Übergangsmanagement in Kooperation mit Justizeinrichtungen



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Deutsch-polnischer Erfahrungsaustausch zur Rolle externer Partner im Übergangsmanagement für straffällige Jugendliche Zweiter Workshop Übergangsmanagement in Kooperation mit Justizeinrichtungen Chorin, 27.-29. September 2012 Expertise erstellt von Stefanie Schmidt-Alleweldt, Caritasverband f. d. Konrad Maciejaszek, Stowarzyszenie Na Rzecz Readaptacji Nieletnich Nadzieja, Grodzisk Wlkp. / Verein der Wiedereingliederung von Jugendlichen NADZIEJA September 2012

Gliederung Übergangsmanagement in Kooperation mit Justizeinrichtungen Expertisen Übergangsmanagement in Kooperation mit Justizeinrichtungen in Brandenburg Stefanie Schmidt-Alleweldt, Caritasverband für das Seite 3 28 Übergangsmanagement in Kooperation mit Justizeinrichtungen Konrad Maciejaszek, Stowarzyszenie Na Rzecz Readaptacji Nieletnich Nadzieja, Grodzisk Wlkp. / Verein der Wiedereingliederung von Jugendlichen NADZIEJA Seite 29 52

Übergangsmanagement in Kooperation mit Justizeinrichtungen in Brandenburg Stefanie Schmidt-Alleweldt, Caritasverband für das Das Projekt Einleitung 1. Kooperation freier Träger mit Justizeinrichtungen 2. Maßnahmen zur Haftvermeidung 2.1. Typischer Ablauf eines Jugendstrafverfahrens 2.2. Möglichkeiten einer haftvermeidenden Beendigung des Verfahrens 2.2.1. Erziehungsmaßregeln 2.2.2. Zuchtmittel, insbesondere Auflagen 2.3. Weitere Fälle der Anordnung von Weisungen und Auflagen 2.4. Beteiligung freier Träger bei der Befolgung von Weisungen und bei der Erfüllung von Auflagen 2.5. Vermeidung von Untersuchungshaft 2.6. Jugendgerichtshilfe 3. Unterstützende Maßnahmen während des Vollzugs der Jugendstrafe und nach der Entlassung 3.1. Ziel, Aufgabe und Gestaltung des Jugendstrafvollzugs 3.2. Behandlungs- und Bildungsangebot 3.2.1. Erstellung eines Vollzugsplans 3.2.2. Schul- und berufsbezogene Maßnahmen 3.2.2.1. Aufgaben der Justizeinrichtungen 3.2.2.2. Beteiligung freier Träger 3.2.3.. Suchtpräventive Maßnahmen 3.2.3.1. Aufgaben der Justizeinrichtungen 3.2.3.2. Beteiligung freier Träger 3.2.4. Gewaltpräventive Maßnahmen 3.2.4.1. Aufgaben der Justizeinrichtungen 3.2.4.2. Beteiligung freier Träger 3.2.5. Psychologische Betreuung, Psychotherapie 3.2.6. Auseinandersetzung mit eigener Straftat 3.2.7. Schuldnerberatung

3.2.8. Freizeitmaßnahmen 3.3. Entlassungsvorbereitung 3.3.1. Allgemein 3.3.2. Vollzugslockerungen 3.3.3. Die Anlauf- und Beratungsstelle als spezifisches Angebot eines freien Trägers 3.3.4. Übergangseinrichtungen freier Träger 3.4. Offener Vollzug 3.5. Maßnahmen nach der Entlassung 3.5.1. Aufgaben der Justizeinrichtungen 3s5.1.1. Bewährungshilfe 3.5.1.2. Führungsaufsicht 3.5.2. Beteiligung freier Träger 4. Abschließende Würdigung

Das Projekt Soziale Teilhabe, verstanden als Zugangsmöglichkeit zu allen gesellschaftlichen Bereichen und als Handlungsspielraum, die eigene Lebenssituation zu verändern, 1 wird u.a. gewährleistet durch die Möglichkeit einer berufliche Qualifikation und die Integration in den Arbeitsmarkt. Übergangsmanagement für jugendliche Straffällige leistet einen Beitrag zur sozialen und beruflichen Integration. Als Übergangsmanagement werden dabei im engeren Sinne die Strategien und Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Transferprozess von Strafgefangenen in die Freiheit und insbesondere in Ausbildung und Arbeit bezeichnet. Das deutsch-polnische Projekt vergleicht über einen Zeitraum von 18 Monaten die strukturellen Bedingungen sowie deren Einfluss auf Arbeits- und Wirkungsweise je eines Trägers der freien Straffälligenhilfe im Bundesland Brandenburg, der Wojewodschaft Wielkopolskie sowie in Wroclaw mit dem Ziel einer fachlichen Weiterentwicklung der trägereigenen Aktivitäten im Rahmen des Übergangsmanagements im oben beschriebenen Sinn. Des Weiteren werden Kenntnisse über das polnische bzw. deutsche Justiz- und Sozialsystem sowie der länderspezifischen Arbeitsmarktinstrumentarien generiert. Dies dient unter anderem dazu, die interkulturellen Kompetenzen des Personals zur Arbeit im transnationalen Kontext eines Übergangsmanagements weiter zu entwickeln, insbesondere mit Blick auf polnische Inhaftierte in Brandenburger Justizvollzugsanstalten. Projektträger ist der Caritasverband für das Die polnischen Partner des Projektes sind der Verein Nadzieja und der Verein Ludzie Ludziom, Reymonta. Im Verlauf des 18-monatigen Projektes werden in drei mehrtägigen Workshops in Grodzisk Wlkp., Wriezen und Wroclaw zuvor erarbeitete Expertisen zu den Themen Bedingungen sozialer Teilhabe, Übergangsmanagement in Kooperation mit Justizeinrichtungen sowie mit justizexternen Trägern vorgestellt, unter Beteiligung von 1 Ulrike Kostka/A. M. Meindl, Nur wer sich einbringen kann, gehört dazu, in: Neue Caritas 12/2009, S. 21-25.

brandenburgischen und polnischen Einrichtungen, die direkt oder indirekt am Übergangsmanagement beteiligt sind, diskutiert, Best-Practice identifiziert und nachfolgend erprobt. Eine Abschlusstagung wird die Projektergebnisse Entscheidungsträgern aus lokalen und regionalen Bezügen und den Justizministerien von Brandenburg und Polen sowie der Fachöffentlichkeit vorstellen und sie damit in die aktuelle fach-/ politische Diskussion zum Strafvollzug und zur Resozialisierung zurück binden. Das Projekt wird finanziert aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF), des Landes Brandenburg und der beteiligten Träger. Einleitung Die hier vorliegende Expertise ist für den zweiten Workshop erstellt worden. Sie behandelt die Zusammenarbeit der freien Träger der Straffälligenhilfe mit den Justizeinrichtungen im Übergangsmanagement für Jugendliche. Das Jugendstrafrecht und der Jugendstrafvollzug zielen auf die Erziehung und Wiedereingliederung straffälliger Jugendlicher. Hierbei finden eine Reihe wichtiger Aktivitäten in Zusammenarbeit zwischen den Justizeinrichtungen und den freien Trägern der Straffälligenhilfe statt. Sie werden im Folgenden näher beschrieben. In dem Zeitraum kurz vor und nach der Entlassung braucht ein Großteil der straffälligen Menschen Hilfe und erhält sie nicht immer in hinreichendem Umfang, obwohl die Rückfallgefahr gerade in den Monaten nach der Entlassung besonders hoch ist. Gutes Übergangsmanagement zielt darauf, Strafentlassene sozial und beruflich zu integrieren, um einen Rückfall in die Straffälligkeit zu verhindern. 2 Unter Übergangsmanagement ist die umfassende Vorbereitung der Entlassung von 2 Vgl. Katholische Landesarbeitsgemeinschaft Straffälligenhilfe in Bayern/ Fachverband Evangelische Wohnungslosen- und Straffälligenhilfe in Bayern (FEWS), Übergänge von der Haft in die Freiheit erfolgreich gestalten. Positionspapier Übergangsmanagement, 2010, S. 1.

