Depressive Kinder und Jugendliche. Prof. Dr. Franz Petermann Universität Bremen



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Transkript:

Depressive Kinder und Jugendliche Prof. Dr. Franz Petermann Universität Bremen 1

Allgemein 5% der Bevölkerung sind aktuell von einer behandlungsbedürftiger Depression betroffen, 15 bis 20% zumindest einmal während des gesamten Lebens; vergleichbare Zahlen liegen auch bei Jugendlichen vor. Eine Depression ist verbunden mit hohem Leidensdruck und starken psychosozialen Beeinträchtigungen in verschiedenen Lebensbereichen. Es besteht ein hohes Risiko für einen chronischen oder wiederkehrenden Verlauf und ein hohes Risiko für Selbstmordgedanken, -versuche und vollendete Suizide. Depression verursacht hohe öffentliche Kosten. 2

Prozent Prävalenz Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation Lebenszeitprävalenz einer depressiven Störung 18 16 14 12 10 8 6 4 2 0 Mädchen Jungen 13-14 15-16 17-18 Prozent 15 7,5 7,4 12,2 15,4 Datenbasis: National Comorbidity Survey (USA) Adolescent Supplement, N=10.148 Merikangas et al. (2010). Lifetime prevalence of mental disorders in U.S. adolescents: Results from the National Comorbidity Survey Replication Adolescent Supplement (NCS-A). Journal of the American Academy of Child & Adolescent Psychiatry, 49, 980-989. 3

Die weltweit wichtigsten Ursachen von Beeinträchtigung und Tod* bei 10-14jährigen Global Burden of Disease-Studie der WHO 1. Depressive Erkrankungen (5.7%) 2. Infektionen der unteren Atemwege (5.6%) 3. Unfälle im Straßenverkehr (5.2%) 4. Asthma (4.6%) *DALY = verlorene Lebensjahre durch Tod + verlorene Lebensjahre durch Beeinträchtigungen Gore et al. (2011). Global burden of disease in young people aged 10-24 years: a systematic analysis. The Lancet, 377, 2093-2102. 4

Übersicht Depressionssymptomatik Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation Kernsymptome Depressive Verstimmung Verlust von Lebensfreude Antriebsmangel Weitere Symptome Emotional (z.b. geringes Selbstwertgefühl, Schuldgefühle) Kognitiv/motivational (z.b. Konzentrationsmangel, Entscheidungsprobleme) Verhaltensbezogen (z.b. unruhiges oder verlangsamtes Verhalten) Körperlich/neurovegetativ (z.b. Veränderungen des Appetits oder des Schlafs) aus: Groen, G. & Petermann, F. (2011). Depressive Kinder und Jugendliche (2., veränd. Aufl.). Göttingen: Hogrefe. (S. 16) 5

Stressoren Schulische oder berufliche Probleme Probleme mit Freunden Familiäre Probleme Körperliche Krankheit Verlusterlebnisse Gefühle Traurig Reizbar Sich über nichts freuen können Gelangweilt Genetik Verhalten Rückzug Sinkende Aktivität Leicht durch andere reizbar Gedanken Negative Gedanken Geringes Selbstwertgefühl Pessimismus Hoffnungslosigkeit aus: Groen & Petermann (2011, S. 145) 6

Körperliche Probleme: Schlafprobleme Müdigkeit / wenig Energie Konzentrationsschwierigkeiten Appetitveränderungen Motorische Verlangsamung / Unruhe Schwerwiegende Depression aus: Groen & Petermann (2011, S. 145) 7

Entwicklungsspezifische Symptomatik Kinder Körperliche Beschwerden Reizbarkeit Psychomotorische Unruhe Sozialer Rückzug Stimmungsschwankungen Trennungsängste aus: Groen & Petermann (2011, S. 29) 8

Entwicklungsspezifische Symptomatik Jugendliche Hoffnungs- und Sinnlosigkeit, negative Zukunftserwartungen Psychomotorische Verlangsamung Vermehrtes Schlafbedürfnis Gewichtsveränderung Verlust von Lebensfreude Suizidalität Höheres Depressionsrisiko aufgrund jugendspezifischer Entwicklungsaufgaben. aus: Groen & Petermann (2011, S. 29) 9

