Nano- und materialtechnologische Lösungen für Oberflächen



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Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung www.hessen-nanotech.de Nano- und materialtechnologische Lösungen für Oberflächen

Nano- und materialtechnologische Lösungen für Oberflächen Band 27 der Schriftenreihe der Technologielinie Hessen-Nanotech

Impressum Nano- und materialtechnologische Lösungen für Oberflächen Band 27 der Schriftenreihe der Technologielinie Hessen-Nanotech des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung Erstellt von VDI Technologiezentrum GmbH Autoren: Dr. Wolfgang Luther, Dr. Heinz Eickenbusch, Dr. Gerd Bachmann Innovationsbegleitung und Innovationsberatung VDI-Platz 1 40468 Düsseldorf Redaktion Sebastian Hummel (Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung) Dr. David Eckensberger (Hessen Trade & Invest GmbH, Hessen-Nanotech) Herausgeber Hessen Trade & Invest GmbH Konradinerallee 9 65189 Wiesbaden Telefon 0611 95017-8326 Telefax 0611 95017-8620 www.htai.de Der Herausgeber übernimmt keine Gewähr für die Richtigkeit, die Genauigkeit und die Vollständigkeit der Angaben sowie für die Beachtung privater Rechte Dritter. Die in der Veröffentlichung geäußerten Ansichten und Meinungen müssen nicht mit der Meinung des Herausgebers übereinstimmen. Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung Kaiser-Friedrich-Ring 75 65185 Wiesbaden www.wirtschaft.hessen.de Vervielfältigung und Nachdruck auch auszugsweise nur nach vorheriger schriftlicher Genehmigung. Titelbild: Rittal Lektorat: Gabriele Kopf Gestaltung: Piva & Piva, Darmstadt Druck: A&M Service GmbH, Elz www.hessen-nanotech.de Dezember 2015 NANO- UND MATERIALTECHNOLOGISCHE LÖSUNGEN FÜR OBERFLÄCHEN

Inhalt Vorwort 1 1. Einführung 2 2. 3. 4. 5. 6. 7. Technologien und Verfahren zur Modifikation von Oberflächen 4 2.1 Physikalische Gasphasenabscheidung 6 2.2 Chemische Gasphasenabscheidung 9 2.3 Spritz-, Spray- und Tauchverfahren 11 2.4 Elektro- und thermochemische Verfahren 14 Oberflächenfunktionalisierungen 15 3.1 Optische Beschichtungen 15 3.2 Mechanische Schutz- und Hartstoffschichten 18 3.3 Elektrisch leitfähige und dielektrische Schichten 20 3.4 Chemisch funktionalisierte Beschichtungen 21 3.5 Biologisch aktive Beschichtungen 26 Industrielle Anwendungsfelder 27 4.1 Fahrzeugtechnik 28 4.2 Energie- und Umwelttechnik 30 4.3 Maschinen- und Werkzeugbau 32 4.4 Optik und Elektronik 34 4.5 Medizintechnik 36 Praxisbeispiele aus Hessen 38 5.1 PVA Industrial Vacuum Systems: Verschleißschutz für Stahloberflächen 38 5.2 Dr.-Ing. Meywald: Innovative Verfahren für edle Metalloberflächen 40 5.3 EPG Engineered nanoproducts Germany: Dekorative Schutzbeschichtungen auf Edelstahl 42 5.4 REWITEC: Mehr Performance für Motoren, Getriebe und Lager 44 5.5 MarkWehner-Protect: Schutzbeschichtungen für Baustoffe 46 5.6 Ruhl & Co: Neue Beschichtungslösungen für höchste Anforderungen im Korrosionsschutz 48 5.7 Rittal: Nanobeschichtungen für konstant hohe Kühlleistungen 50 Kompetenzen und Adressen hessischer Unternehmen 52 Literatur Links 55 NANO- UND MATERIALTECHNOLOGISCHE LÖSUNGEN FÜR OBERFLÄCHEN

0. Vorwort Headline Wer kennt das nicht: Schon wieder Fingerabdrücke auf dem Smartphone-Display, und die Kratzer im Glas stören sowieso schon lange? Ein alltägliches, fast schon banales Beispiel für ein ergiebiges Forschungsfeld. Oberflächen sind als Schnittstellen zwischen Produkten und ihrer Umgebung vielfältigsten Kräften und Einwirkungen ausgesetzt ob es sich nun um das Handy in der Hosentasche, die Frontscheibe eines Pkw oder den Motor einer Windkraftanlage hoch über der Nordsee handelt. Einen Überblick über die Verfahren und Technologien in diesem gleichermaßen etablierten wie innovativen Arbeitsgebiet sowie Anwendungsbeispiele und Kontaktadressen finden Sie in der vorliegenden Broschüre. Es wird deutlich, dass nano- und materialtechnologische Innovationen zahlreiche Produkte verbessern können. Wir hoffen, dass die folgenden Seiten Ihnen Impulse für Ihre Entwicklungen und Produkte geben. Hessische Unternehmen haben dafür zahlreiche Innovationen entwickelt, die den Energieverbrauch senken und die Lebensdauer der Produkte erhöhen. So stellt die Firma Rewitec aus Lahnau nanotechnologische Additive für Motoren und Getriebe her, unter anderem für Offshore-Windkraftanlagen. Sie verringern Reibung, Abnutzung und Verschleiß und verlängern so die Laufzeiten der Anlagen. Die Energieausbeute wächst, die aufwendigen und kostenintensiven Wartungsarbeiten auf offener See reduzieren sich. Auch Auto- und Flugzeugteile benötigen widerstandsfähige Oberflächen: Hier bieten unter anderem die Wettberger Firma PVA Industrial Systems und das Wetzlarer Unternehmen Ruhl & Co Lösungen an. Tarek Al-Wazir Hessischer Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung VORWORT 1