Strafgefangenen zu verstehen. Es geht darum, bereits gegen Ende der Haft Wiedereingliederungsmaßnahmen zu planen, einzuleiten oder zu vermitteln. Hierbei gilt es, die Behandlungsmaßnahmen des Strafvollzugs mit den Hilfsangeboten nach der Entlassung zu verknüpfen und aufeinander abzustimmen, insbesondere auf die Angebote der Bewährungshilfe und der Freien Straffälligenhilfe. 3 1. Kooperation freier Träger mit Justizeinrichtungen Nach der gesetzlichen Vorgaben sollen die Anstalten des Jugendstrafvollzugs mit außervollzuglichen Einrichtungen und Organisationen sowie Personen und Vereinen eng zusammenarbeiten, wenn deren Mitwirkung die Wiedereingliederung der Gefangenen in die Gesellschaft fördern kann. 4 Nach dem Verständnis des Deutschen Caritasverbandes ermöglicht nur eine vom Staat und seinen zivilgesellschaftlichen Kräften gemeinsam getragene, partnerschaftliche Verantwortung erfolgversprechende Rahmenbedingungen für die soziale Integration straffälliger Menschen. Die freie Straffälligenhilfe erfüllt dabei eine wichtige Brückenfunktion zwischen einzelnen Verfahrensstadien. Während die von staatlichen Institutionen geleistete Unterstützung oft auch anderen Zielen wie etwa der Sicherheit der Gesellschaft oder Anstalt dient, ist die freie Straffälligenhilfe in der Lage, ihre Zuständigkeit einzig am konkreten Hilfebedarf der einzelnen betroffenen Person auszurichten. 5 Dabei liegt die Zuständigkeit für die Hilfe gegenüber einem bestimmten Betroffenen idealerweise dauerhaft gegebenenfalls von der Strafanzeige bis zur erfolgten Wiedereingliederung nach Verbüßung der Strafe bei derselben Person oder jedenfalls bei demselben Träger. 3 Vgl. Katholische Landesarbeitsgemeinschaft Straffälligenhilfe in Bayern/ Fachverband Evangelische Wohnungslosen- und Straffälligenhilfe in Bayern (FEWS), Übergänge von der Haft in die Freiheit erfolgreich gestalten. Positionspapier Übergangsmanagement, 2010, S. 1. 4 7 BbgJStVollzG. 5 Vgl. Evangelische Konferenz für Straffälligenhilfe, Fachverband im Diakonischen Werk der EKD/ Katholische Bundes-Arbeitsgemeinschaft Straffälligenhilfe im Deutschen Caritasverband, Orientierungsrahmen zur Zusammenarbeit mit dem Justizvollzug, 2010, S. 7.

Die Justizvollzugsanstalten erhalten aus dem Landeshaushalt ein Budget zugewiesen, das sie für die Zusammenarbeit mit freien Trägern der Straffälligenhilfen und anderen außen stehenden Personen und Vereinigungen verwenden können. Mit den Mitteln aus diesem Budget werden qualifizierte Fachkräfte für bestimmte Zwecke und Veranstaltungen engagiert. Es kommt auch vor, dass freie Träger mit bestimmten Angeboten, die sie beispielsweise aus Projektmitteln bestreiten, auf die Justizvollzugsanstalten zukommen. Ein Beispiel dafür ist die Arbeit der Anlauf- und Beratungsstelle des Caritasverbandes für das (im folgenden Caritasverband) in der Jugendstrafvollzugsanstalt Wriezen, die im Rahmen des Projekts Haftvermeidung durch soziale Integration (HSI) aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und des Ministeriums der Justiz des Landes Brandenburg finanziert wird. 6 2. Maßnahmen zur Haftvermeidung In diesem Abschnitt werden die möglichen Maßnahmen der Justiz und die Beteiligung der freien Träger der Straffälligenhilfe daran dargestellt, die darauf gerichtet sind, eine Inhaftierung straffälliger Jugendlicher von vornherein zu vermeiden. Es ist erforderlich, haftvermeidende Maßnahmen im Zusammenhang dieser Expertise zu berücksichtigen, denn durch die Vermeidung von Freiheitsentzug wird die soziale Teilhabe eines straffälligen Jugendlichen meist erheblich stärker gefördert als selbst durch ein gelungenes Übergangsmanagement nach Verbüßung einer Jugendstrafe. Eine zentrale Rolle im Jugendstrafverfahren sowohl bei der Wiedereingliederung als auch bei der Haftvermeidung spielen gerichtliche Auflagen und Weisungen für die Lebensführung des Jugendlichen. Sie sind unter bestimmten Voraussetzungen bereits vor einer Verurteilung möglich. Sie können eine eigenständige Reaktion des Gerichts auf eine Jugendstraftat darstellen oder mit der Aussetzung einer Jugendstrafe zur Bewährung verbunden werden (Bewährungsauflage). Schließlich können sie direkt 6 Nähere Informationen auf der Webseite des Netzwerks Haftvermeidung durch soziale Integration, www.hsi-zabih.de.

beim Übergangsmanagement im Zuge der Entlassung jugendlicher Gefangener aus dem Strafvollzug zur Bewährung eingesetzt werden. Insgesamt sollen sie die soziale Teilhabe des Jugendlichen und seine soziale Wiedereingliederung bestmöglich fördern und sichern. 2.1. Typischer Ablauf eines Jugendstrafverfahrens Das Jugendstrafrecht soll vor allem erneuten Straftaten eines Jugendlichen entgegenwirken. Hierzu sind das Strafverfahren und die Rechtsfolgen der Tat vorrangig am Erziehungsgedanken auszurichten. 7 Dementsprechend ist das Jugendstrafverfahren in weiten Teilen auf die Aufrechterhaltung sozialer Teilhabe ausgerichtet. Insbesondere gibt es viele Möglichkeiten der Erledigung des Verfahrens vor einer Verurteilung, wenn die soziale Integration des Jugendlichen gesichert erscheint oder ohne Verhängung einer Strafe wiederhergestellt werden kann (bei leichter und mittlerer Kriminalität). Auch nach einer Verurteilung bestehen zahlreiche Sanktionen, die nicht mit einer Inhaftierung verbunden sind. Die freiheitsentziehende Jugendstrafe kommt eher ausnahmsweise und vor allem bei mittlerer und schwerer Kriminalität sowie bei häufigen Rückfällen zur Anwendung. Nach einer Anklage kann das Jugendgericht durch Urteil feststellen, ob eine Straftat begangen wurde und ordnet an, welche Folgen die Tat haben soll (insbesondere Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel, Jugendstrafe). Straftaten Jugendlicher haben in aller Regel die Anordnung von Erziehungsmaßregeln oder die Anwendung sogenannter Zuchtmittel zur Folge (hierzu sogleich unter 2.2.). Jugendstrafe darf nur verhängt werden, wenn wegen der schädlichen Neigungen des Jugendlichen, die in der Tat hervorgetreten sind, Erziehungsmaßregeln oder 7 2 des Jugendgerichtsgesetzes JGG.