Spezielles Depressionsrisiko von Mädchen Frühere Konfrontation mit Veränderungen durch die Pubertät und kritischere Bewertung der körperlichen Veränderungen Geschlechtsspezifische Erziehungserfahrungen und Rollenerwartungen Emotionalere und selbstkritischere Verarbeitung negativer Erfahrungen Soziale Sensibilität, Einfühlungsvermögen, Verantwortung, Bedürfnis nach Nähe stärker ausgeprägt. Häufiger Erfahrungen als Opfer Geschlechtsspezifische Rollenmerkmale und Mehrfachbelastungen 10

Warnsignale einer Selbstmordneigung Ausgeprägte depressive Systematik Akuter Alkohol- und /oder Drogenmissbrauch Höhere Impulsivität, Vorliegen einer Impulskontrollstörung Frühe Selbstmordversuche Suizide / Suizidversuche traten bereits in der Familie auf Belastende Lebensereignisse Äußern von Selbstmordgedanken Starke Beschäftigung mit dem Thema Tod Schreiben von Abschiedsbriefen Verschenken wichtiger persönlicher Dinge Alltagspflichten werden extrem vernachlässigt Einbrechen schulischer Leistungen Betroffene erscheinen sehr in sich gekehrt, sozial isoliert und wirken sehr hoffnungslos 11

Komorbide Störungen Erhöhtes Auftreten von Angststörungen ADHS, Aggressionen Substanzmissbrauch somatoforme Störungen Persönlichkeitsstörungen. Hohe Wahrscheinlichkeit für Spontanremission (90% nach einem bis zwei Jahren), aber erhebliches Rückfallrisiko (Wiedererkrankung etwa 25% nach einem Jahr und 75% nach fünf Jahren). Erhöhtes Risiko für Depression im Erwachsenenalter. 12

Körperliche chronische Erkrankung Meta-Analyse von Pinquart und Shen (2011): Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation Kinder und Jugendliche mit chronischen körperlichen Erkrankungen weisen im Durchschnitt höhere Raten depressiver Symptome als gesunde Gleichaltrige auf. Die Unterschiede sind dabei am größten für das chronische Erschöpfungssyndrom (71% aller Betroffenen) Fibromyalgie (64% aller Betroffenen) Lippenkiefergaumenspalte Migräne/Spannungskopfschmerz Epilepsie Kinder mit chronischen körperlichen Erkrankungen sollten auf eine mögliche Depressionsneigung getestet und ggf. entsprechend zur Behandlung weiterverwiesen werden. 13

Mögliche Probleme bei der Exploration depressiver Kinder und Jugendlicher Überwiegend intrapsychische Symptomatik ist schwer erkennbar Symptome können von den Betroffenen nicht differenziert benannt werden Scham, Verleugnung, Angst und Schüchternheit bilden Barrieren Symptome treten kontextabhängig auf Maskierte Symptomatik (Reizbarkeit, Trotz, körperliche Beschwerden etc.) Mangelnde Übereinstimmung zwischen Angaben der Kinder/Jugendlichen und ihren Bezugspersonen 14

Verhaltenskategorien für die Beobachtung depressiver Auffälligkeiten Emotionaler und motivationaler Ausdruck Direkte Mitteilungen über negative Stimmungen und Unlust (wie z.b. Ich bin traurig., Mir geht s nicht gut., Ich habe keine Lust!, Ich möchte in Ruhe gelassen werden! ); Jammern, Kritisieren, Beklagen, Anklagen; nonverbale Äußerungen negativer Stimmung und Unlust (z.b. wenig Lachen/Freude, Weinen, eintönige oder klagende Sprachmelodie, verarmte Gestik, Mimik und Motorik); insgesamt geringer Gefühlsausdruck. 15

Interaktionsverhalten/Selbstsicherheit Seltener Blickkontakt, leise Stimme, in sich versunkene Körperhaltung etc.; Rückzugsverhalten; Konfliktvermeidung; wenig Kontaktaufnahme/ Ansprechen anderer Personen; wenige (positive) Selbstaussagen, geringes Äußern der eigenen Meinung sowie eigener Interessen und Ansprüche. Aktivitäten Generell weniger Aktivitäten; Zuschauen und Zuhören; eigenbrötlerische Beschäftigungen, Beschäftigung mit schulischen oder Denkaufgaben, alleine Spielen, Zimmer aufräumen etc.; motorische Verlangsamung, evtl. Agitiertheit. 16