1. Einführung Nano- und materialtechnische Lösungen für Oberflächen können auf vielfältige Weise zur Verbesserung und zum Werterhalt von Produkten im industriellen und privaten Anwenderbereich beitragen. Die gezielte Werkstoffauswahl und eine darauf abgestimmte Funktionalisierung von Produktoberflächen durch Beschichtungstechnologien spielen hier eine entscheidende Rolle. Beschichtungen schützen vor Verschmutzungen, Korrosion und Verschleiß, verhindern unerwünschtes Anhaften, erhöhen die Abriebund Kratzfestigkeit oder verbessern sonstige Funktionen wie die Gleiteigenschaften. Dabei können Oberflächenmodifikationen für Produkte eine Notwendigkeit darstellen, bisweilen sind sie aber auch nur optional, um zusätzliche Funktionalitäten zu implementieren. Höhere Kundenanforderungen in Bezug auf die Qualität und Funktionalität von Produkten führen zu einer wachsenden Nachfrage nach definierten und individualisierbaren Beschichtungslösungen. Beschichtungen dienen aber nicht nur der Optimierung bestehender Produkte. Sie können auch dazu beitragen, neue Märkte für ein Unternehmen zu erschließen und seine Position in der Wertschöpfungskette zu stärken und zu verbessern. Die Anwendung der Oberflächen- und Schichttechnologie sowie insbesondere der Nanotechnologie bietet die Möglichkeit, Produkte zu veredeln und somit für den jeweiligen Einsatzzweck zu optimieren. Dies kann durch die Modifikation der Oberfläche des Werkstoffes selbst erfolgen, das heißt ohne separaten Schichtauftrag (zum Beispiel durch Nitrieren, Randschicht-Härten oder Ionenimplantieren). Alternativ wird eine neue Schicht auf das Substrat aufgebracht, wie beispielsweise beim thermischen Spritzen, der physikalischen und chemischen Gasphasenabscheidung oder dem Sol-Gel-Verfahren. Durch die Modifikation der Oberflächenrandbereiche oder das Auftragen von Schichten erhalten die Grundwerkstoffe neue chemische oder physikalische Eigenschaften, wie beispielsweise tribologische das heißt die Reibungseigenschaften betreffende Funktionen. Der Grundwerkstoff dient dann oftmals nur noch als Trägermaterial für die Oberflächenschicht. Der daraus resultierende Verbundwerkstoff vereinigt in nahezu idealer Weise alle Vorzüge der Einzelkomponenten. Welches Beschichtungsverfahren und -material verwendet wird, hängt von den spezifischen Anforderungen an die Oberfläche des jeweiligen Grundwerkstoffes ab. So dient das Randschichten-Härten, Nitrieren oder Verchromen nicht nur dazu, das Reibungs- und Verschleißverhalten des beschichteten Grundwerkstoffes zu verbessern, sondern ein weiterer wichtiger positiver Effekt ist eine deutlich verbesserte Oxidationsbeständigkeit. Die Oberfläche kann nachträglich mit Hilfe der Beschichtungstechnologie auf ein bestimmtes Anforderungsprofil hin optimiert werden. Ziel der verschiedenen Oberflächenbehandlungsverfahren ist es, definierte Produktfunktionalitäten zu erzielen, wie beispielsweise: Mechanischen Schutz vor Verschleiß, eine erhöhte Kratzfestigkeit oder besseren Schutz vor Reibungsschäden bieten Barrierefunktionen wie Schmutzabweisung, Korrosionsbeständigkeit, Durchlässigkeit für bestimmte Strahlung oder chemische Stoffe, Brandschutz oder Wärmeisolation durch das Produkt ermöglichen Grenzflächenwechselwirkung optimieren oder gewährleisten, wie etwa Haftung beziehungsweise Antihaftung, Benetzbarkeit, Lackierbarkeit oder Biokompatibilität Optische und haptische Funktionen verbessern, so zum Beispiel das Reflexionsverhalten, die Absorption oder Transparenz gegenüber Licht oder auch um rein dekorative Effekte zu erreichen Die Fülle der aktuellen Entwicklungen und Ergebnisse der Materialforschung und Oberflächentechnologie sind insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen nahezu unüberschaubar. Die vorliegende Broschüre soll Unternehmen unterstützen, Ideen für Produktverbesserungen auf Basis nano- und materialtechnischer Lösungen zu entwickeln sowie geeignete Kompetenzträger zu identifizieren, die auf den jeweiligen Anwendungsfall zugeschnittene Beschichtungslösungen anbieten können. 2 NANO- UND MATERIALTECHNOLOGISCHE LÖSUNGEN FÜR OBERFLÄCHEN

Oberflächenfunktionalisierung Einsetzbare Verfahren Beispiele für Materiallösungen Bei welchen Produkten anwendbar? Farbeffekte Sprüh-/Tauchverfahren, PVD-Verfahren Interferenzpigmente auf Basis von nanobeschichteten Metalloxid-Substrat-Interferenzbeschichtungen Architektur, Fahrzeugtechnik, Alltagsgenstände: Lacke mit irisierenden und Farbwechsel-Effekten Optik: Optische Filter Antireflexion Sol-Gel-Beschichtungen, PVD-Beschichtungen Strukturierte Polymerschichten, Magnesiumfluoridschichten Mehrfach-Schichten aus Metalloxiden Optik: zum Beispiel entspiegelte Linsen, Objektive, Okulare, Displays, Brillengläser, Sichtfenster und Solarmodule Schaltbare Lichtdurchlässigkeit PVD-Verfahren, Sputtern, Sol-Gel-Verfahren Elektrochrome Schichten auf Basis von Metalloxiden (Molybdänbzw. Wolframoxide oder leitfähige Polymeren, farbstoff dotierte Flüssigkristallmischungen) Photochrome Beschichtungen auf Basis von Silberhalogeniden Architektur/Fahrzeugtechnik: Adaptive Verscheibungen, Konsumgüter: Brillengläser UV-/IR-Schutz PVD-Verfahren, Sol-Gel-Verfahren, Sprüh-/Tauchverfahren Titandioxid/Zinkoxid-Nanopartikel dotierte Klarlacke (UV-Schutz) Bautechnik/Fahrzeugtechnik: UV-Schutz für Autolacke, Baukunststoffe Verschleißschutz/ Reibungsminderung PVD-Verfahren, Sol-Gel-Verfahren, Sprüh-/Tauchverfahren Hartstoffschichten aus Kohlenstoff, Hartmetallen und Keramiken Schmierstoffzusätze, Nanopartikelverstärkte Gleitlacke Fahrzeugtechnik: Verschleißfeste Antriebskomponenten (Motoren, Getriebe) Maschinenbau: Werkzeuge, Maschinenkomponenten, Förderbänder etc. Kratzfestigkeit PVD-Verfahren, Sol-Gel-Verfahren, Sprüh-/Tauchverfahren Nanopartikel-verstärkte kratzfeste Klarlacke, Nanoglasbeschichtungen Kunststofftechnik: Transparente bzw. glänzende Kunststoffoberflächen zum Beispiel für Automobilinterior Konsumgüter: Displays, Unterhaltungselektronik, Brillen Bau: Parkettböden, lackierte Oberflächen Elektrisch leitfähige Schichten Sprüh-/Tauchverfahren, Sol-Gel-Verfahren, Atmosphärendruck-CVD-Verfahren, PVD-Verfahren Nanopartikel (CNT/Graphen)- dotierte Kunststoffe/Lacke, dotierte Metalloxide (Zinn, Indium, Antimon) Konsumgüter: Displays für Smart phones, Fernseher etc. Energietechnik: Solarzellen Fahrzeugtechnik/Textil: Beheizbare Scheiben, Sitze, Kleidung Dielektrische Schichten PVD-Verfahren Einfach- und Mehrfachschichten aus Metalloxiden und -nitriden Optik: hoch präzise optische Komponenten mit definierter Transmisson/Reflektion Elektronik: Dielektrika für Schalt kreise, Kabel, Kondensatoren Hydrophobie/ Antihaftschichten Sol-Gel-Beschichtungen, Sprüh-/Tauchverfahren, Laserstrukturierung, Plasmaätzverfahren, PVD-Verfahren Beschichtungen mit Siliziumdioxidnanopartikeln, organischeanorganische Hybridpolymere, Lacke mit umweltschonenden kurzkettigen Fluortensiden Bau/Textil/Konsumgüter: Schmutz/-wasserabweisende Ober flächen, Anstriche, schmutzabweisende Kleidung, Markisenstoffe, Antigraffiti-Beschichtungen Medizin-/Analysetechnik: Kanülen, restentleerbare Behälter, funktionelle Oberflächen für Fluidik und Sensorik Selbstreinigende Beschichtungen Sol-Gel-Beschichtungen, Sprüh-/Tauchverfahren photokatalytische Beschichtungen auf Basis von Titandioxidund Zinkoxid-Nanopartikeln Bau: Glas, Beton, Metall, mit Einschränkungen: Kunststoffe, Textilien Korrosionsschutz/ Verzunderungsschutz Elektrochemische Beschichtungen, Sol-Gel-Verfahren, Sprüh-/Tauchverfahren, PVD-Verfahren Organisch anorganische Hybridmaterialien/-schichten mit integrierten Metalloxid-Nanopartikeln, wasserbasierte und lösemittelbasierte Zink-/Magnesiumbeschichtungslösungen Leichtbau, Flugzeug und Automobilbau, Architektur: Metallober flächen Stahl, Aluminium, Magnesium, Messing, Kunststoffe, Glas, Beton Brandschutz Sol-Gel-Verfahren, Sprüh-/Tauchverfahren Sol-Gel-basierte Brandschutzbeschichtungen Bau/Textil: Kunststoffteile, Glas, Textilien, Holz, Naturfasern Biokompatibiltät, Bioaktivität PVD-Verfahren, Sprüh-/Tauchverfahren, Hydrophile, amphiphile und thermoresponsive Polymere, keramische Beschichtungen für Titanimplantate Medizin: Stents, Katheter, Implantate, Membranen, Zellkultur gefäße, Spritzen Antibakteriell PVD-Verfahren, Sol-Gel-Verfahren, Sprüh-/Tauchverfahren Nanosilberbeschichtungen, Titandioxid- und Zinkoxid-Nanopartikel für photoaktive Beschichtungen Medizin: Stents, Katheter, Operationsbesteck Konsumgüter: Antibakterielle Oberflächen für Haushaltsoberflächen Überblick zu nano-/materialtechnischen Lösungen für Oberflächenfunktionalisierungen und deren technische Anwendungen (Quelle: VDI TZ). EINFÜHRUNG 3

