Bildung Schule, privat! Wirtschafts- und berufsbildende Schulen privater Träger bereiten den Nachwuchs gezielt auf die Anforderungen in den Unternehmen vor Vß iola Hutzold und Thomas Eidloth schließen gerade ihre Schulbildung ab. Sorgen, dass sie einen Ausbildungsplatz bekommen, machen sie sich nicht. Die beiden wollen bald in einer Bank arbeiten. Und die Chancen stehen gut. Denn sie besuchen eine private Wirtschaftsfachschule im fränkischen Lichtenfels, die auch eine Dépendance in Bayreuth betreibt. Gerade Wirtschaftsschulen und berufsbildende Schulen sind in Zeiten des Aufschwungs mehr denn je gefordert, da sich die Auswirkungen des Fachkräftemangels schon jetzt in den Statistiken niederschlagen. In manchen Bereichen herrscht sogar wieder Vollbeschäftigung. Initiativen wie Privatschulen oder Einrichtungen des Bildungswerks der Bayerischen Wirtschaft (bbw) helfen dabei, die Bildungslücken" zu schließen. Kaufmännisches Wissen ist in jedem Fall gefragt Speziell in puncto kaufmännischer Nachwuchs ist eine praxisorientierte Berufsvorbereitung sowohl für den Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer vorteilhaft. Ein Beispiel dafür sind Wirtschaftsschulen: Neben den Pflichtfächern stehen vor allem Wirtschaftsthemen auf dem Stundenplan. Zirka die Hälfte der 32 Wochenstunden beinhalten ökonomischen Lehrstoff. Die Schüler werden in Datenverarbeitung, Betriebs- und Volkswirtschaft, aber auch in Rechnungswesen und Wirtschaftsmathematik unterrichtet. Abgerundet wird das Angebot durch die Wahlpflichtfächer Übungsfirmenarbeit, Bürokommunikation, Französisch oder Italienisch. Zusätzlich gibt es in den privaten Schulen wie Lichtenfels oder Ingolstadt Angebote in Computer Aided Design (CAD) und eine Theater AG, Sprachreiseangebote, Schüleraustausch oder Ganztagsbetreuung. Ergänzend werden Praktika absolviert, enge Kontakte zu Unternehmen und Kammern gepflegt oder Schüler nehmen an Berufsmessen teil. Die Berufseinsteiger bringen so bereits eine Basis für Aufgaben in Wirtschaft, Politik oder Verwaltung mit. Wie sehr sich die Wirtschafts schulen an künftigen Bedürfnissen der Wirt schaft und Verwaltung orientieren, belegt die Tatsache, dass die Wirtschaftsschulen bayernweit Unternehmen darüber befragen, was sie von Schulabgängern erwarten", resümiert Erich Kellerhals, Mitbegründer der Handelskette Media Saturn. Die von ihm erwähnte Umfrage, die die Direktorenvereinigung der Bayerischen Wirtschaftsschulen (DBW) in 1.554 bayerischen Betrieben initiierte, ergab auch bei 92 Prozent der Befragten, dass Wirtschaftsschulabsolventen im Ver gleich zu anderen besonders gut auf betriebliche Bedürf nisse vorbereitet werden. Entscheiden sich potenzielle Beschäftigte für den Weg der kaufmännischen Berufsausbildung, finden sie sich schnell in ihre Aufgaben im Rechnungswesen, Personalabteilung oder Sekretariat ein. Eine Befragung des Verbands bei 6.396 Wirtschaftsschulabsolventen sagt, dass sich 95 Pro zent gut auf das Berufsleben vorbereitet sahen. Schulgeld soll für Familien bezahlbar sein Private Institutionen sind dabei eine wertvolle Ergänzung. Nach Berechnungen des Statistischen Landesamtes fußen 22,8 Prozent der schulischen Einrichtungen in Bayern auf privaten Initiativen. Und 13,6 Prozent aller Schüler besuchen eine solche Einrichtung. Das ist jeder Achte. Laut einer Forsa-Umfrage würden 46 Prozent der Eltern in Bayern ihre Kinder vorzugsweise auf eine private Schule schicken. Nicht nur die Schüler, auch die privaten Schulen nehmen zu. Eine erhebliche Rolle spielen dabei die 74 Wirtschafts schulen, von denen 36 laut Kultusministerium privat sind. Und das, obwohl das für die Eltern einen finanziellen Mehraufwand bedeutet. 23
Bildung Das Kriterium für die Wahl zwischen privaten und staat lichen Schulen ist nicht das Schulgeld, das die Familien zu entrichten haben, sondern eher regionale Besonderheiten. Privatschulen sind nicht nur für die einkommensstarken Bürger zugänglich", betont Elmar Tittes, der in Ingolstadt die private Wirtschaftsschule leitet: Wir haben erst kürzlich eine Erhöhung des staatlichen Schulersatzgeldes durchgesetzt, was uns eine sonst notwendige Erhöhung des Schulgeldes erspart hat und die Eltern entlastet." Dass der Beitrag für die Erziehenden überschaubar ist, zeigen die Privaten Wirtschaftsschulen (PWS) Lichtenfels/Bayreuth und Ingolstadt. Die staatlich anerkannten Schulen berechnen zwischen 94 und 135 Euro monatlich. Auch der Lichtenfelser Schulleiter Thomas Kaiser von den Privaten Wirtschaftsschulen bestätigt, dass das kein K.o.