Onkologische Medikamente und Phytotherapeutika Gibt es Wechselwirkungen?

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Transkript:

J. Ziemann, C. Ritter, Klinische Pharmazie, Institut für Pharmazie, Ernst-Moritz-Arndt-Universität, Greifswald. 07. Dezember 2017 Onkologische Medikamente und Phytotherapeutika Gibt es Wechselwirkungen? Kompetenznetz Komplementärmedizin in der Onkologie (KOKON) Selbst etwas aktiv gegen die Erkrankung zu tun das ist der Wunsch vieler Krebspatienten. Deshalb treten die Betroffenen immer häufiger mit Nachfragen zu Verfahren der Komplementärmedizin an die behandelnden Ärzte heran. Phytopharmaka können nicht nur Nebenwirkungen der Chemotherapie und tumorbedingte Beschwerden lindern, sondern zeigen in verschiedenen Zellstudien vielfach selbst zytotoxische und Apoptose-induzierende Eigenschaften. Dem potenziellen Nutzen steht jedoch das Risiko gegenüber, den Erfolg der bisherigen Behandlung durch Wechselwirkungen negativ zu beeinflussen. In den verfügbaren Informationssystemen sind Wechselwirkungen mit pflanzlichen Zubereitungen bislang aber unzureichend abgebildet. Dieser Artikel soll einen Überblick über die Schwierigkeiten bei der Bewertung des Interaktionspotenzials im Bereich der Komplementärmedizin geben und das Interaktionsrisiko ausgewählter Pflanzen aufzeigen. Mit der steigenden Zahl neu diagnostizierter Krebserkrankungen wächst auch das öffentliche Interesse an Verfahren der Komplementärmedizin. Diese werden zumeist von Patienten ergänzend zur konventionellen Therapie eingenommen, um Nebenwirkungen zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern (1). Insbesondere die Einnahme von Phytopharmaka ist wegen der guten Verträglichkeit und der geringen Nebenwirkungen weit verbreitet (2). Zu möglichen Wechselwirkungen pflanzlicher Präparate mit Arzneistoffen, die in der Onkologie eingesetzt werden, finden sich in derzeitig verfügbaren deutschsprachigen Datenbanken allerdings nur wenige Informationen. Im Rahmen des Verbundforschungsprojekts KOKON Kompetenznetz Komplementärmedizin in der Onkologie (www.kompetenznetz-kokon.de) wird unter anderem die Studienlage zu pharmakokinetischen Wechselwirkungen verschiedener Phytopharmaka systematisch aufgearbeitet und mittels eines eigens entwickelten Bewertungsalgorithmus klassifiziert. Daraus werden eine dynamische Interaktionsmatrix und Interaktionsprofile verschiedener Pflanzen entwickelt, die zur Beurteilung von Wechselwirkungen im Praxis- und Klinikalltag herangezogen werden können. Welche Aspekte bei der Bewertung des Interaktionspotenzials berücksichtigt werden müssen, soll anhand des folgenden Fallbeispiels demonstriert werden.

