Thema des Monats Ingenieurholzbau



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Transkript:

P 1 Thema des Monats Ingenieurholzbau 22 mikado 1 2.2013

Projekt 2 Sporthalle in Sargans Ein filigranes Tragwerk aus vorgespannten Zweigelenkrahmen und ein konsequenter Verzicht auf alles Überflüssige Entwurfskonzept: Sinnlicher Edelrohbau 24 Steckbrief 25 Tragwerk: Alles im Rahmen 28 Fazit: Ästhetik und Nachhaltigkeit durch Reduktion 31 Was am Ende selbstverständlich und einfach aussieht, ist das Ergebnis einer langen und sehr aufwendigen Planung 23

P 21 Thema des Monats Ingenieurholzbau Entwurfskonzept Sinnlicher Edelrohbau Die eng aneinandergereihten Rahmen bilden die Tragstruktur und bestimmen auch die Ästhetik des Raums Die Vierfach-Sporthalle zweier Schulzentren ist seit August 2012 das Glanzstück im schweizerischen Sargans. Der Entwurf setzte auf einfache, wirkungsvolle Gestaltungsmittel, nutzte bei der Realisierung aber modernste Holzbautechnik. 24 mikado 1 2.2013

Thema des Monats Ingenieurholzbau Steckbrief Querschnitt Bauprojekt: Vierfach-Sporthalle Sportanlage Ried CH-7320 Sargans Bauweise: Ingenieurholzbau Bauzeit: April 2011 bis Mai 2012 Baukosten: 20 Mio. Schweizer Franken (16,6 Mio. Euro) Größe: Geschossfläche: 4060 m² Hauptnutzfläche: 2900 m² Umbauter Raum: 32 500 m³ Bauherr: Hochbauamt des Kantons St. Gallen CH-9000 St. Gallen www.hochbau.sg.ch Architektur: blue architects & Ruprecht Architekten CH-8037 Zürich www.bluearchitects.com www.ruprecht-architekten.ch Tragwerksplanung: Walt + Galmarini CH-8008 Zürich www.waltgalmarini.com Fassaden- und Ausbauplanung: Pirmin Jung Ingenieure für Holzbau AG CH-6026 Rain www.pirminjung.ch Holzbau: Blumer-Lehmann AG CH-9200 Gossau www.blumer-lehmann.ch Esche/Fichte-Brettschichtholz-Träger: neue Holzbau AG CH-6078 Lungern www.neueholzbau.ch Eingebettet zwischen den hoch aufragenden Berggipfeln des Pizol, des Falknis und des Gonzen liegt die neue Sporthalle und wirkt dabei sehr imposant. Mit der großen Halle, die sich in vier Einzelhallen unterteilen lässt, und großzügigen Fitness- und Gymnastikräumen deckt sie den Bedarf sowohl der angrenzenden Kantonsschule als auch des Berufs- und Weiterbildungszentrums Sarganserland optimal ab. Und weil die Schulen auch gut mit der Gemeinde Sargans zusammenarbeiten, profitieren auch die örtlichen Sportvereine von dem Neubau. Die sorgfältige und konsequente Architektur ist das Markenzeichen des etwa 66 m langen und 56 m breiten Bauwerks. Es ist durch und durch ein Holzbau sowohl sein Tragwerk als auch die Bekleidung. Einzige Ausnahme: die Holz-Beton-Verbunddecken des zweigeschossigen, südseitig gelegenen Gebäudeteils. Vorher stand hier eine fast 30 Jahre alte Dreifachsporthalle. Sie wies so viele Schäden auf, dass die Kosten für eine zeitgemäße Sanierung plus Anbau einer Einfachsporthalle nur unwesentlich unter den Kosten eines Neubaus lagen. Diese Lösung wäre jedoch weder baulich noch betrieblich zufriedenstellend gewesen. So entschied sich der Bauherr, das Hochbauamt des Kantons St. Gallen, für Abriss und Neubau. Es führte 2008 einen anonymen, einstufigen Projektwettbewerb durch, den die Planungsgemeinschaft blue architects & Ruprecht Architekten aus Zürich gewann. Mit dem Siegerentwurf wählte die Bauherrschaft zunächst vor allem eine Projektidee mit einer herausragenden gestalterischen Ausstrahlung. Enges Korsett für eine starke Idee Das Hochbauamt legte den Fokus des Projekts auf Nachhaltigkeit und auf regionale Wertschöpfung. Es forderte Minergie-Standard und geringe Unterhalts- und Entsorgungskosten. Zudem sollte die Bauzeit möglichst kurz sein, um die sportlichen Aktivitäten nicht allzu lange unterbrechen zu müssen. Es galt, ein vordefiniertes Raumprogramm unterzubringen und ein festes Budget einzuhalten: eine sog. Design-to-Cost-Vorgabe in Höhe von 20 Mio. Schweizer Franken, was etwas 16,6 Mio. Euro entspricht. Ein wichtiger Aspekt war zudem: Die Tragfähigkeit des Baugrunds im ehemaligen Sumpfland des Rheins ist sehr schlecht. Darum sollte das neue Bauwerk die vorhandene Pfahlgründung des Vorgängerbaus nutzen. Für diese Aufgabe war eine Leichtbauweise prädestiniert. Die hohe Kunst des Weglassens Die Architekten entwarfen nach dem Motto Vollkommenheit entsteht nicht dann, wenn man nichts mehr hinzufügen kann, sondern wenn man nichts mehr wegnehmen kann frei nach Antoine de Saint-Exupéry. Sie wollten einen sinnlichen und ausdrucksstarken Edelrohbau mit einer Tragstruktur aus hochwertigem, möglichst sparsam eingesetztem Holz. Deshalb prüften sie auch bei jeder Projektphase aufs Neue, ob sich auf Arbeitsschritte, Material oder gar Bauteile verzichten lässt. Bei der Konstruktion schlugen sie neue Wege ein. Um einen höheren Grad an Nachhaltigkeit und Effizienz roman keller, zürich blue architects & Ruprecht Architekten www.mikado-online.de 25

