Conseil UE RAT DER EUROPÄISCHEN UNION Brüssel, den 20. Dezember 2006 (04.01) (OR. en) PUBLIC 15464/06 LIMITE JUSTCIV 250 EF 57 ECOFIN 415 VERMERK des Vorsitzes für den Ausschuss für Zivilrecht (Allgemeine Fragen) Nr. Kommissionsvorschlag: 16292/03 JUSTCIV 273 Betr.: Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Unterzeichnung des Haager Übereinkommens über die auf bestimmte Rechte in Bezug auf Intermediär-verwahrte Wertpapiere anzuwendende Rechtsordnung Sachstandsbericht I. EINLEITUNG 1. Das Haager Übereinkommen über die auf bestimmte Rechte in Bezug auf Intermediär-verwahrte Wertpapiere anzuwendende Rechtsordnung (Haager Wertpapier-Übereinkommen) ist im Rahmen der Haager Konferenz ausgehandelt und in der diplomatischen Sitzung der Konferenz im Dezember 2002 angenommen worden. 2. Das Übereinkommen enthält eine Kollisionsnorm zur Bestimmung der für eine Reihe von Fragen in Bezug auf Intermediär-verwahrte Wertpapiere anzuwendenden Rechtsordnung; zu diesen Fragen gehören die Rechtsnatur und die Wirkung einer Verfügung über Intermediärverwahrte Wertpapiere, Voraussetzungen für die Herbeiführung der Drittwirkung einer Verfügung und der Vorrang des Rechts einer Person an Intermediär-verwahrten Wertpapieren gegenüber einem konkurrierenden Recht. Das Übereinkommen erlaubt es den Parteien einer Kontovereinbarung, das für bestimmte Rechte an Intermediär-verwahrten Wertpapieren geltende Recht zu wählen. Die Anwendung dieses Rechts unterliegt bestimmten Voraussetzungen, die im Übereinkommen niedergelegt sind. 15464/06 ds/mt/ps 1
3. Mit dem Übereinkommen wird darauf abgezielt, eine weltweit einheitliche Kollisionsregel aufzustellen, mit der die Rechtssicherheit für die Marktteilnehmer verbessert wird. 4. Das Übereinkommen ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt von den USA und der Schweiz unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert worden. Es ist noch nicht in Kraft getreten. II. VORSCHLAG DER KOMMISSION ZUR UNTERZEICHNUNG DES ÜBEREINKOMMENS 5. Die Kommission hat dem Rat am 15. Dezember 2003 einen Vorschlag zur Unterzeichnung des Haager Wertpapier-Übereinkommens übermittelt. 1 In der Begründung des Vorschlags hat die Kommission erklärt, dass die Gemeinschaft vor dem Beitritt zu dem Übereinkommen ihre eigenen Rechtsvorschriften 2 anpassen muss und dass die für die Änderung der Richtlinien erforderlichen Vorschläge zu einem späteren Zeitpunkt zusammen mit einem Vorschlag für einen Beschluss über den Abschluss des Übereinkommens vorgelegt würden. III. BERATUNGEN IM RAT 6. Der Vorschlag der Kommission ist mehrfach im Ausschuss für Zivilrecht (Allgemeine Fragen) erörtert worden. Eine Mehrheit der Delegationen hat den Vorschlag zwar befürwortet, aber eine Reihe von Delegationen hat sich gegen ihn ausgesprochen, und es konnte keine Einigung über den Vorschlag erzielt werden. 7. Die Europäische Zentralbank (EZB) ist am 17. März 2005 ersucht worden, zum Kommissionsvorschlag Stellung zu nehmen. 3 1 2 3 Dok. 16292/03 JUSTCIV 273. Die betroffenen Gemeinschaftsinstrumente sind insbesondere die Richtlinien 98/26/EG, 2001/24/EG und 2002/47/EG. Dok. 7669/05 JUSTCIV 64. 15464/06 ds/mt/ps 2
8. Der Rat hat die Kommission im Juni 2005 ersucht, eine Reihe von Fragen zu prüfen, die von der EZB in ihrer Stellungnahme vom 17. März 2005 aufgeworfen wurden. Im Juli 2006 ist eine Studie vorgelegt worden, die vom Ausschuss für Zivilrecht erörtert worden ist. 1 In dieser Studie hat die Kommission den Standpunkt vertreten, dass die meisten der von der EZB angesprochenen Fragen kein Hindernis für den Abschluss des Übereinkommens durch die Gemeinschaft darstellen würden. Sie hat jedoch erklärt, dass es sinnvoller sein könnte, dafür zu sorgen, dass bei einem Wertpapier-Abrechnungssystem nur eine einzige Rechtsordnung als das geltende Recht für Wertpapiere, die von den Teilnehmern des Systems gehalten werden, verwendet wird. Eine solche Regel wäre nach Auffassung der Kommission mit dem Übereinkommen vereinbar und könnte in das bestehende Gemeinschaftsrecht einbezogen werden. 