Curcumin Eine 70-jährige Frau wird aufgrund eines ossär metastasierenden Mammakarzinoms derzeit mit Everolimus und Aromasin behandelt. Die Patientin hat von der positiven Wirkung von Kurkuma bei Brustkrebs gehört und bittet den Arzt um Rat, wie er die Einnahme von Curcumin 2 Gramm/Tag zusätzlich zu dem bisherigen Therapieschema beurteilt. In Deutschland ist Kurkuma vor allem als Hauptbestandteil von Curry bekannt, das dem Pulver seine charakteristische Farbe verleiht. Doch in der ayurvedischen Medizin ist die Pflanze Curcuma longa L. bereits seit Jahrtausenden viel mehr als nur ein Gewürz. Für die Gewinnung sowohl des Gewürzpulvers als auch von arzneilich verwendeten Extrakten ist vor allem der Wurzelstock der Pflanze von pharmazeutischer Bedeutung. Abhängig von den Anbaubedingungen, enthält ein Gramm des getrockneten Wurzelstocks zwischen 30 und 50 mg Curcuminoide, die sich überwiegend aus den Inhaltsstoffen Curcumin, Desmethoxycurcumin und Bisdesmethoxycurcumin zusammensetzen (3). Des Weiteren sind ätherische Öle und Stärke enthalten. Untersuchungen an Zellmodellen zeigen, dass vor allem Curcumin neben antioxidativen und anti-inflammatorischen Eigenschaften auch Einfluss auf das Tumorwachstum hat (4). Der genaue Wirkmechanismus ist aber bislang unbekannt. Es scheint, dass Curcumin die Expression verschiedener Transkriptionsfaktoren wie NF-kappaB (nuclear factor kappa-light-chainenhancer of activated B-cells) hemmt und so die Apoptose von Tumorzellen fördert (5-6). Produktvariabilität Auf dem deutschen Markt findet sich eine Vielzahl an Präparaten, die aus Curcuma longa gewonnen wurden und die sich in ihrer Zusammensetzung und dem Wirkstoffgehalt unterscheiden (Tab. 1). Der Großteil der Produkte besitzt den rechtlichen Status eines Nahrungsergänzungsmittels. Diese unterliegen weit weniger strengen Anforderungen und Auflagen als Arzneimittel, da zur Anzeige kein Wirksamkeitsnachweis erforderlich ist. Wenngleich die angebotenen Darreichungsformen wie Tabletten, oder Tinkturen mit Arzneimitteln vergleichbar sind, gelten Nahrungsergänzungsmittel gemäß Verordnung über Nahrungsergänzungsmittel als Lebensmittel, die als Ergänzung zur normalen Ernährung dienen. Welche Stoffe im Einzelnen zugesetzt werden dürfen und welche Höchstmengen verbindlich sind, ist bislang auf rechtlicher Ebene nicht eindeutig festgelegt, weshalb es produktspezifische Unterschiede in der Zusammensetzung und Qualität gibt. Aufgrund der Variabilität und häufig niedrig eingesetzten Konzentrationen der Inhaltsstoffe ist das Interaktionspotenzial für Nahrungsergänzungsmittel schwer abschätzbar und von Arzneimitteln abzugrenzen. Tab. 1: Auswahl an Kurkuma-/Curcuminhaltigen Präparaten, die in Deutschland erhältlich sind. AM=Arzneimittel, HAM=homöopathisches Arzneimittel, =Nahrungsergänzungsmittel Präparat-Name Hersteller Inhaltsstoffe Status

Curcuflex Weichgelatinekapseln twosmile Curcuma-Extrakt Curcumin-Loges Curcu-Truw Curcusol Curcuma 200 mg GPH Curcuma 500 mg Curcuma longa Urtinktur Heidelberger Chlorella Dr. Loges Truw Köhler Pharma Hecht/Gall Vita-World DHU Extrakt (=42 mg Curcumin) Extrakt, Schwarze Extrakt Extrakt (=35,5 mg Curcumin), Vitamin D [Mizellen] Pfefferfrucht- Trockenextrakt AM Curcumin [Mizellen] Curcumin C3 Komplex Konzentrat, Schwarze Extrakt Curcuma longa Urtinktur D1 HAM Curcuma Pulver G&M Naturwaren Kurkuma Curcumin-Extrakt 45 Dr. Wolz Zell Curcuma Bio allcura Dr. Jacob's Curcumin K2 green line Curcuma 400 mg pure encapsulations Curcumin 500 Dr. Jacobs Medical 11 A Curcumin Cyclodextrin] Kurkuma, Piperin Phospholipid (=90 mg Curcumin) Vitamin K und D, Silicium Nutritheke/Hawlik Extrakt pro medico Extrakt, Schwarze Kurkuma- Pfefferfrucht- [Gamma- Curcumin- Kurkuma- Pfefferfrucht- Extrakt

