-Winterthur kann auf eine einmalige Industriegeschichte zurückblicken, sowohl im positiven als leider auch im negativen Sinn. -In den Hallen von



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Transkript:

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-Winterthur kann auf eine einmalige Industriegeschichte zurückblicken, sowohl im positiven als leider auch im negativen Sinn. -In den Hallen von Sulzer und Rieter wurde Schweizer Qualität für die Welt produziert, vom Webstuhl über die Gasturbine bis hin zur Lokomotive. 2

Das Stadtbild Winterthurs wurde und wird bis heute von dieser Industriegeschichte geprägt: Die Gartenstadt mit ihren grosszügigen Parklandschaften für die arbeitende Bevölkerung. Der Wohlstand führte zu einem Villengürtel um die Altstadt. Es existieren grossflächige (heute teilweise umgenutzte) Industriegebiete. Sulzer-Hochhaus als damaliger Konzernsitz (bis 2003 das höchste Gebäude der Schweiz) 3

Die Ölkrise und die damit verbundene Rezession der 1970er Jahre offenbarte die negativen Folgen zu grosser Abhängigkeiten von einigen wenigen Wirtschaftsakteuren. Insbesondere Sulzer wurde hart getroffen. 1973 beschäftigte Sulzer allein am Standort Winterthur 14 000 Personen Nach mehreren Umorientierungen und Umstrukturierungen folgte die Verlagerung zahlreicher Arbeitsplätze ins Ausland, die Zahl der Beschäftigten sank am Standort Winterthur bis Anfang der 1990er Jahre auf 6 500, heute sind es schweizweit noch rund 1 000. Die Verlagerung führte zur Räumung grosser Areale, die Areale Zürcherstrasse und Lagerplatz (zusammen 11.4 ha) werden als nicht betriebsnotwendige Liegenschaften klassifiziert. Mit Sulzer Stadtmitte stand an zentralster Lage plötzlich ein Areal von der Grösse der Altstadt leer. 4

1989 veröffentlichte Sulzer die Gesamtplanungsstudie Winti Nova. Die Studie schlug eine Neuüberbauung des Areals vor, wobei grosse Teile der Gebäude abgebrochen werden sollten. Winti Nova stiess aber sowohl in Fachkreisen als auch bei der Bevölkerung und der Stadtregierung auf grosse Kritik. Werkstatt 90 Stadtentwicklung Winterthur als Folge dieser Opposition Ziele: Sammeln der Meinungen und Bedürfnisse verschiedener Akteure, Bildung einer Basis für konstruktive Zusammenarbeit sowie Definition von Strategien und Rahmenbedingungen für weitere konkrete Schritte 5

Die ausgelöste städtebauliche Debatte zeigte, dass auch ans Sulzer-Areal anschliessende Grundstücke in die Betrachtung einfliessen müssen (z.b. Volg-Areale), und führte schliesslich zu einer Testplanung Stadtmitte Die Stadt Winterthur erkannte zudem bereits früh, dass das Marketing der Stadt professionalisiert werden muss 1994 Gründung Stadtmarketing Winterthur, des ersten Standortmarketings der Schweiz Im Rahmen eines Studienauftrags wurden 8 international anerkannte Planungs- und Architekturbüros beauftragt, Vorschläge für die Gestaltung des Areals Zürcherstrasse und für die Überbauung einer 1. Etappe einzureichen. Das Megalou -Projekt von Jean Nouvel und Emmanuel Cattani ging als Sieger aus dem Studienauftrag hervor. Rekurse sowie die Immobilienkrise und Rezession der 1990er setzten dem Projekt zu. Die Baubewilligung wurde zwar 1998 rechtskräftig, verfiel aber 2001 wieder. 6

Das Scheitern von Megalou führte zu einem Umdenken und dem Abstandnehmen von Megaprojekten für das Gesamtareal. Als Folge dieser kleinräumigeren Betrachtungen wurde vom Stadtrat und den Grundeigentümern in Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege, dem Heimatschutz und dem Kanton ein Schutzvertrag ausgearbeitet. Dieser brachte Planungssicherheit. Entwicklung teilweise aus dem Bestand, teilweise neu Es wurde eine Entwicklung angestossen, die heute noch im Gang ist. 7

Beispiele: Kesselhaus (links oben): neue Nutzung in altem Gebäude Kranbahn (rechts): Kombination aus neu und alt Sieb10 (links unten): Neubau 8