2. Technologien und Verfahren zur Modifikation von Oberflächen Verfahren Target / Schichtmaterial Substrat Bauteilgeometrie Temperatur Schichtdicken PHYSIKALISCHE GASPHASENABSCHEIDUNG Thermische Verdampfung leicht verdampfbare Festkörper Festkörper kleine Flächen bevorzugt niedrig dünn dick Elektronenstrahlverdampfen niedrig- und hochschmelzende Festkörper Festkörper kleine Flächen bevorzugt niedrig mittel dünn - dick Lichtbogenverdampfung leitfähige Festkörper leitfähige Festkörper beliebig / Bohrungen problematisch niedrig hoch dünn dick Sputtern Festkörper Festkörper große ebene Flächen bevorzugt mittel dünn Ionenplattieren Festkörper Festkörper beliebig / Bohrungen problematisch mittel hoch dünn mittel CHEMISCHE GASPHASENABSCHEIDUNG Thermisch aktiviert chemische Precursoren wärmeresistente Festkörper beliebig hoch dünn mittel Plasma-unterstützt gasförmige Ausgangsmaterialien Festkörper beliebig / Bohrungen problematisch niedrig hoch dünn SPRAY, SPRITZ- UND TAUCHVERFAHREN Thermisches Spritzen metallischer Draht, Pulver Festkörper flächiges Substrat bevorzugt niedrig mittel mittel dick Elektrostatisches Sprayen Fluide, Pulver, Fasern leitfähige Oberfläche beliebig niedrig mittel dick Sol-Gel-Verfahren flüssiger Sol-Zustand Festkörper beliebig niedrig dünn mittel ELEKTRO- UND THERMOCHEMISCHE VERFAHREN Galvanische Beschichtung leitfähige Festkörper leitfähige Oberfläche beliebig / Kanten problematisch niedrig mittel dick Einsatzhärten und Nitrieren Kohlenstoff/ Stickstoff eisenbasierte Bauteile beliebig mittel hoch dünn Verfahrensparameter, Anforderungen und Anwendungsbeispiele verschiedener Beschichtungstechnologien (Quelle: VDI TZ). 4 NANO- UND MATERIALTECHNOLOGISCHE LÖSUNGEN FÜR OBERFLÄCHEN

Oberflächen- und Schichttechnologien dienen der Eigenschaftsverbesserung von Bauteilen und Werkzeugen. Dabei werden sowohl dekorative als auch funktionsbestimmende Eigenschaften angestrebt. Für die Beschichtung steht eine Vielzahl an Methoden zur Verfügung, bei denen je nach Art der Erzeugung des Beschichtungsmaterials und in Abhängigkeit der Materialaufbringung unterschieden wird. Bei den Verfahren handelt es sich im Wesentlichen um die etablierte physikalische beziehungsweise chemische Gasphasenabscheidung, die Auftragung lösemitteloder pulverbasierter Schichten sowie die Schichtbildung durch galvanische oder thermochemische Prozesse. Die nachfolgende Tabelle fasst die jeweiligen Beschichtungsanforderungen und Verfahrensparameter für die unterschiedlichen Schichttechnologien zusammen. Vakuum Kosten Vorteile / Nachteile Anwendungsbeispiele Hochvakuum niedrig + hohe Auftragsraten möglich + keine Umweltbelastung oftmals Probenrotation nötig Hochvakuum mittel + qualitativ hochwertige Schichten + große Schichtvielfalt + hohe Verschleißfestigkeit + hohe Auftragsraten möglich + keine Umweltbelastung oftmals Probenrotation nötig Hochvakuum mittel + qualitativ hochwertige Schichten + große Schichtvielfalt + hohe Verschleißfestigkeit und Haftung + beliebige Targetlage + keine Umweltbelastung oftmals Probenrotation nötig Droplettemission möglich Al-Beschichtung von Reflektoren; Beschichtung von Kunststoffen mit Al, Ag, Au oder Cu metallische und oxidische Beschichtungen; Barriereschichten für Verpackungen metallische Verschleißschutzschichten Ultrahochvakuum Ultrahochvakuum mittel mittel + gleichmäßige Beschichtung + Beschichtungsfläche einfach skalierbar + Targetlage beliebig + gute Schichthaftung + keine Umweltbelastung dielektrische Beschichtungen komplexe Geometrien problematisch Funktionsschichten für Wärmeschutzverglasungen, Displays und Solarzellen; Abscheidung von Legierungs- und Verbindungsschichten haftfeste industrielle Beschichtungen Grobvakuum mittel hoch + hohe Härte / Verschleißfestigkeit Hartstoffschichten für Bohr- und Schneidwerkzeuge Grobvakuum mittel hoch + Schichteigenschaften gut einstellbar reaktive Gase Abgasnachbehandlung nötig Schichten für Tribologie, Korrosionsschutz, Optik, Sensorik, Design, elektronische Bau teile; Beschichtung von Kunststoffen Schutzgas niedrig + große Werkstoffvielfalt + hohe Auftragsraten kein Vakuum nötig niedrig + flexibel einsetzbar Restporösität sicherheitstechnische Anforderungen Hitze-, Verschleiß- und Korrosionsschutz; Beschichtung wärmeempfindlicher Materialien (Holz, Papier, Kunststoff) Schichten mit Flüssig- und Pulverlack kein Vakuum nötig niedrig + einfache Lackiertechnik + chemisch reine Schichten dicke Schichten durch Multilagen Glas- oder Keramiküberzüge; Beschichtung mit Pulvern, Fasern, Keramikpartikeln; funktionelle Schichten (schmutzabweisend, antimikrobiell, hydrophil, hydrophob, photokatalytisch, ) kein Vakuum nötig niedrig + gute Korrosionsbeständigkeit + hohe Beschichtungsraten eher weiche Schichten eingeschränkte Materialwahl zum Teil ökologisch bedenklich dekorative Beschichtungen; Korrosions- und Verschleißschutz kein Vakuum nötig niedrig + gute Korrosionsbeständigkeit Nachbehandlung nötig Oberflächenhärtung von Eisenmaterialien; Standzeitverlängerung von Eisenwerkstoffen TECHNOLOGIEN UND VERFAHREN 5

