des Präsidenten des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes



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Transkript:

Finanzgruppe Deutscher Sparkassen- und Giroverband Es gilt das gesprochene Wort. Rede des Präsidenten des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes Georg Fahrenschon anlässlich der Veranstaltung Währungsunion, Fiskalunion, Bankenunion. Finanzmarkt und Politik im Dialog am 3. September 2012 in Hannover Deutscher Sparkassenund Giroverband Charlottenstraße 47 10117 Berlin

Anrede, ich bin gebeten worden, in dem heutigen Dialog die Sicht der Finanzinstitute beizusteuern. Meinen Part möchte ich auf zwei Fragen konzentrieren: Erstens: Was sind die Ursachen der Krise in der Europäischen Währungsunion? Und zweitens: Was ist zu tun, um die Vertrauensund Finanzkrise in den Griff zu bekommen? I. Aktuelle Lage in der Währungsunion Seit über zwei Jahren, zugespitzt seit Sommer letzten Jahres, erleben wir eine Vertrauenskrise gegenüber einer Reihe von Mitgliedsstaaten der Europäischen Währungsunion. Natürlich hat dabei vor allem Griechenland die Wahrnehmung bestimmt. Aber auch Italien und Spanien geraten immer stärker in das Blickfeld nicht zuletzt deshalb, weil in diesen Ländern die Höhe der Zinsen für Staatsfinanzierungen immer stärker als Problem wahrgenommen wird. Ein Problem kann nur dann sinnvoll gelöst werden, wenn über die Ursache Klarheit besteht. Hier scheint es unterschiedliche Wahrnehmungen zu geben. Durch öffentliche Äußerungen Verantwortlicher könnte man den Eindruck gewinnen, als fiele es einzelnen Ländern immer schwerer, ihre Staatsschulden zu angemessenen Zinsbedingungen zu finanzieren. Ein Blick auf die Daten stützt diesen Befund nicht: Italien etwa musste 2011 9,6 % seiner staatlichen Gesamtausgaben für Zinszahlungen auf Staatsschulden aufwenden. Das liegt unter dem Durchschnitt der Jahre der Währungsunion und sogar sehr weit unter den Daten der 90er-Jahre oder dem Satz bei Eintritt in die Währungsunion1. Eine ganz ähnliche Lage ist in Spanien zu beobachten. Dort waren 2011 5,5 % der Ausgaben des Staates für Zinsen einzusetzen. Das liegt unter dem Niveau der Jahre 2000 bis 2003 und gar weit unter dem Satz bei Eintritt in die Währungsunion2. Sogar Griechenland musste 2011 einen geringeren Anteil seiner staatlichen Ausgaben für Zinszahlungen einsetzen als etwa in den Jahren 2000 oder 2001. 1 1998: 16,6 % 2 1998: 10,2 % 2

Auch ein Blick auf die Höhe der Zinssätze bringt nichts Krisenhaftes zutage: Der rechnerische Durchschnittszinssatz für die Staatsschulden Griechenlands lag 2011 bei 4,6 %. Das ist historisch niedrig. Italien hatte 2011 im Durchschnitt 4,1 % zu zahlen. Das ist historisch der zweitniedrigste Satz nach 2010. Bei Spanien betrug der durchschnittliche Zinssatz im letzten Jahr 4,0 %. Auch dies ist nach 2010 ein historischer Niedrigstsatz. Ich kann deshalb überhaupt nicht erkennen, dass unsere europäischen Partnerländer durch Zinszahlungen erdrückt werden. Im Gegenteil: Alle diese Länder profitieren bis heute sehr stark vom währungsunionsbedingt niedrigen Zinsniveau. Es ist allerdings auch nicht zu übersehen, dass heute die Renditen für Staatsanleihen deutlich schwanken, bei Italien und Spanien bis zu 7 % erreichen und deshalb sehr deutlich über den Renditen für deutsche Staatsanleihen liegen. Nun will ich nur für die historische Einordnung darauf verweisen, dass selbst Deutschland Anfang der 90er-Jahre fast 9 % Anleihezinsen zahlen musste. Und einige scheinen auch vergessen zu haben: Es war durchaus Teil der Konzeption, dass sich in der Währungsunion unterschiedliche Bonitäten und wirtschaftliche Perspektiven in differierenden Zinserwartungen von Kreditgebern ausdrücken können. Gleichwohl zeigen die Unterschiede in den Renditen eine Unsicherheit der Kreditgeber an. Worin ist diese Verunsicherung begründet? Neben der Erfahrung mit Griechenland gibt es aus meiner Sicht dafür drei Ursachen: Erstens die Entwicklung der Staatsfinanzen: Seit Jahren steigen in einer Reihe von Euroländern die staatlichen Finanzdefizite: Italien hatte 2011 ein Defizit von 3,9 % des BIP, in der Spitze 2009 schon einmal eines von 5,4 %. Spanien weist 8,5 % Defizit auf, in der Spitze 2009 über 15 %. In Frankreich liegen die Ausgaben um 5,2 % über den staatlichen Einnahmen. Und Griechenland liegt bei einem Minus von 9,1 %. Hier haben wir es aber mit einem Sonderfall zu tun, weil Griechenland neben Portugal als einziges Land der Währungsunion noch niemals seit dem Beitritt einen ausgeglichenen Haushalt hatte. Dadurch wachsen die Staatsschulden sehr deutlich: Griechenland dürfte trotz aller zwischenzeitlichen Maßnahmen in diesem Jahr mit über 160 % des BIP verschuldet sein. Mit einem solchen Satz liegt klar eine Überschuldung vor trotz des zwischenzeitlichen Schuldenschnitts. Italien erreicht eine Schuldenstandsquote von über 123 %, Portugal rund 114 %, Spanien allerdings nur rund 81 % und damit weniger als Deutschland mit etwa 82 %. 3

