Care. Das rote Auge 1. Primary. Continuous professional development Strategien für die ambulante Medizin. Einleitung. Abklärung. Differentialdiagnose



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Das rote Auge 1 J. Sommer-Bühler, E. Baglivo, H. Stalder Einleitung Ein rotes Auge: Soweit es die Augen betrifft, ist dies die häufigste Patientenklage in der Hausarztpraxis. Meist ist das Problem gutartiger Natur, mitunter kann es aber auch eine Bedrohung für die Sehfähigkeit oder gar eine Lebensgefahr mit sich bringen. In solchen Fällen ist eine notfallmässige augenärztliche Konsultation oder eine Hospitalisation unerlässlich. Die folgenden Ratschläge sollen keine vollständige Differentialdiagnose aufzeigen, sondern eine praktische Wegleitung für den Hausarzt sein, der ohne Spaltlampe auskommen muss. Abklärung Die Abklärung des roten Auges beginnt mit einer systematischen, beidseitigen und Seiten vergleichenden Untersuchung des Auges und des Lides. Dabei kann eine Lupe hilfreich sein, um besser sehen zu können. Man sucht und untersucht: An der Konjunktiva Eine diffuse Rötung beidseits, vor allem im Bindehautsack und an der Bindehaut der Lider (Konjunktivitis). Eine im Umkreis der Kornea lokalisierte Rötung; ein solcher Kreis um die Hornhaut kann Anzeichen einer Entzündung der Vorderkammer, der Kornea (Keratitis), aber auch einer Erkrankung im Inneren des Auges (Uveitis) sein. Der obere (durch Umklappen gegen aussen) wie der untere Bindehautsack (durch Blick des Patienten nach oben) müssen auf Fremdkörper oder Follikel untersucht werden. Eine (manchmal eitrige) Hypersekretion der Konjunktiva, wodurch am Morgen die Wimpern ganz verklebt sein können. An der Kornea Eine lokalisierte oder diffuse Transparenzverminderung; einen Fremdkörper; eine Verletzung; die Sensibilität der Kornea (durch Berührung mit einem Wattestäbchen). An der Pupille Grösse der Pupille, Lichtreaktion. Eine miotische Pupille weist auf eine entzündliche Reaktion hin, wogegen eine mydriatische lichtstarre Pupille Zeichen für akutes Glaukom (oder Optikusneuropathie) ist. Den Augendruck Der Patient schaut nach unten. Der Untersucher drückt mit den Zeigefingern abwechselnd durch das obere Augenlid hindurch auf beide Augäpfel. Fühlt sich ein Augapfel verglichen mit demjenigen der anderen Seite hart an wie eine Holzkugel, dann ist dies ein Zeichen eines akuten Augenüberdrucks. Funktionelle Anzeichen Ein mehr oder weniger dumpfer Schmerz, Fremdkörpergefühl verbunden mit schmerzhafter Lichtscheu (sehr verdächtig auf intraokuläre Erkrankung), Tränen. Veränderung der Sehschärfe und der Gesichtsfunktion: Wahrnehmung von farbigen Kreisen um Lichtquellen, Autoscheinwerfer (erhöhter Augendruck oder Katarakt); plötzlicher Verlust der Sehfähigkeit (partiell oder total, relatives oder absolutes Skotom), ist ein Alarmzeichen; das Gesichtsfeld soll mit dem Finger geprüft werden. Es muss abgeklärt werden, in welchem Kontext allfällige funktionelle Anzeichen aufgetreten sind (z.b. im Rahmen eines Traumas, einer Epidemie, einer systemischen Erkrankung, nach Augenoperation). Differentialdiagnose Subkonjunktivale Blutung Eine subkonjunktivale Blutung ist eine sehr häufige Ursache einer akuten Augenrötung. Diese ist einseitig, lokalisiert, klar begrenzt; die darunter liegende Sklera ist nicht sichtbar, die angrenzende Konjunktiva ist nicht entzündet und es bestehen keine Sekretionen. Schmerzen bestehen keine, und die Sehfunktion ist nicht beeinträchtigt. Risikofaktoren sind Traumata (auch kleine, die der Patient möglicher- 1 La version française de cet article a été publiée dans le numéro 37/2004 de. 2005;5: Nr. 49-50 1027