9. Die Kommission hat das Fazit gezogen, dass drei Optionen bestehen: a) Unterzeichnung des Übereinkommens und Beitritt zum Übereinkommen ohne Begleitmaßnahmen, mit Ausnahme der erforderlichen technischen Anpassungen (Option 1); b) Unterzeichnung des Übereinkommens und Beitritt zum Übereinkommen mit Begleitmaßnahmen in Bezug auf Wertpapier-Abrechnungssysteme (Option 2); c) kein Beitritt zum Übereinkommen (Option 3). 10. Die Kommission hat erklärt, dass sie Option 2 den Vorzug gibt, da Option 3 nach ihrer Ansicht nicht weltweit zu Rechtssicherheit führen kann, es sei denn, es wäre möglich, weltweit eine andere Kollisionsregel als die Kollisionsregel des Übereinkommens zu vereinbaren. 11. Die Mehrheit der Delegationen hat sich für die Option 2, die die Kommission in ihrer Studie skizziert hat, ausgesprochen. Mehrere Delegationen waren jedoch nicht für eine Unterzeichnung zum gegenwärtigen Zeitpunkt, da sie Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen des Übereinkommens hatten. 12. Die Dienststellen der EZB haben am 6. Oktober 2006 zu der Studie Stellung genommen. 2 1 2 Dok. 10918/06 JUSTCIV 154. Dok. 14014/06 JUSTCIV 226. 15464/06 ds/mt/ps 3
13. Der Vorsitz hat am 9. Oktober 2006 ein Dokument vorgelegt, in dem die Grundzüge eines möglichen Kompromisses zur Unterzeichnung des Haager Wertpapier-Übereinkommens gemäß Option 2 der Kommissions-Studie 1 erläutert werden (siehe Abschnitt 11). Das Dokument des Vorsitzes und das Dokument der EZB-Dienststellen sind vom Ausschuss für Zivilrecht (Allgemeine Fragen) im Oktober 2006 erörtert worden. 14. Vor dem Hintergrund der Standpunkte der Delegationen und der EZB hat der Vorsitz den Wortlaut seines Kompromissvorschlags (siehe Anlage) geändert. Der Vorschlag enthält drei Ansatzpunkte: Erstens wird vorgeschlagen, dass ein Zeitrahmen für die Unterzeichnung des Übereinkommens durch die Gemeinschaft, die erforderlichen Anpassungen des Gemeinschaftsrechts und den Abschluss des Übereinkommens durch die Gemeinschaft festgelegt wird. Zweitens wird vorgeschlagen, dass im Grundsatz vereinbart wird, dass der Gesetzgeber gemäß Option 2 der Kommissions-Studie bestimmte Regeln über Abrechnungssysteme auferlegt und damit die freie Wahl des geltenden Rechts einschränkt. Drittens würde die Gemeinschaft bei der Unterzeichnung des Übereinkommens eine Erklärung abgeben, in der ihr Verständnis des Übereinkommens für Drittländer transparent gemacht wird. 15. Der Vorsitz hat vorgeschlagen, zu erörtern, ob die EZB zu diesem neuen Text gehört werden soll. Der Ausschuss für Zivilrecht hat die Frage im November 2006 erörtert. Mehrere Delegationen konnten sich für eine neuerliche Anhörung der EZB aussprechen, mehrere andere Delegationen waren jedoch zurückhaltend oder ganz und gar dagegen. 1 Dok. 13268/06 JUSTCIV 204. 15464/06 ds/mt/ps 4
IV. FAZIT 16. Der Vorsitz räumt ein, dass es nicht möglich war, eine Einigung über eine Anhörung der EZB auf der Grundlage seines letzten Kompromissvorschlags zu erzielen. Vor dem Hintergrund der Beratungen des Ausschusses a) ersucht der Vorsitz die Delegationen, die im zweiten Halbjahr 2006 auf diesem Gebiet geleistete Arbeit zur Kenntnis zu nehmen; b) hat der Vorsitz den Eindruck, dass einige Delegationen mehr Zeit für weitere Überlegungen zur Frage der Unterzeichnung des Übereinkommens benötigen. 15464/06 ds/mt/ps 5
ANLAGE Grundzüge eines Kompromisses betreffend die Unterzeichnung des Haager Übereinkommens über die auf bestimmte Rechte in Bezug auf Intermediär-verwahrte Wertpapiere anzuwendende Rechtsordnung 1. Der JI-Rat sollte auf einer seiner nächsten Tagungen über die Unterzeichnung des Haager Wertpapier-Übereinkommens befinden. Die Gemeinschaft sollte das Übereinkommen im Laufe des Jahres [2007] unterzeichnen. Bei der Unterzeichnung wird eine Erklärung (siehe Anlage zur Anlage) abgegeben. Mit dieser Erklärung wird ein zweifacher Zweck verfolgt. Erstens würden Drittstaaten über die von der Gemeinschaft geplanten Umsetzungsmaßnahmen unterrichtet. Zweitens wird der