Predigt 2. Sonntag nach Trinitatis Seite: 4 Predigt Kanzelgruß: Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Der heutige Predigttext steht geschrieben im 1. Korintherbrief, Kap. 9 die Verse 16-23. Dass ich das Evangelium predige, dessen darf ich mich nicht rühmen; denn ich muss es tun.und wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht predigte! Täte ich's aus eigenem Willen, so erhielte ich Lohn. Tue ich's aber nicht aus eigenem Willen, so ist mir doch das Amt anvertraut. Was ist denn nun mein Lohn? Dass ich das Evangelium predige ohne Entgelt und von meinem Recht am Evangelium nicht Gebrauch mache. Denn obwohl ich frei bin von jedermann, habe ich doch mich selbst jedermann zum Knecht gemacht, damit ich möglichst viele gewinne. Den Juden bin ich wie ein Jude geworden, damit ich die Juden gewinne. Denen, die unter dem Gesetz sind, bin ich wie einer unter dem Gesetz geworden - obwohl ich selbst nicht unter dem Gesetz bin -, damit ich die, die unter dem Gesetz sind, gewinne. Denen, die ohne Gesetz sind, bin ich wie einer ohne Gesetz geworden - obwohl ich doch nicht ohne Gesetz bin vor Gott, sondern bin in dem Gesetz Christi -, damit ich die, die ohne Gesetz sind, gewinne. Den Schwachen bin ich ein Schwacher geworden, damit ich die Schwachen gewinne. Ich bin allen alles geworden, damit ich auf alle Weise einige rette. Alles aber tue ich um des Evangeliums willen, um an ihm teilzuhaben. Herr, segne unser Reden und Hören durch deinen Heiligen Geist. Amen.
Predigt 2. Sonntag nach Trinitatis Seite: 5 Liebe Gemeinde, was Paulus hier in seinem Brief an die Korinther schreibt, mutet auf den ersten Blick sehr seltsam an. Der ehemalige Zeltmacher aus Tarsus scheint sich in eine Opferrolle hineinzureden. Wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht predige! Was meint er damit? Und warum betont er ausdrücklich, nichts dafür zu bekommen, alles umsonst zu tun und von seinem Recht am Evangelium nicht Gebrauch zu machen? Schließlich der Höhepunkt: Paulus gibt vor, sich jedermann zum Knecht zu machen. Kann solches Verhalten ein Vorbild sein? Jedem nach dem Munde reden? Wie kommt uns heute einer vor, der sich so verhält? Der sich bei allen lieb Kind macht? Bei den Linken wie bei den Rechten, bei den Armen wie den Reichen, bei den Jungen wie bei den Alten? Kann so einer glaubwürdig sein? Folgen wir nicht lieber denen, die Klartext reden, die einen geraden Weg versprechen? Hat nicht Jesus in der Bergpredigt gesagt: Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist von Übel.
Predigt 2. Sonntag nach Trinitatis Seite: 6 Allein über diesen Satz der Bergpredigt ließe sich eine eigene Predigt schreiben. Die Ereignisse um die Ministerpräsidentenwahl in Hessen und das, was wir gerade bei der Kandidatenaufstellung zur nächsten Wahl des Bundespräsidenten erleben, gäbe Inhalt genug; aber das wäre dann ein anderes Thema. Zurück zum Predigttext: Wer glaubt, Paulus biedere sich an, der sitzt einem großen Missverständnis auf. In diesem Text begegnet uns kein Schwächling, der jedem nach dem Mund redet, sondern eine starke Persönlichkeit, die sich ihres Redens und Handelns gewiss ist. Paulus geht es nicht um Unterwürfigkeit, sondern um die Frage: Wie gehen wir miteinander um? Ja, liebe Gemeinde, wie gehen wir miteinander um! Nicht mehr, und auch nicht weniger. Überlegen wir einmal, was dazu alles gehört? Hierzu fallen mir folgende Schlagwörter ein: Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit Respekt und Anerkennung Höflichkeit und Anstand Eigendarstellung und Fremdwahrnehmung
Predigt 2. Sonntag nach Trinitatis Seite: 7 Auf einige Aspekte will ich im Folgenden eingehen: Wie verhalten wir (Christen) uns in der Begegnung mit anderen Menschen? Und wenn wir seine Worte vor dem Hintergrund dessen lesen, was Paulus in Korinth und mit den Korinthern erlebt hat, dann ist es geradezu eine moderne Auseinandersetzung über die Frage, wie wir heute unser Christentum leben können. Machen wir uns also zunächst auf ins antike Korinth und spüren wir den Fragen nach, die Paulus beim Schreiben dieses Briefes bewegt haben. Korinth war, wie überliefert wurde, zu jener Zeit Hauptstadt der römischen Provinz Achaia eine Metropole und ein bedeutender Handelsplatz, an dem Waren und Güter aus dem Osten und dem Westen des Reiches ausgetauscht wurden. Die beiden Häfen der Stadt sorgten für wirtschaftlichen Wohlstand. Außerdem fanden in Korinth regelmäßig die Isthmischen Spiele statt, die zweitwichtigste Sportveranstaltung der damaligen Zeit nach den Spielen von Olympia. Entsprechend weltläufig war die Bevölkerung der Stadt. Ebenso vielfältig wie das gesellschaftliche war auch das religiöse Leben der Stadt. Neben den Griechen und Römern gab es auch eine ansehnliche jüdische Gemeinde.