Depressionsscreening PHQ-9 (Patient Health Questionnaire) Ab 14 Jahre 9 Fragen mit je 4 Antworten, aus denen diejenige auszuwählen ist, die am besten zutrifft Skalenwert Schweregrad 0-4 Minimal 5-9 Mild 10-14 Mittelgradig 15-27 Schwer http://www.klinikum.uni-heidelberg.de/materialien-zum-phq.6276.0.html 17

Beispielitems im PHQ-9 In den letzten 2 Wochen: Überhaupt nicht An einzelnen Tagen An mehr als der Hälfte der Tage Beinahe jeden Tag Niedergeschlagenheit, Schwermut oder Hoffnungslosigkeit x Schwierigkeiten ein- oder durchzuschlafen oder vermehrter Schlaf x Müdigkeit oder Gefühl, keine Energie zu haben x Schlechte Meinung von sich selbst; Gefühl, ein Versager zu sein oder die Familie enttäuscht zu haben x Schwierigkeiten, sich auf etwas zu konzentrieren, z.b. beim Zeitunglesen oder Fernsehen x http://www.klinikum.uni-heidelberg.de/materialien-zum-phq.6276.0.html 18

Versorgungslage Studie von Hoffmann, Glaeske, Petermann und Bachmann (2012): 4295 Patienten mit diagnostizierter depressiver Störung nach ICD-10 im Jahr 2009: Depressive Episode (F32) 45.7% Rezidivierende depressive Störung (F33) 4.5% Angst und depressive Störung, gemischt (F41.2) 8.0% Anpassungsstörungen (F43.2) 49.3% Störung des Sozialverhaltens mit depressiver Störung (F92.0) 5.7% Bipolare affektive Störungen mit Depression (F31.3, F31.4, F31.5) 0,1% 12 bis 18 (MW 15,5) Jahre Datengewinnung über die Krankenkasse (GEK) 19

Drei klinische Diagnosen sind möglich: (a) Dysthyme Störung ( ICD-10, F 34.1) Wenigstens über ein Jahr traurige, niedergeschlagene und hoffnungslose Stimmungen; insgesamt weniger schwerwiegende, aber chronische Symptomatik (b) Depressive Episode (ICD-10, F 32) Zwei der folgenden Kernsymptome müssen mindestens zwei Wochen vorliegen: deutliche und anhaltende depressive Verstimmung Interessen- und Freudeverlust verminderter Antrieb oder gesteigerte Ermüdbarkeit (c) Anpassungsstörungen (ICD-10, F 43.2) Depressive Symptome als Folge bestimmter belastender Ereignisse (Todesfall in der Familie, Trennung der Eltern, schwere körperliche Erkrankung) 20

Ergebnisse 29.7% konsultierten einen Kinderpsychiater 59.6% erhielten Psychotherapie 9.6% wurden mit einer Kombination aus Psychotherapie und Antidepressiva behandelt 1.9% erhielten ausschließlich Antidepressiva 28.8% der Patienten bekamen keine spezifische Depressionsbehandlung 21

nur Psychotherapie Psychotherapie und Antidepressiva nur Antidepressiva keine Behandlung männlich weiblich männlich weiblich männlich weiblich 12-13 Jahre 14-15 Jahre 16-18 Jahre 22

Ergebnisse Häufigste Antidepressiva: Seratonin- Wiederaufnahmehemmer (SSRI) (55.6%) Trizyklische Antidepressiva (17.9%) Johanniskraut (8.5%) Dabei am häufigsten verschrieben (bei 45.5% off-label use): Fluoxetin (24.4%) Citalopram (14.0%) 23

Zusammenfassung und Ausblick Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation Depressive Störungen werden zu spät erkannt ein frühes Screening bei konkretem Verdacht ist wichtig! Behandlung entspricht nur teilweise den gegenwärtigen Leitlinien: Chancen einer kognitiven Kinderverhaltenstherapie werden unzureichend genutzt. Mehrheitlich werden Allgemein- und Kinderärzte aufgesucht, nur 1/3 konsultierten einen Kinderpsychiater. Bei Störungen der Emotionsregulation ist eine schulbasierte Prävention ab dem 11. Lebensjahr erfolgversprechend. Bei entsprechendem Verdacht sollte ein Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut hinzugezogen werden. 24