-Kriterium sein muss. Er registriert, dass in seiner Schule alle Gesellschaftsschichten vertreten sind. Das liegt auch daran, dass die PWS die einzige Möglichkeit sind, in der Region den kaufmännischen Bildungsweg einzuschlagen. Die näch ste staatliche Einrichtung ist in Coburg. Das ist ein völlig unterschiedliches Einzugsgebiet." Schule hält aktiv Kontakt zu potenziellen Arbeitgebern Doch das ist nicht das einzige Argument. Private Wirt schaftsschulen fördern den einzelnen Schüler gemäß sei ner individuellen Voraussetzungen", erklärt Peter Hallauer, Elternbeirat. Der Unternehmer aus Ingolstadt schickt be reits das zweite Kind nach einer Empfehlung aus dem Freundeskreis auf die Privatschule. Das hat nichts mit eli tär zu tun. Sondern damit, dass die Schüler individueller und zeitgemäßer betreut werden als auf einer staatlichen Schule. Und meine beiden Kinder sind gerne hier." Hinzu kommt noch für Hallauer, dass die Wünsche und Anregungen der Eltern sehr ernst ge nommen werden". Ein weiterer Grund, der für die Privatschule spricht, ist die Nähe zu potenziellen Arbeitgebern. Das geht über die Suche nach einem Praktikumsbetrieb weit hinaus", so Schulleiter Tittes in In golstadt. Wir suchen aktiv den Kontakt und nutzen dabei durchaus das Netzwerk der Ehemaligen." Von denen ha ben es mehrere weit gebracht. Unter anderem besuchte Erich Kellerhals, Mitbegründer von Saturn Hansa, die Schule. Ein Beleg sind die Vermittlungsquoten in eine Arbeitsstelle. Tittes und sein Kollege Kaiser in Lichtenfels können seit Jahren auf eine Quote von über 90 Prozent verweisen. Dass neben dem praxisorientierten Unterricht der Besuch der Privatschule eine Referenz ist, erzählen auch die beiden Ingolstädter Schüler Florian Geißler und Maximilian Bestmann. Beide wurden sofort nach ihren ersten Bewer bungsaussendungen eingeladen und engagiert. Bestmann geht als Auszubildender zu Siemens nach München, mit dem Ziel, später im Marketing- oder Personalressort zu ar beiten. Geißler dagegen beginnt eine Ausbildung für Me diendesign. Geißler plant, danach möglicherweise in die Selbstständigkeit zu gehen. Das Rüstzeug habe ich hier erhalten. Ich habe gelernt, wie man kalkuliert." Von Anfang an gehört der praxisorientierte Umgang mit Software-Programmen zum Unterricht. 24
Auch die Wirtschaft tut das ihrige, um über das Bildungs angebot den Fachkräftemangel abzufedern. So bietet das
Bildungswerk der Bayerischen Wirtschaft (bbw) über die nehmen durchaus gewürdigt. Die Arbeitgeber unterstütklassische Schulbildung hinaus berufsbildende Schulen für zen das meist. Doch mit unterschiedlichen Modellen: Das Weiterbildungsmaßnahmen an - unter anderem beim Be- kann eine Freistellung, finanzielle Unterstützung bis hin zum ruflichen Fortbildungszentrum der Bayerischen Wirtschaft Bildungsurlaub beinhalten", so Olschok. Vorbild ist die Fir- (bfz) ggmbh. ma Oechsler AG aus der westmittelfränkischen Kunststoff Ein Beispiel ist die private Fachschule für Kunststofftechnik region, die es gerne sieht, wenn ihre Mitarbeiter die Bilim mittelfränkischen Weißenburg. Hier, an der einzigen dungsinitiative ergreifen. Schule im gesamten süddeutschen Raum, wo dieser Aus- Nicht selten kommt es vor, dass die Schüler mehrfach das bildungsgang berufsbegleitend angeboten wird, haben Angebot des Beruflichen Fortbildungszentrums in An Facharbeiter gute Perspektiven, sich für höhere Aufgaben spruch nehmen. Ein Beispiel ist Anton Solotich, der 1995 zu qualifizieren. Das Ziel ist die Ausbildung zum Kunststoff- im Alter von 20 Jahren von Russland nach Deutschland techniker. Diese übernehmen dann Aufgaben der mittleren übersiedelte und, wegen mangelhafter Deutschkenntnisse, Führungsebene in Betrieben der Kunststoff verarbeitenden über einen Sprachkurs mit beruflicher Qualifizierung und Industrie", erklärt die Sozialpädagogin Gabriele Olschok. anschließendem Praktikum in der Kunststoffindustrie Dafür nehmen die Schüler sogar Anfahrten bis zu drei Stun- unterkam. Dort nahm er berufsbegleitend das bfz-angebot den in Kauf, finanzieren einen Teil der Ausbildung aus der zur Facharbeiternachqualifizierung in Anspruch und bildet privatentasche und verzichten über vier Jahre auf ein freies sich jetzt - wieder berufsbegleitend - in der Kunststofffach- Wochenende." schule zum Techniker weiter. Mich würde es nicht wun- Die, die so etwas auf sich nehmen, sind natürlich hoch mo- dern, wenn er auch noch dentechnischen Betriebswirt IHK tiviert. Die Abbruchquote beträgt lediglich zehn Prozent. draufpackt", so Olschok. Diese Weiterbildung wird ebenso Zum Vergleich: Bei einer Vollzeitausbildung, die zwei Jahre in Weißenburg angeboten. Der Weg bis ins Management - dauert, schmeißen mehr hin. Das hohe Engagement der den Engagierten und an Bildung Interessierten steht er of- Schüler für Kunststofftechnik hingegen wird bei den Unter- fen. Mehr denn je. 4