Predigt 2. Sonntag nach Trinitatis Seite: 8 Die Stadt war ein großer Markt der Möglichkeiten. Der christliche Glaube war eine unter vielen Religionen, einer unter vielen Kulten. Insofern überrascht es nicht, dass die christliche Gemeinde alles andere als in sich gefestigt war und nach einem eigenen und unverwechselbaren Profil suchte. Die Christen waren in der Minderheit, und ihre Aufgabe hieß Selbstbehauptung. Im Grunde herrschten in Korinth die vielleicht in Teilen vergleichbaren Verhältnisse wie vielerorts bei uns heute. Und in diese Situation hinein schrieb Paulus seinen Brief an die Gemeinde in Korinth. Wie weit soll man sich einlassen auf die Umwelt, auf den Zeitgeist? Wie können wir gemäß dem Evangelium leben? Das sind die Fragen, die Paulus seinen Gemeindegliedern stellt. Das sind die großen Fragen, die sich auch uns stellen. Lassen Sie mich den letzen Gedanken weiter verfolgen: Ein Leben gemäß dem Evangelium Zur Abgrenzung dieser Frage, und in Vorbereitung zur Predigthabe ich mich gefragt, wo laufen wir Gefahr, gegen unsere christliche Grundüberzeugung zu handeln, d.h., nicht gemäß dem Evangelium zu leben? Jeder, und dabei bin ich mir ganz sicher, von uns weiß selbst am Besten, wo die eigenen Schwächen liegen, wo die Versu-
Predigt 2. Sonntag nach Trinitatis Seite: 9 chung für uns am größten ist. Situationen, wo wir den eigenen Vorteil suchen, Lästiges zur Seite schieben, die eigenen Interessen auf Gedeih und Verderb durchsetzen wollen, der Verantwortung für andere Menschen nicht gerecht werden, weil uns wieder mal alles zuviel ist. Und dann kommt oftmals der Druck von außen dazu. Sei kein Frosch, heißt es dann, mach halt mit! Das beginnt im Kleinen, mit Dummenjungenstreichen. Und es endet im Großen dort, wo es um menschliches Leben und um die Würde des menschlichen Lebens geht. Sollen wir immer dem nachgeben, was die Mehrheit fordert? Was ist mit unseren Werten? Oder denken Sie an die den Staat, wie geht der mit uns um? In der Fernsehtalkshow bei Frau Maischberger in der vergangenen Woche wurde über Personen berichtet, die unschuldig im Gefängnis saßen. Die Gründe hierfür sind sicherlich zu betrachten, aber im Ergebnis ist festzuhalten, dass der Staat die von seinen Beamten zu verantwortenden Fehlleistungen egal ob zu entschuldigen oder nicht gerade einmal mit rund 11 je Tag des Freiheitsentzuges entschädigt. Ist das angemessen? Von der Ferne aus habe ich im Südkurier die Berichterstattung über die Stadtverwaltung und die Strafzettel des Bürgeramtes mitverfolgt. Nicht nur der redaktionelle Artikel war
Predigt 2. Sonntag nach Trinitatis Seite: 10 interessant, auch die Leserbriefe. Wenn so viele Bürger Defizite bemängeln, dann habe ich den Eindruck, dann muss an den Aussagen im Kern wohl doch ein Stück Wahrheit liegen. Recht und Ordnung müssen sein, Leben nach dem Evangelium schließen aber Intransparenz der Entscheidungen, Willkür und Überheblichkeit aus. Als Christen sind wir daher gefragt, Rückfragen zu stellen, die Strafzettel und Bußgelder, die wir weder verstehen, noch nachvollziehen können an den Pranger zu stellen und ggf. gerichtlich überprüfen zu lassen. Dafür, liebe Gemeinde habe ich durchaus Verständnis. Zurück zu Paulus. Er gibt sich als Überzeugungstäter zu erkennen. Er ist