weise gar nicht bemerkt hat), fragile Kapillaren in der Konjunktiva, Antikoagulation, Hypertonie und Diabetes. Manchmal entstehen subkonjunktivale Blutungen als Folge von starken Valsalva-Manövern (Husten, Erbrechen, Geburt). Die Resorption erfolgt spontan innert 2 bis 3 Wochen. Resorbiert sich das Hämatom nicht spontan, dann ist dies verdächtig auf eine zugrundeliegende Erkrankung (Tumor, Kaposi- Sarkom, Sarkoidose usw.), und eine spezialärztliche Abklärung ist nötig. Konjunktivitis Die Konjunktivitis ist die häufigste Ursache für ein rotes Auge. Bei Kindern handelt es sich in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle um eine bakterielle Entzündung (80%, gegenüber 13% viralen und 2% allergischen Entzündungen). Bei Erwachsenen sind bakterielle und virale Entzündungen etwa gleich häufig (40% bzw. 36%), während 24% andere Ursachen betreffen, eingeschlossen die allergische Konjunktivitis. Der Patient verspürt ein Brennen oder ein Gefühl von «Sand in den Augen». Die Sehfähigkeit ist nicht beeinträchtigt. Sekretionen unterschiedlichen Ausmasses sind möglich, sie können zum Verkleben der Wimpern führen, besonders morgens beim Erwachen. Bei der Inspektion sind erweiterte oberflächliche Gefässe der Konjunktiva, Ödem und konjunktivale Sekretion charakteristisch (Abb. 1). Eitriges Sekret weist in der Regel auf eine bakterielle Konjunktivitis hin. Flüssigkeit kann sich unter der nur locker fixierten Bindehaut des Bulbus ansammeln und letztere nach aussen aus der Lidspalte hervorwölben (Chemosis, Abb. 2). Virale Konjunktivitis Adenoviren verschiedener Serotypen stellen die häufigste Ursache viraler Konjunktivitiden dar. Sie können im Rahmen einer systemischen Virusinfektion mit Adenopathie, Fieber, Pharyngitis und anderen Infektionen der Atemwege auftreten. Die Infektion ist hochkontagiös und kann durch direkten Kontakt mit dem Patienten oder dessen Sekreten oder gar durch kontaminierte Gegenstände wie Toilettentücher, Hände oder durch das bei der ophthalmologischen Untersuchung verwendete Material übertragen werden. Meist wird innerhalb von 24 48 Stunden auch das kontralaterale Auge befallen. Bei der Untersuchung findet man typischerweise nur seromuköses Sekret. Die Konjunktivitis an den Lidern kann einen follikulären Aspekt aufweisen (noduläre, durchscheinende oder gelbliche Erhöhungen, die von feinen Gefässchen lymphatischen Ursprungs umgeben sind, Abb. 3). Wenn vorhanden, ist eine präaurikuläre Lymphadenopathie hochverdächtig für eine virale Konjunktivitis, sie ist jedoch selten zu beobachten. Der Spontanverlauf der viralen Konjunktivitis ist in typischen Fällen durch eine Zunahme während der ersten 3 5 Tage und danach ein langsames Abklingen über die folgenden 1 2 Wochen gekennzeichnet (Gesamtdauer 2 3 Wochen). Bei der epidemischen Keratokonjunktivitis handelt es sich um eine besonders fulminante, durch eine Keratitis komplizierte Form der viralen Konjunktivitis. Sie wird durch Adenoviren Typ 8, 19 und 37 hervorgerufen. Der Befall der Kornea tritt gleichzeitig mit der Konjunktivitis auf. Der Patient entwickelt ein Abbildung 1. Konjunktivitis. Abbildung 2. Chemosis. Abbildung 3. Follikuläre Konjunktivitis. 1028 2005;5: Nr. 49-50

