Kritischer Literaturbericht Rentmeister, J. & Klein, S. (2003): Geschäftsmodelle ein Modebegriff auf der Waagschale. In: Zeitschrift für Betriebswirtschaft (ZfB), Ergänzungsheft 1/2003. S. 17-30. Daniel Erni Parkstrasse 16 9000 St. Gallen daniel.erni@gmx.net Mobile 079 760 31 03 St. Gallen, 22. Januar 2004 Kritischer Literaturbericht Einführung in die Betriebswirtschaftlehre Eingereicht bei Herr Dr. Christoph Meili Assessment-Stufe WS 2003/04, Universität St. Gallen
1 Einleitung Ziel dieser Arbeit ist es, sich in einer kritischen Art und Weise mit dem im Ergänzungsheft 1/2003 zur Zeitschrift für Betriebswirtschaft (ZfB) erschienenen Artikel Geschäftsmodelle ein Modebegriff auf der Waagschale von Jahn Rentmeister und Stefan Klein auseinander zu setzen. Dies soll in einem ersten Teil in Form einer Zusammenfassung des Textes geschehen, bevor die Arbeit der Autoren im zweiten Teil auf Stärken und Schwächen untersucht wird. 2 Zusammenfassung Gemäss eigenem Überblick bezwecken die Autoren mit ihrer Arbeit eine intensive Auseinandersetzung mit dem Begriff Geschäftsmodell. Sie wollen die unterschiedliche Verwendung in Vergangenheit beleuchten, eine eigene Arbeitsdefinition festlegen und die Berechtigung des Begriffs in Zukunft prüfen. Dabei gehen Sie im Wesentlichen auf zwei verschiedene Themenbereiche ein: auf den sprachlichen Aspekt des Begriffs einerseits, auf die Anwendung von Geschäftsmodellen in der Praxis andererseits. Der Begriff Geschäftsmodell Seinen eigentlichen Ursprung hat der Begriff Geschäftsmodell in den 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts, wo er in der Wirtschaftsinformatik dem Beschrieb des Einsatzes von Modellen zum Verstehen und Gestalten von Geschäftsabläufen und Informationssystemen diente. Eine Definition aus dem Jahre 1994 bezeichnet Modelle, die das Unternehmen in seiner Umwelt, seine Beziehungen zu dieser sowie das gegenseitige dynamische Verhalten der Elemente der internen Struktur abbilden, als Geschäftsmodelle. Seit dem Aufkommen des elektronischen Handels Mitte der Neunziger-Jahre wird allgemein eine grobe Beschreibung einer Geschäftstätigkeit insgesamt unter dem Begriff Geschäftsmodell verstanden, wobei die Architektur der Wertschöpfung, der Nutzen aus der Geschäftstätigkeit sowie die Einnahmequellen die drei wesentlichen Elemente des Modells sind. Dieser Definition von Paul Timmers schliessen sich die Autoren bei der Formulierung ihrer Arbeitsdefinition weitestgehend an. Bei Fachleuten umstritten ist die Frage, ob sich ein Geschäftsmodell zwingend auf ein einzelnes Unternehmen beziehen muss, oder ob auch Geschäftstätigkeiten eines Firmen-Verbundes modelliert werden können. Die Autoren des Artikels schliessen sich letzterer Meinung an. Gleichzeitig kritisieren sie, dass der Begriff in Vergangenheit nicht klar definiert wurde, sondern nur Verwendung fand, wenn ein Geschäftsmodell anders als Daniel Erni 2
andere war. Nie wurde allerdings genau deklariert, was genau unter dem Begriff zu verstehen sei. Da der zu untersuchende Begriff oft falsch verwendet wird, ist eine Abgrenzung zu verwandten Begriffen notwendig. Rentmeister und Klein sehen folgende Unterschiede: - Ein Geschäftsmodell dient der Überprüfung, Bewertung und Kommunikation einer Geschäftsidee, die einen Ansatz aufzeigt, wie mit einer unternehmerischen Aktivität eine Überlegenheit im Wettbewerb erreicht werden soll. - Da der Begriff Geschäftskonzept selbst unklar definiert ist (z.b. als Synonym zu einem Businessplan oder als ein noch nicht in der Praxis angewandtes Geschäftsmodell), ist eine klare Abgrenzung gemäss den Autoren nicht möglich. - Der Begriff Branche dient der Klassifizierung von Unternehmen, wobei solche mit ähnlichen Geschäftsmodellen in die gleiche Branche fallen. - Ein Geschäftsmodell kann als Modell für einen Teil einer Strategie betrachtet werden. Ein Geschäftsmodell ist eine Momentaufnahme, eine Strategie blickt in die Zukunft. - Als Geschäftsmodelltypen bezeichnen die Autoren Geschäftsmodelle höheren Abstraktionsgrades, die der Klassifizierung von Geschäftsmodellen dienen. - Unter einem Businessplan (Unternehmensplan) wird die Planung einer Geschäftstätigkeit