2.1 Physikalische Gasphasenabscheidung Bei der physikalischen Gasphasenabscheidung (PVD: physical vapour deposition) wird durch Erhitzen oder durch Beschuss mit energiereichen Teilchen wie Ionen, Elektronen oder Photonen aus einem als Target bezeichneten Beschichtungsmaterial durch Verdampfen oder Zerstäuben Material ausgelöst, das sich dann auf einem gegenüberliegenden Substrat, also der zu beschichtenden Oberfläche, als feste Schicht niederschlägt (Merz und Jehn 2001). Dazwischen können durch geeignete Verfahrensparameter wie Temperatur, elektrische Felder oder Ionisationsbereiche die Teilcheneigenschaften gezielt zur Erreichung der gewünschten Schichteigenschaften, wie beispielsweise Härte, Porosität, Rauheit, eingestellt werden. Schichtbildung Materialtransport Materialabtrag Prinzipieller Ablauf einer physikalischen Gasphasenabscheidung (Quelle: VDI TZ). Bei der physikalischen Gasphasenabscheidung unterscheidet man für die Schichterzeugung je nach Targetanregung das Aufdampfen und das Aufsputtern oder Ionenplattieren. Die Wahl des Verfahrens hängt von der Art, Form und Größe des zu beschichtenden Bauteils ab. Bei großen, flächigen Substraten wählt man eher einen Flächenemitter, in der Regel ein ionenunterstütztes Verfahren. Bei der Beschichtung mehrerer kleiner Bauteile kann durch eine angepasste Rotation der Substrataufhängung das Problem eines ungleichmäßigen Materialauftrags weitgehend vermieden werden. Dieses Verfahren muss immer im Vakuum durchgeführt werden, um unerwünschte Verunreinigungen durch Gase zu vermeiden. Auch könnte das aus dem Target ausgelöste Material auf seinem Weg zum Substrat sonst mit Gasmolekülen zusammenstoßen und so Bewegungsenergie verlieren, was ebenfalls die Schichteigenschaften beeinflussen würde. Der wesentliche Vorteil des physikalischen Gasphasenabscheidungsverfahrens liegt in der niedrigen Abscheidetemperatur, wodurch eine Bandbreite an Stoffen, wie beispielsweise Kunststoffe, Keramiken, Gläser, Metalle oder Halbleiter mit einer Vielfalt an Materialien beschichtet werden können. Einschränkungen besitzen die physikalischen Gasphasenabscheidungsverfahren bei der Beschichtung stark verformter Oberflächen, denn die ausgelösten Teilchen bewegen sich in der Regel geradlinig vom Target zum Substrat. Die Struktur der Beschichtung kann durch Variation der Auftreffenergie der Teilchen, der Bindungsenergie der Substratoberfläche und der Beschichtungsrate verändert werden. Beim Abscheidungsprozess können aber auch gezielt weitere Gase wie Sauerstoff, Stickstoff oder Kohlenwasserstoffe und dergleichen zugesetzt und so deren Bestandteile ebenfalls in die Beschichtung eingebaut werden. Auf diese Weise sind Oxid-, Nitrid- und Karbidschichten zugänglich, die für optische Schichten oder harte Randschichten von Bedeutung sind. Auch durch zusätzlichen Beschuss der Substratoberfläche mit energiereichen Ionen lassen sich die Schichteigenschaften beeinflussen (Schultrich 2010). Verschiedene physikalische Abscheideverfahren lassen sich kombinieren und je nach Anforderung flexibel in wirtschaftlichen Rolle-zu-Rolle-Prozessen einsetzen. Produktionsanlage zur Herstellung organischer Solarfolien im Rolle-zu-Rolle-Verfahren mittels Vakuumdeposition (Quelle: Heliatek, Fotograf Tim Deussen, Berlin). 6 NANO- UND MATERIALTECHNOLOGISCHE LÖSUNGEN FÜR OBERFLÄCHEN

2.1.1 Thermische Verdampfung Hierbei wird das Beschichtungsmaterial in einem Tiegel oder von einer Wendel verdampft. Dazu wird der Träger durch direkten Stromdurchgang, Induktion, Elektronenbeschuss oder Laserstrahlung aufgeheizt. Die emittierten Teilchen besitzen eine geringe Bewegungsenergie, wodurch eine schonende Beschichtung auch von empfindlichen Substraten möglich ist. Beim Widerstandsverdampfen wird der Tiegel aus hochschmelzendem Material wie beispielsweise Wolfram, Molybdän, Tantal oder Graphit direkt von elektrischem Strom durchflossen und dadurch erhitzt. Hinsichtlich der zu verdampfenden Materialien können dabei nur leicht verdampfbare oder wenig reaktive Materialien wie Zinn, Zink, Aluminium, Silber, Gold oder Kupfer verwendet werden. 2.1.2 Elektronenstrahlverdampfen Unabhängig von der Schmelztemperatur lassen sich feste Materialien durch Anregung mit einem hochenergetischen Elektronenstrahl verdampfen. Ein leistungsstarker Elektronenstrahl mit Beschleunigungsspannungen im Kilovolt-Bereich wird über eine Elektronenoptik auf das Target fokussiert und heizt dessen Oberfläche lokal so stark auf, dass dort das Targetmaterial in die Gasphase übertritt. Substrat Beschichtung Target e - Substrat Beschichtung Target + Widerstandsverdampfung durch strominduzierte Tiegelheizung (Quelle: VDI TZ). Wird die Herstellung besonders dünner Schichten mit atomar genau eingestellter Gitterstruktur gewünscht, wie dies oft in der Halbleiterindustrie für die Herstellung von Halbleiterlasern oder Hochleistungstransistoren der Fall ist, so setzt man für das Aufwachsen die Molekularstrahlepitaxie (MBE) ein, bei der aus geeignet angeordneten beheizten Zellen die nötigen Halbleiter gerichtet auf das Substrat aufgebracht werden. Das thermische Verdampfen ist eine vergleichsweise preiswerte Methode zur Schichtherstellung und ist eines der im industriellen Maßstab hauptsächlich angewendeten Verfahren. Elektronenstrahlinduzierte Verdampfung (Quelle: VDI TZ). Durch Variation der Elektronenenergie und des Beschussstroms lassen sich die Oberflächentemperatur und die Verdampfungsrate variieren. Ein großflächiger Materialabtrag kann durch Rastern des Elektronenstrahls erreicht werden. Die gegenüber der Widerstandsheizung höheren Anschaffungskosten werden durch geringere laufende Kosten und durch die höheren Produktionsraten bei variablerem Materialeinsatz kompensiert. Der Elektronenstrahlverdampfer besitzt aber Nachteile bei der Beschichtung großer ebener Flächen, wofür dann eher flächenförmige Sputterquellen eingesetzt werden. TECHNOLOGIEN UND VERFAHREN 7