Zuchtmittel zur Erziehung nicht ausreichen oder wenn wegen der Schwere der Schuld Strafe erforderlich ist. 8 Die Jugendstrafe kann zur Bewährung ausgesetzt werden. 9 Besteht Ungewissheit darüber, ob in der Straftat hinreichend starke schädliche Neigungen hervorgetreten sind, so kann der Richter die Verhängung der Jugendstrafe für die Dauer einer Bewährungszeit aussetzen. 10 Schließlich kann das Jugendgericht im Urteil auch sogenannte Maßregeln der Besserung und Sicherung anordnen. 11 Diese werden jedoch wegen der Seltenheit ihrer Anordnung und ihrer geringen praktischen Bedeutung für die freien Träger der Straffälligenhilfe hier nicht weiterbehandelt. Die haftvermeidende Ausrichtung des Gesetzes zeigt sich besonders darin, dass für Staatsanwalt und Gericht zahlreiche Möglichkeiten bestehen, das Verfahren ohne Hauptverhandlung oder auch noch während der Hauptverhandlung ohne Urteil zu beenden. 12 Diese Möglichkeiten haben eine sehr große praktische Bedeutung; die meisten Strafverfahren gegen Jugendliche finden auf diese Weise ihren Abschluss. 2.2. Möglichkeiten einer haftvermeidenden Beendigung des Verfahrens 2.2.1. Erziehungsmaßregeln Aus Anlass der Straftat eines Jugendlichen können im Urteil Erziehungsmaßregeln angeordnet werden. 13 Erziehungsmaßregeln sind die Erteilung von Weisungen und die Anordnung, Hilfe zur Erziehung in Anspruch zu nehmen. 14 Weisungen beziehen sich 8 17 JGG 9 20 ff. JGG. 10 27 ff. JGG. 11 7 JGG. 12 Siehe insbesondere 45, 47 JGG. 13 5 JGG. 14 Näher 9, 12 JGG.

auf die Lebensführung des Jugendlichen; sie können sich beispielsweise auf die Annahme einer Arbeits- oder Ausbildungsstelle, die Erbringung von Arbeitsleistungen, die Teilnahme an einem sozialen Trainingskurs, einen Ausgleich zwischen Täter und Opfer, den Umgang mit bestimmten Personen oder den Aufenthalt an bestimmten Orten beziehen. 2.2.2. Zuchtmittel, insbesondere Auflagen Die Straftat eines Jugendlichen wird mit Zuchtmitteln geahndet, wenn Erziehungsmaßregeln nicht ausreichen. Zu den Zuchtmitteln gehören die Verwarnung, die Erteilung von Auflagen und der höchstens vierwöchige Jugendarrest. 15 Die möglichen Auflagen sind durch das Gesetz abschließend bestimmt. Hiernach kann der Richter dem Jugendlichen auferlegen, 1.nach Kräften den durch die Tat verursachten Schaden wieder gut zumachen 2.sich persönlich bei dem Verletzten zu entschuldigen 3.Arbeitsleistungen zu erbringen 4.einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung zu zahlen. 16 2.3. Weitere Fälle der Anordnung von Weisungen und Auflagen Auflagen und Weisungen können gegenüber dem Jugendlichen auch in den folgenden weiteren Fällen angeordnet werden: - bereits vor der Hauptverhandlung oder vor der Verurteilung, wenn der Jugendliche geständig ist 17, - bei der Aussetzung der Verhängung der Jugendstrafe 18, 15 Näher 5, 16 JGG. 16 15 JGG. 17 45, 47 JGG. Kommt der Jugendliche den Weisungen oder Auflagen nach, so wird von der weiteren Verfolgung der Tat abgesehen. 18 23, 29 JGG.

- bei der Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung 19, - bei der Aussetzung des Strafrests zur Bewährung nach Verbüßung eines Teils der Jugendstrafe. 20 2.4. Beteiligung freier Träger bei der Befolgung von Weisungen und bei der Erfüllung von Auflagen Eine Beteiligung freier Träger bei der Erfüllung von Weisungen und Auflagen findet vor allem im Rahmen sozialer Trainingskurse statt, die im Land Brandenburg im Rahmen des Netzwerks Haftvermeidung durch soziale Integration vom Caritasverband und anderen Trägern angeboten werden. Auffällige Jugendliche können auf Grund gerichtlicher Weisung und Empfehlung der Jugendgerichtshilfe in einen solchen Kurs aufgenommen werden. Es geht in diesen Kursen im Wesentlichen darum, Verantwortung für sein Leben zu übernehmen und soziale Kompetenzen zu erwerben. Themen des Kurses sind unter anderem Arbeit an der eigenen Biografie, Straftaten im individuellen und gesellschaftlichen Kontext, individuelle Konfliktbewältigungsstrategien, Erarbeitung von Handlungsalternativen, persönliche Zielstellungen und Zukunftsperspektiven und ein Kommunikationstraining. Die Teilnahme am Kurs ist vor, während oder nach einer Gerichtsverhandlung möglich. Die Jugendlichen, die an derartigen Trainingskursen teilnehmen, werden bei Bedarf durch die freien Träger auch bei der Erfüllung von Weisungen oder Auflagen betreffend den Wohnsitz und bei der Arbeitssuche unterstützt. Gelegentlich helfen die freien Träger Jugendlichen, die Arbeitsstunden abzuleisten haben, bei der Suche nach einer geeigneten Arbeitsstelle. Jugendliche, die zum Zeitpunkt der Trainingsmaßnahme weder in Schule noch Ausbildung integriert sind, haben in diesem Zeitraum nachweisbar Schritte zur weiteren schulischen und/oder beruflichen Entwicklung zu unternehmen und werden dabei bei Bedarf unterstützt. 19 23 JGG. 20 23, 88 JGG.

2.5. Vermeidung von Untersuchungshaft In einem Strafverfahren gegen einen Jugendlichen darf Untersuchungshaft nur verhängt und vollstreckt werden, wenn ihr Zweck nicht durch eine vorläufige Anordnung über die Erziehung oder durch andere Maßnahmen erreicht werden kann. Hierbei sind auch die besonderen Belastungen des Vollzuges für Jugendliche zu berücksichtigen. 21 Zu den vorläufigen Anordnungen über die Erziehung gehört die einstweilige Unterbringung in einem geeigneten Heim der Jugendhilfe wie etwa die Jugendhilfeeinrichtung Frostenwalde des Evangelischen Jugend- und Fürsorgewerks (EJF) gag. Hier erfahren die Jugendlichen eine individuelle Betreuung und Unterstützung; sie sollen vor weiteren Gefährdungen ihrer Entwicklung, insbesondere vor der Begehung neuer Straftaten bewahrt werden; individuelle Lebensperspektiven werden mit ihnen erarbeitet. 22 2.6. Jugendgerichtshilfe Ein wichtiger Akteur im Jugendstrafverfahren ist die Jugendgerichtshilfe. Ihr gesetzlicher Auftrag besteht darin, die erzieherischen, sozialen und fürsorgerischen Gesichtspunkte im Verfahren vor den Jugendgerichten zur Geltung zu bringen. Sie unterstützen zu diesem Zweck die beteiligten Behörden durch Erforschung der Persönlichkeit, der Entwicklung und der Umwelt des Beschuldigten und äußern sich zu den Maßnahmen, die zu ergreifen sind. Die Jugendgerichtshilfe ist in der Hauptverhandlung vertreten. Soweit nicht ein Bewährungshelfer dazu berufen ist, wacht sie darüber, dass der Jugendliche Weisungen und Auflagen nachkommt. Erhebliche Zuwiderhandlungen haben sie dem Richter mitzuteilen. Während der Bewährungszeit arbeitet sie eng mit dem Bewährungshelfer zusammen. Während des Vollzugs bleibt die Jugendgerichtshilfe mit dem Jugendlichen in Verbindung und nimmt sich seiner 21 72 JGG. 22 Kurzinformation unter www.ejf.de/einrichtungen/kinder-und-jugendhilfe/jugendhilfeeinrichtungfrostenwalde.html.