absolut konsequent in seinem Glauben. Ihm geht es nicht um Anerkennung, nicht um materielle Güter, sondern einzig um die Sache Christi. Er kann gar nicht anders, als das zu leben, was Jesus Christus ihm vorgelebt hat. Ohne Wenn und Aber hat er sich in die Nachfolge Christi berufen lassen - und nun erzählt er, wie es ihm dabei ergangen ist. Nein, eigentlich erzählt er von seiner Strategie: Obwohl er keinem Menschen Rechenschaft schuldet, hat er sich jedermann zum Knecht gemacht, um die Menschen für Christus zu gewinnen. Gerade weil Paulus so fest stand im Glauben, hatte er keinerlei Berührungsängste. Er konnte offen sein für alle.
Predigt 2. Sonntag nach Trinitatis Seite: 11 Er hat versucht, sich in die Menschen einzufühlen, ihnen zuzuhören, ihre Fragen zu verstehen, ihre Sorgen und ihre Hoffnungen. Paulus hat die Menschen ernst genommen. So, wie sie waren. Und so, wie die Menschen die Botschaft von Jesus verstehen konnten, - so hat er sie ihnen gesagt. Alles aber tue ich um des Evangeliums willen, damit ich auf alle Weise einige rette. Auch wenn er dieses drastische Berufungserlebnis hatte, auch wenn er so viel mehr über Christus wusste als all die Menschen um ihn herum, so war das kein Grund für ihn, sich über die Menschen zu erheben. Im Gegenteil: Vor Gott sind alle Menschen gleich warum sollte er dann Unterschiede zwischen den Menschen machen? Und was bedeutet dies für uns heute? Gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker, hat Jesus den Seinen mit auf den Weg gegeben und hat damit auch uns gemeint. Wir Christen, wir alle sind Apostel der Sache Jesu Christi wie Paulus. Wie Paulus sollen wir unseren Glauben bezeugen und weitergeben. Menschen gewinnen für Christus. Uns fällt diese Gratwanderung nicht immer leicht: Sich in andere Menschen hineinversetzen, sie annehmen, wie sie sind, mit allen Fehlern, allen Unzulänglichkeiten. Und gleichzeitig überzeugend vom Glauben reden - und vor allem: überzeugend den Glauben vorzuleben.
Predigt 2. Sonntag nach Trinitatis Seite: 12 Das war letztlich das Geheimnis des Erfolges von Paulus. Doch woher nahm Paulus die Kraft für sein Wirken? Es ist die Erfahrung, dass Jesus Christus immer schon klarkam und auch heute noch klarkommt mit allen Brüchen, die unser menschliches Leben kennzeichnen, mit allen Widerwärtigkeiten, die Menschen begehen, und all der Schuld, die sie dabei auf sich laden. Jesus hat all das auf seine Kappe genommen und uns muss nichts mehr peinlich sein. Wir sind nicht abhängig vom Urteil dieser Welt, weil das Urteil über uns schon gesprochen ist: Wir sind als Sünder angenommen und erlöst. Und deshalb brauchen wir weder den Spott noch die Verachtung anderer Menschen zu scheuen, wenn wir uns anderen Menschen gegenüber als Christen zu erkennen geben. Wir können in aller Bescheidenheit auf andere Menschen zugehen, sie trösten, ihnen Hoffnung machen, sie begleiten. Wahrscheinlich werden wir dabei nicht immer so beharrlich sein wie Paulus, vielleicht auch nicht immer so bestimmt. Aber wir werden Zeugnis ablegen von unserem lebendigen Glauben. Mehr schaffen wir nicht in dieser Welt. Aber weniger sollte es auch nicht sein! Amen. Der Friede Gottes / welcher höher ist als alle Vernunft / bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.