2.1.3 Lichtbogenverdampfung Um dichtere Schichten abzuscheiden, reicht die Bewegungsenergie der thermisch verdampften Teilchen nicht aus. Energiereichere und damit reaktionsfreudigere Teilchen können durch intensive Aktivierung des Dampfes erzeugt werden. Eine Möglichkeit besteht darin, den bei der Elektronenstrahlverdampfung benutzten Elektronenstrahl als Bogenentladung zu gestalten, wobei jedoch die Anregungsenergie dieses Elektronenstrahls kleiner wird und dadurch die Beschichtungsrate abnimmt. Bei dieser Vakuumlichtbogenabscheidung wird das Beschichtungsmaterial auf einem eng begrenzten Brennfleck des Lichtbogens erhitzt und verdampft. Das Target ist dabei fest und leitfähig und der Träger der Gasentladung ist der entstehende Dampf selbst. In diesem werden überwiegend Ionen erzeugt, welche durch Anlegen einer Spannung mit variabler kinetischer Energie auf das Substrat gelenkt werden können. Auch durch gepulste Laserstrahlung lässt sich festes Targetmaterial verdampfen und bei Zuführung einer hohen Leistungsdichte lokal in ein ionisiertes Gas (Plasma) überführen. Die Schichtbildungsprozesse sind bei beiden Verfahren ähnlich, da in beiden Fällen ein hochionisierter Plasmastrahl erzeugt wird. Durch Anlegen elektrischer Potenziale kann das ionisierte Dampfmaterial gezielt auf Substratoberflächen abgeschieden werden. Durch Variation dieses Ionenbeschleunigungspotenzials können unterschiedliche Schichteigenschaften eingestellt werden. 2.1.4 Zerstäubungsabscheidung (Sputtern) Bei der Zerstäubung von Targetmaterial (Sputtern) werden durch Teilchenbeschuss ausgelöste Atome mit hoher kinetischer Energie auf ein Substrat gelenkt und dort deponiert. Der Sputterprozess wird in der Regel durch Beschuss mit Ionen aus einer Ionenstrahlkanone oder aus einem ionisierten Gasvolumen (Plasma) durchgeführt. Zum Sputtern wird an das Target eine negative Spannung angelegt, welche die kinetische Energie der Beschussionen und damit die Sputtereffektivität bestimmt. Dabei kommt es durch den Energieeintrag der Ionen zu einer Stoßkaskade im Target, wodurch Oberflächenatome ausgelöst werden. In der Regel werden Edelgasionen als Beschussteilchen verwendet. Die Sputterausbeute hängt sowohl von der Art, der Energie und dem Einfallswinkel der auftreffenden Ionen als auch vom Targetmaterial selbst ab. Die Bewegungsenergie der emittierten Atome ist deutlich höher als beim Verdampfungsprozess, wodurch zwar die schonende Beschichtung verloren geht, sich aber dichtere Schichtstrukturen herstellen lassen. Substrat Beschichtung Ar + Target Substrat Beschichtung Target + + + + + + + + e - Laser Substrat Beschichtung Plasma Target + Ar + Ar + Ar + Ar + Ar + Ar + Erzeugung eines Lichtbogens für ionenunterstützte Abscheideprozesse (Quelle: VDI TZ). Ioneninduzierter Materialabtrag für Beschichtungs prozesse. Oben: unter Nutzung einer Argon-Ionenkanone; unten: durch Plasmaionenbeschuss (Quelle: VDI TZ). 8 NANO- UND MATERIALTECHNOLOGISCHE LÖSUNGEN FÜR OBERFLÄCHEN

Eine besondere Form des Plasmaeinsatzes stellt das Magnetronsputtern dar. Hierzu wird hinter der als Target fungierenden Plasmakathode ein Magnetfeld erzeugt, welches näherungsweise parallel zur Targetoberfläche verläuft. Dadurch werden die aus dem Target austretenden Elektronen so abgelenkt, dass sich ihre Verweilzeit im Plasma verlängert und dadurch ihre Ionisationswirkung verstärkt wird. Durch die Magnetfeldunterstützung sind höhere Strom- und Leistungsdichten möglich und damit auch höhere Abscheideraten. Eine Hauptanwendung des Magnetron-Sputterns ist die Großflächenabscheidung elektrischer und optischer Funktionsschichten, beispielsweise für Wärmeschutzverglasungen, Displays und Photovoltaikkomponenten, wobei prinzipiell auch nichtleitende Targetmaterialien verwendet werden können. Jedoch ist der Langzeitbetrieb durch den inhomogenen Targetabtrag eingeschränkt. 2.1.5 Ionenplattieren Generell wird unter Ionenplattieren die Erzeugung einer besonders stabilen Beschichtung eines Werkstücks verstanden. Dabei wird die Schichtabscheidung unter gleichzeitigem Beschuss mit Ionen hinreichend hoher Energie durchgeführt. Somit können die Eigenschaften der Übergangszone Substrat/Schicht und die der sich aufbauenden Schicht selbst zusätzlich beeinflusst werden. In den meisten Fällen werden die Ionen aus einem Plasma heraus auf die Substratoberfläche beschleunigt. Dadurch lassen sich besonders dichte, extrem fest verankerte und daher hoch verschleißfeste Schutzschichten generieren. Substrat Beschichtung Plasma Target + Ar + Ar + Ar + Ar + Ar + Ar + Neben der gezielten Erzeugung von Defekten an der Substratoberfläche, der Änderung der Topografie und der Erhöhung der Oberflächentemperatur wird den Beschichtungsmaterialien kinetische Energie übertragen, sodass diese sich entlang der Oberfläche bewegen können und energetisch günstige Verbindungen mit dem Substrat beziehungsweise der bereits aufgebrachten Beschichtung eingehen können. Durch Variation der Beschussstromdichte, der Ionenenergie und des Gasdrucks in der Vakuumkammer kann der Schichtaufbau von porös bis dicht, von grob- bis feinkörnig und von säulenartig bis zur geschlossenen Schicht gezielt verändert werden. Der zusätzliche Teilchenbeschuss kann auch zuerst zur Reinigung der Substratoberfläche vor der Beschichtung eingesetzt werden und danach zur Beeinflussung des Beschichtungsprozesses. Das Ionenplattieren hat eine große Bedeutung für die industrielle Anwendung beschichteter Substrate, denn die mechanischen, elektrischen und optischen Eigenschaften von Beschichtungen sind abhängig von der Struktur des Schichtaufbaus und seiner Verbindung mit dem Substrat. Beispielsweise kann die Haftfestigkeit und Härte aufgedampfter Schichten durch den gleichzeitigen Ionenbeschuss stark erhöht werden. 2.2 Chemische Gasphasenabscheidung Der Prozess der chemischen Gasphasenabscheidung (CVD: chemical vapour deposition) nutzt durch Energiezufuhr gezielt hervorgerufene chemische Reaktionen, um erzeugte Teilchen oder chemische Verbindungen auf einem Substrat abzuscheiden. Je nach Prozessführung kann dabei die Abscheidung als Schicht oder als Pulver erfolgen. Die Einleitung der durch ein Prozessgas zugeführen Beschichtungsmaterialien ist richtungsunabhängig, so dass auch stark verformte Bauteile beschichtet werden können. Unterstützt werden kann der Prozess durch gerichtete Strömungs- und Diffusionsprozesse, um die Abscheiderate zu erhöhen (Pritzlaff und Lautner 1997). Sputterprozess und ionengestützte Material abscheidung (Quelle: VDI TZ). Trägergas und Schichtmaterial Schichtabscheidung Abgas Durch chemische Reaktionen erzeugte Schichtbildung (Quelle: VDI TZ). TECHNOLOGIEN UND VERFAHREN 9

