachtet schlagen sich die Netzwerke des Übersee- Chinesen und Auslands-Inders, in ihren alten und neuen Heimaten sowieso, auch gesamtasiatisch nieder. Für den Westen war das Erwachen Asiens unter der Idee des wirtschaftlichen Fortschritts eine Desillusionierung: Von Asien erwartete man nicht materielles Wohl sondern Seelenheil mit dem Höhepunkt der Theosophie-Bewegung um die vorletzte Jahrhundertwende. Dieses Sammelsurium von Elementen aller aber besonders der asiatischen Religionen ist heute vergessen, auch wenn die gefühlsmäßige Anziehung einer gewissen Mystik in westlichen Jugendkreisen noch nachwirken mag. Seither ist Asien durch das Fegefeuer des Marxismus bis Leninismus und Maoismus gegangen, das als entschlackten Kern die Idee des wirtschaftlichen Fortschritts übrig gelassen hat. Seine Erfolge bestimmen heute das Bild aus dem Westen, als augenfälligstes Symptom die großen Metropolen von Bombay bis Shanghai, Hongkong und Singapur, Tokio und Seoul, als Substanz BSP-Wachstums-Prozente und als Schauplatz der Begegnung der Rahmen der Globalisierung.