Wiedereingliederung in die Gemeinschaft an. Im gesamten Verfahren gegen einen Jugendlichen ist die Jugendgerichtshilfe heranzuziehen. Dies soll so früh wie möglich geschehen. 23 Aus alledem lassen sich die Aufgaben der Jugendgerichtshilfe in drei Bereiche untergliedern, die nicht frei von inneren Spannungen sind. Einerseits fungiert sie als Ermittlungshilfe für das Gericht. Zum zweiten kontrolliert sie die Beachtung von Weisungen und Auflagen und wird dementsprechend von den Jugendlichen auch als Überwachungsorgan erlebt. Drittens soll sie den Jugendlichen während des gesamten Verfahrens sozial und betreuend unterstützen. 24 Zeitlich beschränkt sich die Tätigkeit der Jugendgerichtshilfe sich in aller Regel auf das gerichtliche Verfahren und den Strafvollzug. Es ist zwar gesetzlich nicht ausgeschlossen, dass sie auch noch nach der Entlassung für einen Jugendlichen tätig wird; in der Praxis sind dahingehende Aktivitäten der Jugendgerichtshilfe aber sehr selten. 3. Unterstützende Maßnahmen während des Vollzugs der Jugendstrafe und nach der Entlassung 3.1. Ziel, Aufgabe und Gestaltung des Jugendstrafvollzugs Anders als das Jugendstrafverfahren wird der Vollzug der Jugendstrafe auf der Ebene der Bundesländer geregelt. Die folgenden Ausführungen können sich daher nur auf die Lage im Land Brandenburg beziehen. Die rechtliche Grundlage ist das Gesetz über den Vollzug der Jugendstrafe im Land Brandenburg BbgJStVollzG. Der Vollzug der Jugendstrafe in Brandenburg dient dem Ziel, die Gefangenen zu befähigen, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen. 25 23 37 JGG. 24 Vgl.Klaus Laubenthal u.a., Jugendstrafrecht, 2. Aufl., 2010, S.75 ff. 25 2 BbgJStVollzG.

Der Vollzug ist erzieherisch zu gestalten. Die Gefangenen sind in der Entwicklung ihrer Fähigkeiten und Fertigkeiten so zu fördern, dass sie zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Lebensführung in Achtung der Rechte Anderer befähigt werden. Der Vollzug soll von Beginn an darauf ausgerichtet werden, den Gefangenen bei der Eingliederung in ein Leben in Freiheit ohne Straftaten zu helfen. 26 Die personelle Ausstattung, die sachlichen Mittel und Organisation der Vollzugsanstalten werden an Zielsetzung und Aufgabe des Vollzugs sowie den besonderen Bedürfnissen der Gefangenen ausgerichtet. 27 3.2. Behandlungs- und Bildungsangebot Um die Gefangenen in der Entwicklung ihrer Fähigkeiten und Fertigkeiten zu fördern, bieten die Vollzugsanstalten unterschiedliche Maßnahmen zur Behandlung und Bildung der Jugendlichen an. Die folgende Beschreibung bezieht sich auf den Normalfall des geschlossenen Jugendstrafvollzugs; der offene Vollzug wird gesondert behandelt (unten 3.4.). Die meisten jugendlichen Gefangenen im Land Brandenburg befinden sich in der Jugendstrafvollzugsanstalt Wriezen. Die nachfolgende Beschreibung bezieht sich daher auf die Angebote dieser Anstalt. Die Darstellung beruht, soweit nicht anders angegeben, auf Auskünften von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Anstalt. 3.2.1. Erstellung eines Vollzugsplans Zu Beginn der Haft wird mit dem Jugendlichen ein Vollzugsplan erstellt 28, der in etwa halbjährigen Abständen überprüft wird. Der Vollzugsplan enthält die während der Haft 26 3 BbgJStVollzG. 27 3 BbgJStVollzG. 28 11 BbgJStVollzG.

zu erreichenden Ziele. Ein wichtiges Ziel für die Jugendlichen ist hier das Erreichen eines Schulabschlusses oder eine Berufsausbildung. Aber auch Maßnahmen zur Bewältigung anderer Probleme wie etwa die Behandlung einer Sucht werden hier festgeschrieben. Weitere Themen sind die Pflege der familiären Beziehungen und Schuldenregulierung sowie beabsichtigte Maßnahmen zum Ausgleich von Tatfolgen. Der Blick richtet sich auf die Frage, was während der Haft erreicht werden kann, damit nach der Entlassung eine gute Eingliederung und soziale Teilhabe gelingen können. 3.2.2. Schul- und berufsbezogene Maßnahmen 3.2.2.1. Aufgaben der Justizeinrichtungen Die Gefangenen sind zur Teilnahme an schulischen und beruflichen Orientierungs-, Berufsvorbereitungs-, Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen oder speziellen Maßnahmen zur Förderung ihrer schulischen, beruflichen oder persönlichen Entwicklung verpflichtet. 29 Für diese Angebote ist der pädagogische Dienst der Anstalt zuständig. Möglichst alle Gefangene nehmen an einer schulischen und/oder an einer berufsbezogenen Maßnahme teil. Die Jugendlichen können, wenn sie keinen Schulabschluss anstreben, ein Berufsvorbereitungsjahr absolvieren. Bei längeren Haftstrafen können Sie eine Berufsausbildung machen. Es werden zahlreiche berufsbildende Maßnahmen angeboten, unter anderem berufsvorbereitende Lehrgänge und Berufsausbildungen zum Ausbaufacharbeiter, Maler/Lackierer, Tischler und im Garten- und Landschaftsbau. Die schul- und berufsbezogenen Maßnahmen leisten einen Beitrag zur Resozialisierung und erhöhen die Chancen des Jugendlichen auf dem Arbeitsmarkt nach der Entlassung. Daneben haben sie auch den Effekt, die Jugendlichen zu stärken. Immer wieder äußern jugendliche Gefangene, dass sie es außerhalb der Anstalt nicht geschafft hätten, ihre Schulausbildung oder andere Bildungsmaßnahmen 29 37 BbgJStVollzG.

