Manuskript Beitrag: Lufthansa umfliegt Tarifrecht Sparkurs bei Billigableger Sendung vom 2. Februar 2016 Von Andreas Halbach Anmoderation: Mal ehrlich. Wir alle fliegen gerne günstig in den Urlaub. Für 29,99 Euro nach Mallorca? Nehmen wir! Ist uns doch egal, dass die Mitarbeiter der Airlines solche Billigangebote mit schlechteren Arbeitsbedingungen teuer bezahlen. Und nicht zuletzt, weil der Mensch nun mal so drauf ist, hat die teure Lufthansa sich eine neue billige Tochter zugelegt. Andreas Halbach zeigt am Beispiel Eurowings, was wir alle beim Preiskampf über den Wolken billig und billigend in Kauf nehmen. Text: O-Ton TV-Werbespot Eurowings: Unsere Crew in Zeitlupe ja, das macht Eindruck. Und an Bord: Service, Lächeln. Aber: Wir wollen Sie lieber überzeugen mit cleveren Angeboten. Hochglanz pur, Abheben zu Spottpreisen mit topmotivierter Crew - das Werbeversprechen des Lufthansakonzerns für seine neue Tochtergesellschaft Eurowings Europe. Sie ist nicht in Aufbruchsstimmung, die Stewardess Julia Trojan. Die Mutter von Hugo ist Kabinenchefin bei der Lufthansa-Tochter Germanwings ihr Traumjob, vermutlich nicht mehr lange. O-Ton Julia Trojan, Flugbegleiterin Germanwings: Germanwings soll abgewickelt werden und zwar zugunsten der Eurowings Europe, die das Ganze günstiger operieren kann, als wir das können. Julia Trojan fürchtet sie um ihren Job, beschäftigt sie sich schon mal mit dem Sozialplan. Denn Lufthansa habe ihr nur den Wechsel auf die Langstrecke angeboten. Dann aber wäre Hugo tagelang ohne seine Mutter.
O-Ton Julia Trojan, Flugbegleiterin Germanwings: Ich habe gedacht, ich könnte es bis zur Rente machen. Und das sieht im Moment so aus, als ob das nicht geht. Und das macht mich natürlich traurig. Flughafen Wien. Hier entsteht der neue Billig-Standort der Lufthansa-Gruppe. Im November landete die erste Maschine der neuen Eurowings Europe, im Juni soll der Regelbetrieb starten. Lufthansa ist nach Wien gegangen, um zu sparen. Gewerkschafter sagen, in Österreich gebe es nicht mal ein gesetzlich verankertes Streikrecht. Das alles gehe auf Kosten der Beschäftigten. Flugbegleiter beginnen bei Lufthansa mit rund 22.800 Euro, bei Eurowings Europe mit 21.000. Zehn Jahre später geht die Schere auseinander: Bei Lufthansa sind es dann gut 52.000 Euro, bei Eurowings weniger als die Hälfte - 24.400 Euro. In Wien wolle die Lufthansa Dumpinglöhnen durchsetzen. Gewerkschafter fürchten eine Abwärtsspirale für Löhne in Österreich. O-Ton Johannes Schwarcz, Gewerkschaft vida, Wien: Wir fordern einen gültigen Tarifvertrag, wo die Kollegen abgesichert sind. Und wenn es nicht dazu kommen wird, werden wir bis hin zum absoluten Arbeitskampf oder Arbeitsniederlegung gehen. Lufthansa im Wettbewerb gegen Billigflieger und Golf-Airlines - Thema einer Vorlesung des Wirtschaftsgeographen Professor Juchelka: Der europäische Luftverkehr wird einfach maßlos in die Zange genommen. Wir zeigen dem Professor die konzerninternen Vertragsangebote für das neue Eurowings-Personal. O-Ton Prof. Rudolf Juchelka, Wirtschaftsgeograph Universität Duisburg-Essen: Das ist ein ganz neuer Standard im Vergleich zu dem, was Lufthansa bisher gehabt hat. Das ist unter Lohn- und Gehaltsgesichtspunkten, unter dem Gesichtspunkt der sozialen Verantwortungsfähigkeit des Unternehmens eine Negativentwicklung. Hier wird Sozial- und Lohndumping durchaus sichtbar und erkennbar. Lufthansa möchte offensichtlich den Standort Wien im Rahmen der eigenen Interessen ganz gezielt hier ausnutzen und instrumentalisieren.