Fremdkörpergefühl, und dadurch kann er das Auge selbst nur schwer öffnen. Die Sehschärfe ist beeinträchtigt. Manchmal lassen sich bereits von blossem Auge multiple Korneainfiltrate beobachten. Diese Patienten benötigen spezialärztliche Betreuung durch einen Augenarzt. Die Herpeskonjunktivitis kann als Primärinfektion, häufiger jedoch als Reaktivierung einer früheren Infektion auftreten. Die Primärinfektion mit dem Herpes-simplex-Virus (HSV) kann symptomlos verlaufen und tritt meist bei Kindern auf, übertragen von einem Herpes labialis. Beim Erwachsenen liegt meist eine Reaktivierung des HSV durch Stress, Fieber, Sonnenexposition, Traumen, Immunosuppression oder Menstruation vor. Die typischen periorbitalen Vesikel können fehlen. Eine schwere Komplikation ist die Keratitis dendritica, an die man bei Schmerzen der Kornea denken muss. In diesen Fällen ist eine spezialärztliche Untersuchung mit Hilfe der Spaltlampe unerlässlich, um die Diagnose zu erhärten. Wenn die Kornea nicht befallen ist, genügt eine symptomatische Therapie, und die Erkrankung geht spontan vorüber. Beim Zoster ophthalmicus (Abb. 4) handelt es sich um eine Reaktivierung des Varizella-Zoster-Virus im Bereich V1 des Trigeminus. Die Hautläsionen verteilen sich nach den Dermatomen. Vesikel auf dem Nasenflügel (Nervus nasociliaris, Ast des Nervus V1) weisen auf einen wahrscheinlichen Augenbefall hin; in diesen Fällen können eine Keratitis und Uveitis anterior eine Bedrohung der Sehfähigkeit darstellen. Eine spezialärztliche Konsultation ist in diesen Fällen nötig. Bakterielle Konjunktivitis Eine bakterielle Konjunktivitis wird im allgemeinen durch S. aureus, S. pneumoniae, H. influenzae und M. catarrhalis hervorgerufen. Staphylokokken sind beim Erwachsenen häufig, während die übrigen Erreger bei Kindern häufiger sind. Die bakterielle Konjunktivitis ist hochkontagiös; sie wird durch direkten Kontakt mit dem Patienten, mit seinen Sekreten oder gar mit kontaminierten Gegenständen übertragen. Typische Beschwerden sind ein rotes Auge sowie Augensekretion. Die Erkrankung beginnt schlagartig, und oft wird das kontralaterale Auge innert 48 Stunden ebenfalls befallen. Bei der Untersuchung stellt man eine sehr starke Sekretion fest, welche sich nach der Reinigung des Auges sofort neu bildet. Die Bindehaut an Bulbus und Lidern ist hyperämisch, eine Adenopathie fehlt oft. Eine bakteriologische Untersuchung ist nur bei schwerer Erkrankung oder bei Resistenz gegen die initiale Therapie indiziert. Eine besonders schwere Form, die hyperakute bakterielle Konjunktivitis, wird meist durch N. gonorrhoeae oder Pseudomonas hervorgerufen. Die Gonokokken werden durch Genitalsekrete übertragen, typischerweise liegt auch eine Urethritis oder Vaginitis vor. Die Infektion ist gekennzeichnet durch sehr reichliche eitrige Sekretion, welche 12 Stunden nach Infektion abrupt beginnt (Abb. 5), sowie durch Druckdolenz bei der Palpation. In typischen Fällen liegen eine starke Chemosis, ein Lidödem sowie eine deutliche präaurikuläre Adenopathie vor. Die gramnegativen Diplokokken können in der Direktuntersuchung nachgewiesen werden. Diese Patienten müssen hospitalisiert werden, und es muss eine topische und systemische Behandlung zur Verhütung einer Keratitis oder Perforation eingeleitet werden. Bei der durch Chlamydien hervorgerufenen Konjunktivitis (sog. Einschlusskörperchenkonjunktivitis) handelt es sich um eine seltene Form der Konjunktivitis. In den Industrieländern gehört sie zu den sexuell übertragenen Erkrankungen. Die Genitalinfektion (Urethritis oder Vaginitis) ist oft asymptomatisch. Abbildung 4. Zoster ophthalmicus. Abbildung 5. Hyperakute bakterielle Konjunktivitis. 2005;5: Nr. 49-50 1029