OrthoDoc Curcumin Kyberg Vital Extrakt, Schwarze Pfefferfrucht- Extrakt Die Anzahl an zugelassenen pflanzlichen Arzneimitteln ist aber mit Ausnahme weniger Pflanzenzubereitungen überschaubar. Für Curcuma longa findet man im apothekenpflichtigen Bereich lediglich Curcu-Truw -, die zur Therapie von dyspeptischen Beschwerden zugelassen sind. Daneben existieren homöopathische Zubereitungen, die im Hinblick auf das Interaktionsrisiko ebenfalls gesondert betrachtet werden müssen, da sie typischerweise Verdünnungen der Ausgangsstoffe enthalten. Problem Bioverfügbarkeit Neben dem Wirkstoffgehalt ist auch die Formulierung für die Bewertung des Interaktionspotenzials entscheidend, da nur derjenige Stoff eine Wechselwirkung verursachen kann, der in den Körper aufgenommen wird. Wie viele andere pflanzliche Inhaltsstoffe ist Curcumin sehr schwer wasserlöslich, wodurch es bei oraler Applikation nur zu einem geringen Teil im Magen-Darm-Trakt resorbiert wird. Mittels pharmazeutischer Technologien zur Herstellung von Formulierungen aus Mizellen, Mikrokristallen oder Nanopartikeln kann die Bioverfügbarkeit des Curcumins aus diesen Formulierungen jedoch gegenüber der Einnahme eines reinen Kurkuma-Extraktes gesteigert werden (7-11). Auch die Kombination mit Piperin aus schwarzem Pfeffer hat sich als sinnvoll erachtet, da das Alkaloid die hepatische und intestinale Glucuronidierung von Curcumin und damit dessen Ausscheidung aus dem Körper hemmt (12-13). Untersuchungen zufolge sind diese Kombipräparate mit Piperin jedoch gegenüber neueren Herstellungstechnologien hinsichtlich der Bioverfügbarkeit unterlegen (14). Die variablen Plasmakonzentrationen von Curcumin nach Verabreichung verschiedener Kurkuma-Extrakthaltiger Formulierungen sind exemplarisch in Abbildung 1 dargestellt. Abb. 1: Maximale Plasmaspiegel von Curcumin nach Verabreichung verschiedener Dosen und Formulierungen Kurkuma-Extrakthaltiger Präparate. Interaktionsstudien mit Phytopharmaka Trotz der Relevanz der Thematik ist die Datenlage zum Interaktionspotenzial von Phytopharmaka

größtenteils undurchsichtig und zumeist sehr dünn. Häufig kann eine Bewertung nur anhand von In-vitro-Daten vorgenommen werden, da klinische Untersuchungen zu potenziellen Wechselwirkungen mit synthetischen Arzneistoffen fehlen. Des Weiteren basiert eine Vielzahl der Ergebnisse auf Tiermodellen, die etwa aufgrund der unterschiedlichen Enzymausstattung im Vergleich zum Menschen zur Abschätzung des Interaktionsrisikos aber ungeeignet sind. Einen Überblick über die Studienlage und das Spektrum der durchgeführten Studien für ausgewählte Pflanzen gibt Abbildung 2. Abb. 2: Anzahl an Studien, die zum Interaktionspotenzial von Präparationen der genannten komplementärmedizinisch angewandten Pflanzen systematisch recherchiert wurden; blaue Balken geben die Anzahl an In-vitro-Untersuchungen, orangefarbene Balken die Anzahl an klinischen Studien wieder ( KOKON). Für Curcuma longa existieren zahlreiche präklinische Studien sowie insgesamt 8 klinische Studien, die den Einfluss eines Extrakts oder des Hauptinhaltsstoffs Curcumin auf verschiedene Cytochrom P450 (CYP)-Enzyme und Transporter untersuchen. Davon liegen die meisten Daten zu CYP3A4 vor, das am Stoffwechsel von über 50% der in der Onkologie eingesetzten Arzneistoffe beteiligt ist. Im Zellmodell werden enzymhemmende Eigenschaften eines Extrakts auf CYP3A4 beschrieben (15). Für Curcumin liegen in vitro sehr inkonsistente Daten vor. Das Spektrum reicht von keiner Beeinflussung bis hin zu einer starken Inhibition (16-22). Weitere Inhaltsstoffe wie Desmethoxycurcumin zeigen in präklinischen Studien keinen Effekt auf die Enzymaktivität von CYP3A4 oder im Falle von Bismethoxycurcumin lediglich eine schwache Hemmung (21). Dem gegenüber stehen die Ergebnisse von 2 klinischen Untersuchungen. Eine klinische Untersuchung beschreibt eine nicht signifikante Abnahme der renalen Ausscheidung von 3-Methoxymorphinan (einem über CYP3A4 gebildeten Metaboliten von Dextromethorphan) (23). In einer zweiten randomisierten Cross-over-Studie an 10 gesunden Probanden konnten keine signifikanten Veränderungen der pharmakokinetischen Parameter von Nifedipin, einem Test-Substrat für CYP3A4, durch den Extrakt von Curcuma longa beobachtet werden (15). Allerdings lagen die gemessenen Plasmaspiegel von Curcumin in dieser Studie unterhalb der Nachweisgrenze. Bewertung von Wechselwirkungen Im Rahmen von pharmakokinetischen Wechselwirkungen kann eine Enzymhemmung durch

