Man darf nicht warten bis jemand kommt



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Transkript:

allfabeta. Sedanstr. 37. 81667 München Man darf nicht warten bis jemand kommt Interview mit Christine Heck* (Februar 2011) Christine Heck ist zusammen mit ihrer 6-jährigen Tochter Jasmin* erst vor kurzem nach München gezogen. Hier gibt es bessere Fördermöglichkeiten für Jasmin, die eine Körperbehinderung hat, ein seltenes Syndrom, bei dem die Gelenke verkrümmt und verbogen sind. Weil Jasmin oft krank ist, verliert die 46-jährige Christine Heck ständig ihren Mini-Job. Doch am schlimmsten waren die harten Kämpfe mit ihrer Krankenkasse. Aber davon lässt sie sich die Lebensfreude nicht verderben. Frage: Wie gefällt es Ihnen in München? Christine Heck: Gut, wir sind richtig glücklich in München! Wir genießen die vielen Möglichkeiten, die eine Stadt wie München bietet. Schon allein das U-Bahn fahren ist aufregend, weil Jasmin sehr kontaktfreudig ist und alle Leute begrüßt. Sie liebt Tiere und wir sind oft im Tierpark oder wir gehen einfach Kaffeetrinken, in die Bibliothek, schauen uns Bücher an oder in die Spielwarenabteilung im Kaufhaus. Hier in der Stadt ist es viel einfacher sich mit dem Rollstuhl fortzubewegen als auf dem Land und er fällt auch viel weniger auf. Frage: War das nicht schwierig als allein Erziehende mit einem behinderten Kind umzuziehen, neue Wurzeln zu schlagen? Allerdings! Wir wohnen jetzt seit Juni hier in Johanneskirchen in einer Einzimmerwohnung im 15. Stock. Die zu kriegen war nicht einfach. Ich bin anfangs voll Optimismus an die Wohnungssuche gegangen und war dann schnell ernüchtert. Ich dachte mir, vielleicht war es abschreckend, wie wir zwei daher gekommen sind. Der Makler hat gesagt, wir seien nicht vermittelbar, weil wir einen höheren Mieterschutz haben und man uns nicht mehr aus der Wohnung raus kriegt. Nachdem ich mindestens 30 Mietauskünfte ausgefüllt hatte, war ich dann mit dieser Wohnung erstmal zufrieden. Zumal wir unter Zeitdruck waren und in München gemeldet sein mussten damit Jasmin einen Kindergartenplatz bekommt. Zum Abdruck frei bei Überlassung eines Belegexemplars 1

Frage: Was genau hat Jasmin? Ein seltenes Syndrom, AMC, Arthrogryposis multiplex congenita, das ist eine Körperbehinderung, bei der die Gelenke verkrümmt und verdreht sind. Damit es nicht schlimmer wird, musste ich schon mit Jasmin als sie noch ganz klein war täglich Krankengymnastik machen. Das ist eine sehr schmerzhafte Tortur für sie und sie weint oft dabei. Und auch mich kostet es jeden Tag Überwindung. Einmal die Woche gibt uns die Physiotherapeutin neue Anweisungen wie ich ihre Gelenke strecken und beugen muss bis zur Schmerzgrenze, damit sich die Muskeln und Bänder nicht verkürzen und die Gelenke dann versteifen. Nach dieser Stunde Turnen, so nennen wir das, ist mein Gewissen dann erleichtert und der Tag ist okay. Frage: Jasmin braucht also tägliche Therapie damit sich ihre Behinderung nicht verschlechtert? Ja, außerdem sitzt sie mit einem Korsett im Rollstuhl und trägt an den Beinen Schienen, so genannte Orthesen. Sie ist geistig voll fit, kann sich aber alleine nur am Boden robbend fortbewegen. Krabbeln oder sich alleine aufsetzen geht nicht. Das bedeutet, dass ich sie immer rum tragen muss. Zum Glück ist sie im Moment noch klein und wiegt nicht so viel. Sie ist sehr zart und hat wenige Muskeln. Das hat allerdings zur Folge hat, dass sie von einem einfachen Infekt, zum Beispiel einer Magen-Darm-Grippe, schnell sehr geschwächt ist, sodass wir dann ins Krankenhaus müssen. Dadurch falle ich bei meiner Arbeitsstelle natürlich öfters aus. Und das ist eine Sache, wofür meine Arbeitgeber bisher wenig Verständnis gezeigt haben. Insofern musste ich mir jetzt schon die dritte 400-Euro-Stelle innerhalb von ein paar Monaten suchen. Frage: Heißt das, dass sie ihren Mini-Job schon mehrfach verloren haben, weil sie sich um ihr krankes Kind kümmern mussten? Ja. Gelernt habe ich eigentlich Einzelhandelskauffrau, aber eine richtige Arbeitsstelle ginge bei mir nicht Ich saß zuerst im Drogeriemarkt an der Kasse, dann habe ich im Büro eines Spielwarenladens geholfen und zurzeit fülle ich in einem Drogeriemarkt die Regale auf. Alles auf 400 Euro Basis. Tja, da redet man immer von Flexibilität, aber die Arbeitgeber zeigen sich wenig flexibel. Das wird nur von uns Arbeitnehmerinnen gefordert! Naja, auch deswegen bin ich ganz froh, dass wir jetzt in München sind, denn hier habe ich bisher immer leicht einen neuen Job gefunden. Ich muss nur vorsichtig sein, was ich auf die Frage nach dem Familienstand angebe. Da habe ich mittlerweile dazu gelernt und schreibe einfach nichts hin. Zum Abdruck frei bei Überlassung eines Belegexemplars 2