Die klinischen Charakteristika sind diejenigen einer akuten oder subakuten bakteriellen Konjunktivitis. Allergische Konjunktivitis Eine allergische Konjunktivitis wird durch ein Allergen ausgelöst, das mit dem Auge in Berührung kommt (aus der Luft: Pollen, Katzenhaar; oder Direktkontakt: Medikamente, Kontaktlinsen usw.). Juckreiz ist das Kardinalsymptom der allergischen Konjunktivitis, dadurch unterscheidet sich diese von einer viralen Konjunktivitis. Oft findet sich eine positive Anamnese für Atopie, saisonale Allergie oder eine spezifische Allergie wie z.b. auf Katzen. Die Lidbindehaut hat einen follikulären Aspekt. Unspezifische Konjunktivitis Es gibt noch weitere Ursachen, die zu einem roten Auge führen können, wobei diese eher mit einem mukösen statt eines eitrigen Ausflusses einhergehen. In der Regel liegen traumatische Faktoren mechanischer oder chemischer Art zugrunde: trockene Augen (zu geringe Tränensekretion im Rahmen eines Sjögren-Syndroms, Wind); Augenspülung nach Kontamination mit Chemikalien; nach Fremdkörperentfernung kann während 12 24 Stunden Rötung und Ausfluss fortbestehen; Refraktionsstörungen, Heterophorie, verminderte Durchgängigkeit der Tränenwege; auch eine Hyperthyreose kann eine unspezifische Konjunktivitis nach sich ziehen; Träger von Kontaktlinsen. Die Konjunktivitis bei Kontaktlinsenträgern kann sekundär sein; eine Anpassung oder ein Wechsel der Linsen oder eine bessere Hygiene ist dann notwendig. Cave: Bei Trägern weicher Kontaktlinsen besteht ein hohes Risiko einer ulzerierenden Keratitis durch Pseudomonas oder Acanthamoeba (Baden in schmutzigem Wasser), welche in weniger als 24 Stunden zu einer Augenperforation führen kann und daher unbedingt durch einen Spezialisten eindeutig ausgeschlossen werden muss. Abbildung 6. Chalazion. Blepharitis und andere Erkrankungen der Augenlider Akute oder chronische Entzündungen der Augenlider sind oft mit einer Reizung der Konjunktiven verbunden. Sie können durch eine Vielzahl von infektiösen, allergischen oder dermatologischen Faktoren hervorgerufen werden. Beim Chalazion (Abb. 6) handelt es sich um einen Verschluss des Kanälchens der Meibom-Drüse mit sekundärer Infektion (meist durch S. aureus) und reaktiver Lipidhypersekretion. Es folgt eine Bindehautreizung mit Fremdkörpergefühl, verbunden mit einer Schwellung des Lidrandes. Durch ständiges Reiben kann eine Trockenheit der Kornea entstehen, welche mitunter Mikroerosionen an der Hornhaut mit leichter Sehstörung nach sich ziehen kann. Missbildungen des freien Lidrandes (Entropion; Trichiasis, d.h. Einwärtswachsen der Wimpernhaare gegen den Bulbus; Ektropion) können durch Reiben eine Bindehautreizung oder gar Hornhautläsionen verursachen. Eine spezialärztliche Beratung ist in diesen Fällen angezeigt, um die Indikation für eine chirurgische Korrektur abzuklären. Episkleritis Die Episklera befindet sich zwischen Bindehaut und Sklera. Bei der Episkleritis handelt es sich um eine Gefässentzündung, wahrscheinlich autoimmunen Charakters, die spontan heilt. Sie ist gekennzeichnet durch eine plötzlich auftretende, lokalisierte, oberflächliche Augenrötung, begleitet von einem dumpfen Schmerz sowie Druckdolenz. Die Sehfähigkeit ist nicht beeinträchtigt. Bei der Untersuchung stellt man fokale Herde mit radiär erweiterten Episkleralgefässen fest, zwischen denen die gesunde Lederhaut sichtbar ist (Abb. 7). Die Episkleritis heilt spontan. Skleritis Bei der oft mit systemischen Krankheiten (Vaskulitis, Entzündung des Bindegewebes) assoziierten Skleritis handelt es sich um eine ernste Erkrankung, welche eine Bedrohung für die Sehfähigkeit darstellen kann. Die Rötung kann fokal oder diffus sein. Die Sklera ist gerötet und hyperämisch. Typisch ist ein tiefer, mässiger bis schwerer, kontinuierlicher Augenschmerz, der auch nachts bestehen bleibt. Es besteht Druckdolenz bei der Palpation. Diese Patienten sind notfallmässig an den Augenarzt zu überweisen. 1030 2005;5: Nr. 49-50

Akutes Glaukom Das akute Glaukom ist Resultat einer Erhöhung des intraokulären Drucks. Es handelt sich um eine seltene Erkrankung, die aber mit dem Alter häufiger wird. Oft ist der Allgemeinzustand beeinträchtigt. Manchmal leiden die Patienten unter unerträglichen Augenschmerzen, in anderen Fällen stellen starke Kopfschmerzen mit Unwohlsein Hauptbeschwerden dar. Auch Übelkeit und Erbrechen können auftreten. Wenn man von Anfang an auf das gerötete Auge achtet und dieses untersucht, kann dies unter Umständen eine aufwändige neurologische, radiologische oder gar gastrointestinale Abklärung ersparen. Die Pupille ist mässig dilatiert und reaktionslos. Durch das Hornhautödem bekommt die Iris einen verschwommenen Aspekt (Abb. 9), und der Patient nimmt um Lichtquellen herum einen Hof wahr. Die Sehschärfe nimmt immer mehr ab, und es kann eine Lichtscheue auftreten. Bei der Palpation der Bulbi stellt man eine deutliche Erhöhung des Augentonus fest. Wenn nicht sofort eine spezialärztliche Behandlung einsetzt, kann dies zu einer Atrophie des Nervus opticus mit irreversiblem Sehverlust führen. Abbildung 7. Episkleritis. Akute anteriore Uveitis (Iridozyklitis) Eine Entzündung der Iris und des Ziliarkörpers sieht man meist bei Patienten jüngeren oder mittleren Alters. Es gibt verschiedene Ursachen: infektiös (Tuberkulose, Toxoplasmose); reaktiv bei Infektionen im ORL- oder Zahnbereich; entzündlich bei systemischen Erkrankungen (M. Crohn, ankylosierende Spondylarthritis, rheumatoide Arthritis, M. Behçet, Sarkoidose usw.); nach chirurgischen Eingrif- Abbildung 8. Pterygium. Pterygium Das Pterygium ist eine gutartige degenerative Bindehautläsion, die man oft bei Personen findet, die sich lange im Freien aufhalten und Staub, Wind, Ultraviolettstrahlung ausgesetzt sind (z.b. Seeleute, Landwirte). Es handelt sich um eine Hypertrophie der Bindehaut, die als dreieckiger Bereich gefässreichen Gewebes in Erscheinung tritt. Das Gewebe grenzt an die Hornhaut und bildet eine recht dicke Schicht mit gewundenen Gefässen (Abb. 8). Abbildung 9. Akutes Glaukom. Abbildung 10. Uveitis anterior (perikorneale Injektion und Hypopyon). 2005;5: Nr. 49-50 1031

fen und posttraumatisch. Sie ist durch entzündliche Zellen in der Vorderkammer charakterisiert, die mit der Spaltlampe, manchmal sogar von blossem Auge sichtbar sind (Hypopyon, Abb. 10). Der Patient beklagt sich über Schmerzen, eine ausgeprägte Photophobie und eine Sehtrübung am erkrankten Auge. Typischerweise ist die Hyperämie am Limbus am ausgeprägtesten (perikorneale Injektion, Abb. 10). Eine Entleerung erfolgt selten. Die Pupille ist miotisch, kann unregelmässig sein und schwach auf Licht reagieren. Die Untersuchung des Augenhintergrundes kann wegen der Trübung des Kammerwassers erschwert sein. Notfallmässige Überweisung an einen Spezialisten ist unbedingt angezeigt. Keratitis superficialis Verschiedenste Faktoren