1. Praxissemesterbericht von Martin Scholz 2013



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Transkript:

1. Praxissemesterbericht von Martin Scholz 2013 Kurz zu mir: Martin Scholz, geboren am 13.04.1990 in Berlin und aufgewachsen im bayerischen Voralpenland (Wolfratshausen). Dort machte ich nach dem Realschulabschluss eine Lehre zum Technischen Produktdesigner und war anschließend zwei weitere Jahre in diesem Beruf tätig. Zudem erlangte ich in dieser Zeit auf einer Abendschule die Fachhochschulreife und somit die Möglichkeit zu studieren. Leider hatte ich bis dahin sehr wenig Erfahrung mit der Schifffahrt, trotzdem war die Neugier zur See und der Reiz des Abenteuers seit Kindertagen groß, so dass ich nun beschloss die Berge hinter mir zu lassen und alles Nötige in die Wege leitete um nautischer Offizier zu werden. Glücklicherweise bekam ich nach einigen Bewerbungen um ein Praxissemesterplatz eine Zusage bei der Reederei Wessels GmbH & Co. KG. Da diese mir schon beim recherchieren positiv ins Auge gefallen war nahm ich natürlich dankend an. Nachdem ich die Seediensttauglichkeitsuntersuchung und das Basic Safety Training durchlaufen hatte ging ich schließlich am 03.03.2013 in Antwerpen (Belgien) an Bord der MS FAUST um dort mein erstes Praxissemester für das Studium Nautik zu absolvieren. Dort wurde ich als erstes der Besatzung vorgestellt und auf dem Schiff herumgeführt. Die Crew bestand aus acht Personen, mit mir neun: Kapitän, erster Offizier, Chef Ingenieur, dritter Offizier, zwei Bootsmänner, Maschinenmann und Koch. Heimatländer waren (Weiß-)Russland, Ukraine und Polen, womit die Bordsprache neben Englisch folglich Russisch war. Im Großen und Ganzen bin ich damit ganz gut zurecht gekommen. Und wenn man sich einmal gar nicht verständlich zeigen konnte half man sich eben mit Händen und Füßen weiter; das sah zwar lustig aus, erfüllte aber auch seinen Zweck. Freilich war ich sehr aufgeregt, aber schon nach den ersten Gesprächen lockerte sich meine Anspannung, nebenbei lernte ich auf diese Weise das Leben auf See und das Leben in der ehemaligen Sowjet Union besser kennen. Schon nachdem ersten Rundgang bemerkte ich das so ein Handelsschiff kein Luxusdampfer ist. Der Komfort kam zwar nicht an letzter Stelle, dennoch standen zwei andere Kriterien weit im Vordergrund: Sicherheit und Leistung! Wohl deshalb entwickelte man die Baustruktur dementsprechend praktisch. Durch zahlreiche Markierungen wurden Hinweise auf Apparate und Notausgänge gegeben, so dass im Ernstfall und möglichst an Ort und Stelle Hilfe zu finden ist. Das hieß in der Realität: Sollte jemand versehentlich über Bord gehen und ins Wasser plumpsen war der Rettungsring nicht weit entfernt. Es wurde immer wieder betont, dass die Sicherheit der Besatzungsmitglieder allerhöchste Priorität hat. Daher machten wir regelmäßig Übungen, aber dazu

später mehr. Leistung und wichtige Schiffsdaten der MS FAUST: General cargo ship Ausgestattet für Containermitnahme (max. 297 TEU) Ladungsraumvolumen: 5841 m³ Länge über alles: 99,91 m Breite: 12,80 m BRZ: 2997 NRZ: 1741 Tragfähigkeit: 4439,65 t Sommertiefgang: 5,68 m Wintertiefgang: 5,56 Dienstgeschwindigkeit: 10 Knoten Leistung 2500 KW Unser erster Zielhafen war Sevilla (Spanien) und das Wetter war launisch, so dass ich schnell zu spüren bekam was es bedeutet Seemann zu sein. Anfangs schlug der Seegang ordentlich auf meinen Bauch. Nachts bekam ich fast kein Auge zu und tagsüber gab es so viel Neues zu lernen, dass ich gar nicht wusste wo mir der Kopf stand. Auch bemerkte ich schnell, das man alles was nicht nietund nagefest war sauber zu verstauen hatte, da jeder lose Gegenstand kreuz und quer durch meine Kabine flog. Endlich erreichten wir Spanien und befuhren den Río Guadalquivir bis nach Sevilla. Es war sonnig und die Temperatur mild, und die Strapazen der Reise verpufften wie Seifenblasen. Hiernach gewöhnte sich mein Körper plötzlich an das Schaukeln des Schiffes. Zu meinen ersten Aufgaben gehörte es von oben bis unten die Decks zu reinigen. War ja irgendwie klar. War natürlich auch okay. Schon bald darauf bekam ich andere Arbeit. Gemeinsam mit den Bootsmänner befreite ich das Schiff vom Rost und lackierte es neu. Das ist zweifellos ein nie endender Job, denn er geht immer wieder von vorne los. Auf langen Seereisen und während ständigen pinseln kam man unwillkürlich zu der Auffassung, dass die Leute an Land nichts anderes täten als Farbe herstellen. Aber auch das fand ich gut, denn so lernte ich jede Ecke des Schiffes kennen. Nach einer Weile spielte sich ein Rhythmus ein. Täglich nach dem Frühstück traf sich die Crew auf