2.2.1 Thermisch aktivierte Gasphasenabscheidung Die chemischen Gasphasenabscheidungsverfahren werden in der industriellen Praxis meist in den Bereichen Tribologie, Korrosionsschutz, Optik und Design, Sensorik und der Herstellung elektronischer Bauteile eingesetzt. In der Regel wird mit einem Trägergas und einer gasförmigen Ausgangsverbindung (Precursor) gearbeitet, die durch thermische, elektrische oder photonische Anregung zu chemischen Reaktionen gebracht werden kann. Dabei wird der Anregungsprozess so geführt, dass die Reaktion möglichst nur auf der Bauteiloberfläche erfolgt. Neben gasförmigen Beschichtungsmaterialien können auch feste oder flüssige Materialien genutzt werden, wenn diese zuvor verdampft und vom Trägergas mitgenommen oder durch Sprühen der Substratoberfläche zugeführt werden. Im Gegensatz zu den physikalischen Gasphasenabscheidungsverfahren, die im Hochvakuum betrieben werden, können chemisch erzeugte Abscheideprozesse auch bei höherem Druck ablaufen. Da die Ausgangsmaterialien gasförmig zugeführt werden, eignen sich chemische Verfahren gut für einen kontinuierlichen Betrieb. Doch werden an die Precursoren hohe Anforderungen gestellt, denn sie sollen problemlos handhabbar, weder explosiv oder selbstzündend und dabei ungiftig und unkritisch entsorgbar sein. Zudem müssen bei großflächigen Beschichtungen auch die Kosten dieser Ausgangssubstanzen akzeptabel sein (Schultrich 2010). Im Falle der thermisch aktivierten Gasphasenabscheidung werden durch hohe Prozesstemperaturen (in der Regel 1.000 Grad Celsius und mehr) die für die Schichtbildung relevanten chemischen Reaktionen eingeleitet. Daher ist die Substratwahl prinzipiell beschränkt auf Materialien, die durch solch hohe Temperaturen nicht geschädigt werden. Andererseits sind dadurch extrem feste Substrat-Schicht-Verbindungen möglich, wie sie für Bohr- und Schneidwerkzeuge benötigt werden. Doch erfordert der große Temperaturunterschied während und nach der Prozessierung die Berücksichtigung der unterschiedlichen Wärmeausdehnungskoeffizienten von Substrat und Schicht, um mögliche Schichtschädigungen zu vermeiden. Um diese nötigen Oberflächentemperaturen zur Anwendung zu bringen, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Der einfachste Aufbau ist der Heißwandreaktor. Hier wird einfach das ganze Gefäß um das Substrat erhitzt, Precursorgas eingeleitet und aufgeheizt. Die Abscheidung erfolgt dann auf allen Oberflächen dieses Reaktionsraums. Daher müssen häufig Reinigungszyklen erfolgen und es besteht die Gefahr, dass durch Wärme ausgelöste Wandteilchen ebenfalls in die Schicht mit eingebaut werden. Wandheizung Trägergas und Schichtmaterial Schichtabscheidung Abgas a Trägergas und Schichtmaterial Schichtabscheidung Substratheizung Abgas b Trägergas und Schichtmaterial Heißdrahtheizung Schichtabscheidung Abgas c Thermische Aktivierung chemischer Reaktionen über a) Wandheizung b) direkte Substratheizung oder c) Heißdrahtheizung (Quelle: VDI TZ). 10 NANO- UND MATERIALTECHNOLOGISCHE LÖSUNGEN FÜR OBERFLÄCHEN

Abhilfe bietet hier der Kaltwandreaktor, bei dem nur das Substrat geheizt wird und der Rest des Reaktionsgefäßes gekühlt wird. Die Heizung kann durch Induktion, direkten Stromdurchgang oder durch Infrarotstrahlung erfolgen. Da die chemische Reaktion auf die Bauteiloberfläche beschränkt bleibt, sind höhere Konzentrationen der Precursoren möglich und damit höhere Abscheideraten. Nachteilig können sich jedoch Temperaturgradienten auswirken, welche die Gasströmung und damit die lokale Abscheidung beeinträchtigen. Eine weitere Möglichkeit stellt die Heißdraht-Abschei dung dar. Dabei wird ein aus Tantal oder Wolfram bestehender Draht durch Stromfluss auf über 2.000 Grad Celsius erhitzt, wodurch die Precursormaterialien dissoziieren und Radikale bilden. Diese Dissoziationsprodukte werden dann zur Schichtbildung verwendet. Die Substraterhitzung kann aber auch durch Anregung mit einem Laserstrahl erfolgen. Da in der Regel dieser Laserstrahl fokussiert und geführt werden kann, lassen sich auch Strukturen an der Oberfläche abscheiden. Bei Nutzung eines breiten Laserstrahls können alternativ mit Hilfe einer Maske Oberflächenmuster erzeugt werden. 2.2.2 Plasmaunterstützte chemische Gasphasenabscheidung Bei der plasmaunterstützten chemischen Gasphasenabscheidung (PECVD: plasma enhanced chemical vapour deposition) wird mit Hilfe eines durch Glimmentladung, Hochfrequenz- oder Mikrowellenanregung erzeugten Plasmas die für die chemische Reaktion bei der Beschichtung notwendige Energie zugeführt. Die zur Reaktion bestimmten gasförmigen Verbindungen (Precursoren) werden im Plasma in Radikale gespalten oder in angeregte Zustände überführt. Sie reagieren somit bei deutlich niedrigeren Temperaturen mit der Substratoberfläche verglichen mit der thermischen Gasphasenabscheidung. Durch die elektronische Anregung wird eine höhere chemische Reaktivität der Ausgangsgase bewirkt. Durch Anlegen elektrischer Potenziale zwischen Plasma und Substrat kann die Bewegungsenergie der abzuscheidenden Materialien beeinflusst werden, sodass durch kinetischen Energieübertrag dichte Schichten auf der Substratoberfläche hergestellt werden. Durch Variation der Frequenz der Plasmaanregung, der Energieeinkoppelart (induktiv, kapazitiv) und des Abscheidepotenzials lassen sich Verfahrensparameter in weiten Bereichen ändern und somit auch die Schichteigenschaften beeinflussen. Trägergas und Schichtmaterial Plasma Schichtabscheidung Plasmaunterstützte chemische Gasphasenabscheidung (Quelle: VDI TZ). Abgas Da bei Plasmaunterstützung die chemische Reaktion durch ein ionisiertes Gas ausgelöst wird, werden Verfahrenstemperaturen unter 100 Grad Celsius ermöglicht. Somit sind auch temperaturempfindliche Substrate beschichtbar, wie beispielsweise Kunststoffe. Durch geschickte Kontaktierung und Anordnung der zu beschichtenden Substrate und des Plasmas können Bauteile aus leitfähigen oder isolierenden Materialien verwendet werden. Auch lässt sich der Prozess der Plasmaanregung und der Beschichtung räumlich trennen, sodass eine größere Freiheit bei der Wahl der Bauteilgeometrie erreicht wird und auch die Wartungsintervalle der Beschichtungsapparatur verlängert werden können. Wie beim Ionenplattieren ist auch beim plasmaunterstützten chemischen Abscheiden die Einwirkung auf die Schichtbildung durch zusätzlichen Ionenbeschuss möglich. 2.3 Spritz-, Spray- und Tauchverfahren Die einfachsten Formen der Beschichtung eines Substrates sind das Spritzen, Sprühen oder Tauchen. Mit diesen Verfahren können organische, anorganische, metallische und nichtmetallische Lagen, Plättchen oder Flocken aus Farbe, Lack, Metall, Kunststoff oder Keramik auf fast jede Oberfläche aufgebracht werden. Dabei sind je nach Anwendung geeignete Materialkombinationen für Substrat und Beschichtung zu beachten, in der Regel sind vorbereitende Maßnahmen nötig (Reinigung, Haftvermittler, leitfähige Zwischenschichten) und in einigen Fällen wird erst durch eine geeignete Nachbehandlung (trocknen, tempern, walzen), die angedachte Schichtfunktion erzielt. TECHNOLOGIEN UND VERFAHREN 11