wie trockene Augen, topische Behandlungen, virale Konjunktivitiden, Exposition zu UV-Strahlung, das Tragen von Kontaktlinsen, Blepharitis, Lidanomalien, Traumata können eine Keratitis im Gefolge haben. Eine Keratitis ist durch eine Entzündung des Korneaepithels mit begleitender Hyperämie der Konjunktiva gekennzeichnet. Die Läsionen können der Kornea einen unregelmässigen Aspekt verleihen, die Sehfunktion beeinträchtigen und zu Beschwerden führen. Die genaue Diagnose kann nur der Spezialist mittels Spaltlampe stellen. Betreuung und Behandlung Virale und bakterielle Konjunktivitis Mittels Anamnese und Status lassen sich bakterielle und virale Konjunktivitiden nicht sicher voander unterscheiden. Es wird daher empfohlen, bei allen Konjunktivitiden eine topische Antibiotikabehandlung durchzuführen; wenn man praktisch sicher ist, dass eine virale Konjunktivitis vorliegt, kann man auch auf Antibiotika verzichten und den Patienten nur mit einfachen antiseptischen und abschwellenden Augentropfen behandeln [Picloxydine (Vitabact ), Hexamidin (Desomedin )]. Achtung: Jede Behandlung von mehr als 14 Tagen kann per se eine Irritation der Konjunktiven hervorrufen. Bakterielle Konjunktivitiden heilen im allgemeinen spontan, eine Behandlung verringert jedoch die Dauer der Beschwerden und setzt die Ansteckungsgefahr herab. Wir empfehlen, alle bakteriellen Konjunktivitiden versuchsweise während 5 7 Tagen mit einer topischen Antibiotikatherapie zu behandeln (in schweren Fällen 10 14 Tage), z.b. mit Framycetin (Soframycin oder Frakitacin 5 mg) 1 2 Tropfen 4mal täglich, Lomefloxacin (Okacin 3 mg) 1 Tropfen 2 3mal täglich (wirksam gegen Pseudomonas bei Kontaktlinsenträgern) oder Chloramphenicol (Spersanicol ) 1 Tropfen 4mal täglich, usw. Bei Besserung kann die Dosis nach einigen Tagen auf zwei Gaben pro Tag reduziert werden. Eine bakterielle Konjunktivitis sollte sich nach 1 2 Tagen bessern. Bei wenig kooperativen Patienten, auch bei Kindern gibt man besser eine Salbe, welche allerdings während etwa 20 Minuten Sehstörungen hervorruft. Herpes-Konjunktivitis Die Behandlung ist symptomatisch. Kortikosteroide sind absolut kontraindiziert. Bei immunosupprimierten Patienten sowie wenn die Kornea mitbeteiligt ist, ist fachärztliche Beratung zwingend notwendig. Dasselbe gilt für Zoster ophthalmicus. Allergische Konjunktivitis Es wird empfohlen, zunächst mit einem topischen Antihistaminikum zu behandeln: Levocabastin (Livostin ), 1 Tropfen 2mal täglich; Ketotifen (Zaditen ) 1 Tropfen 2mal täglich. Bei länger dauernder Behandlung (mehr als 3 4 Wochen) kann nach Absetzen ein Reboundphänomen auftreten. Es ist in diesen Fällen empfehlenswert, ein Medikament der zweiten Wahl einzusetzen, einen Mastozytenmembranstabilisator, z.b. Cromoglicas, (Opticrom, Cromosol-ophta ) 1 2 Tropfen 4mal täglich, wobei es etwa zwei Wochen dauert, bis die Wirkung eintritt. Man kann auch einen topischen nonsteroidalen Entzündungshemmer über längere Zeit hinzufügen (beispielsweise Indophtal oder Voltaren ). Eine systemische Antihistaminikatherapie kann ihrerseits eine Augentrockenheit hervorrufen und so die Symptome noch verschlimmern. Sie ist daher nur bei ausgesprochen schwerer Hypersensibilität (z.b. Katzenallergie) oder bei schwerem, den Schlaf störendem Juckreiz angezeigt. Unspezifische Konjunktivitis Die Bindehautoberfläche regeneriert schnell und spontan ohne Therapie; bei stärkeren Beschwerden kann man eine Behandlung verschreiben, welche die Gleitfähigkeit