P 21 Thema des Monats Ingenieurholzbau zu erreichen, kombinierten sie traditionelle Handwerkspraktiken mit neuen Produktionstechniken und übersetzten ihren Entwurf in eine zeitgemäße Tragstruktur aus vorfabrizierten Holzbauteilen. Ohne das Engagement und die enge Zusammenarbeit mit der Bauherrschaft, den Ingenieuren und Handwerkern wäre dieses Gebäude an dem engen Kostenrahmen gescheitert, sind sich die Architekten sicher. So jedoch fanden sie innovative Lösungen und setzten architektonische Ideen Schritt für Schritt in Form und Material um. Das Haupttragwerk der Vierfach- Sporthalle besteht aus 40 schlanken Brettschichtholz-Rahmen aus Fichte mit unterschiedlicher Festigkeit. Mit einem Abstand von 1,65 m eng aneinandergereiht, erzeugen sie den Eindruck einer filigranen Holzlamellenwand bzw. -decke. Die serielle und dichte Tragstruktur aus schlanken Querschnitten nutzten die Planer konsequent über alle Gebäudebereiche hinweg und erzeugten damit eine außergewöhnliche Schönheit. Die war den Architekten genauso wichtig wie die ökologischen Aspekte. Sie sprechen in diesem Zusammenhang von sozialer Nachhaltigkeit. Klare Struktur, schönes Licht, gute Akustik Der Baukörper ist in der Höhe je nach Nutzungsanforderungen der Räume gestaffelt. Der innere Aufbau des Gebäudes ist pragmatisch in Funktionen gegliedert und entsprechend einfach: Ein nachhaltiges Bauwerk muss seine Nutzer auch begeistern, damit es möglichst lange in Betrieb bleibt, sagen die Architekten Im Nordosten ist ein tieferer Baukörper an die Halle gekoppelt. In ihm befinden sich die Geräteräume. Im zweigeschossigen Anbau im Südwesten der Halle sind im Obergeschoss die Garderoben und Sanitärzellen, im Erdgeschoss die Räume für Fitness und Gymnastik untergebracht. Die mittig platzierte Sporthalle ragt als zentraler Raum dazwischen mit fast 10 m in die Höhe. Doppelwandige Hubfaltwände aus Kunstleder unterteilen die große Halle nach Bedarf in vier kleine Hallen. Die Architekten platzierten die abgehängten Deckenleuchten in der Halle zwischen den Rahmenriegeln. Abends leuchten sie im Kontrast zu den schwarzen Akustikplatten der Deckenelemente. Zusammen mit den Riegeln ergibt sich ein schönes 26 mikado 1 2.2013

Thema des Monats Ingenieurholzbau Die lange Reihe schlanker Zweigelenkrahmen prägt das architektonische Erscheinungsbild der Halle Farb- und Formenspiel, das sich auch in der Glasfront der Sporthalle spiegelt. Die durchgängige, 7 m hohe Glasfassade ließ sich mit einigen ingenieurmäßigen Kniffen frei von aussteifenden Elementen halten. So kann das Tageslicht gleichmäßig über die gesamte Hallenlänge ins Innere fallen. Eine gute Raumakustik erreichten die Architekten vor allem mit den schwarzen Heraklit-Akustikdecken. Einen weiteren Beitrag leisten auch die Wandverschalung und die gitterähnlich ausgeführten Lüftungsflächen für die Geräteräume hinter den Sprossenwänden. Die Gebäudehülle besteht aus unbehandelter, einheimischer Fichte. Es wurde konsequent auf formaldehydhaltige Werkstoffe verzichtet mit entsprechenden Nachweisen und Messungen. Die Verschalung nimmt direkt Bezug auf die Tragstruktur und verschmilzt so mit ihr. Im Bereich der Fenster öffnet sie sich, wird halbtransparent, lässt den Betrieb dahinter erkennen und trägt damit wesentlich zum filigranen Gesamteindruck bei. Was am Ende ganz selbstverständlich und einfach daherkommt, ist das Ergebnis einer großen Investition in Ideen und Innovationen. Der Einsatz wurde belohnt: Im Herbst 2012 erhielt die Sporthalle eine Anerkennung beim renommierten Prix Lignum, einem schweizerischen Preis für den zukunftsweisenden Einsatz von Holz. Dipl.-Ing. (FH) Susanne Jacob-Freitag, Karlsruhe www.mikado-online.de 27