zu Ende zu bringen. Die Erfahrungen mancher Jugendlicher bestanden darin, dass sie bereits vor der Inhaftierung aus der Schule und anderen Maßnahmen nach einiger Zeit ausgeschlossen wurden. In der Vollzugsanstalt hingegen helfen ihnen der geregelte Tagesablauf und das Fehlen von Ablenkungen, bei der Arbeit zu bleiben und ihre Aufgaben zum Abschluss zu bringen. Das Zeugnis über eine Bildungsmaßnahme darf keinen Hinweis auf die Inhaftierung enthalten. 30 3.2.2.2. Beteiligung freier Träger Im Bereich der Berufsausbildung ist der Berufsbildungsverein Eberswalde e.v. aktiv. Er bietet in der Anstalt unter anderem eine überbetriebliche Berufsausbildung an und ist am Berufsvorbereitungsjahr beteiligt. 31 Jeder Jugendliche soll die Möglichkeit erhalten nach seinen Fähigkeiten gefördert zu werden. Da es auch Jugendliche gibt, die auf Grund ihrer derzeitigen Persönlichkeit an keinem regulären Schulalltag teilnehmen können, werden spezielle Angebote wie Ausbildung und Qualifikation von Jugendlichen im Strafvollzug (AQUA) durchgeführt. An AQUA sind unter anderem der Berufsbildungsverein Eberswalde e.v. und der Caritasverband beteiligt. 3.2.3. Suchtpräventive Maßnahmen 3.2.3.1. Aufgaben der Justizeinrichtungen Viele Jugendliche haben vor der Inhaftierung Kontakt mit Drogen, und eine Vielzahl von Straftaten wird unter dem Einfluss von Alkohol oder Drogen begangen. Viele 30 37 BbgJStVollzG. 31 Näher dazu die Webseite des Berufsbildungsvereins Eberswalde e.v., www.bbveberswalde.de/2009/wbbbv/wb/pages/standorte--kontakt/wriezen.php.

Gefangene versuchen, auch während der Haft Alkohol oder Drogen zu konsumieren. Diese Thematiken müssen während der Haftzeit Beachtung finden. 3.2.3.2. Beteiligung freier Träger Die Anstalt bietet als Unterstützung in Kooperation mit freien Trägern Suchtberatung und Suchttherapie an. Hier gibt es mehrere Angebote für Einzelpersonen und Gruppen, die durch die Vollzugsanstalt koordiniert werden. Die Maßnahmen werden von freien Trägern wie Ichthys e.v. oder dem Caritasverband durchgeführt. 32 Im Rahmen des Übergangsmanagements besprechen die Mitarbeiter der freien Straffälligenhilfe mit den Klienten, wie es mit der Suchtthematik nach der Entlassung weitergehen soll. Sie unterstützen die Betroffenen beispielsweise dabei, eine suchttherapeutische Einrichtung zu finden und dort aufgenommen zu werden, begleiten sie bei der Klärung der Kostenübernahme für eine Therapie oder vermitteln den Kontakt zu einer Suchtberatungsstelle am Entlassungsort. 3.2.4. Gewaltpräventive Maßnahmen 3.2.4.1. Aufgaben der Justizeinrichtungen Viele jugendliche Straftäter befürworten Gewalt als Mittel der Konfliktlösung. Wenn sich das Verhalten nicht ändert, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass ein Jugendlicher wieder zur Gewalt greift und neue Straftaten begeht. Hieran muss gearbeitet werden, um soziale Teilhabe nach der Entlassung zu gewährleisten. Es ist jedoch eine Herausforderung für die Gewaltprävention im Jugendstrafvollzug, wirklich Zugang zu den Jugendlichen zu bekommen und Verhaltensänderungen herbeizuführen. Gewalttäter sehen es als eine wichtige Fähigkeit an, sich in Konflikten 32 Näher hierzu die Webseite des Christlichen Sozialwerks Ichthys Abhängigenhilfe e.v., www.ichthysmahlow.de.

mit gewalttätigem Verhalten behaupten zu können, und es ist ein Bestandteil ihrer Identität. Gewalttäter halten sich darüber hinaus häufig in Cliquen auf, in denen Gewalt positiv anerkannt wird. 33 3.2.4.2. Beteiligung freier Träger Die Vollzugsanstalt bietet in Kooperation mit freien Trägern Trainings zur Gewaltprävention an. Hervorzuheben ist beispielsweise das Projekt Verantwortung übernehmen Abschied von Hass und Gewalt. Dieses Projekt beruht im Kern auf einem speziellen Trainingsangebot für jugendliche Gewalttäter im Strafvollzug. Das hierfür entwickelte Konzept verknüpft die Aufarbeitung der Vergangenheit, die Auseinandersetzung mit der eigenen Person in der Gegenwart und den Blick in die Zukunft miteinander. Es schließt dabei die Auseinandersetzung mit rechtem Gedankengut und nationalsozialistischer Ideologie als permanentes Element mit ein. Es wird durch den freien Träger Violence Prevention Network e.v. durchgeführt. 34 Bei Bedarf unterstützt der Projektträger die betroffenen Jugendlichen auch nach der Entlassung auf freiwilliger Basis weiter. Die meisten Jugendlichen machen hiervon Gebrauch. Ziel ist es, die erworbenen Kompetenzen im Lebensalltag anzuwenden und auf diese Weise erneute Gewalt und Straffälligkeit zu vermeiden. Die Betreuung umfasst permanente telefonische Kontakte sowie häufige Treffen mit den Jugendlichen. 35 Seit kurzem ist der Projektträger auch für andere Unterstützungsmaßnahmen zuständig, etwa bei der Wohnungs- und Arbeitssuche, um die Hilfe für einen Jugendlichen in einer Hand zusammenzuführen. 33 Vgl. auch Jost Stellmacher u.a., Bewertung von Behandlungsmaßnahmen durch Inhaftierte im Hessischen Jugendstrafvollzug Ergebnisse einer qualitativen Studie. Bewährungshilfe 59 (2012), S. 148, 155. 34 Nähere Informationen auf der Webseite des Projekts Verantwortung übernehmen Abschied von Hass und Gewalt. Arbeit mit rechtsextremistisch orientierten Jugendlichen innerhalb des Jugendstrafvollzugs Betreuung nach der Haftentlassung. www.politische-bildungbrandenburg.de/themen/rechtsextremismus/dagegen/abschied-von-hass-und-gewalt. 35 Hierzu die Projektbroschüre Verantwortung übernehmen Abschied von Hass und Gewalt. Arbeit mit rechtsextremistisch orientierten Jugendlichen innerhalb des Jugendstrafvollzugs Betreuung nach der Haftentlassung, www.politische-bildung-brandenburg.de/sites/default/files/downloads/ abschied_von_hass_und_gewalt.pdf

Die sozialtherapeutische Abteilung der Anstalt führt ein Projekt zum Thema Identität und Männlichkeit in Zusammenarbeit mit der Organisation Manne e.v., Potsdam, durch. 36 3.2.5. Psychologische Betreuung, Psychotherapie In Wriezen ist es den Gefangenen möglich, psychologische Betreuung durch drei innerhalb der Anstalt tätige Psychologin in Anspruch zu nehmen. Für die Gefangenen, die eine Psychotherapie benötigen, können externe Therapeuten in die Anstalt kommen. Die psychologische Betreuung nutzen die Gefangenen als Chance über ihre aktuellen Gedanken zu sprechen und als kritische Reflexion über sich selbst. 37 Die externen Therapeuten sind freiberuflich tätige Psychologen, die keinem freien Träger zugeordnet sind. Wenn man sich die personelle Ausstattung der Anstalten mit Psychologenstellen betrachtet, so gibt es bundesweit deutliche Unterschiede bei der Zahl der jeweils von einem Psychologen betreuten Klienten. Diese Betreuungsrelation hat sich in den meisten Bundesländern in den vergangenen Jahren verbessert, nicht jedoch in Brandenburg. Sie ist dort zwischen 2006 und 2010 um 15,5% gestiegen, liegt jedoch mit einer Quote von 44,4 Insassen pro Psychologe gut im Schnitt. 38 Zum Vergleich: die Quote beträgt in Bayern 43,1, in Baden-Württemberg 57,1, in Nordrhein-Westfalen 62,2 Gefangene pro Psychologen. 36 Webseite der Organisation: www.mannepotsdam.de. 37 Vgl. auch Jost Stellmacher u.a., Bewertung von Behandlungsmaßnahmen durch Inhaftierte im Hessischen Jugendstrafvollzug Ergebnisse einer qualitativen Studie. Bewährungshilfe 59 (2012), S. 148, 156. 38 Frieder Dünkel/Bernd Geng, Die Entwicklung des Jugendstrafvollzugs in Deutschland nach dem Urteil des BVerfG von 2006 Befunde einer empirischen Erhebung bei den Jugendstrafanstalten. Bewährungshilfe 59 (2012), S. 115, 124.

