Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Erfahrungsbericht Auslandspraktikum & Abschluss-/Studienarbeit Persönliche Angaben Name, Vorname: Studiengang an der FAU: Gasteinrichtung: Gastland: Art des Aufenthaltes (z.b. Praktikum) Aufenthaltszeitraum (WS, SS oder Jahr): Kott, Magdalena Katharina Humanmedizin Katutura State Hospital/Windhoek Central Hospital, Surgery Department Namibia Famulatur August-Oktober 2015 1. Vorbereitung (Planung, Organisation und Bewerbung) Unsere Vorbereitung begann etwa ein halbes Jahr vorher, im Februar 2015. Dass wir nach Namibia wollten, stand schon seit Langem fest, sodass wir hier lediglich Krankenhäuser ausfindig machen mussten, die Studenten aus dem Ausland aufnehmen. Diesbezüglich gleich ein Tipp vorweg: Wie wir herausfanden, ist es privaten Krankenhäusern (z.b. Mediclinic) nicht erlaubt, Famulaturen/PJ auszurichten, sodass man sich von vornherein nur an staatlichen Häusern bewerben sollte. In Namibia ist das Studium sehr praxisnah organisiert, sodass v.a. drei Krankenhäuser daran gewöhnt sind, Studenten etwas beizubringen: zwei in Windhoek (Katutura State und Windhoek Central) sowie eines in Oshakati im Norden. Da wir in die Hauptstadt wollten, schrieben wir einfach eine Bewerbungsmail an Frau Alexia Kanundura (akanundura75@gmail.com), die uns nach einigen Wochen auch antwortete und mit allen nötigen Informationen versorgte. Natürlich mussten wir noch einmal offizielle Bewerbungsunterlagen ausfüllen und ihr diese mailen, was aber reine Formsache war, sodass wenig später das offizielle Bestätigungsdokument bei uns eintraf. 2. Anreise (Flug, Bahn), Visum, Anmeldeformalitäten vor Ort Den Flug buchten wir etwa 3-4 Monate vor Abreise. Es gibt einerseits einen Direktflug mit Condor oder Air Namibia ab Frankfurt und wohl ab Juni 2016 auch ab München, wir sind jedoch von München über Johannesburg nach Windheok, dem einzigen internationalen Flughafen Namibias geflogen. Reist man als Tourist aus der EU nach Namibia, braucht man während der ersten 90 Tage kein Visum vorher zu beantragen, sondern erhält es kostenlos direkt am Flughafen. Absolviert man jedoch ein Praktikum oder einen Studienaufenthalt, so sollte man sich auf jeden Fall einige Monate vorher um das Visum kümmern, da man hierfür beispielsweise ein übersetztes polizeiliches Führungszeugnis und ein Röntgen-Thorax benötigt. Im Zusammenhang damit muss man bei dieser Art des Visums mit Kosten von mindestens 100 rechnen. Kontrolliert wurde unser Visum während des gesamten Aufenthalts nicht. 1
3. Unterkunft (Wohnheim, privat) Wir wohnten für die Dauer unserer Famulatur im Wadadee Guesthouse. Dies ist ein Haus auf dem sog. Luxury Hill im Stadtteil Katutura, einem ärmeren, aber trotzdem (solange man sich an gewisse Regeln hält) ungefährlichen Township. Das Guesthouse kann ich absolut empfehlen, da hier immer ca. 12-15 internationale Studenten wohnten, die alle irgendeine Art Praktikum absolvierten und länger in Windhoek blieben als normale Touristen dies tun. Die Atmosphäre ist sehr familiär und man kann sich immer an den Besitzer des Guesthouse wenden, der gegenüber wohnt und stets seine Hilfe anbietet. Zudem macht es einem die Atmosphäre im Wadadee leicht, sich gleich heimisch zu fühlen, da man sofort integriert wird und die vielen Fragen, die man am Anfang zum täglichen Leben hat, hier beantwortet bekommt. Und wer weiß beim Einen oder Anderen lassen sich hier durchaus auch Freundschaften fürs Leben knüpfen. Vom Guesthouse nahmen wir stets ein Taxi zur Arbeit, was umgerechnet ca. 60 Eurocent für 4km Fahrt (eventuell ist mit Umwegen und weiteren Mitfahrern zu rechnen) kostete. 