P 2 Thema des Monats Ingenieurholzbau Tragwerk Alles im Rahmen Klare Geometrien waren das Ziel, sowohl bei der Gebäudeform als auch beim Tragwerk Ausgehend vom Wunsch nach einem filigranen und ästhetischen Tragwerk zeichnet sich die Sporthalle in Sargans durch den Einsatz einer großen Bandbreite von Holzprodukten und neuer leistungsfähiger Verbindungen aus. 28 mikado 1 2.2013

Thema des Monats Ingenieurholzbau Die knapp 30 m breite, 66 m lange und rund 10 m hohe Sporthalle bilden 40 eng aneinandergereihte Zwei-Gelenk-Rahmen aus Fichtenholz mit unterschiedlichen Festigkeiten. Ihr Abstand beträgt 1,65 m und sie spannen über 28,80 m. Trotz der Länge des Riegels (Festigkeitsklasse GL28k) ist dieser nur 14 cm breit bei einer Höhe von 140 cm. Die Rahmenstiele (Festigkeitsklasse GL36h) messen 14 80 cm. Infolge der unterschiedlichen Querschnitte zwischen Riegel und Stiel entsteht ein für die Riegeldimension zwar kleines, für die Abmessungen des Stiels aber großes Eckmoment. Um das Eckmoment zu verringern und die Rahmenstiele zu entlasten, haben die verantwortlichen Tragwerksplaner von Walt + Galmarini eine neue Technik zur Verbindung von Rahmenecken eingesetzt und gleichzeitig die Rahmenstiele vorgespannt. Dabei wurden die Stiele mit einer leichten Neigung nach innen vorgefertigt, ihre Fußpunkte aber dann bei der Montage nach außen in die Vertikale gezogen und fixiert. Diese Zwangsverformung erzeugt im Rahmeneck ein positives Moment, das durch ein negatives Eckmoment aufgrund von äußeren Lasten auf das Dach wie z.b. Schnee teilweise aufgehoben wird. Dadurch reichen die schlanken Rahmenstiele aus, um die verbleibenden Lasten aufzunehmen. Umgekehrt erhalten die Rahmenriegel natürlich größere Feldmomente, für die sie jedoch groß genug sind. 3D-Visualisierung mit Gebäudehülle Neuartige Verbinder für die Rahmenecken Pirmin Jung Ingenieure für Holzbau AG Für den Anschluss der Rahmenriegel mit den Stielen setzte Walt + Galmarini auf die patentierte GSA-Technologie. GSA steht für Gewinde Stangen Anker. Dabei handelt es sich laut dem Entwickler Neue Holzbau AG aus dem schweizerischen Lungern um ein kraft- und formschlüssiges Verbundsystem, das sich durch hohe Tragfestigkeit, Steifigkeit und duktiles Verhalten auszeichnet. So wurden die Rahmen und Stiele mit je zwei speziellen Stahlbändern und Bolzenverbindungen im äußeren www.mikado-online.de 29

P 2 Thema des Monats Ingenieurholzbau und inneren Eckbereich sowie einer Gewindestange, die die oberen mit den unteren Stahlbändern verbindet, zusammengeschlossen. Dabei nimmt die Gewindestange den Querzug auf, der generell bei Lasteinflüssen von außen in Rahmenecken auftritt, und wirkt hier Rissen entgegen. 3D-Visualisierung der Tragstruktur Fichte/Esche-Brettschichtholz für hohe Lasten Im zweigeschossigen Gebäuteteil ist die Geschossdecke unter den Nassbereichen des Obergeschosses als Holz-Beton-Verbunddecke mit Unterzügen aus kombiniertem Fichte/ Die schlanken Rahmen erlauben große Glasflächen und lassen viel Tageslicht ins Halleninnere blue architects AG Esche-Brettschichtholz, teilvorgefertigten 5 cm dicken Gitterträgerplatten und 7 cm vor Ort gegossenem Überbeton ausgeführt. Bei den Unterzügen kamen Verbundanker zum Einsatz, die bisher nur vereinzelt im Brückenbau Verwendung finden. Das größte Feld mit fast 11 m Spannweite ist mit 15 t schweren Betonfertigteil- Duschzellen belastet. Walt + Galmarini hatte bereits bei einem anderen Projekt positive Erfahrung mit Eschen-Brettschichtholz gemacht. Seine Verwendung ermöglicht aufgrund der mindestens 50 Prozent höheren Biege- und Schubfestigkeiten die Option, die Trägerquerschnitte um etwa 60 Prozent kleiner zu dimensionieren. Hinzu kommt, dass sich Esche einfach mit Fichte kombinieren lässt, was schon aus Kostengründen von Vorteil ist, denn: Esche ist dreimal so teuer wie Fichte. Man wollte es daher nur einsetzen, wo es erforderlich ist. 30 mikado 1 2.2013

