Neue Systeme für die telemedizinische Betreuung von Patienten mit Herzinsuffizienz



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Neue Systeme für die telemedizinische Betreuung von Patienten mit Herzinsuffizienz Vanessa Hönighaus Telemedizinische Betreuung von Herzinsuffizienz-Patienten kann zumindest deren vorzeitige Aufnahme in eine stationäre medizinische Einrichtung vermeiden helfen. Patienten bleiben länger selbständig; beträchtliche Kosten sind einzusparen. Voraussetzungen für die Fernüberwachung sind neue Systeme aus Soft- und Hardware sowie ein für die neuen Aufgaben zielbezogen ausgebildetes Medizinpersonal. Fast alle älteren Menschen, aber vielleicht mehr noch die gesellschaftsanteilig kleinere Gruppe der in jungen Jahren chronisch Kranken, fürchten sich davor, in einem Pflegeheim leben zu müssen. Der Wunsch, in den eigenen vier Wänden wohnen zu bleiben, scheitert heute noch zu häufig an chronischen Erkrankungen, nicht zuletzt denen des Alters, die eine regelmäßige ärztliche Versorgung verlangen. Angesichts der heutigen telemedizinischen Möglichkeiten erfahren die behandelnden Ärzte noch immer nicht früh genug, dass sich der Gesundheitszustand eines Patienten verschlechtert hat. Ein langwieriger Krankenhausaufenthalt ist oft nicht mehr vermeidbar; viele Patienten werden dauerhaft zu Pflegefällen. Im Telemonitoring verbinden sich die Fortschritte digitalisierter Medizintechnik mit denen der Mobilfunkübertragung in einem Projekt, das der Gesellschaft Kosten spart, vor allem aber die Lebensqualität vieler Menschen verbessert. Letzteres erhöht insbesondere bei Patienten mit chronischen kardiologischen Hochrisiken die Chancen auf einen minderschweren Krankheitsverlauf. Die Fernüberwachung chronisch kranker Patienten oder allein lebender älterer Menschen hat sich bereits bewährt. Statistische Zunahme chronischer im Verhältnis zu akuten Herzerkrankungen Während noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts 80 Prozent aller Erkrankungen akut behandelt wurden und besonders Infektionen das gesellschaftliche Bild von Krankheit prägten, nehmen heute die chronischen Erkrankungen einen ungleich größeren Teil aller medizinischen Anstrengungen in Anspruch. Insbesondere die kardiovaskulären Erkrankungen gehören mittlerweile in den westlichen Industrienationen zu den häufigsten Erkrankungs- und Todesursachen 1. In Deutschland erlagen beispielsweise im Jahr 2005 nach Angaben des statistischen Bundesamts 61.056 Patienten dem akuten Myokardinfarkt 2. An sonstigen Herzerkrankungen starben 86.502 Deutsche 3. Weil zum einen die Bevölkerung zunehmend älter wird und sich zum anderen die therapeutische Behandlung von Herzerkrankungen, insbesondere die des akuten Herzinfarkts, immens verbessert hat, kommt es zu einem rapiden Anstieg der Anzahl von Patienten mit Herzinsuffizienz. Diese Erkrankung zeigt eine deutliche Altersabhängigkeit, wobei die Zahl der Krankheitsfälle in der Gruppe der über Siebzigjährigen am höchsten ist. Obgleich die Herzschwäche vermehrt bei älteren Menschen diagnostiziert wird, bleiben jüngere Menschen von dieser Erkrankung nicht verschont. Im Jahr 2006 mussten von den Patienten zwischen 15 und 45 Jahren 10 in einem Krankenhaus vollstationär behandelt werden; zwischen 45 und 65 Jahren waren es 158 und bei Patienten über 65 Jahren 1.738 4 (absolute Fallzahl 317.485). Damit ist fast ein Prozent der Gesamtbevölkerung in Deutschland von dieser Krankheit betroffen. Allein in Europa dürfte die Zahl herzinsuffizienter Patienten mehr als 10 Millionen betragen. Der übermäßige Anteil von Krankenhauskosten an der Behandlung von Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz ist gut untersucht 5. Die häufigen Krankenhausaufenthalte belasten das Gesundheitssystem bereits jetzt überproportional 6. Laut Aussage der Deutschen Krankenversicherung AG (DKV) betragen die jährlichen