4. Praktikum/ Abschlussarbeit (Beschreibung der Tätigkeit) Das Medizinstudium in Namibia ist komplett anders organisiert als in Erlangen: Ab dem dritten Jahr hospitieren Studierende regelmäßig in verschiedenen Fachbereichen des Krankenhauses und müssen schon früh Stationsarbeit erledigen. Dadurch bekommen sie bald viel Routine in praktischen Tätigkeiten etwas, das in Deutschland oft zu kurz kommt. Ich schloss mich in der Chirurgie den Studenten aus dem fünften Jahr an, da in deren viertem Jahr (dem Äquivalent zu meinem 8. Semester) das Fach nicht auf dem Stundenplan steht, und wurde bald in die ganz normalen Abläufe eingebunden. Einen Arbeitstag kann man sich ungefähr so vorstellen: Pünktlich um 7:30 beginnt die Morning Conference, an der sämtliche Ärzte und Studenten teilnehmen. Hier werden von den Diensthabenden die aufgenommenen Patienten der vergangenen Nachtschicht vorgestellt. Da dies immer mit Teaching für anwesende Studenten und vielen Nachfragen verbunden ist, kann das Meeting schon mal zwei bis drei Stunden dauern. Danach beginnt die Visite. Diese wird von einem Oberarzt (Consultant) geleitet, außerdem ist der Medical Officer (Facharzt) und Intern (Assistenzarzt) der Station dabei, zudem 10-20 Studenten, die dann auch gleich die anfallende Stationsarbeit/Untersuchung übernehmen. Die Patienten scheinen an den Menschenauflauf, der sich dadurch um ihr Bett sammelt, jedoch gewöhnt zu sein und lassen die Prozedur klaglos über sich ergehen. Auch die Visite nimmt einige Stunden in Anspruch, danach (meist gegen 13-14 Uhr) gehen jedoch alle nach Hause. Jeder Consultant hat zwei OP-Tage in der Woche, an denen man sich ihm ebenfalls anschließen kann. Leider ist es Studierenden nur höchstselten gestattet, im OP zu assistieren, meist darf man nur zusehen, was aber nicht so langweilig ist, wie es klingt, da auch hier viel Teaching abgehalten wird. Donnerstags findet immer die Aufnahme der Outpatients statt: Hier kommen Patienten, für die eine elektive OP geplant werden soll, zur Untersuchung. Diese dürfen dann zunächst die Studenten durchführen, sodass man Routine im Untersuchen bekommt. Am meisten zu tun bekommt man, wenn man abends in die Casualty (Notaufnahme) geht. Hier hat immer abwechselnd ein Consultant mit seinem Team eine Nacht Dienst. Vor allem wenn viel los ist, darf man komplett eigene Patienten aufnehmen, untersuchen und anbehandeln bzw. entscheiden, wie weiter mit diesem verfahren wird. Das war wirklich interessant und ich habe wahnsinnig viel gelernt. Man kann natürlich immer bei Interns/6th year students nachzufragen, wenn man sich nicht sicher ist. Außerdem hat man hier die Möglichkeit, einfach die Schwestern und Pfleger auf der Notaufnahme anzusprechen, ob sie einen einmal nähen lassen (dies 2
machen in Namibia normalerweise nicht die Ärzte!). Natürlich musste ich meine Patienten, die ich aufgenommen hatte, am nächsten Tag dann auch vor ca. 50 Leuten im Morning Meeting präsentieren ganz schön aufregend, aber so viel gelernt habe ich noch nie zuvor! 5. Betreuung an der Gasteinrichtung Die Betreuung an sich war leider nicht so, wie ich sie mir gewünscht hätte: Dadurch, dass das chirurgische Department so groß war und relativ viel personelle Rotation herrschte, war ich stets auf mich selbst angewiesen, um einen Arzt/eine Studentengruppe zu finden, bei der ich etwas lernen oder gar selbst tun durfte. Mit der Zeit weiß man aber, an wen man sich wenden kann, um nicht komplett allein gelassen zu werden. Es ist jedoch nie so wie in Deutschland, dass man sich persönlich an einen bestimmten Arzt heften kann, da einfach immer und überall sehr viele Studenten sind und die Ärzte zwar Bedside-Teaching machen, allerdings eben immer nur in der großen Gruppe. Das Positive daran, so auf mich gestellt zu sein, war jedoch, dass ich die Möglichkeit erhielt, überall dort hingehen zu können, wo mich etwas interessierte, sei es OP, Intensivstation (ICU), Notaufnahme, Kinderchirurgie, Outpatient Department (OPD) oder normale chirurgische Stationen. 