Das Lagerplatz-Areal wurde zwar auch schon vor dem Schutzvertrag zwischengenutzt, der Vertrag brachte aber auch hier Planungssicherheit. Die Stiftung Abendrot konnte das Lagerplatz-Areal per 1.1.2009 erwerben und entwickelt es seither nachhaltig weiter. Dazu gehört der offene Dialog mit den Mietern (z.b. Zukunftskonferenz). 9

Die bereits dargelegten Umstrukturierungen der Sulzer AG führten dazu, dass diese auch ihr Areal in Oberwinterthur nicht mehr benötigte. Damit wurde ein Gebiet frei, das von der Grösse her die Dimensionen in der Stadtmitte noch übertrifft. Für das zwischen drei S-Bahn-Stationen gelegene Areal eröffneten sich damit neue Möglichkeiten. Zusammen mit angrenzenden Arealen wurde das Gebiet in Neuhegi umbenannt, für das Gesamtgebiet wurde eine Entwicklungsstrategie erarbeitet. Während Teile des Areals gezielt als Industriestandorte für die bereits bestehenden Industriecluster erhalten bleiben sollen (inkl. Reserven zur Ausdehnung), werden daneben Mischgebiete mit einer hohen städtebaulichen Qualität angestrebt. Insgesamt bietet das Gebiet Neuhegi-Grüze ein Potenzial für 8 000-10 000 Arbeitsplätze und rund 3 700 Einwohnerinnen und Einwohner. 10

Das gesamte Gebiet Neuhegi-Grüze soll zum zweiten urbanen Zentrum Winterthurs werden ( bipolare Stadt) 11

Das Stadtmarketing wurde sukzessive aus- und schliesslich umgebaut: Zur Wirtschaftsförderung kam das Wohnortmarketing hinzu. 2007 wird aus dem Stadtmarketing die Standortförderung Region Winterthur, welche nebst der Stadt rund 20 Umlandgemeinden beinhaltet. Zweck ist die Stärkung der Wirtschafts- und Wohnregion Winterthur sowie die Förderung der Attraktivität dieser Region. Die Standortförderung Region Winterthur befasst sich heute mit den Themen Wirtschaft, Bildung und Wohnen. Der Bereich Wirtschaftsförderung ist clusterorientiert. Dabei stützt man sich auf die traditionellen Stärken der Region Winterthur ab und verbreitert diese gezielt. Eine einseitige Abhängigkeit von einzelnen Firmen (wie früher Sulzer und Rieter) soll vermieden werden. Da Winterthur nicht nur Industrie- sondern auch Kulturstadt, Gartenstadt, Einkaufsstadt, Musikstadt und eine Stadt mit vielen Sehenswürdigkeiten ist, existiert eine professionelle Tourismusmarketingorganisation, die diese Vorzüge in der Welt vermarktet. Und da die Stadtentwicklung gezielt gesteuert werden soll, existiert seit 2003 eine eigene Fachstelle Stadtentwicklung. Sie beschäftigt sich mit den unterschiedlichsten Fragen der Stadtentwicklung und stellt auch eine Art Pendant zur Standort- und Tourismusförderung in der Stadtverwaltung dar. Sie ist direkt dem Stadtpräsidenten unterstellt. 12

Um auf eigenen Stärken aufbauen und diese weiterentwickeln zu können, ist es wichtig, dass man sich dieser Stärken überhaupt bewusst ist. Die vorhin genannten drei Partner Stadtentwicklung, Standortförderung und Tourismusförderung haben deshalb im Rahmen eines Projekts Stadtmarke ihre 13 Erfolgsfaktoren definiert, welche teilweise bereits bestehen, teilweise weiterentwickelt werden müssen und teilweise als Schwerpunkte im Speziellen verfolgt werden. 13

Die bewegte Geschichte und das entschlossene Handeln aller involvierten Akteure führt schliesslich jeden Tag aufs Neue dazu, dass Winterthur eine begehrte Stadt zum Wohnen und Arbeiten ist. Insbesondere seit 2000 konnte die Bevölkerungszahl deutlich gesteigert werden, seit kurzem ist Winterthur sogar eine Grossstadt (>100 000 Einwohner). Prognosen sagen für 2025 eine Wohnbevölkerung von knapp 120 000 voraus. 14

Und Winterthur ist auch ein attraktiver Wirtschaftsstandort, dies belegen unabhängige Untersuchungen wie diejenigen des Economic Research der Credit Suisse. 15

In Winterthur sind insbesondere die Branchen Versicherungen, Maschinenbau, Unterrichtswesen und Gesundheitswesen stark. Dies ist teilweise historisch bedingt, ist zugleich aber auch das Resultat der clusterbasierten Wirtschaftsförderung. 16

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