verstanden, während mit einem Geschäftsmodell ebensolche Planungen bewertet werden. Geschäftsmodelle als Teil der Unternehmensanalyse In Vergangenheit, im Speziellen in der Boomphase der New Economy, wurden Unternehmen oftmals nur anhand ihrer Geschäftsmodelle beurteilt und in sie investiert, ohne dass die Strategie berücksichtigt worden wäre. Für eine seriöse Beurteilung von Erfolgschancen ist es gemäss den Autoren aber notwendig, auch die strategische Ausrichtung zu kennen und zu bewerten. Dennoch erkennen sie an, dass es in gewissen Situation richtig sein kann, auch ohne Kenntnis der strategischen Planung in Unternehmen zu investieren. Als Gründe nennen sie die hohe Dynamik des Marktes, die eines trial-anderror -Verfahren bedürfen, die Wichtigkeit von First-Mover-Vorteilen sowie die Aussicht auf hohe Rendite bei Investitionen in neuartige Geschäftsmodelle. Die Autoren befinden ein Modell mit dem Zweck der Strategieanalyse vor allem bei Unternehmensnetzwerken für notwendig. Gegenstand des Modells ist die Abbildung aller Elemente der Wertschöpfungsarchitektur und ihrer Beziehungen zueinander. Als Zweck eines solchen Geschäftsmodells sehen die Autoren die Schaffung von Wettbewerbsvorteilen, da diese nicht nur durch Neuentwicklungen von Produkten und Dienstleistungen, sondern auch durch eine bessere Wertschöpfungsarchitektur erreicht werden können. Um diese Daniel Erni 3
Möglichkeiten jedoch zu erkennen, bedarf es eines Modells, das zur Beurteilung der bestehenden Situation verwendet werden kann. 3 Würdigung Klarheit und Relevanz der Problemstellung Die behandelte Problemstellung wird von den Autoren zu Beginn des Textes klar kommuniziert: Sie wollen einen Begriff, der in den letzten Jahren häufig, jedoch mit vielen verschiedenen Bedeutungen verwendet wurde, klar definieren. Als wichtige Inhalte nennen sie explizit die Abgrenzung zu anderen Begriffen, die oft für die gleiche Sache verwendet werden, sowie die Beleuchtung des praktischen Einsatzes der zuerst definierten Materie. Die somit klare Problemstellung erscheint durch die Häufigkeit des Auftretens des Begriffs in betroffenen Kreisen relevant. Diese Einschätzung wird schon in der Einleitung mit mehreren Quellen unterstrichen (S.18 1 ). Abstützung auf wissenschaftliche Quellen Die im ersten Kapitel begonnene breite Abstützung auf wissenschaftliche Quellen wird auch im weiteren Verlauf des Textes fortgesetzt, was auch quantitativ zu belegen ist: Im Literaturverzeichnis zum 10seitigen Artikel werden nicht weniger als 38 Quellen aufgeführt (S.28f.). Viele Aussagen im Text werden gleich mit mehreren Quellen unterstützt (z.b. S.21), sodass absolut von einer sehr breiten Abstützung gesprochen werden kann. Qualität der tatsächlichen Beantwortung der Problemstellung Die hauptsächliche Problemstellung des Artikels die Definition des Begriffs und die Abgrenzung desselben zu ähnlichen Termen wird alles in allem gut beantwortet. Die Betrachtung der Verwendung in Vergangenheit zu Beginn gibt einen (allerdings etwas knapp ausgefallenen) Überblick über den tatsächlich sehr verschiedenen Gebrauch des Begriffs. Zudem wäre in diesem Abschnitt eine klarere Zuordnung von Definitionen zu Zeitepochen und Branchen wünschenswert gewesen. Relativ schnell und undeutlich wird der Sprung von den 70er-Jahren im Bereich Wirtschaftsinformatik in die Mitte der 90er-Jahre ohne Angabe des Umfeldes gemacht. Der Begriff wird anschliessend im Sinne einer Arbeitsdefinition klar definiert, wobei sich diese sehr stark an eine schon bestehende (von Timmers) anlehnt. Trotz 1 Diese und folgende Seitenangaben beziehen sich allesamt auf: Rentmeister, J. & Klein, S. (2003): Geschäftsmodelle ein Modebegriff auf der Waagschale. In: Zeitschrift für Betriebswirtschaft (ZfB), Ergänzungsheft 1/2003. S. 17-30. Daniel Erni 4