Ausgaben für Patienten mit Herzinsuffizienz im Schnitt c 9.900 Euro 7. Angaben des Statistischen Bundesamts belegen, dass das Gesundheitswesen mit direkten Krankheitskosten von insgesamt 2,525 Mrd. Euro im Jahr 2002 belastet war zwei Jahre später war sogar noch einmal ein Anstieg um etwa ein Prozent auf 2.548 Mrd. Euro zu verzeichnen 8. Telemedizin zur gleichzeitigen Verringerung von Patientenrisiko und Kostendruck Trotz intensiver und breiter Aufklärungsarbeit ist kein nennenswerter Rückgang der kardiovaskulären Erkrankungen zu verzeichnen. Aufgrund des enormen Kostendrucks im Gesundheitswesen werden seit Anfang 2004 DRG (Diagnostic Related Groups) eingeführt. Dabei erhält das Krankenhaus entsprechend der Diagnose einen festen Betrag, weshalb man bestrebt ist, die Verweildauer der Patienten in den Kliniken zu reduzieren. Um dennoch die Risiken des Patienten kurz nach der Entlassung aus der Klinik zu minimieren, werden zukünftig Methoden und Dienste eingeführt, die eine ambulante Überwachung mit einem Informations- und Datenaustausch zwischen dem Patienten, der Klinik und dem Hausarzt gewährleisten. Die hohe Inzidenz und Prävalenz kardiovaskulärer Erkrankungen in den In- Autorin: Vanessa Hönighaus Titel: Neue Systeme für die telemedizinische Betreuung von Patienten mit Herzinsuffizienz In: Jäckel (Hrsg.) Telemedizinführer Deutschland, Bad Nauheim, Ausgabe 2009 Seite: 88-92 88 Telemedizinführer Deutschland, Ausgabe 2009

dustrienationen korrelieren eng mit den Lebensverhältnissen sowie sozialen und ökonomischen Bedingungen 9. Die positive Beeinflussung von kardiovaskulären Risikofaktoren führt zu einer signifikant verminderten Morbidität und Mortalität insbesondere bei Patienten mit bekannter wie auch mit unentdeckter koronarer Herzerkrankung 10. Die Zielstellungen Prävention und Gesundheitsförderung werden in Zukunft zunehmend an Bedeutung gewinnen und eine Alternative zur in Deutschland noch immer vorherrschenden kurativen Medizin bilden. Die Patienten selbst bemerken leider eine Verschlechterung der Herzfunktion meist erst mit deutlicher Verzögerung. In einem frühen Stadium jedoch kann die geschwächte Herzfunktion sowohl gut diagnostiziert als auch ambulant behandelt werden. Daher erscheint die Anwendung telemedizinischer Verfahren für die Therapie von Herzinsuffizienzpatienten besonders gut geeignet. Telemedizinische Verfahren stellen patientenspezifische Frühwarnsysteme dar. Sie ermöglichen den Ärzten, rechtzeitig aktiv zu werden und geeignete Therapien einzuleiten. Gleichzeitig zeichnet sich ab, dass die Fernbetreuung zuhause lebender Patienten, zumindest in den industrialisierten Gesellschaften, eine Schlüsseloption für die weitere Finanzierbarkeit der Gesundheitssysteme ist. Die traditionelle Vor-Ort- Betreuung wird mit der steigenden Anzahl chronisch kranker Patienten bereits jetzt stark belastet. Das Beispiel Partnership for the Heart 11 Unter der Leitung des Zentrums für kardiovaskuläre Telemedizin der Charité in Berlin hat im Januar 2008 das Projekt zur telemedizinischen Betreuung von Herzinsuffizienzpatienten seine Arbeit aufgenommen. Das Forschungs- und Entwicklungsprojekt wird als klinische Studie durchgeführt. Das Motto Partnership for the Heart vereint Partner aus Wissenschaft, Industrie und Gesundheitswesen. Die Studie mit 570 an chronischer Herzinsuffizienz leidenden Patienten wird den Nutzen von Telemonitoring wissenschaftlich einordnen und belegen. Die im Vergleich zur Standardtherapie medizinische und gesundheitsökonomische Überlegenheit des telemedizinischen Therapiemanagements soll einer detaillierten Erfolgskontrolle unterzogen werden. Das Hauptmerkmal ist hierbei die Sterblichkeitsrate. Darüber hinaus soll die Studie aber auch aufzeigen, dass Telemedizin die Lebensqualität der Patienten verbessert. Von größter Bedeutung sind die im engeren Sinne gesundheits-ökonomischen