Noch größer ist das Gehaltsgefälle bei Piloten. Bei Lufthansa starten sie mit rund 70.000 Euro pro Jahr, bei Eurowings mit 44.000, inklusive Zulagen. Das Endgehalt von Lufthansa-Piloten ist etwa 225.000 Euro, bei Eurowings laut Gewerkschaft nur ein Viertel: 58.000 Euro, ohne Tarifvertrag. O-Ton, Nicoley Baublies, Vorsitzender Flugbegleitergewerkschaft UFO: Das was jetzt versucht wird, sind Individualverträge ohne Kündigungsschutz, befristete Verträge dauerhaft, keine Stationszusage, kein Fixgehalt, sondern, wenn ich krank bin, wenn ich Urlaub habe, fehlen mir die allerwichtigsten Einnahmequellen. Das sind tatsächlich die Dinge, über die sich die Lufthansa als Konzern bisher immer aufgeregt hat, bei einer Ryanair und bei anderen unfairen Wettbewerbern. Verabredung mit Nachwuchspiloten der Lufthansa-Gruppe. Auch sie fühlen sich unfair behandelt. In ihrem Schulungsvertrag war von einem Konzerntarifvertrag die Rede. Und schon nach zwei Jahren sollten sie im Cockpit sitzen. Doch viele warten darauf bereits seit fünf Jahren. Ihre einzige Chance für den Berufseinstieg sei jetzt Eurowings, ein Lohndrücker, wie sie meinen. O-Ton Flugschüler, Lufthansa-Gruppe: Wir werfen der Lufthansa Vertragsbruch vor. Gelockt wurden wir mit 60.000 Euro, jetzt sind es 40 Prozent weniger. Auch können wir unser Privatleben nicht mehr planen, haben keinen Einfluss auf freie Tage, sollen rund um die Uhr verfügbar sein. O-Ton Flugschüler, Lufthansa-Gruppe: Das Schlimmste, viele von uns haben Ausbildungsschulden von bis zu 100.000 Euro, die wir an die Lufthansa zurückzahlen müssen. Aus rechtlichen Gründen dürfen wir aber für keine andere Airline fliegen, daher sind wir im Abhängigkeitsverhältnis. Das nutzt Lufthansa aus, setzt uns unter Druck, diese Billigverträge zu unterschreiben. Zu den Vorwürfen von der Lufthansa kein Interview. Schriftlich teilt das Unternehmen mit, Der Vorwurf, Lufthansa halte Verträge nicht ein, trifft nicht zu. Die hohen Bewerberzahlen beweisen, dass es sich um attraktive Arbeitsplätze handelt. Mit der Billiglinie Eurowings werde der Druck auf Mitarbeiter steigen, meinen erfahrene Lufthansa-Piloten wie Markus Wahl. Er befürchtet, das gehe zu Lasten der Sicherheit und nennt ein Beispiel:
O-Ton Markus Wahl, Vereinigung Cockpit: Wenn es am Zielort Gewitter in der Vorhersage gibt, dann würde ich kurzerhand ein wenig Extra-Sprit tanken, über das gesetzliche Minimum hinaus, um zum Beispiel ein Durchstartmanöver mit ein zu tanken. Ein Pilot, der aber dann befürchten muss, weil das ja mehr Geld kostet, dass er eben deswegen nicht mehr befördert wird, wird sich vielleicht dreimal überlegen, ob er diesen Extra-Sprit wirklich tankt. Die sicherste Entscheidung ist es meiner Meinung aber nicht. Lufthansa weist das entschieden zurück, Die Verfahren bei Eurowings entsprechen dem hohen Sicherheitsniveau der Lufthansa. Fest steht: Lufthansa-Piloten, die sich dem Stress im Cockpit nicht mehr gewachsen fühlen, können mit 55 in den Vorruhestand. Diese Regelung wurde aus den Eurowings- Verträgen gestrichen. Die sogenannte Übergangsversorgung gibt es hier nicht mehr. Als Begründung schreibt uns Lufthansa, Eine Übergangsversorgung für Piloten hat nichts mit der Sicherheit des Flugbetriebs zu tun. Vor Gericht argumentierte Lufthansa 2007 schon mal ganz anders - aus Sicherheitsgründen. Man wollte einen 60 Jahre alten Piloten nicht weiterbeschäftigen, weil von Flugkapitänen über 60, so Lufthansa damals: zusätzliche Gefahren für den Flugverkehr ausgehen. Heute sieht Lufthansa diese Gefahren offenbar nicht mehr. Unabhängig davon legte Eurowings einen dramatischen Fehlstart hin mit billigen Langstreckenflügen, beworben mit dem guten Namen von Lufthansa. Laut Verbraucherstudie war Ende 2015 jeder vierte Eurowings- Langstreckenflug verspätet. In Havanna saßen 300 Passagiere tagelang fest, weil eine Ersatzmaschine fehlte. Für Experten ein Desaster: O-Ton, Werner Eichhorst, Direktor Arbeitsmarktpolitik, Institut Zukunft der Arbeit: Die Lufthansa geht sicher so ein bisschen das Risiko ein, dass sozusagen die Identität der Marke geschwächt wird. Eurowings als Imagerisiko, das räumt sogar Lufthansa ein. Die
aktuellen Probleme, verursachen sicher auch einen Imageschaden. Aber wir tun alles, um diesen Schaden zu minimieren Beim Versuch Job und Familie zu vereinbaren erwartet die Stewardess Julia Trojan keine Hilfe von ihrem Arbeitgeber. Sie wird sie sich fürs Kind entscheiden müssen und verliert deshalb wahrscheinlich ihre Arbeit. O-Ton Julia Trojan, Flugbegleiterin Germanwings: Arbeitnehmerrechte, die über Jahrzehnte erkämpft worden sind, dürfen doch nicht so einfach zu umgehen sein. Die Lufthansa mit Eurowings auf Billigkurs den Preis zahlen die Mitarbeiter. O-Ton TV-Werbespot Eurowings: Lächeln. Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verarbeitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem Stand des jeweiligen Sendetermins.