Frage: Mit wie viel Geld müssen sie im Monat auskommen? Mein Mann ist vor 15 Jahren verstorben und ich bekomme Witwenrente, plus 400 Euro Pflegegeld und Unterhalt für Jasmin von ihrem leiblichen Vater. Hinzu kommt mein Minijob-Verdienst. Alles zusammen sind das 1800 Euro. Das reicht gerade für unsere kleine Wohnung hier in München und ein Auto. Wir fahren ja ab und zu nachhause nach Weilheim* und übernachten dann bei Freundinnen. Außerdem wohnen dort meine anderen beiden erwachsenen Söhne und mein Bruder mit seiner Familie. Frage: Kümmern sich Jasmins Vater oder andere Familienmitglieder auch um Jasmin? Jasmins Vater wollte keine Familie, das war schon in der Schwangerschaft klar. Wir waren damals vier Jahre zusammen, haben aber nicht zusammen gewohnt und waren auch nicht verheiratet. Jetzt geht der Kontakt fast immer von mir aus und dreht sich meist um was Praktisches, wie Rollstuhl höher stellen oder das Therapiefahrrad einrichten. Ich habe das alleinige Sorgerecht. Zu seinen Eltern, Jasmins Großeltern ist kein Kontakt da. Die haben ganz eigenartig reagiert und gesagt: Wie kann man nur so blöd sein. Sie meinten damit, ein behindertes Kind auf die Welt zu bringen. Auf so einen Kontakt kann man leicht verzichten. Meine Eltern und die von meinem Ex-Mann leben nicht mehr. Und dann gibt es noch meinen Bruder. Aber der hat genug mit seiner eigenen Familie zu tun. Er hat fünf Kinder. Frage: Und wie sieht ihr Kontakt zu Freunden und Freundinnen aus? Ich habe so fünf bis sechs Freundinnen, mit denen bin ich schon zusammen zur Schule gegangen. Wir treffen uns regelmäßig und diese Freundinnen wissen alles. Eine der Freundinnen übernimmt für mich auch die Verhinderungspflege, wenn ich krank bin oder mich nicht um mein Kind kümmern kann. Das wird von der Krankenkasse bezahlt für insgesamt 15 Tage im Jahr. Aber hier in München ist es schwierig mit neuen Kontakten. Gerade von der Schule hatte ich mir eigentlich mehr erhofft. Wenn ich jemanden kennen lerne, dann habe ich oft den Eindruck, dass niemand so genau wissen will, wie ich lebe. Sie sagen dann halt: Mei, bisd a arme Sau. Oder was mir auch schon passiert ist, dass ich dann von den Leuten voll gejammert werde. So nach dem Motto: Die ist sowieso schon traumatisiert, der kann man alles erzählen. Zum Glück bin ich dann auf allfabeta gestoßen. Da kommt man hin und braucht nicht viel zu erklären. Zum Abdruck frei bei Überlassung eines Belegexemplars 3