Fragestellungen: Werden Anzahl und Dauer der Krankenhausaufenthalte reduziert? Ergeben sich bei telemedizinisch überwachten Patienten durch die Einsparung von Arztbesuchen und Notarzteinsätze tatsächlich geringere direkte Kosten? Die Abklärung solch wichtiger Grundsatzfragen ist wesentliche Voraussetzung für eine Aufnahme des telemedizinischen Therapiemanagements in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen. Der Informationsfluss des Telemonitoring Abbildung 1: PhysioMem Der Patient misst täglich zu Hause die vom Arzt benötigten Vitalfunktionsparameter. Die Messgeräte sind drahtlos über Mobilfunk mit dem PC von Arzt oder Forschungseinrichtung vernetzt. Der Patient ist ortsunabhängig und kann das Gerät an jedem Standort ohne Neujustierung in Betrieb nehmen. Ein Mobilfunkbereich muss natürlich vorhanden sein. Die Messwerte gehen täglich in eine elektronische Patientenakte ein, die außerdem neben Kontaktdaten die Aufzeichnungen zu wichtigen Epikrisen wie auch die aktuelle Medikation bereithält. Im Telemedizin-Zentrum reagieren die Ärzte sofort auf auffällige Messwerte und koordinieren rund um die Uhr die entsprechenden Maßnahmen wie die Kontaktaufnahme mit dem Patienten und dem Hausarzt oder Kardiologen sowie im Notfall die Alarmierung eines Rettungswagens. Das Telemonitoring kann noch um ein Hausnotrufsystem erweitert werden, das den unmittelbaren Kontakt zum Arzt im Telemedizin-Zentrum ermöglicht und dem Patienten auf diese Weise zusätzliche Sicherheit bietet. Das telemedizinische Monitoring erfolgt als zusätzliche permanente Mitbetreuung in Ergänzung zu den regelmäßigen Hausarzt- und Facharztbesuchen. Außerdem werden die Patienten einmal im Monat vom Telemedizin-Zentrum kontaktiert, um allgemeine Rücksprache zu halten. Technische Komponenten und Durchführung der Messungen Folgende technische Komponenten bilden ein System: Waage und ein Blutdruckmessgerät Aktivitätssensor 3-Kanal-EKG-Gerät (PhysioMem PM 1000) für die Messung und Übertragung von EKG und SpO 2 Mobiler Medizinischer Assistent zur Übertragung der Daten an das Telemedizin-Zentrum Webdienst für die Einbindung der Daten in eine Patientenakte eine Software, die EKG-Daten automatisch auswertet und so eine Priorisierung der Patienten im TMZ ermöglicht Der tägliche Ablauf gestaltet sich für den Patienten folgendermaßen: Körpergewicht ermitteln Blutdruck messen das 3-Kanal-EKG-Gerät für die Einzelmessung einschalten und auf die Brust legen wenn vom Arzt gewünscht den Aktivitätssensor auslesen Telemedizinführer Deutschland, Ausgabe 2009 89

werden; ein fehlerhafter Ladevorgang wird dementsprechend vermieden. Für die Patienten ergeben sich in der Handhabung folgende Vorteile: angenehme Größe leichtes Gewicht keine Verkabelung einfache Bedienung (Start einer Kurzzeitmessung mit einfachem Tastendruck) Die Datenübertragung Abbildung 2: Onlineviewer Fragen zur gesundheitlichen Selbsteinschätzung beantworten die Daten automatisch zum TMZ übertragen lassen Für die Sensorenplattform aus medizinischen Messgeräten hat die getemed AG den PhysioMem (Abbildung 1) und die zugehörige Software neu entwickelt. Der PhysioMem, ein 3-Kanal-EKG-Gerät, der auch die arterielle Blutsauerstoffsättigung SpO 2 messen kann, überträgt sowohl eine zweiminütige EKG-Einzelmessung als auch eine Dauermessung. Für eine Einzelmessung legt der Patient den PhysioMem auf seinen Brustkorb, woraufhin vier ins Gehäuse integrierte Edelstahl-Elektroden das 3-Kanal-EKG ableiten. Ein solches Zwei-Minuten-EKG kann während festgelegter Tageszeiten übertragen werden oder wenn der Patient besondere Symptome oder Herzereignisse vermutet. Wenn im EKG des Patienten pathologische Veränderungen auftreten, wird dieser innerhalb weniger Minuten von den Ärzten des Telemedizin-Zentrums kontaktiert und aufgefordert, zur weiteren Klärung eine Dauermessung vorzunehmen. Für diese