pflanzliche Zubereitungen zu einer Wirkungsverstärkung des synthetischen Arzneistoffs führen, wodurch der Effekt potenziert werden kann, aber auch vermehrt Nebenwirkungen auftreten können. Auf der anderen Seite kann aus einer Kombination auch eine vermehrte Expression metabolisierender Enzyme und damit eine Wirkungsabschwächung resultieren, die das Risiko für unerwünschte Arzneimittelwirkungen senkt, allerdings auch einen Wirkungsverlust zur Folge haben kann. Um daher das Interaktionsrisiko bewerten zu können, ist es auch wichtig, die pharmakokinetischen und pharmakodynamischen Eigenschaften des eingesetzten Arzneistoffs zu kennen. Everolimus ist ein Wirkstoff aus der Gruppe der Immunsuppressiva, der als selektiver Hemmstoff des Enzyms mtor (mammalian target of rapamycin) unter anderem bei Nierenzell- und Mammakarzinom eingesetzt wird. Da Everolimus als Substrat von CYP3A4 und P-Glycoprotein hauptsächlich über diese Proteine verstoffwechselt und durch transmembranären Transport ausgeschieden wird, können Inhibitoren oder Induktoren dieses Enzyms bzw. Transporters den Plasmaspiegel des Arzneistoffs beeinflussen. Im Rahmen der Therapie eines fortgeschrittenen Hormonrezeptor-positiven, HER2/neu-negativen Mammakarzinoms wird Everolimus häufig mit dem Aromatase-Inhibitor Exemestan kombiniert, das wie Everolimus ein Substrat von CYP3A4 ist. Da keine direkten Wechselwirkungsstudien zwischen diesen Arzneistoffen und Curcuma longa vorliegen, ist für das oben genannte Beispiel eine Abschätzung des Interaktionspotenzials nur durch Extrapolation der Ergebnisse von Studien mit Test-Substraten von CYP3A4 und P- Glycoprotein möglich. Obwohl die durchgeführten klinischen Studien keine relevanten Effekte auf die Aktivität von CYP3A4 finden konnten, kann eine Beeinflussung der Therapie mit Everolimus + Exemestan durch Curcumin derzeit nicht sicher ausgeschlossen werden, da die in den Studien eingesetzten Präparate möglicherweise eine mangelnde Bioverfügbarkeit der Inhaltsstoffe aufweisen. Mit der Entwicklung von Formulierungen, die zu einer Steigerung der Bioverfügbarkeit führen, müssen dementsprechend auch eigene Studien zu deren Interaktionspotenzial durchgeführt werden. Dies gilt in besonderem Maße für Präparationen, die systemisch angewendet werden. Onkologen stehen derzeit an die 200 wirksame Arzneistoffe zur Krebstherapie zur Verfügung. Mit Hilfe der Abbildung 3 soll das Spektrum für ein Interaktionsrisiko zwischen ausgewählten Phytopharmaka und in der Onkologie eingesetzten Arzneistoffen graphisch veranschaulicht werden. In der Darstellung sind Supportivtherapeutika, die in der Betrachtung des Wechselwirkungsrisikos komplexer Therapieregime ebenfalls berücksichtigt werden müssen, bisher noch nicht inbegriffen.