der damit fehlenden Eigenständigkeit und Innovationskraft wird damit klar, wovon die Autoren in der Folge sprechen werden. Die Abgrenzungen zu verwandten Begriffen sind verständlich und qualitativ gut bis auf jene zum Begriff Geschäftskonzept, wo aufgrund der Schwierigkeit kaum versucht wird, die Abgrenzung tatsächlich vorzunehmen (S.20). Der zweite Teil der Problemstellung die Beleuchtung der Verwendung der Geschäftsmodelle in der Praxis wird gut, jedoch etwas oberflächlich behandelt. Ich wurde den Eindruck nicht los, dass dieser Teil eher zufällig in den Text gerutscht ist und gar nicht richtig in das Konzept passt. Dies wird durch die Tatsache unterstrichen, dass im Titel des Artikels ( Geschäftsmodelle ein Modebegriff auf der Waagschale ) nach meinem Verständnis lediglich die Arbeit am Begriff angekündigt wird. Mit Blick auf die Zukunft wird jedoch die Notwendigkeit von Geschäftsmodellen als Analyseeinheit in der Praxis klar und deutlich gezeigt. Aufbau und Struktur des Textes Der Aufbau des Textes überrascht nicht durch Originalität, macht aber durchaus Sinn. In einer Einleitung wird die Motivation zur Arbeit kundgetan, bevor ein ausführlicher Blick in die Vergangenheit verknüpft mit den Abgrenzungen zu ähnlich verwendeten Begriffen geworfen wird. In der Folge wird das so Erarbeitete mit dem praktischen Bedarf nach einem entsprechenden Modell verglichen und so die Berechtigung in Zukunft abgeleitet. Schliesslich wird in einem kurzen Ausblick überprüft, inwiefern das von den Autoren Geforderte in der Praxis schon angewandt wird. Nachvollziehbarkeit, Durchgängigkeit, Konsistenz & Schlüssigkeit der Argumentation Die Argumentation der beiden Autoren ist im Grossen und Ganzen nachvollziehbar, durchgängig, konsistent und schlüssig. Wo dies nicht zutrifft, ist zum einen bei der Abgrenzung zum Begriff Geschäftskonzept (S.20), andererseits bei den Ausführungen, ob eine Unternehmensbeurteilung nur aufgrund einer Geschäftsstrategie Sinn mache oder deplatziert sei (S.22ff.). Die Begründung, warum eine Abgrenzung zum Begriff Geschäftskonzept nicht möglich sei, ist meines Erachtens nicht schlüssig. Auch wenn der Begriff verschiedene Abstraktionsstufen (S.20) hat, muss eine Unterscheidung doch möglich sein. Bezüglich der Bewertung eines Unternehmens vertreten die Autoren nicht klar eine Meinung. Zuerst verneinen sie die Berechtigung einer solchen Analyse als zu stark verkürzt (S.22), danach geben sie doch zu, dass es unter Umständen Argumente für ein solches Vorgehen gibt (S.23ff.). Begründung der praktischen Schlussfolgerungen und theoretischen Implikationen Daniel Erni 5
Während des ganzen Textes bauen die Autoren die Argumentation auf, dass ein Modell zur Beurteilung von Unternehmensstrategien in der Praxis nötig ist. Die Begründung, warum ein Bedarf herrsche, ist nachvollziehbar: Es fehlt zurzeit an einem Instrument, gewisse Teile einer Strategie (v.a. die Architektur der Wertschöpfungskette) zu analysieren. Da dadurch jedoch Wettbewerbsvorteile zu erzielen sind, besteht Bedarf nach einem Hilfsmittel, um die Wertschöpfungsarchitektur darzustellen und entsprechend zu verändern. Von eher theoretischem Wert ist die Arbeit am Begriff, obwohl es natürlich auch dem Verständnis in der Praxis dienlich ist, wenn alle Exponenten eines Fachgebietes (hier: Management) Gleiches mit gleichen Begriffen bezeichnen. Ergiebigkeit und Innovation Ein gewisser Innovationsgrad kann dem Artikel nicht abgesprochen werden, zumal sich die Autoren um eine neue und klare Definition des Begriffs bemühen. Allerdings unterscheidet sich ihre Definition nicht wesentlich von jener Timmers aus dem Jahr 1998. Dennoch ist die klare Abgrenzung zu anderen Begriffen als innovativ zu klassieren. Sehr ergiebig ist der Artikel jedoch nicht, da er sich doch mit einem recht begrenzten Thema beschäftigt, das ich als eher nebensächlich beurteile. 4 Fazit Die Autoren definieren in ihrem Artikel den Begriff Geschäftsmodell klar als Analyseeinheit für Strategien von Unternehmen und Unternehmensverbänden. Dabei argumentieren sie klar und schlüssig, belegen ausführlich mit wissenschaftlichen Quellen und zeigen den praktischen Nutzen ihrer Arbeit auf. Obwohl einige genannte Schwächen das Gesamturteil etwas trüben, erfüllt der recht komplex geschriebene Text nach intensiver Lektüre doch seinen Zweck. 5 Literaturangabe Rentmeister, J. & Klein, S. (2003): Geschäftsmodelle ein Modebegriff auf der Waagschale. In: Zeitschrift für Betriebswirtschaft (ZfB), Ergänzungsheft 1/2003. S. 17-30. Daniel Erni 6