der Brücke für ein kurzes Meeting. Das lief eigentlich ganz entspannt ab und verfolgte den Zweck den Tag zu planen. Wie wird das Wetter? Was gibt es zu tun? Wird es hohen Wellengang geben? Wird es stürmisch? Alle gesund und munter? Wann laufen wir in den Hafen ein? Alles Fragen die geklärt wurden, bevor es an die Arbeit ging. Bis zum Nachmittag half ich an Deck mit, danach auf der Brücke. Bei besonderen Anlässen wurde dieser Plan natürlich geändert, damit ich sehen kann wie die Koordination von den unterschiedlichen Positionen geführt wird. Zum Beispiel durfte ich während des ankern am Vorderdeck dabei sein und bei Regen oder Sonnenschein die Kette lösen, oder die Leitung auf der klimatisierten Brücke unterstützen. So konnte ich über die Monate hinweg alle Arbeitsabläufe in den verschiedenen Bereichen des Schiffes (Deck, Brücke, Maschinenraum) bis ins Detail kennenlernen. Zusätzlich teilte man mir von Anfang an mit, ich sei jederzeit nach Feierabend herzlich Willkommen auf der Brücke. Das fand ich sehr sympathisch und gab mir eine Menge Bewegungsfreiheit, die ich dankend annahm. Überall gab es etwas zu tun. Doch die Aufgaben variierten, je nachdem ob wir uns gerade auf See oder im Hafen befanden. Auf See war die Arbeitszeit wesentlich geregelter als im Hafen. Dort wurde je nach Land rund um die Uhr gearbeitet. An Deck lernte ich Sachen wie: dem Instandhalten und warten des Schiffes, praktische Knoten, bedienen und handhaben von Winden und Kränen, und dem Festmachen des Schiffes beim an- und ablegen. Dabei wurde teilweise hart und lange geschuftet. Vor allem beim Vorbereiten des Ladungsraums für die nächste Fracht. Dort musste oft sehr viel in sehr kurzer Zeit geschafft werden, so dass wir des Öfteren die Nacht hindurch arbeiteten um für den nächsten Hafen einsatzbereit zu sein. Dann ging es mit der Hafenwache weiter, oder es gab anderes zu tun. So bekam man manchmal Tag und Nacht keine Ruhe, denn kaum hatte man sich dann doch mal hinlegen können, da ging es schon wieder los zum nächsten Hafen. Natürlich war das nicht die Regel. Auch wurde darauf geachtet, dass ich nicht mehr arbeite als vorgeschrieben. Dennoch empfand ich nach ein paar Wochen an Bord längere Seereisen zwischen den Häfen als angenehmer, da sich in dieser Zeit für jeden ein vernünftiger Rhythmus einstellte. Immer bevor wir einen Hafen anliefen kam ein Lotse an Bord. Meistens via Lotsenboot, manchmal auch mit dem Helikopter. Letzteres war sehr aufregend zu beobachten. So oder so eskortierten wir ihn anschließend auf die Brücke, wo er dann das Steuer übernahm. Beim einlaufen durfte ich oft zu sehen und stellte natürlich hier und da meine Fragen an den Lotsen, wobei ich viel lernte.