3.2.6. Auseinandersetzung mit eigener Straftat Die Jugendlichen in der Jugendstrafvollzugsanstalt Wriezen werden in vielen Zusammenhängen aufgefordert, sich mit der eigenen Straftat auseinanderzusetzen, unter anderem in der Tätigkeit des Sozialdienstes der Anstalt sowie bei der psychologischen Beratung und Therapie. Eine besonders intensive Auseinandersetzung findet statt im Rahmen des Programms Denkzeit. Das Denkzeit-Training ist ein Programm, das darauf abzielt, bestimmte sozial-kognitive Fähigkeiten wie Perspektivenübernahme, Wahrnehmung und Kontrolle eigener Affekte, moralisches Urteilsvermögen und Abschätzung der Handlungsfolgen zu fördern. Es geht um die Themen soziale Informationsverarbeitung, Affektkontrolle und moralisches Denken. 39 Für das Denkzeit-Training beauftragt die Anstalt eine ausgebildete freiberufliche Trainerin. 3.2.7. Schuldnerberatung Schuldnerberatung findet bedarfsweise statt. Eine Mitarbeiterin der Anstalt ist dafür ausgebildet und berät die Gefangenen bei der Ordnung ihrer finanziellen Verhältnisse. Soweit es ihr erforderlich erscheint, insbesondere in Fällen der Privatinsolvenz, arbeitet sie mit externen Beratungsstellen zusammen, die in der Regel von freien Trägern unterhalten werden. 39 Näheres bei Jürgen Körner, Denkzeit-Training, Webseite des Deutschen Forums für Kriminalprävention, www.kriminalpraevention.de/wissen-gegen-gewalt/themenpfade/gewalt-alkoholdrogen/denkzeit-training.html.

3.2.8. Freizeitmaßnahmen Die Freizeitmaßnahmen werden vom pädagogischen Dienst der Anstalt organisiert. Hierbei handelt es sich beispielsweise um Sportangebote, Gesprächsgruppen, kreatives Gestalten, Kochen und Backen, Entspannungstraining, Zeichenzirkel, Theaterworkshops, Schachgruppen und Modellbau. Sie werden teils dauerhaft, teils in Projekten angeboten. Auch hier finden Kooperationen mit freien Trägern und beispielsweise mit örtlichen Sportvereinen statt. Freizeitmaßnahmen werden positiv bewertet, weil sie eine Abwechslung zum Haftalltag darstellen und Jugendliche sich mitunter auf eine andere und für sie neue Art erleben können. Das Projekt des Caritasverbandes Ehrenamt im Strafvollzug arbeitet mit Privatpersonen, die auf freiwilliger Basis bereit sind, Kontakt zu Jugendlichen in der Jugendstrafvollzugsanstalt aufzunehmen und diese zu begleiten. Die Freiwilligen tauschen sich regelmäßig mit einem Insassen der Anstalt aus. Viele der Jugendlichen vermissen die Nähe zum Leben außerhalb des Gefängnisses. Um den Wiedereinstieg in das normale Leben nach der Entlassung zu erleichtern, brauchen die Insassen Kontakte zu Menschen außerhalb der Anstalt, Freiwillige, die ihnen Briefe schreiben, sie besuchen, über aktuelle Ereignisse erzählen, mit ihnen lernen und allgemein als Gesprächspartner zur Verfügung stehen. 3.3. Entlassungsvorbereitung 3.3.1. Allgemein Die Anstalt hat frühzeitig mit anderen Einrichtungen, Organisationen sowie Personen und Vereinen zusammenzuarbeiten, um zu erreichen, dass die Gefangenen nach ihrer Entlassung über eine geeignete Unterbringung und eine Arbeits- oder Ausbildungsstelle verfügen. 40 Dazu gehört insbesondere eine Zusammenarbeit der 40 19 BbgJStVollzG.

ambulanten sozialen Dienste (Bewährungshilfe, Führungsaufsicht) mit der Anstalt zum Zweck der sozialen und beruflichen Integration der Gefangenen. In der Entlassungsvorbereitung werden alltagspraktische Dinge vermittelt als auch die großen Themen wie Wohnung, Arbeit, Schule angegangen. Auch hier arbeitet der Sozialdienst der Anstalt regelmäßig mit verschiedenen freien Trägern zusammen, etwa im Rahmen von Entlassungstrainings, die gemeinsam mit der Anlauf- und Beratungsstelle des Caritasverbandes organisiert werden 41. 3.3.2. Vollzugslockerungen Das Gesetz 42 bietet verschiedene Möglichkeiten, den Vollzug der Jugendstrafe zu lockern, etwa das kurzfristige Verlassen der Anstalt unter Aufsicht von Bediensteten (Ausführung) oder ohne Aufsicht (Ausgang), die regelmäßige Beschäftigung außerhalb der Anstalt unter Aufsicht von Bediensteten (Außenbeschäftigung) oder ohne Aufsicht (Freigang). Zur Vorbereitung der Entlassung soll der Vollzug in dieser Weise gelockert werden. 43 Dies geschieht in der Praxis auch. Vollzugslockerungen dürfen in der Regel nur gewährt werden, wenn verantwortet werden kann zu erproben, dass der betroffene Gefangene nicht fliehen und keine Straftaten begehen wird. Unter bestimmten Voraussetzungen kann Gefangenen zur Förderung der Wiedereingliederung in das Leben in Freiheit Urlaub gewährt werden. 44 41 Allgemein zur Arbeit der Anlauf- und Beratungsstellen Netzwerk HSI (Hrsg.), Handbuch Haftvermeidung durch soziale Integration (HSI). Trägerübergreifende Standards der Beratungs-, Gruppen- und Vermittlungsarbeit, 2007, S. 7 ff. 42 15 BbgJStVollzG. 43 19 BbgJStVollzG. 44 16, 19 BbgJStVollzG.