legt der Patient vier Klebeelektroden an. Die Sauerstoffsättigung wird zusammen mit der Pulsrate unter Verwendung eines Fingersensors gemessen, den auch der Patient leicht anlegen kann. Das Gerät überträgt danach das EKG und die SpO 2 -Werte kontinuierlich bis zu mehreren Stunden. Die länger andauernde EKG- und Sauerstoffsättigungsmessung ist nicht nur für kritische Situationen vorgesehen, sondern auch für die gelegentlich aufgrund physiologischer Besonderheiten auftretenden Unregelmäßigkeiten bei der Einzelmessung. Bei der Dauermessung sieht der Arzt im Online-Viewer, also in Echt-Zeit, die Vitalfunktionsparameter des Patienten auf seinem Bildschirm (Abbildung 2). Die Ladestation des PhysioMem dient als stabile Halterung für das Gerät und lädt den fest eingebauten Lithium-Ionen-Akku induktiv. Es können also auch bei möglichen motorischen Einschränkungen der Patienten keine Kontakte durch unpräzises Einsetzen in die Ladestation beschädigt Abbildung 3: Ablauf der Datenübertragung Das Standardvorgehen bei der hier geschilderten telemedizinischen Überwachung chronischer Herzinsuffizienz ist die EKG-Einzelmessung über 120 Sekunden. Sobald die tägliche Einzelmessung beendet ist, wird automatisch über die Blue tooth- Schnittstelle des PhysioMem die Übertragung der Daten an den PDA, für den Patienten an den mobilen medizinischen Assistenten (MMA), initiiert. Erst nach mehreren fehlgeschlagenen Verbindungsversuchen wird eine Messung verworfen. Die gemessenen Signale werden vom MMA an einen Telemedizin-Server weitergeleitet, auf dem die Daten in die Form eines CDA-Dokumentes (Clinical Document Architecture) im HL7-Standard 12 gebracht werden. In dieser Form können die EKG-Daten in der elektronischen Patientenakte gespeichert werden. Zuvor werden sie aus den CDA-Dokumenten extrahiert mit einer speziellen Software ausgewertet. Die Ergebnisse wiederum werden in neue CDA-Dokumente integriert und zwecks Archivierung zum Patientenverwaltungssystem weitergeleitet. Bei der Dauermessung versucht der PhysioMem während etwa zehn Sekun- 90 Telemedizinführer Deutschland, Ausgabe 2009

den nach dem Einschalten, eine Verbindung mit dem MMA aufzubauen und das Online-Daten-Streaming an das Telemedizin-Zentrum zu beginnen. Wenn keine Verbindung zustande kommt, löst das Gerät einen Alarm aus und schaltet sich ab. Für einen weiteren Verbindungsversuch startet der Patient die Messung erneut. Der Ablauf der Datenübertragung ist in Abbildung 3 dargestellt. Die Auswertung ärztliche Prioritäten und Maßnahmen Um den Zeitaufwand zu minimieren und vor allem damit bei auffälligen EKG-Befunden unverzüglich ein Arzt reagieren kann, ist es dem Fachpersonal im Telemedizin-Zentrum besonders wichtig, dass die Auswertung wie auch die Berichtgenerierung weitestgehend automatisiert und deswegen ohne Zeitverlust erfolgen. Deswegen haben bedienerfreundliche Software-Oberflächen und eine intelligent gestaltete Handhabung aller System-Komponenten einen hohen Stellenwert. Ferner von essentieller Bedeutung ist die Einbindung der Daten in die elektronische Patientenakte: Jederzeit haben die medizinisch Verantwortlichen den Gesamtzustand des Patienten vor Augen. Für die Verarbeitung und Analyse der Daten in der Klinik wurde eine Webservice- und Analysesoftware entwickelt, Abbildung 4: Webservice- und Analysesoftware deren Funktionsweise die Abbildung 4 zeigt. Täglich gehen etwa 300 EKG-Aufzeichnungen im Telemedizin-Zentrum ein, die mit dem Webservice verwaltet werden. Die Abbildung 5 zeigt die graphische Darstellung der Analyseergebnisse mit EKG- Vermessungsergebnissen, Herzfrequenz, EKG-Morphologie und Befund. Auf der Basis der übertragenen Patientendaten wird eine sogenannte Priorisierungsliste der am jeweiligen Tag zu bearbeitenden Patientenakten erstellt. Akten mit einem auffälligen EKG-Befund befinden sich an oberster Position. Wenn erforderlich