verbessert (Vismed, Liquifilm tears, Viscotears, usw). Cave: Es gibt keine Indikation für eine Kortikosteroidbehandlung bei einfacher Konjunktivitis, wie der Hausarzt sie sieht. Kortikosteroide können schwere Komplikationen zur Folge haben (Hornhautnarben, Perforationen), wenn sie bei Herpes oder bakterieller Konjunktivitis verschrieben werden; beide können sich durch gerötete Augen mit Ausfluss manifestieren. Kortikosteroide können weitere Komplikationen wie Glaukom oder Katarakt nach sich ziehen. Sie sollten daher nur durch den Ophthalmologen bei 1032 2005;5: Nr. 49-50

viraler Keratitis, chronischer Blepharitis oder schweren Allergien verschrieben werden. Weitere Erkrankungen Chalazion: Man behandelt ein Chalazion mit einer Spülung des Ausflusses durch eine emulgierende Lösung (z.b. mit Baby-Shampoo), kombiniert mit einer antibiotischen Salbe mit oder ohne Kortikoide (z.b. Framycetin + Dexamethason [Frakidex ]); wenn die Kornea mitbefallen ist oder eine chronische Erkrankung vorliegt, muss der Spezialist beigezogen werden. Episkleritis: Wenn nötig, kann man mit einem topischen nichtsteroidalen Entzündungshemmer behandeln. Pterygium: Eine Behandlung zur Verbesserung der Gleitfähigkeit genügt; wenn eine Beeinträchtigung der Sehfunktion vorliegt, kann eine chirurgische Behandlung nötig sein. Datum der ersten Auflage: 18. März 2002 durch J. Sommer-Bühler, E. Baglivo und H. Stalder Für Auskünfte, Kommentare und Fragen wende man sich an: Hans.Stalder@hcuge.ch Diese Wegleitung kann auch im Web unter: http://www.hcuge.ch/dmc/fr-strateg.htm abgerufen werden Die drei wichtigsten Punkte, die man sich merken sollte In den meisten Fällen ist der Hausarzt durchaus in der Lage, die Ursachen eines roten Auges zu erkennen und zu diagnostizieren und die Behandlung durchzuführen. Liegen Verletzungen, starke Augenschmerzen, Photophobie, Sehstörungen, ein Korneainfiltrat oder ein Hypopyon vor, oder handelt es sich um eine chronische Erkrankung, Rezidiv oder einen behandlungsrefraktären Fall, dann muss ein Ophthalmologe beigezogen werden dies oftmals notfallmässig. Die Verschreibung von topischen Kortikosteroiden und Lokalanästhetika bleibt dem Spezialisten vorbehalten. Virale (und durch Chlamydien hervorgerufene) Konjunktivitiden sind hochkontagiös; der Arzt muss grösste Vorsicht walten lassen, um eine Übertragung auf andere Patienten oder sich selbst zu vermeiden. Pr Hans Stalder Département de Médecine Communautaire des Hôpitaux Universitaires de Genève et Institut de Médecine Communautaire de la Faculté de Médecine c/o Hôpital Cantonal CH-1211 Genève 24 Hans.Stalder@hcuge.ch Literatur 1 Leibowitz HM. The red eye. N Engl J Med 2000;343:345 51. 2 Jacobs DS. Conjunctivitis and evaluation of the red eye. http://www.uptodate.com 3 Rigal D. Un œil rouge. Rev prat 1990:1876 8. 4 Bertolini J, Pelucio M. The red eye. Emerg Med Clin North Am 1995:561 79. 2005;5: Nr. 49-50 1033

das rote Auge Trauma? Schmerzen, Ausfluss +++? Photophobie? eingeschränkter Visus? Hornhaut betroffen? Hypopion vorhanden? Zoster ophthalmicus? Zeichen und Symptome einer bakteriellen oder viralen Konjunktivitis? Behandlung mit topischen Antibiotika Atopieanamnese, Juckreiz +++? Verschlechterung nach 1 2 Tagen Behandlung mit topischen Antihistaminika Lidpathologie? Fortführen der Behandlung für 5 7 Tage Spezifische Behandlung (s. Text) Behandlung mit schmierender Salbe, beobachten Verbesserung nach 2 3 Wochen? Konsultation beim Spezialisten 1034 2005;5: Nr. 49-50