Standpunkt der Gemeinschaft deutlich gemacht, dass solche Umsetzungsmaßnahmen mit dem Übereinkommen voll und ganz vereinbar sind. 2. Die Kommission wird die zur Anpassung des Gemeinschaftsrechts erforderlichen Vorschläge ausarbeiten, so dass das Gemeinschaftsrecht mit dem Übereinkommen entsprechend Option 2 des Kommissionsdokuments (SEK(2006) 910) vereinbar ist. Die sinnvollste Lösung wäre eine Regel, nach der die Teilnehmer eines Abrechnungssystems nur eine Rechtsordnung für Fragen, die unter das Übereinkommen fallen, wählen können, um in den Genuss des Schutzes der Richtlinie über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Wertpapierliefer- und Abrechnungssystemen 1 zu gelangen, und mit der vorgeschrieben würde, dass die gewählte Rechtsordnung die Rechtsordnung eines Mitgliedstaats der EU sein muss, wenn dies als für die Sicherung der Systemstabilität erforderlich erachtet wird. Da das Übereinkommen keine Auswirkungen auf Regulierungssysteme hat, können die Gesetzgeber und, sofern die Rechtsordnung dies vorsieht, die Regulierungsbehörden der Vertragsstaaten Regulierungsmaßnahmen annehmen, die sie aus berechtigten Gründen für erforderlich halten. So können sie Grenzen oder Bedingungen für die freie Wahl der Rechtsordnung durch die Intermediäre außer Abrechnungssystemen vorschreiben und die nötigen Sanktionen oder sonstigen Rechtsfolgen einer Nichteinhaltung dieser Grenzen oder Bedingungen festlegen. 1 Richtlinie 98/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 1998 über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen, ABl. L 166, S. 45. 15464/06 ds/mt/ps 6
Bevor die Kommission die Vorschläge für die Anpassung des Gemeinschaftsrechts unterbreitet, wird sie die interessierten Kreise konsultieren und die wirtschaftlichen und rechtlichen Folgen prüfen, um die Stabilität von Zahlungs- und Abrechnungssystemen zu gewährleisten, sowie das Zusammenwirken mit dem geltenden Besitzstand untersuchen. Die Kommission wird darüber hinaus die Standpunkte der Mitgliedstaaten und der EZB sowie die rechtlichen Fragen berücksichtigen, auf die die Kommission in Dokument SEK(2006) 910 eingegangen ist. 3. Die Kommission wird dem Europäischen Parlament und dem Rat die Vorschläge zur Anpassung des Gemeinschaftsrechts spätestens [Ende 2008] übermitteln. 4. Die Kommission wird schließlich zu gegebener Zeit den Vorschlag für den Abschluss des Übereinkommens im Namen der Gemeinschaft unterbreiten und dabei die erforderlichen Änderungen des Gemeinschaftsrechts berücksichtigen, um zu ermöglichen, dass die Gemeinschaft bis [Ende 2010] Vertragspartei des Haager Wertpapier-Übereinkommens wird. 15464/06 ds/mt/ps 7
ANLAGE ZUR ANLAGE Entwurf einer Erklärung der Gemeinschaft zu bestimmten Umsetzungsmaßnahmen und ihrer Vereinbarkeit mit dem Haager Übereinkommen über die auf bestimmte Rechte in Bezug auf Intermediär-verwahrte Wertpapiere anzuwendende Rechtsordnung 1. Bevor die Gemeinschaft das Übereinkommen schließt, muss sie ihre eigenen Rechtsvorschriften anpassen, damit sie mit den Bestimmungen des Übereinkommens vereinbar sind. 2. Die Gemeinschaft hat in diesem Zusammenhang die Absicht festzulegen, dass bei einem Wertpapierabrechnungssystem nur eine Rechtsordnung für die Regelung von Fragen, die unter das Übereinkommen fallen, gewählt werden darf, damit der Schutz zur Geltung kommt, der in einigen Rechtsakten der Gemeinschaft vorgesehen ist. Diese Wahl kann darauf beschränkt werden, dass die Rechtsordnung eines Mitgliedstaats der Gemeinschaft zu wählen ist. Darüber hinaus kann ein Staat, wenn dies erforderlich und berechtigt ist und es sein Recht vorsieht, Intermediären bestimmte rechtliche Beschränkungen oder Bedingungen für die Wahl der Rechtsordnung nach Artikel 4 des Übereinkommens sowie Sanktionen oder andere Rechtsfolgen für eine Nichteinhaltung solcher Beschränkungen oder Bedingungen auferlegen. 3. Die Gemeinschaft ist der Auffassung, dass die in Aussicht genommenen Umsetzungsmaßnahmen voll und ganz mit dem Übereinkommen vereinbar sind. 15464/06 ds/mt/ps 8