2.3.1 Thermisches Spritzen Beim thermischen Spritzen wird aufgeschmolzenes Material mit Hilfe eines Luft- oder Gasstrahls mit hoher Geschwindigkeit auf ein Substrat beschleunigt. Aufgeschmolzen wird dabei ein Draht oder Pulver mit Hilfe einer Flamme, eines Lichtbogens, eines Plasmas oder eines Lasers. Als Spritzwerkstoffe können Metalle, Legierungen, Keramiken oder auch Verbundwerkstoffe eingesetzt werden. 2.3.2 Elektrostatisches Sprayen Beim elektrostatischen Beschichten werden Fluide, Pulver oder Fasern im Bereich eines starken elektrischen Feldes versprüht und durch gleichzeitige elektrostatische Aufladung von dem geerdeten Werkstück angezogen und auf dieses aufgetragen (BGHM 2014). Da dabei mehrere 10 Kilovolt und oftmals entzündbare oder explosionsfähige Stoffe eingesetzt werden, sind besondere sicherheitstechnische Anforderungen notwendig. Substrat Beschichtung Substrat Beschichtung Düse Düse heißes Schichtmaterial Luft- Gasstrahl Pulver, Lack, Flock Prinzip des thermischen Spritzens (Quelle: VDI TZ). Schematische Anordnung einer elektrostatischen Sprayanlage (Quelle: VDI TZ). Mit diesem Verfahren lassen sich hohe Abscheideraten erzielen, wobei der Energieeintrag in die Beschichtung vergleichsweise gering ist und die zu beschichtende Oberfläche nicht angeschmolzen wird (Weißbach 2010). Die Teilchen haften durch punktförmige Verschweißung, Adhäsion und Verklammerung. Wichtig für den Spritzprozess ist die gründliche Säuberung der Oberfläche vor der Beschichtung. Die sich bildende Schichtstruktur hängt von der Temperatur und Geschwindigkeit des Schichtmaterials ab und ob der Prozess an Luft, in Schutzgas oder im Vakuum durchgeführt wird. Nachträglich kann die Schicht auch durch Walzen oder Befüllen der vorhandenen Poren verändert werden. Hauptanwendungsbereich findet das thermische Spritzen beim Hitze-, Verschleißund Korrosionsschutz. Da beim thermischen Spritzen die Wärmebelastung des Bauteils sehr gering gehalten werden kann, lassen sich neben Glas, Metall oder Keramik auch Kunststoffe, Holz und Papier beschichten. Beim elektrostatischen Lackieren wird in der Regel durch Druckluft versprühter Flüssiglack vernebelt und die Tröpfchen werden dabei in einem Hochspannungsfeld aufgeladen. Durch die elektrischen Feldkräfte werden die Tröpfchen auf dem Bauteil niedergeschlagen und anschließend wird die Beschichtung getrocknet und gehärtet. Im Falle der elektrostatischen Pulverbeschichtung wird Pulver mit Hilfe eines Luftstroms dem Sprühsystem zugeführt, durch Hochspannung oder durch die Reibungselektrizität im Strömungskanal der Sprühpistole aufgeladen und dann durch das elektrische Feld auf dem Werkstück aufgebracht. Auch kurze Fasern lassen sich so aus einem Vorratsbehälter und mittels des elektrischen Feldes auf eine mit Klebstoff beschichtete geerdete Oberfläche aufbringen, wobei die Fasern durch das Feld gleichzeitig ausgerichtet werden. Anschließend wird der Klebstoff getrocknet und ausgehärtet. 12 NANO- UND MATERIALTECHNOLOGISCHE LÖSUNGEN FÜR OBERFLÄCHEN

2.3.3 Sol-Gel-Verfahren Das Sol-Gel-Verfahren ist ein nasschemisches Verfahren, bei dem ein flüssiger Sol-Zustand in einen festen Gel-Zustand überführt wird. Als Sol wird eine Dispersion bezeichnet, bei der feste Nanopartikeln sich in Wasser oder organischen Lösemitteln verteilen. Bei der Überführung in den Gel-Zustand wird das zu beschichtende Bauteil mittels Flüssigphasenverfahren wie Tauchen, Spincoating oder auch Inkjet-Verfahren mit der Sol-Gel- Lösung beschichtet. Hierfür sind auch wirtschaftliche Rolle-zu-Rolle-Beschichtungsprozesse einsetzbar. Benetzung Trocknung Verdichtung funktionelle Beschichtung Die benetzte Oberfläche wird im nachfolgenden Prozessschritt getrocknet und mittels einer Wärmebehandlung oder Ultraviolett-Bestrahlung in eine feste Schicht überführt. Die Wärmebehandlung entfernt die restlichen Lösemittelbestandteile durch Pyrolyse und verdichtet dadurch die Partikel zu einer kompakten Beschichtung. Je nach Temperatur und Dispersionswahl werden anorganisch-organische Vernetzungen, Glaszustände oder keramische Überzüge erzeugt. Arbeitsabläufe bei der Sol-Gel-Beschichtung (Quelle: VDI TZ). Mittels des Sol-Gel-Verfahrens können sowohl funktionelle Beschichtungen als auch Massivmaterialien hergestellt werden. Das Spektrum reicht dabei von keramischen Festköpern bis zu Fasern oder Pulver. Durch den Einsatz unterschiedlichster Nanopartikel-Dispersionen können durch Sol-Gel-Abscheidung Beschichtungen mit unterschiedlichsten Eigenschaften (easy-to-clean, antifingerprint, antimikrobiell, hydrophil, hydrophob etc.) erzeugt werden. Rolle-zu-Rolle-Beschichtungsanlage für Sol-Gel-basierte elektrochrome Folienbeschichtungen, die unter Reinraumbedingungen aufgebracht werden (Quelle: Fraunhofer ISC). TECHNOLOGIEN UND VERFAHREN 13

2.4 Elektro- und thermochemische Verfahren Bei den elektrochemischen Verfahren werden in der Regel Metalle auf einem elektrisch leitenden Grundmaterial aufgebracht. Das zu beschichtende Bauteil muss dabei absolut sauber sein und Kunststoffe müssen vorher über chemische Reaktionswege vormetallisiert werden. Teilflächen, die nicht beschichtet werden sollen, müssen abgeklebt oder lackiert werden (Müller 1995). Bei den thermochemischen Verfahren werden durch chemische Reaktionen ausgelöste Veränderungen der Randschichten von Fertigteilen, die in der Regel aus Eisenwerkstoffen bestehen, erzielt. Zweck der Verfahren ist es meistens, die Erhöhung der Härte und damit der Dauerfestigkeit von Bauteilen zu verbessern, sozusagen als zusätzlicher Verschleiß- und Korrosionsschutz. Über die angebotenen Ausgangssubstanzen, die Temperatur- und Einwirkzeit, das Material des Werkstücks und die Aktivierung (Temperatur, Strahlung, Plasma) lassen sich die Schichteigenschaften einstellen. Am häufigsten werden Einsatzhärten und Nitrieren verschiedener Stahlsorten angewandt. Dazu werden entweder kohlenstoff- oder stickstoffhaltige Ausgangssubstanzen eingesetzt. (Weißbach 2010) 2.4.1 Galvanische Beschichtungen Beim galvanischen Beschichtungsvorgang werden das leitfähige Substrat (das zu beschichtende Bauteil) und das metallische Target (das Beschichtungsmaterial) als Elektroden in einem wässrigen Elektrolyten eingesetzt. Durch Anlegen einer Spannung zwischen diesen Elektroden wird Material aus dem Target ausgelöst und auf dem Substrat aufgetragen. Je nach Spannungshöhe, geschaltetem Spannungsverlauf, Temperatur und Konzentration des Bades sowie der Dauer des Abscheideprozesses werden unterschiedliche Schichteigenschaften erreicht. Target + Substrat Bei der galvanischen Beschichtung ist auf die richtige Anordnung von Target und Werkstück zu achten. Da die Beschichtungsmaterialien sich entlang der elektrischen Feldlinien zum Substrat hin bewegen, wird an Spitzen und Kanten mehr Material abgeschieden als in Bohrungen oder Innenecken. Auf rauen Oberflächen lassen sich daher kaum glatte Oberflächen erzeugen, und abgerundete Formkörper sind einfacher gleichmäßig zu beschichten als eckige. Durch Variation der Anordnung und Form der Elektroden oder mit Hilfe geeigneter Abdeckungen lassen sich Unregelmäßigkeiten in den Schichten ausgleichen. Die Galvanotechnik wird in der Hauptsache für dekorative Beschichtungen und zum Korrosions- und Verschleißschutz eingesetzt. 2.4.2 Einsatzhärten und Nitrieren Ursprünglich wurde das Einsatzhärten für eisenbasierte Bauteile mit weichem Kern eingesetzt, um diesen eine verschleißfestere Oberfläche zu geben. Eines der ältesten Beispiele ist das Härten von Schwertklingen. Heute wird das Einsatzhärten auch für die Erhöhung der Dauerfestigkeit eingesetzt. Beim Einsatzhärten werden in der Regel zwei Arbeitsgänge benötigt. Zuerst werden die zu härtenden Stähle in einer kohlenstoffreichen Umgebung auf über 900 Grad Celsius erwärmt, wodurch Kohlenstoff in das Randgefüge eindiffundiert. Das Kohlenstoffangebot erfolgt meist durch Zuleitung kohlenstoffhaltiger Pulver, Salze oder Gase. Der Härtevorgang erfolgt danach durch schnelles Abkühlen der Bauteile. Bei diesem Abschrecken entsteht ein als Martensit bezeichneter Zustand in der Randzone, der für die Härtung der Randzone maßgeblich ist. Durch geeignete Variation des Abschreckungsprozesses können die Eigenschaften der Rand- und Kernzone gezielt eingestellt werden. Ist weniger die Oberflächenhärte das Ziel des Vergütungsverfahrens, sondern die Erhöhung der Dauerfestigkeit der Eisenwerkstoffe, so wird eher das Nitrierverfahren angewendet. Hier werden, wie beim Einsatzhärten, durch Aufwärmen in einer stickstoffreichen Umgebung und einer Abkühlphase danach für die jeweilige Anwendung geeignete Materialänderungen vorgenommen. Zum Nitrieren werden Gase, Salze oder stickstoffhaltige Plasmen eingesetzt. Anwendung finden auch Kombinationen aus Nitrieren und Einsatzhärten. Anordnung zur galvanischen Beschichtung (Quelle: VDI TZ). 14 NANO- UND MATERIALTECHNOLOGISCHE LÖSUNGEN FÜR OBERFLÄCHEN