Thema des Monats Ingenieurholzbau Holzrahmenbau-Elemente mit 20 cm Mineralfaserdämmung bilden die Gebäudehülle. Außen kam eine Vertikalschalung aus unbehandeltem Fichtenholz zum Einsatz, als Dachelemente unterseitig geschlossene Doppel-T-Platten. Sie wurden zwischen die Rahmenriegel gehängt und zu einer Dachscheibe verbunden. Heraklitplatten auf der Unterseite, ebenfalls schon im Werk aufgebracht, liefern gleich den Innenausbau und sparen einen Arbeitsgang. Ein Erdbebennachweis ist in der Schweiz obligatorisch. Um die Lasten für die weiterverwendete Holzpfählung des Vorgängerbaus gering zu halten, haben die Planer die Aussteifung aus Holz konzipiert: Das Abfangen von Erdbebenlasten gewährleisten wenige Holzrahmenbauwände mit OSB-Beplankung in den Längswänden der Halle. Sie sind als Schubfelder konzipiert. Die Aussteifung des Gebäudes übernehmen in Querrichtung die Rahmen. Als Nebentragwerk und zugleich als aussteifende nachgiebige Schubfelder wurden bei den Dächern Dreischichtplatten eingesetzt. Sie stabilisieren den Baukörper in Längsrichtung und leiten die Horizontallasten aus Wind und Erdbeben in die Wandscheiben ab. Der zweigeschossige Garderobentrakt bewirkt, dass der Massenschwerpunkt des Gesamtgebäudes außerhalb der Sporthalle liegt. Damit kommt die 7 m hohe Glasfassade ohne Aussteifungselemente aus. Durchdachte Logistik senkt Kosten Eine ebenso große Bedeutung wie der Berechnung und Detaillierung der Konstruktion oder der Wahl der Holzwerkstoffe kommt der Logistik zu. Sie korreliert direkt mit Bauzeit, Kosten und Energiebedarf und beeinflusst die CO 2 -Emissionen. Am Beispiel der Akustikelemente lässt sich sehen, dass neben der witterungsunabhängigen Vormontage im Da die Rahmen vorgespannt wurden, konnten die Stiele schlanker sein. Werk auch die Transportmenge reduziert und auf ein Gerüst in der Halle verzichtet werden konnte. Die Reihenfolge der Montage vor Ort definierte, in welcher Reihenfolge die Großformatplatten den Hersteller verließen, denn jedes Umlagern erfordert Maschinen, Energie und Geld. Die durchdachten Arbeitsabläufe steigerten auch die lokale Wertschöpfung: 94 Prozent der Holzbauarbeiten realisierten schweizerische Unternehmen, denn nur kurze Transportwege tragen den Anforderungen an Energieaufwand und CO 2 -Ausstoß Rechnung. Rund 1250 m³ Holz aus schweizerischen Wäldern wurden verbaut, was dort in dreieinhalb Stunden nachwächst, in der Konstuktion aber 850 t CO 2 bindet. Dipl.-Ing. (FH) Susanne Jacob-Freitag, Karlsruhe Projekt 2 Fazit Ästhetisch und nachhaltig durch konsequente Reduktion Roman Keller, zürich Den Wunsch nach einem filigranen und anmutigen Tragwerk realisierten die Planer mit einer großen Bandbreite an Holzbauprodukten und mit neuartigen Verbindungstechniken. Um dem hohen Anspruch nach ökologischer, sozialer und wirtschaftlicher Nachhaltigkeit gerecht zu werden, war aber auch der Einbezug von Logistik und Arbeitsabläufen unerlässlich. Es galt vor allem, die richtige Balance zwischen allen Aspekten zu finden. Das erforderte viel Fachkenntnis, eine enge Zusammenarbeit der Architekten mit den Tragwerksplanern und mit den Handwerkern sowie einen sehr hohen Planungsaufwand. www.mikado-online.de 31