6. Ausstattung der Gasteinrichtung (eigener Arbeitsplatz, Kantine) Mangels Ressourcen bekommt man leider weder Kleidung, noch Wohnung, noch Essen, gestellt. Gerade Letzteres ist aber überhaupt kein Problem, da man eh meist zur Mittagszeit mit der Arbeit fertig ist. Ärzte tragen keine Dienstkleidung, Studenten entweder einen weißen Kittel oder dunklere Arbeitskleidung, was ich auch absolut empfehle, da die weiße Kleidung doch schnell schmutzig wird. 7. Alltag & Freizeit (Sehenswertes, Kulinarisches, Geld-Abheben, Handy, Jobs) Da unsere Krankenhausarbeit immer gegen mittags vorüber war, hatten wir viel Zeit, Windhoek zu erkunden. Taxifahren ist in Namibia sehr günstig und auch das einzige Fortbewegungsmittel, da der öffentliche Nahverkehr praktisch nicht ausgebaut und für Ausländer auch nicht zu durchschauen ist. Windhoek selbst hat kulturell gesehen leider nicht übermäßig viel zu bieten: Es gibt das sehr interessante Independence Museum, die Alte Feste, die National Art Galery, Kinos und ein Theater. All dies ist entweder kostenlos oder ebenfalls sehr günstig, sodass man sich die Dinge auf jeden Fall anschauen sollte. Auch ein Bummel durch Windhoeks kleinstädtisch anmutendes Zentrum lohnt sich. Kulinarisch gesehen gibt es nur wenig klassiche namibische Gerichte. Gern gegessen wird natürlich das heimische Wild (Kudu, Oryx, Zebra, Springbock), was auch für Gaumen, die an europäisches Essen gewöhnt sind, durchaus schmackhaft ist. Da das Durchschnittseinkommen eines Namibiers ca. 200 beträgt, ist eines der Alltagsgerichte der sog. Pap, eine Art fester Brei aus Mehl und Wasser günstig und nahrhaft, aber leider recht geschmacksneutral. Geld zu bekommen war nie ein Problem: Wir beantragten im Vorhinein die Kreditkarte (VISA) der Apobank, mit der man weltweit Geld abheben kann. Dies funktionierte absolut zuverlässig, sodass ich es nur empfehlen kann. Schlau ist es, sich morgens über den jeweiligen Wechselkurs zu informieren, und bei guten Bedingungen evtl. gleich etwas mehr abzuheben. Zum Telefonieren empfiehlt sich auf jeden Fall der Erwerb einer namibischen Simkarte. Die gibt es eigentlich in jedem größeren Supermarkt und kostet ca. 7N$ (das entspricht weniger als 50Cent). Telefonieren und SMS schreiben ist sehr günstig, sodass man mit einem Prepaid-Guthaben von 50N$ eine ganze Weile über die Runden kommt. 3
8. Finanzielles (Lebenshaltungskosten, Stipendien) Eines vorab: Namibia ist kein günstiges Land. Die Lebenshaltungskosten sind mit den deutschen vergleichbar, vor allem Obst und Gemüse ist eher teurer als hier, Fleisch dagegen billiger. Man kann grundsätzlich alles bekommen, was es auch in Deutschland gibt (sogar Brezen), allerdings bei teilweise hohen Preisen und fraglicher Qualität. Die lokalen Produkte sind da oft deutlich günstiger und schmecken trotzdem gut. Den Flug kann man mit ein bisschen Glück auf jeden Fall für 700-750 bekommen, unsere Unterkunft kostete rund 300 monatlich. Will man im Anschluss an den Arbeitsaufenthalt noch reisen, sollte man vor allem hierfür noch einiges zurücklegen, da Namibia sehr touristisch ist und sich dies auch in den Preisen, v.a. in Nationalparks, widerspiegelt. Ich finanzierte mir meinen Aufenthalt zum einen durch einen Studentenjob, zum anderen durch zwei Stipendien, das von PROMOS und das von medizinernachwuchs.de, einer privaten Förderungsinstitution. 