Abb. 3: Spektrum und Häufigkeit abgeschätzter Risiko-Kategorien des pharmakokinetischen Interaktionspotenzials von Phytopharmaka mit 156 regelmäßig in der Onkologie eingesetzten Arzneistoffen ( KOKON). Zusammenfassung Das steigende Interesse an komplementären Verfahren, insbesondere Phytopharmaka, stellt behandelnde Onkologen vor neue Herausforderungen. Es gilt nicht nur die Wirksamkeit der pflanzlichen Zubereitung zu bewerten, sondern auch eine negative Beeinflussung der bisherigen Therapie zu vermeiden. Zytostatika besitzen in der Regel eine enge therapeutische Breite, weshalb der Plasmaspiegel durch Wechselwirkungen relativ schnell unterhalb der wirksamen Konzentration fallen oder in den toxischen Bereich ansteigen kann. Hinzu kommt, dass neue Onkologika teilweise über sehr lange Zeiträume von den Patienten peroral eingenommen werden müssen. Daher ist es besonders wichtig, potenzielle Wechselwirkungen bei der Auswahl der Medikation zu beachten, da dies sonst gravierende Folgen für die Patienten haben kann. Phytopharmaka sind komplexe Stoffgemische, zu deren Pharmakokinetik in vielen Fällen wenig bekannt ist. Daher kann vielfach nur eine grobe Abschätzung des Interaktionspotenzials vorgenommen werden. Die geringe Evidenzlage und die Produktvariabilitäten erschweren zudem die Bewertung. Das Kompetenznetzwerk KOKON arbeitet diese Informationen systematisch auf und verfasst Arbeitshilfen für den Praxisalltag. Es müssen jedoch, insbesondere nachdem eine klinische Wirksamkeit von Phytotherapeutika festgestellt wurde, gezielt klinische Studien durchgeführt werden, um die Relevanz des Interaktionspotenzials tatsächlich abschätzen zu können. Das Kompetenznetz Komplementärmedizin in der Onkologie KOKON wird durch die Stiftung Deutsche Krebshilfe e.v. (Fördernummern 109863 und 70112369) gefördert. Für die Mitarbeit im Projekt danken wir außerdem Laura Sachs, Anwar Siddique und Anja Thomalla.

Prof. Dr. rer. nat. Christoph Ritter Klinische Pharmazie, Institut für Pharmazie Ernst-Moritz-Arndt-Universität Friedrich-Ludwig-Jahn-Str. 17 17489 Greifswald Tel.: 0383/44204834 E-Mail: ritter@uni-greifswald.de Dipl. Pharm. Janine Ziemann Klinische Pharmazie, Institut für Pharmazie Ernst-Moritz-Arndt-Universität Friedrich-Ludwig-Jahn-Str. 17 17489 Greifswald Tel.: 0383/44204829 E-Mail: janine.ziemann@uni-greifswald.de

ABSTRACT J. Ziemann, C. Ritter, Klinische Pharmazie, Institut für Pharmazie, Ernst-Moritz-Arndt-Universität, Greifswald Cytotoxic and apoptotic effects of plants in tumor models support the notion that herbal remedies give rise to new strategies in cancer treatment. Promoted by the media as novel cures, the application of herbal drugs additional to chemotherapy increases continually. Phytochemicals are widely acknowledged for their good tolerability but the risk of interactions is often underestimated. Currently, the assessment of herb-drug-interactions is difficult because of mostly inadequate information in databases and the absence of clinical studies. This article tries to demonstrate the challenges to estimate interactions particularly considering product-specific variability of herbal remedies and to give a rough summary of the estimated interaction risk between selected plants and anticancer drugs. Keywords: Phytochemicals, oncology drugs, herb-drug-interaction risk