Die Kriterien des Maastrichter Vertrages für den Eintritt in die Währungsunion waren ursprünglich ein Defizit von unter 3 % des BIP und eine Staatsverschuldung von nicht mehr als 60 % des BIP, wobei man eine Entwicklung in Richtung 60 ausreichen ließ. Die meisten Euroländer sind von diesen selbst gesteckten Glaubwürdigkeitsmarken nicht nur weit entfernt, sondern haben sie in den letzten Jahren wiederholt gerissen beim Defizit bedauerlicherweise übrigens zuerst Deutschland und Frankreich. Es kann deshalb auch kaum verwundern, dass Investoren Vertrauen verlieren. Die Ursache für die Instabilität ist deshalb bereits seit Langem angelegt, die Finanzkrise mit den teilweise hohen Belastungen durch Bankenrettungen war dann Auslöser und Verstärker. Zweitens: Wo Wechselkurse als Anpassungsmechanismus fehlen, kommt einer koordinierten und sich aufeinander zubewegenden Wirtschaftsentwicklung eine überragende Bedeutung zu. Die Entwicklung ist allerdings eher auseinandergegangen. Hätten wir heute unterschiedliche Währungen, müsste die deutsche vermutlich um bis zu 20 % aufwerten, die griechische um bis zu 50 %, die spanische um schätzungsweise 20 % abwerten. Jetzt müssen diese Spannungen im System ausgehalten werden. Dafür gibt es nur zwei Methoden: Entweder massive Transferleistungen. Diese sind ausdrücklich im Vertrag von Maastricht ausgeschlossen und auch politisch in Deutschland nicht durchsetzbar. Oder in den stabilen Ländern finden nachhaltige und glaubwürdige Maßnahmen zum Abbau öffentlicher Schulden und zu einer deutlichen Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit statt. Trotz aller gemeinsamen Beschlüsse und trotz des verabredeten Fiskalpakts ist letzteres noch nicht ausreichend erkennbar. Und die dritte Krisenursache schließlich liegt in dem international schwindenden Vertrauen, dass die europäischen Institutionen in der Krise handlungsfähig sind. Internationalen Investoren wird immer stärker bewusst, dass die Währungsunion mit 17 Staats- und Regierungschefs, 17 Parlamenten, dem Europäischen Parlament, der Kommission und nicht zuletzt dem Bundesverfassungsgericht ein kompliziertes Gebilde ist, in dem die Spielregeln nicht ganz klar sind. Jeder Krisengipfel, jeder neue und öffentlich zerredete Vorschlag, jedes in einer Demokratie notwendige 17-malige Hinterfragen der Exekutive durch die Legislative verstärkt diesen Eindruck. Und mit manchen überzogenen öffentlichen Äußerungen reden wir uns täglich weiter in die Krise hinein. 4

