Therapieanträge im Rahmen der GKV und PKV aus Sicht der Verhaltenstherapie



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Transkript:

Therapieanträge im Rahmen der GKV und PKV aus Sicht der Verhaltenstherapie Workshop der BPtK zum Patientenrechtegesetz Berlin, 27.09.2012 Bundesvorsitzender der DPtV 1

BGB 630g: Einsichtnahme in die Patientenakte (1) Dem Patienten ist auf Verlangen unverzüglich Einsicht in die ihn betreffende Patientenakte zu gewähren, soweit der Einsichtnahme nicht erhebliche therapeutische oder sonstige erhebliche Gründe entgegenstehen. 811 ist entsprechend anzuwenden. (2) Der Patient kann Abschriften von der Patientenakte verlangen. Er hat dem Behandelnden die entstandenen Kosten zu erstatten.

Begründung: Dem Einsichtsbegehren ist unverzüglich nachzukommen. Nur in besonderen Einzelfällen, wenn erhebliche Gefahren für die Gesundheit des Patienten bestehen, kann das Einsichtsrecht verweigert werden. ist es erforderlich, dass die zu berücksichtigenden Belange sorgfältig ermittelt und auf konkrete und substantiierte Anhaltspunkte gestützt werden können.

Bisherige Rechtsprechung des BGH und des BVerfG: Einsichtsrecht beschränkt sich auf objektive Daten. Subjektive Eindrücke des Therapeuten können verweigert werden. Einsichtsrecht kann ebenso aus therapeutischen Gründen oder wenn Dritte geschützt werden müssen, beschränkt sein. Empfehlung von Juristen: Duale Dokumentation

Neueres Urteil des BVerfG vom 9.1.2006: Einsichtsrecht ist unbeschränkt, jedoch nur bezogen auf den Maßregelvollzug.

MBO der BPtK, 11 Abs. 2: Psychotherapeuten können die Einsicht ganz oder teilweise nur verweigern, wenn dies den Patienten gesundheitlich gefährden würde oder wenn Rechte Dritter betroffen sind. Die Einsichtnahme in persönliche Aufzeichnungen des Therapeuten über seine emotionalen Erlebnisweisen im Rahmen des therapeutischen Geschehens (subjektive Daten) kann verweigert werden, wenn die Einsicht dem Patienten oder dem Therapeuten oder Dritten schaden würde. Eine Einsichtsverweigerung ist gegenüber dem Patienten zu begründen.

Wie ist es mit den Berichten an den Gutachter? Landgericht Münster am 16.08.2007 (Az. 11 S 1/07), gleichsinnig mit Landgericht Bremen am 25.07.2008 (Az. 3-O- 2011/07) Tenor: Die Psychotherapeuten müssen den Bericht an den Gutachter zur Einsicht frei geben, es dürfen jedoch die Teile geschwärzt werden, die persönliche Aussagen über den Therapeuten enthalten. Kopien dürfen berechnet werden.

Wie ist es zukünftig mit den Berichten an den Gutachter?

Wie ist es zukünftig mit den Berichten an den Gutachter? Psychischer Befund, Beispiel 1: Die kindlich wirkende Patientin ist in der Interaktion ängstlich und beginnt leicht zu weinen. Sie berichtet offen von ihren Beschwerden, Kontakt lässt sich gut herstellen. Die Patientin zeigt sich zu allen Qualitäten orientiert, Konzentration, Aufmerksamkeit und Mnestik sind subjektiv beeinträchtigt, kein Anhalt auf psychotisches Erleben. Keine formalen oder inhaltlichen Denkstörungen, keine Zwangssymptome, keine Wahrnehmungsoder Ich Störungen. Affektiv besorgt, gedrückt, etwas reduzierte Schwingungsfähigkeit, Antrieb reduziert; Psychomotorik unauffällig, aktuell keine Suizidalität erkennbar. Vom klinischen Eindruck und sprachlichen Ausdrucksvermögen durchschnittliche Intelligenz.