Frage: Wie sind sie auf allfabeta aufmerksam geworden? Durch ein Faltblatt, dass in der Stadtinformation im Rathaus auslag. Ich habe da richtig danach gesucht. (Und wie oft waren sie schon dort?) Einmal zum Samstagstreff und einmal zu einem BamBeKi-Treffen den ganzen Sonntag. Ich war sehr positiv überrascht, denn es gab für jedes Kind eine Kinderbetreuung. Und es war richtig nett. Kaum habe ich mich vorgestellt, war ich schon mittendrin. Und wenn man dann von den anderen Frauen so hört, was bei denen los ist manche bekommen ja nicht mal Unterhalt da war ich dann ganz froh darüber, dass ich mit dem Vater von Jasmin normal reden kann. Gleich beim ersten Treffen ging es um einen Notfallplan, also was zu tun ist, wenn wir Mütter mal ausfallen, weil wir einen Unfall haben oder so was. Wer informiert werden soll, was man wissen muss über das Kind und so weiter. Das war genau das Richtige für mich, denn dieses Thema bedrückt mich sehr: Was wird aus Jasmin, wenn ich mal nicht mehr kann? Frage: Was ist für sie die größte Belastung? Die Pflege von Jasmin, das ist so ein Auf und Ab. Da gibt es bessere und schlechtere Tage. Mein Leben ist einfach viel langsamer geworden, weil alles sehr lange dauert. Aber am Schlimmsten ist es, wenn einem von außen auch noch Knüppel zwischen die Beine geworfen werden. Das habe ich mit meiner Krankenkasse erleben müssen und das hat psychisch massiv an mir genagt. Sie haben mir Hilfsmittel für Jasmin verweigert. Ich musste sie selbst bezahlen und das Geld dann über die VDK** einfordern. Die haben mich richtig gehend mit Anrufen terrorisiert. Der Hilfsmittelberater hat wörtlich gesagt, ich würde der Kasse schaden. Das ging bis zu Regressforderungen der Krankenkasse an mich! Die meinten einfach, eine Fünfjährige braucht keinen Buggy mehr. Aber dass das die einzige Möglichkeit war mit meiner Tochter im Wald spazieren zu gehen, wo die Wege etwas holperiger sind, das hat sie nicht interessiert. Sie sagten, ein behindertes Kind müsse nicht im Wald spazieren gehen. (Empört) Ich hatte regelrechte Ängste sie würden plötzlich aufkreuzen und mir den Buggy wegnehmen. Ich habe dann das Haus richtig verriegelt und die Garage abgeschlossen, wo der Buggy drin stand, denn sie kamen auch unangemeldet. Das ging dann weiter beim Thema Therapie-Fahrrad. Sie sagten einfach: Bei der Diagnose kann die nie Fahrrad fahren. Als wir dann das Fahrrad hatten, bin ich mit Jasmin auf dem Fahrrad zu ihnen hingefahren und haben ihnen gezeigt, dass es geht! Diese Auseinandersetzungen haben mich arg mitgenommen. Ich habe dann die Krankenkasse gewechselt und seitdem läuft es besser. Zum Abdruck frei bei Überlassung eines Belegexemplars 4

Frage: Ihr Wunsch für die Zukunft? Drei Tage am Stück schlafen. (lacht) Das wünschen sich wohl alle. Nein, im Ernst. Ich wünsche mir, dass Jasmin in ihrem Leben immer an nette und ehrliche Menschen gerät. (Und für ihr eigenes Leben?) Dass ich 60 Jahre alt werde und nicht schwer krank werde, damit ich Jasmin noch ein Stück begleiten kann. Alles andere mache ich mir selber. (lächelt) Wissen Sie, die Lust ist mir noch nie vergangen. Ich habe jetzt eine Babysitterin gefunden, die kommt einmal in der Woche, und dann gehe ich aus, ins Kabarett oder ins Theater. Man darf nicht warten, bis jemand kommt. Vielen Dank für das Interview. Kontakt zu allfabeta Igball Selimi Tel.: 089 / 62 28 62 87 E-Mail: allfabeta@siaf.de Internet: http://www.allfa-m.de/allfa_beta.htm Interviewerin, Pressekontakt und Fotos Elke Amberg Tel.: 089 / 89 39 94 71 E-Mail: info@elke-amberg.de Anmerkungen * Namen und Orte wurden geändert ** VDK: Der Sozialverband VDK ist der größte Sozialverband Deutschlands und vertritt unter anderem die Interessen von Menschen mit Behinderung. Zum Abdruck frei bei Überlassung eines Belegexemplars 5