II. Notwendige Maßnahmen Welche Maßnahmen sind jetzt notwendig, um die Krise zu bewältigen? Eine Schulden- und Defizitkrise lässt sich nicht dadurch bekämpfen, dass man Schuldnern erleichtert, zu hohe Schulden auf Dauer immer wieder zu refinanzieren oder dass man gar selbst zum Gläubiger wird. Deshalb mögen Interventionen der EZB seien es die üppigen Liquiditätsausstattungen, seien es Anleihekäufe in einer akuten Notsituation zwingende Maßnahmen gewesen sein. Sie sind aber nicht zur dauerhaften Krisenbewältigung geeignet. Mit ihnen gerät die EZB immer stärker in Widerstreit zu ihrer Hauptaufgabe, der Sicherung der Geldwertstabilität, und damit zu ihren rechtlichen Grundlagen, einschließlich ihrer Unabhängigkeit. Vor allem geraten wir damit volkswirtschaftlich immer weiter auf eine schiefe Bahn. Ich will dies nur an wenigen Beispielen verdeutlichen: Die sehr umfangreichen Liquiditätsbereitstellungen zum Jahresanfang bewirken, dass auch nicht wettbewerbsfähige Banken anstrengungslos Refinanzierungsmittel erhalten. Damit wird die gegenseitige Abhängigkeit von hoch verschuldeten Staaten und schwachen Banken immer weiter verstärkt ein Teufelskreis. Die niedrigen Zinssätze geben immer weniger Anreize zum langfristigen Sparen. Sollte dies länger anhalten, wird es die Sparbereitschaft deutlich schwächen und auf Dauer auch soliden Kreditinstituten, Lebensversicherungen und Anlageformen zur Altersvorsorge Probleme bereiten. Zudem besteht die Gefahr, dass Anlagegelder in nicht ausreichend werthaltige Anlageformen gelenkt werden. Direkte und indirekte Staatsfinanzierungen durch EZB oder über den ESM widersprechen nicht nur der Stabilitätskonzeption der Währungsunion. Öffentliche Haushalte und auch Märkte gewöhnen sich daran. Je länger das andauert, desto schwieriger wird der Entzug. Und Ideen für Zinsobergrenzen mit Eingriffsautomatik der EZB gefährden nicht nur deren Unabhängigkeit, sondern fordern Spekulationen geradezu heraus. Die EZB war in den letzten Monaten gezwungen, zu solchen gefährlichen Instrumenten zu greifen, weil andere kurzfristige Maßnahmen nicht zur Verfügung standen. Inzwischen wird aber deutlich, dass in immer kürzeren Abständen die Dosen erhöht werden müssen. Das muss beendet werden, bevor es zu einer Überdosis kommt! 5

Wirksame Krisenpolitik muss deshalb an der richtigen Ursache ansetzen das ist der Schuldenabbau. Hier kann ich der Bundesregierung nur beipflichten. Allerdings wird der Fiskalpakt allein dafür nicht ausreichen. Denn er soll ja nur übermäßige neue Schulden vermeiden. Wir müssen uns aber auch mit der Rückführung der zu hohen alten Schulden beschäftigen. Der Sachverständigenrat hat dazu einen Altschuldentilgungsfonds vorgeschlagen. In diesen würden alle Euroländer, sicher ohne Griechenland, ihre die 60-%-Marke übersteigenden Staatschulden einbringen. Der größte Teil käme aus Italien, immerhin rund 960 Mrd. Euro. Aber auch aus Deutschland kämen 580 Mrd. Euro. Für deren Refinanzierung würden gemeinsame Anleihen begeben, für die im Außenverhältnis gemeinsam gehaftet würde. Im Innenverhältnis haftet jedes Land für seine eigenen Schulden. Sie werden sicher fragen, warum Deutschland so etwas tun sollte? Ich denke, dass es dafür drei gute Gründe gibt: Der erste Grund ist, dass wir es nur mit einem solchen Anreiz schaffen werden, zur Idee einer Stabilitätsunion zurückzukehren und langfristig eine Staatsverschuldung von höchstens 60 % des BIP nicht zu überschreiten. Zweitens würde eine solche durchgreifende Maßnahme den Willen zu einem gemeinsamen und soliden Europa zeigen. Das würde auch schon kurzfristig das Vertrauen an den Märkten in die Handlungsfähigkeit und die Solidität Europas deutlich stärken. Und drittens würden wir Deutsche vermeiden, im schlimmsten Fall zwischen Solidität und Solidarität in Europa wählen zu müssen. Deshalb müssen wir einen Weg aufzeigen, wie gemeinsam Solidität erreicht werden kann. Natürlich führt ein solcher Vorschlag zu einer gemeinsamen Haftung nach außen. Nach innen bleibt es aber bei der Verantwortung eines jeden Landes. Und anders als Eurobonds macht sich ein solcher Fonds über längere Zeit überflüssig und bezieht sich nur auf alte, nicht auf neue Schulden. Ein zweites großes Handlungsfeld betrifft die Finanzmarktregulierung. Es ist richtig, Kreditinstituten eine höhere Eigenvorsorge durch höhere Eigenkapitalanforderungen Stichwort Basel III abzuverlangen. Wir arbeiten derzeit daran, das risikogerechter auszugestalten und etwa wenig ausfallgefährdete Mittelstandskredite besser als Großkredite zu behandeln. Hier bin ich zuversichtlich. 6