Wie ist es zukünftig mit den Berichten an den Gutachter? Psychischer Befund, Beispiel 2: Der Patient mit etwas ungepflegtem äußerem Erscheinungsbild berichtet zunächst zögerlich, später dann offener über die bestehende Problematik. Die Stimmungslage ist gedrückt mit sorgenvollen, grüblerischen Kognitionen. Zudem werden Konzentrationsstörungen beklagt, die allerdings im Gespräch nicht auffallen. Er ist wach, bewusstseinsklar und zu allen Qualitäten orientiert. Auf motorischer Ebene wirkt er angespannt und nervös. Keine wahnhaften oder halluzinativen Erlebnisweisen. Keine formalen oder inhaltlichen Denkstörungen. Keine Ich- Erlebensstörungen. Aktuelle Suizidgedanken werden glaubhaft verneint.

Wie ist es zukünftig mit den Berichten an den Gutachter? Psychischer Befund, Beispiel 3: Die Pat. ist wach, bewusstseinsklar und allseits orientiert. Im Interaktionsverhalten adäquat, dabei offen und zugewandt, so dass ein guter Kontakt hergestellt werden kann. Mnestik, Wahrnehmung und formaler Gedankengang unauffällig, inhaltlicher Gedankengang regelrecht. Intellektuelle Leistungsfähigkeit und Differenziertheit der Pat. durchschnittlich. Emotionale Schwingungsfähigkeit eingeschränkt. Stimmung niedergedrückt, Antrieb reduziert, es zeigen sich Interesse-, Freud- und Lustlosigkeit, Gefühle der Verzweiflung, Hilf- und Hoffnungslosigkeit, der inneren Leere sowie Schuld. Ausgeprägte Grübelneigung, zieht sich sozial zurück, zudem bestehen Durchschlafstörungen und Albträume. Produktiv-psychot. Symptome und akute Suizidalität zeigen sich nicht.

Wie ist es zukünftig mit den Berichten an den Gutachter? Psychischer Befund, Beispiel 4: (Noch) normalgewichtige, sorgfältig zurechtgemachte Frau. Sie berichtet im leichten Plauderten über ihre Probleme; sehr unvermittelt beginnt sie an manchen Punkten heftig zu weinen, um dann wieder in den Plauderton überzugehen. Affekt in Anbetracht der geschilderten Problematik inadäquat, insgesamt eher flach. Nur stellenweise und kurzfristig wird echte Verzweiflung spürbar. Zugang zu inneren Prozessen eingeschränkt. Intelligenz erscheint durchschnittlich. Kognitionen perseverieren, kreisen oft um die eigene Einsamkeit und das eigene empfundene Unglück; Neigung zum Grübeln. Ein- und Durchschlafstörungen, Verlust von Vitalität. Labiles, auf viel Aufmerksamkeit angewiesenes Selbstwertgefühl.

Meine Empfehlung für Verhaltenstherapeuten: Bericht an den Gutachter mit den Patienten offen besprechen und dies für die Entwicklung eines gemeinsam getragenen Störungsverständnisses, gemeinsam entwickelter Therapieziele und des Behandlungsplanes nutzen. Patienten bei der Erstellung des Berichtes einbeziehen, z.b. bei Umwandlungs- oder Fortführungsanträgen durch spezifische Fragen wie:

Welche Bedingungen in Ihrer Lebensgeschichte haben Ihrer Meinung nach zu Ihrem Problem beigetragen? Was glauben Sie, was Sie selbst zur Aufrechterhaltung Ihrer Probleme beitragen? Was hat sich seit Beginn der Therapie an den Symptomen konkret geändert, was hat sich gebessert, verschlechtert oder ist gleich geblieben? Was hat Ihnen weitergeholfen? Was hat Ihnen bisher gefehlt? Was hat Sie gestört?

Welche konkreten weiteren Schritte wollen Sie im nächsten Therapieabschnitt erreichen? Woran würden Sie und Ihre Umgebung die Fortschritte erkennen? Welche Möglichkeiten sehen Sie nach Beendigung der Psychotherapie, Ihre Probleme selbständig zu bewältigen? Welche Medikamente nehmen Sie zur Zeit ein?

Problemfall: Berichte im Rahmen der Antragsstellung in der PKV, Beihilfe und DGUV

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