9. Interkulturelles (Was ist z.b. beim Umgang mit Kollegen im Gastland zu beachten?) Die namibischen Studenten sind sehr freundlich und geben einem immer Auskunft, wenn man etwas wissen will. Allerdings sind sie wahnsinnig in ihr Studium eingebunden, sodass ihnen sehr wenig Freizeit bleibt und auch Zeit, sich um ausländische Studenten zu kümmern. Das Studium kostet sehr viel Geld, sodass die Studierenden sehr bemüht sind, bei den Ärzten, die gleichzeitig auch ihre Lehrer an der Medical School sind, einen guten Eindruck zu hinterlassen, um kein Semester oder gar Jahr wiederholen zu müssen. Beim Umgang mit Patienten ist zum einen natürlich die sprachliche Barriere nicht zu unterschätzen: Obwohl Englisch Amtssprache ist, beherrschen viele nur ihre Stammessprache, sodass man oft einen anderen Studenten oder Arzt bitten muss, zu übersetzen. Die Patienten wirken sehr scheu und ängstlich, weil sie es anscheinend nicht gewohnt sind, dass (akademisches) Krankenhauspersonal offen und freundlich mit ihnen umgeht. Für mich ist ein solches Miteinander im Alltag mit Patienten unabdingbar, viele namibische Studenten waren jedoch überrascht, wenn ich beispielsweise den Patienten bei einer Untersuchung fragte, ob er Schmerzen habe oder wie es ihm gehe. 10. Fazit (beste und schlechteste Erfahrung) Die Dinge, die mich ziemlich geärgert haben, waren vor allem zwei: Zum einen die mangelnde, teilweise auch dem Ressourcenmangel geschuldete Hygiene. Teilweise musste ich die ganze Station ablaufen, um ein Händedesinfektionsmittel zu finden, wenn beim ersten Mal Blutabnehmen kein Gefäß getroffen wird, wird die gleich Nadel noch einmal verwendet usw. Mir ist jedoch bewusst, dass ein Grund hierfür einfach fehlendes Equipment ist, deshalb will ich keinesfalls darüber urteilen. Die andere Sache, die man aber durchaus ändern könnte, wenn man denn wollte, ist der Umgang mit den Patienten. Diese werden oft nur als Nummer gesehen, Ärzte kennen ihre Namen grundsätzlich nicht, und auch Aufklärungsgespräche finden, wenn überhaupt, nur marginal statt. Teilweise vegetieren die Menschen einfach eine Woche lang vor sich hin, bevor ihnen irgendjemand das weitere Prozedere klar macht. Irgendwann wurde mir dann von einem Einheimischen erklärt, dass die Menschen in Namibia von Kindheit an ein anderes Verhältnis zu Krankheit und Schmerz haben: Man lernt hier, viel mehr einfach auszuhalten und sich nicht zu beschweren, sodass der Umgang im Krankenhaus hiermit wohl auch ein Zeichen dieser Kultur sein könnte. 4
Die beste Erfahrung war eindeutig, meinen ersten eigenen Patienten abends in der Notaufnahme aufzunehmen, zu untersuchen, weitere Diagnostik anzuordnen und zu sehen, dass es ihm am nächsten Tag schon viel besser ging. Diesen Fall musste ich am nächsten Morgen auch in der Morning Conference vorstellen: Davor war ich richtig nervös, hatte auch aufgrund der Nachtschicht kaum geschlafen und ging gefühlte hundertmal meine Präsentation durch. Am meisten Angst hatte ich vor der Präsentation der radiologischen Bilder, weil ich mich in diesem Fachbereich einfach noch nicht sicher fühle. Glücklicherweise lief die Vorstellung des Falls am nächsten Morgen dann aber reibungslos und ich konnte die meisten mir gestellten Fragen beantworten, sodass ich im Nachhinein sehr froh bin, diese Hürde erfolgreich überwunden zu haben. Manchmal tut ein Sprung ins kalte Wasser wohl doch ganz gut! 11. Wichtige Ansprechpartner und Links - Katutura State Hospital: Ms Alexia Kanundura, akanundura75@gmail.com Tel.: +264 612034009 -Wadadee Guesthouse: 3690 Arimathea Street, Luxury Hill, Katutura, Windhoek Ansprechpartner: Meke Shingenge, Shaun Awaseb auch auf Facebook zu finden! 5