3.3.3. Die Anlauf- und Beratungsstelle als spezifisches Angebot eines freien Trägers Eine besondere Funktion bei der Entlassungsvorbereitung in Wriezen hat die Anlaufund Beratungsstelle des Caritasverbandes. Die Mitarbeiter der Stelle bieten wöchentliche Sprechzeiten in der Anstalt an, die die Jugendlichen aufsuchen können. Die Beratung kann alle Themen betreffen, die mit der Entlassung oder anderen Fragen des Strafvollzugs in Zusammenhang stehen. Wichtiges Ziel der Arbeit der Anlauf- und Beratungsstelle ist die soziale Integration der entlassenen Jugendlichen. Unter anderem leisten die Mitarbeiter Unterstützung beim Finden eines Zugangs zum Arbeitsmarkt, sie helfen bei der Wohnungssuche und begleiten die Jugendlichen zu Besichtigungen, sie klären mit den Jugendlichen die durch die Haft entstandenen finanziellen und sozialen Probleme, sie unterstützen sie bei der Alltagsstrukturierung, bei der Herstellung und Wiederherstellung sozialer Kontakte sowie beim Zugang zu weiterführenden Beratungsangeboten, beispielsweise zu Sucht- und Schuldenproblematik. Die Mitarbeiter der Anlauf- und Beratungsstellen können Gefangene bei Ausgängen begleiten, beispielsweise bei Behördengängen oder zur Wohnungssuche. Die Arbeit der Anlauf- und Beratungsstelle umfasst auch die Nachbetreuung; das heißt, die Betreuung wird auf Wunsch nach der Entlassung fortgesetzt, falls der Entlassene in derselben Region verbleibt. Anderenfalls werden Kontakte zu örtlich zuständigen Beratungsangeboten vermittelt. Ein Grundsatz der Anlauf- und Beratungsstelle ist Freiwilligkeit, d.h. die Betroffenen können entscheiden ob und welches Hilfsangebot sie annehmen wollen. Die Hilfe wird so früh wie möglich und so lange wie nötig angeboten.

3.3.4. Übergangseinrichtungen freier Träger Zu den Vollzugslockerungen gehört des Weiteren die Möglichkeit, Gefangene in besonderen Erziehungseinrichtungen oder in Übergangseinrichtungen freier Träger unterzubringen. Eine Übergangseinrichtung eines freien Trägers ist beispielsweise die Wohngruppe leben lernen des Evangelischen Jugend- und Fürsorgewerks (EJF) gag in Liepe. Dieses Projekt ist ein stationäres sozialpädagogisches Intensivtraining zur Entlassungsvorbereitung für Gefangene, die eine mehrjährige Jugendstrafe zu verbüßen haben, für das letzte Jahr vor der Entlassung. Angeboten werden dort unter anderem eine intensive sozialpädagogische Einzel- und Gruppenbetreuung, soziale Trainingskurse beispielsweise mit dem Ziel der Übernahme von Verantwortung für das eigene Leben, spezielle Arbeitstrainingsprogramme, Arbeitsprojekte und Betriebspraktika sowie Perspektivplanung bezüglich Wohnen, Ausbildung und Freizeit. Die Jugendlichen dürfen die Einrichtung nur nach Absprache verlassen; es gibt jedoch kein Wachpersonal und keine Mauer. Bei erheblichen Verstößen gegen die Regeln der Einrichtung werden sie in die Vollzugsanstalt zurückverlegt. 45 3.4. Offener Vollzug Von den 206 Haftplätzen der Jugendstrafvollzugsanstalt Wriezen gehören 30 Plätze zum offenen Vollzug. Diese Form der Strafvollstreckung unterscheidet sich vom geschlossenen Vollzug dadurch, dass hier keine oder nur verminderte Vorkehrungen gegen ein Entweichen der Gefangenen getroffen werden. Die Jugendlichen sind jedoch verpflichtet, in der Vollzugseinrichtung zu bleiben und dürfen sie nur nach Absprache verlassen. Die Ausübung einer Arbeit oder Ausbildung außerhalb der Anstalt ist möglich. Die Jugendlichen dürfen einmal im Monat ihre Familien besuchen; Freigänge müssen beantragt werden. Alkohol und Drogen sind verboten. Bei erheblichen Verstößen gegen die Regeln des offenen Vollzugs wird der Gefangene in den geschlossenen Vollzug zurückverlegt. 45 Vgl. Jugendstrafvollzug in freien Formen: Leben lernen Liepe, www.diakonieuckermark.de/hauptseite/jugendhilfe/101-seite-41.

In den offenen Vollzug der Anstalt in Wriezen sind einige freie Träger eingebunden. Erwähnenswert ist insbesondere das Projekt Freiheit in Grenzen des Berufsbildungsvereins Eberswalde e.v. Hieran nehmen 12 Jugendliche teil. Für sie ist es der erste Schritt in ein Leben ohne Gitter. Die Jugendlichen gehen tagsüber unterschiedlichen Beschäftigungen wie Schulbesuch oder Praktika in der Anstalt nach. In der Freizeit arbeitet das Projekt mit den Jugendlichen zu lebenspraktischen Fragen und bereitet den Übergang in die Freiheit vor. Die anderen Jugendlichen im offenen Vollzug können für die Vorbereitung ihrer Entlassung Beratung und Hilfe durch die Anlauf- und Beratungsstelle des Caritasverbandes erhalten. Besonderes Augenmerk wird auch hier auf einen guten Übergang von Haft in Freiheit gerichtet; daher sind die Themen Wohnung und Arbeit vorrangig. Bei Bedarf findet Suchtberatung statt. Diese Unterstützung wird auch nach der Entlassung angeboten; bei Bedarf werden die Jugendlichen zu anderen Kooperationspartnern weitervermittelt. 3.5. Maßnahmen nach der Entlassung 3.5.1. Aufgaben der Justizeinrichtungen Für die meisten Aufgaben, die nach der Entlassung des jugendlichen Gefangenen anfallen, besteht keine gesetzliche Zuständigkeit der Justizeinrichtungen, mit Ausnahme der Tätigkeit der Bewährungshilfe und der Führungsaufsicht. 3.5.1.1. Bewährungshilfe Ist eine Jugendstrafe oder deren Verhängung zur Bewährung ausgesetzt oder ist ein Jugendlicher auf Bewährung entlassen worden, so unterstellt der Richter den Jugendlichen der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers oder einer Bewährungshelferin. 46 Dessen Aufgabe ist es, dem Jugendlichen helfend und 46 24 JGG.

betreuend zur Seite zu stehen, insbesondere im Einvernehmen mit dem Richter die Erfüllung der Weisungen, Auflagen, Zusagen und Anerbieten zu überwachen. Die Bewährungshilfe soll die Erziehung des Jugendlichen fördern und möglichst mit dem Erziehungsberechtigten und dem gesetzlichen Vertreter vertrauensvoll zusammenwirken. Sie unterstützt den Jugendlichen auch bei der Suche nach Arbeit und Wohnung. 3.5.1.2. Führungsaufsicht In bestimmten Fällen kann das Gericht für die Zeit nach der Entlassung Führungsaufsicht anordnen und dem Jugendlichen Weisungen erteilen. 47 Der Jugendliche untersteht für eine bestimmte Zeit einer Aufsichtsstelle, und das Gericht bestellt ihm eine Bewährungshelferin oder einen Bewährungshelfer. Bewährungshilfe und Aufsichtsstelle sollen dem Jugendlichen helfend und betreuend zur Seite; die Aufsichtsstelle soll jedoch gleichzeitig im Einvernehmen mit dem Gericht und mit Unterstützung der Bewährungshilfe das Verhalten der verurteilten Person und die Erfüllung der Weisungen überwachen. 3.5.2. Beteiligung freier Träger Da die verschiedenen Justizeinrichtungen, insbesondere die Vollzugsanstalten, nach einer Entlassung im allgemeinen keine Aufgaben im Hinblick auf ihre ehemaligen Gefangenen mehr haben, ist der Raum für Kooperation mit freien Trägern in dieser Phase von vornherein äußerst begrenzt. Diese Kooperation beschränkt sich im Wesentlichen auf punktuelle Zusammenarbeit freier Träger mit der Bewährungshilfe, etwa bei der Wohnungssuche für den Klienten. Insgesamt aber hängt jede Kooperation eines freien Trägers mit einer anderen Einrichtung zugunsten eines bestimmten Klienten von dessen Einverständnis ab eine Kooperation ohne solches Einverständnis würde als unzulässig und ein Verstoß gegen das Prinzip der Vertraulichkeit empfunden werden. 47 7 JGG, 68-68b Strafgesetzbuch.