Mit fehlen aber nach wie vor wirksame Maßnahmen, um die von systemrelevanten Instituten ausgehende Stabilitätsgefahr einzudämmen. Und ich kann auch keine tauglichen Vorschläge für eine wirksame Regulierung der Schattenbanken erkennen. Während kleine Institute überreguliert werden, bleiben die wirklich gefährlichen Felder der Finanzwirtschaft weithin unbehelligt. Das ist höchst unbefriedigend. Und überhaupt nicht zu gewinnen bin ich für Symbolpolitik unter dem wohlklingenden Begriff Bankenunion. Pläne dazu will die EU-Kommission am 11. September vorstellen. Sie versteht darunter einen gemeinsamen europäischen Restrukturierungsfonds, eine einheitliche europäische Bankenaufsicht und eine gemeinsame europäische Einlagensicherung. Es ist nicht falsch, einen Fonds zur Restrukturierung systemrelevanter Teile der Kreditwirtschaft zu unterhalten. Nur gibt es einen solchen in Deutschland bereits. Und ich sehe auch nicht recht ein, warum etwa Sparkassen durch Beiträge eine Art Lebensversicherung für systemrelevante Kreditinstitute finanzieren sollten. Schon heute haben besonders große und deshalb systemrelevante Kreditinstitute wegen der impliziten Staatshaftung bei langfristigen Anleihen Refinanzierungsvorteile von 60 bis 80 Basispunkten3. Das macht Milliardenvorteile aus. Deshalb sollten andere europäische Länder ebenso wie Deutschland solche Fonds aufbauen und dort die Beitragspflicht streng am systemischen Risiko der Institute orientieren. Zweitens wird über eine einheitliche europäische Aufsicht gesprochen. Der Grund dafür ist, dass es rund 25 Institute gibt, die für die Stabilität in ganz Europa und für die Steuerzahler in anderen europäischen Ländern eine Gefahr darstellen. Um diese sollte sich eine europäische Aufsicht durchaus auch bei der EZB angesiedelt kümmern. Ich kann aber nicht recht einsehen, warum daraufhin die EZB zur Mammutbehörde werden muss und die Aufsicht über 8.200 europäische Kreditinstitute führen sollte. 3 Weder di Mauro/Ueda, Quantifying Structural Subsidy Values for Systemically Important Financial Institutions, IMF Working Paper, May 2012 7

Und vollends in Wallung geraten Sparkassen und auch Genossenschaftsbanken, wenn eine gemeinsame europäische Einlagensicherung geplant wird. Sparkassen wie Genossenschaftsbanken haben funktionierende Sicherungssysteme. Wir vermeiden Einlagensicherungsfälle, indem Institute in Schieflage durch die Gemeinschaft gleichartiger Institute aufgefangen werden. Das bietet optimalen Kundenschutz. Und vor allem haben wir anders als andere in Europa Barmittel im Fonds. Eine einheitliche europäische Einlagensicherung würde dieses hohe Sicherungsniveau beeinträchtigen. Es geht manchen in Brüssel offensichtlich nicht um optimalen Kundenschutz, sondern ausschließlich darum, die für unsere Kunden bestimmten Sicherungsmittel anderweitig einzusetzen. Sie können sicher sein, dass Sparkassen und Genossenschaftsbanken dagegen mit vereinten, allen ihnen zur Verfügung stehenden Kräften kämpfen werden. III. Zusammenfassung Lassen Sie mich zusammenfassen: Europa und die Währungsunion haben eine überragende wirtschaftliche und politische Bedeutung für Deutschland. Es wäre politisch gefährlich und würde einen wirtschaftlichen Absturz bedeuten, dieses infrage zu stellen. Wir müssen zu einer Stabilitätsunion zurückkehren. Das erfordert auch von Deutschland Solidarleistungen. Diese sind aber deutlich besser investiert als Krisenmaßnahmen, die Instabilitäten in der Zukunft herbeiführen. Und im Finanzsektor kann es nicht darum gehen, die Soliden durch undifferenzierte Regulierungen, Vermögensverschiebungen oder Beschädigung der Wettbewerbsbedingungen für die Unsoliden büßen zu lassen. Die Politik muss die für die Volkswirtschaft zu großen, zu risikofreudigen und deshalb zu gefährlichen Institute scharf regulieren und notfalls auch zu Veränderungen zwingen. Darauf sollte sich Finanzmarktregulierung konzentrieren. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. 8