Angelaufene Häfen: Antwerpen (Belgien) Sevilla (Spanien) El Ferrol (Spanien) Motril (Spanien) Tarragona (Spanien) Algeciras (Spanien) Ceuta (Spanien) Bromborough (England) Hull (England) Avonmouth (England) Runcorn (England) Raynes Jetty (England) Ridham Doc (England) Dagenham (England) Newport (Wales) Dordrecht (Holland) Belfast (Nordirland) Barreiro (Portugal) Figuera de Foz (Portugal) Setubal (Portugal) La Nouvelle (Frankreich) Caronte (Frankreich) Dunkerque (Frankreich) Livorno (Italien) Piombino (Italien) Salerno (Italien) Cork (Irland) Greenore (Irland) Eines der wichtigsten Bücher für einen Navigator beinhaltet die Kollisionsverhütungsregeln (KVR). Diese Regeln studierte ich fleißig und ließ sie mir in der Praxis zeigen. Kapitän und Offiziere gaben mir dabei reichlich Tipps fragten mich auch ab. Beispielsweise das Erkennen anderer Schiffe an ihrer Lichterführung, oder das richtige Einfahren in ein Verkehrstrennungsgebiet, oder dem Überholen von anderen Schiffen. Nach und nach führte man mich in die Welt der Navigation auf See ein. Ich half bei täglichen Arbeiten wie dem Korrigieren der Karten und Seehandbüchern mit, oder plante gemeinsam mit dem Offizier die nächste Seereise und machte Fracht- und Verstauungskalkulationen. Man zeigte mir den Umgang mit AIS und das Peilen mit Radar oder den unterschiedlichen Kompassen. Wenn wir oder die Hafenbehörden Informationen benötigten, sollte auch manchmal ich, statt dem Offizier mit ihnen kommunizieren. Und natürlich durfte ich das Schiff steuern, natürlich nur unter Aufsicht des Kapitäns. Diese Aufgabe hatte ich in den letzten Wochen fast ausschließlich. Das fand ich sehr gut, denn so bekam ich ein besseres Gefühl wie sich das Schiff bei unterschiedlichen Wetter- und Seebedingungen im Wasser verhält. Ich steuerte nach Kommandos, den verschiedenen Kompassen, bei Tag sowie bei Nacht. Während des Ladungsumschlags unterstützte ich häufig den ersten Offizier bei der Überwachung. Er erklärte mir auf was zu achten ist, wie man beispielsweise Stahlprodukte verlädt oder wie die Verteilung im Ladungsraum bei Schüttgut ist. Ich las den Tiefgang ab um berechnen zu können wie viele Tonnen bereits verladen waren. Dabei spielte das Ballastmanagement eine große Rolle. Auch

hier schulte man mich. Obwohl wir Container hätten transportieren können haben wir das in meiner Fahrzeit nie getan. Stattdessen luden wir unter anderem folgende Produkte: fertige Stahlprodukte (z.b. Coils und Gitter) Gebrochenes Glas Stahlschrott Weizen Steinkohle Kalkstein Düngemittel Salz Ebenso verbrachte ich einige Wochen im Maschinenraum. Dort half ich bei den täglichen Arbeiten mit, wie beispielsweise dem Ablesen der Messinstrumente und dem ausfüllen verschiedener Listen. Ich erfuhr mehr darüber woher das Schiff überhaupt seine Power erhält, wie die Steuerung, das klimatisieren der Räume und die Aufbereitung von Salz- zu Trinkwasser funktioniert. Und bei Wartungen wie zum Beispiel die des Separators legte ich auch mit Hand an. Wie anfangs schon erwähnt gab es regelmäßig Übungen für Brand- und Notfallsituationen. Meistens Sonntags ertönte dann eine laute Sirene. Je nachdem wie dieses Signal klang hatte man entsprechend zu reagieren. Einmal kam es sogar vor das der Alarm läutete und es kein Übungsalarm war. Es war halb sechs Uhr morgens und ich lag noch im Bett. Natürlich sprang ich sofort auf, suchte meine Sachen zusammen und raste zum Sammelpunkt. Glücklicherweise war es nur halb so schlimm. Ein kleines Privatboot hatte einen Motorschaden und die Küstenwache angefunkt, die wiederum uns angefunkt hat, da wir gerade in der Nähe waren. Wir sicherten sie und halfen ihnen beim Maschinenschaden. Das war eine wirklich sehr interessante Erfahrung. Alles in allem habe ich das halbe Jahr auf See und auf der MS FAUST wirklich genossen. Das Essen war üppig und lecker und ich bin an Orte gekommen, an die ich wohl nie hingekommen wäre, wie zum Beispiel ins irische Cork, wo die Titanic zuletzt anlegte bevor sie unterging. Ich habe viel über die Seefahrt gelernt, tolle Menschen kennengelernt und bin für die Weitergabe ihrer Erfahrungen unglaublich dankbar. Es ist mir eine Ehre unter dem Kommando von Kapitän V. Lapchenko und Kapitän V. Novosad gefahren zu sein. Ich fühlte mich bei der Reederei Wessels GmbH & Co. KG stets gut aufgehoben. Die Organisation war von Anfang bis Ende einwandfrei und bei Fragen hatte man immer ein offenes Ohr.