4. Abschließende Würdigung Viele Angebote der freien Träger sind für die Gefangenen freiwillig. Die Mitarbeiter der freien Träger stehen nicht in einem Dienstverhältnis zur Justiz und sind somit nicht in rechtsverbindliche Entscheidungen über den Gefangenen eingebunden. Deshalb werden sie oft von den Gefangenen als unabhängiger angesehen als die Mitarbeiter der Vollzugsanstalt. Darüber hinaus können die Gefangenen davon ausgehen, dass vertrauliche Inhalte von Gesprächen mit Mitarbeitern der freien Träger auch gegenüber der Anstalt vertraulich bleiben. Die Zusammenarbeit der Justiz mit den freien Trägern der Straffälligenhilfe ermöglicht der Justiz, Aufgaben anzugehen, die sie mit eigenen Mitteln nicht oder jedenfalls nicht gleich effektiv bewältigen könnte. Durch die Mitarbeit freier Träger ist der Justizvollzug facettenreich und ermöglicht eine große Vielfalt von Angeboten. 48 Zum einen können die freien Träger in unterschiedlichen Formen fachlich spezialisierte Angebote zu Themenbereichen machen, die die Mitarbeiter der Anstalt nicht oder nicht in dem erforderlichen Umfang abdecken können. Zum anderen ist der Anstalt bei dieser Zusammenarbeit ein höheres Maß an Flexibilität und Innovation möglich. Dadurch zeigt sich die besondere Rolle der Träger der freien Straffälligenhilfe bei der Wiedereingliederung straffälliger Jugendlicher in die Gesellschaft. 48 Vgl. Eva Maria Eicke, Die Zusammenarbeit des Justizvollzugs mit Dritten, in Hermann Düringer, K.H. Schäfer (Hrsg), Was kann kirchliche Straffälligenhilfe Leisten?, Haag+Herchen Verlag, S.39ff

Übergangsmanagement in Kooperation mit Justizeinrichtungen Konrad Maciejaszek, Stowarzyszenie Na Rzecz Readaptacji Nieletnich Nadzieja, Grodzisk Wlkp. / Verein der Wiedereingliederung von Jugendlichen NADZIEJA Anteil von Justizeinrichtungen am Entlassungsmanagement. Ein Besserungsverfahren ist ein außergesetzliches 49, besonderes Vorgehen, in dem man über die strafrechtliche Verantwortlichkeit entscheidet. Es unterscheidet sich deutlich von dem Grundvorgehen. Verwendung finden zwei Bezeichnungen - Verfahren oder besondere Vorgehensweise. Man spricht von einem besonderen Verfahren (besondere Vorgehensweise), wenn man in dem Strafverfahren über strafrechtliche Verantwortlichkeit in einer Art und Weise entscheidet, die sich in seinem Verlauf deutlich von dem prinzipiellen Modellprozess unterscheidet. Die Straftaten haben unterschiedliche Gewichtung, daher werden bei den weniger schweren Fällen bzw. Gerichtssachen, nicht so strenge Verfahren durchgeführt. Die Art mancher Straftaten kann dazu führen, dass es notwendig wird, andere Prozessinstitutionen mit einzubeziehen. Diese sind im Grundvorgehen überflüssig. Ist der Familienrichter anhand des gesammelten Beweismaterials der Auffassung, dass aufgrund der Umstände, der Natur des Falles und der Persönlichkeit eines Minderjährigen ratsam ist, pädagogische oder therapeutische Maßnahmen anzuwenden, so entscheidet er über die Erkennung der Verhandlung in einem fürsorglich-erzieherischen Vorgehen. Ist der Familienrichter der Meinung, dass es Bedingungen gibt, den Jugendlichen in einer Jugendbesserungsanstalt unterzubringen, entscheidet er über die Erkennung der Gerichtssache in einem Besserungsverfahren. Wenn im Verlauf des Erklärungsverfahrens auf die Umstände hingewiesen wird, die auf dem Urteil gegenüber dem Minderjährigen auf der Grundlage des Artikels 10 2 des Strafgesetzbuches basieren, entscheidet der Familienrichter den Fall an die Staatsanwaltschaft zu übergeben. Im Falle, dass neue Umstände auftauchen, die zeigen, dass es keinen Bedarf für den Strafbescheid gibt, setzt der Rechtsanwalt keine Anklageschrift auf und reicht den Fall an den Familienrichter weiter. In dem 49 Restliche außergesetzlichen Vorgehen: Finanzstrafverfahren, Verfahren gegen den Abwesenden, das Verfahren über die Haftung von kollektiven Einrichtungen für Handlungen, die unter Strafe verboten sind.

Besserungsvorgehen werden Vorschriften der Strafprozessordnung mit Gesetzesänderungen angewandt. Einer der Maßnahmen ist die Unterbringung des Minderjährigen in einer Jugendbesserungsanstalt. Für die Anwendung dieser Maßnahme spricht eine starke Demoralisierung des Jugendlichen, die Umstände und der Charakter der Straftat. Dies geschieht, wenn andere Maßnahmen erfolglos waren oder die Schützlinge haben sich an dem Resozialisierungsprozess gar nicht oder nur teilweise beteiligt. Das Gericht kann die Erziehungsmittel ändern bzw. aufheben. Dies hängt davon ab, ob die Persönlichkeit und das Handeln des Minderjährigen positiv bewertet werden. Die Entlassung aus der Jugendbesserungsanstalt findet einerseits anhand einer richterlichen Entscheidung und auf Entlassungsbefehl statt. Andererseits auf Grund des rechtskräftigen Erlöschens der Besserungsmaßnahme. 50 Personen, die ihre Freiheitsstrafe in den Strafvollzugsanstalten verbüßen und kurz vor der Entlassung stehen, werden in den letzten 6 Monaten der Strafe auf das Leben nach der Entlassung vorbereitet. In dieser Zeit wird vor allem der Kontakt mit dem Bewährungshelfer und den Institutionen geknüpft, die in dem Art. 38 1 näher beschrieben werden (Vereine, Stiftungen, Einrichtungen, die Ziele aus dem Strafvollzugsgesetzbuch realisieren, aber auch die Kirche, andere konfessionelle Gewerkschaften und vertrauenswürdige Personen). Der Zeitraum wird mit der Bestimmung des Verurteilten durch die Vollzugskommission festgelegt. In der Zeit der Vorbereitung auf die Entlassung sollte der Verurteilte möglichst nah an dem zukünftigen Wohnort die restliche Haftstrafe verbüßen. Der Verurteilte kann die Strafvollzugsanstalt für insgesamt 14 Tage verlassen, um sich einen Wohnraum und eine Arbeit nach der Entlassung zu sichern. Die Erlaubnis, die Anstalt zu verlassen kann dem Gefangenen nur gewährt werden, wenn dessen Haltung während der Freiheitsstrafe deutlich zeigt, dass er außerhalb des Gefängnisses die Rechtsordnung einhalten wird. Die Erlaubnis wird durch den Direktor der Strafvollzugsanstalt gewährt. 50 Gesetz vom 26.Oktober 1982 über das Verfahren in Jugendsachen (GBl. 1982, pos. 228, in der geänderten Fassung Gesetzblatt von 2002, Nr. 11 geändert 109)