werden mehrmals täglich neue Daten erhoben. Im Zentrum für Kardiovaskuläre Telemedizin der Berliner Charité und am Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart Abbildung 5: Analyseergebnisse mit EKG-Vermessungsergebnissen, Herzfrequenz, EKG- Morphologie und Befund stehen Spezialisten für die Interpretation der Daten bereit. Oft ist es möglich, einem behandelnden Arzt bestimmte therapeutische Maßnahmen zu empfehlen, obgleich auch dieser in regelmäßigen Abständen die Befunde erhält. Schlussfolgerungen und Aussichten Der Blick auf die Statistiken verdeutlicht in dramatischer Weise die Dringlichkeit von Präventionsmaßnahmen für sämtliche Herzerkrankungen. Gleichzeitig müssen sich Kliniken und Praxen intensiv darum bemühen, auch bei Diagnostik und Therapie jederzeit auf dem modernsten Stand zu sein und die bestmöglichen Standards für die Versorgung von Herzpatienten zu implementieren. Der Verlauf des exemplarischen Forschungs- und Entwicklungsprojekts Partnership for the Heart ist drei Monate nach Studienbeginn erfolgversprechend 13. Demnach darf gemutmaßt werden, dass Telemonitoring von den Patienten ebenso wie von den behandelnden Ärzten sehr gut angenommen wird und zuverlässig funktioniert. Die tägliche Überwachung ihrer Vitalfunktionsparameter gibt den Patienten ein Gefühl der Sicherheit. Die Möglichkeit, sich bei Fragen und Unsicherheiten rund um die Uhr an das telemedizinische Zentrum wenden zu können, wirkt sich positiv auf das psychische Wohlbefinden des Patienten und damit auch positiv auf dessen soziales Umfeld aus. Wenig mobile und ältere Menschen können mit Hilfe des Telemonitoring objektiv an Sicherheit gewinnen, da besonders diese Patientengruppen aufgrund Telemedizinführer Deutschland, Ausgabe 2009 91

ihrer Einschränkungen seltener zum Arzt gehen. Die telemedizinische Überwachung ermöglicht dem Arzt, seine Behandlungsstrategie rechtzeitig zu optimieren. In ihrer Gesamtheit bedeuten letztlich alle diese Aspekte Verbesserungen. Ein regelmäßiger Daten- und Informationsfluss ist der effektivste Weg zur bestmöglichen Betreuung der Patienten. Eine weitere grundlegende Voraussetzung für das Gelingen einer telemedizinischen Versorgung ist die einfache Handhabung und geringe Störanfälligkeit der eingesetzten Messgeräte. Dies verbessert auch die Compliance/Therapietreue der Patienten, was sich wiederum positiv auf die Effektivität der Arzneimitteltherapie auswirkt. Eine wesentliche Herausforderung bei dieser Methodik liegt wohl in der Analyse und klinischen Interpretation der übertragenen Messdaten sowie deren Umsetzung in eine adäquate Behandlungsstrategie. Innovative Entwicklungen für erstklassig geschultes Fachpersonal bilden die Grundlage einer präzisen Messdaten-Auswertung. Telemonitoring wird sich zunehmend als Ergänzung zur Standardtherapie erweisen. Fußnoten 1 Herold, Gerd (2007) Innere Medizin, Herold-Verlag, München 2 Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2007, Wiesbaden, 243 3 ebd. 4 Gesundheitsberichterstattung des Bundes 2008; Altersspezifische Fallzahl je 100.000 Einwohner 5 McMurray JJ. Stewart S., Epidemiology, aetiology and prognosis of heart failure, Heart 200; 83: 596-602 6 Gesundheitsberichterstattung des Bundes. www.gbe-bund.de 7 Ärztezeitung. http://www.aerztezeitung.de/docs/2004/02/020a0401.asp 8 Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2007, Wiesbaden, 255-256 9 BKK. http://www.bkk-bs.de/upload/ dpdf/broschuere_risikocheck_herz. pdf 10 ebd. 11 www.partnership-for-the-heart.de 12 HL7 Benutzergruppe in Deutschland e.v.. http://www.hl7.de/ 13 Partnership for the Heart, Pressemitteilung vom 30.03.2008 Kontakt Vanessa Hönighaus getemed Medizin- und Informationstechnik AG Oderstraße 77 14513 Teltow Tel.: +49 (0) 33 28 / 39 42-0 Fax: +49 (0) 33 28 / 39 42-99 info@getemed.de www.getemed.de 92 Telemedizinführer Deutschland, Ausgabe 2009