3. Oberflächenfunktionalisierungen Durch verschiedene und spezielle Oberflächenfunktionalisierungen von Werkzeugen und Bauteilen können ganz neue Eigenschaften erzeugt werden, die höheren Anforderungen an industrielle Prozesse und Produkte gerecht werden. Insbesondere aus wirtschaftlicher und ökologischer Sicht sind innovative Oberflächen von Produkten vorteilhaft und vielfach auch notwendig. 3.1 Optische Beschichtungen Durch das Aufbringen von optischen Schichtsystemen auf Bauelemente kann deren optische Funktionalität hinsichtlich Farbeffekten, Reflexion, Transmission und Absorption hergestellt oder verbessert werden. Die Schichtabscheidung erfolgt häufig in Vakuumprozessen durch thermische Bedampfungs- und Sputter-Verfahren. 3.1.1 Farbeffekte Verschiedene Farbeffekte von Produkten basieren auf bestimmten farbgebenden Materialien wie Farb- und Effektpigmenten beziehungsweise entsprechenden Nanomaterialien, die auf Lichtabsorption, -streuung oder -reflexion zurückzuführen sind. Diese Materialpartikel werden je nach Anwendung als Additive in verschiedene Massivwerkstoffe (zum Beispiel Kunststoffe, Keramiken, Kosmetika) oder Funktionsschichten (zum Beispiel Lacke, Druckfarben, Polymerfolien) eingebettet. Bei den Pigmenten, die teilweise auch aus Nanomaterialien bestehen, wird zwischen Weiß-, Bunt- und Schwarzpigmenten sowie Lumineszenz- und Effektpigmenten (Metallpigmente, Metalloxid/Substrat-Pigmente) unterschieden. Der bei den Metalloxid-Substrat-Pigmenten auftretende besondere Glanz- und Perlmutt-Effekt wird durch die Wechselwirkung des Lichtes mit der optisch hochbrechenden Metalloxid-Schicht (zum Beispiel Titandioxid, Eisen(III)oxid) und den optisch niedrigbrechenden Substratplättchen (unter anderem Glimmer, Siliziumdioxid, Aluminiumoxid) erzeugt. Auch lassen sich mit Effektpigmenten Interferenzfarben einstellen, bei denen sich je nach Betrachtungswinkel die Farbe ändert (sogenannter Flip-Flop-Effekt). Farbeffekte wie der Perlglanzeffekt lassen sich durch Metalloxid- Pigmente für innovative Produkte nutzen (Quelle: istock/aluxum). Nanomaterialien sind auch als brillante Leuchtstoffe in Form von sogenannten Quantenpunkten beziehungsweise Quantendots bekannt. Es handelt sich dabei um fluoreszierende Nanokristalle aus Halbleitermaterialien wie Silizium (Si), Cadmiumselenid (CdSe) oder Indiumphosphid/Zinksulfid (InPZnS), die sich aufgrund der Nanostrukturdimension durch außergewöhnliche quantenmechanische Effekte auszeichnen. Diese Quantendots werden bereits seit einigen Jahren als optische Marker in der Medizin eingesetzt. Zunehmend werden aus Quantenpunkten auch Nanoschichten für technische Anwendungen, zum Beispiel für Leuchtdioden (LED) oder für eine verbesserte Farbwiedergabe von Displays, hergestellt. OBERFLÄCHENFUNKTIONALISIERUNGEN 15

3.1.2 Schichten zur Steuerung der Reflexion und Absorption von Licht Viele hochwertige optische Bauteile und Produkte, wie zum Beispiel Linsen, Objektive, Okulare, Displays, Brillengläser, Sichtfenster und Solarmodule, erfordern Antireflex- beziehungsweise Entspiegelungsbeschichtungen, um Reflexionen an der Oberfläche zu minimieren und die Transmission zu optimieren. Für eine Entspiegelung werden Schichten aus Oxiden, Sulfiden oder Fluoriden wie Magnesiumfluorid (MgF 2 ) sowie nanostrukturierte Polymerschichten verwendet. Bei den Polymerschichten (zum Beispiel Polymethylmethacrylat) sind die Oberflächen nach dem Vorbild der Mottenaugenstruktur aufgebaut. Teilentspiegelte Kunststoffoberfläche mit künstlicher Mottenaugenstruktur, rechts: Ausschnitt unter dem Elektronenmikroskop (Quelle: Fraunhofer IOF). Komplexere Antireflektoren sind aus mehreren Schichten von Metalloxiden wie Antimon-, Zinn-, Tantal-, Titanoder Siliziumoxiden aufgebaut. Ein Anwendungsbeispiel dafür sind breitbandige Antireflexschichten, sogenannte Rugate-Filter, die aus einer hochbrechenden Schicht, zum Beispiel aus Niobpentoxid (Nb 2 O 5 ), und einer niedrigbrechenden Schicht, zum Beispiel aus Siliziumdioxid (SiO 2 ), bestehen. Durch diesen Schichtaufbau wird Licht einer bestimmten Wellenlänge reflektiert, während Licht einer anderen Wellenlänge transmittieren kann. Bei Solarmodulen können Antireflex-Beschichtungen, beispielsweise aus nanoporösem Siliziumdioxid, die Transmission und somit die Energieausbeute und damit den Wirkungsgrad steigern. Mit Hilfe von Infrarot-Absorberschichten können entsprechende Wellenlängenbereiche gezielt unterdrückt werden. Auf diese Weise kann zum Beispiel die thermische Belastung durch Wärmestrahlung bei Solarmodulen vermieden werden. Auch werden Absorberschichten zur Dämpfung von sichtbarem Licht bei Fenstern und Sonnenbrillen genutzt. Dielektrische hochreflektierende Breitbandspiegel (Quelle: Optics Balzers). Darüber hinaus werden dielektrische Metalloxid-Schichten oder metallische Schichten (unter anderem Aluminium, Silber, Gold) eingesetzt, um reflektierende und absorptionsmindernde Spiegel und Reflektoren herzustellen. Mit dielektrischen Beschichtungen sind hochreflektierende Spiegel mit Reflexionsraten von über 99 Prozent möglich. 16 NANO- UND MATERIALTECHNOLOGISCHE LÖSUNGEN FÜR OBERFLÄCHEN