Das Eisenmangelsyndrom



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Transkript:

Das Eisenmangelsyndrom Diagnostik und Therapie In der Schweiz leiden wahrscheinlich eine Million Menschen an einem Eisenmangelsyndrom (Iron Deficiency Syndrome, IDS). Es handelt sich dabei um eine Vorstufe der Eisenmangelanämie (Iron Deficiency Anemia, IDA). Oft wird das IDS nicht erkannt, oder es M e r k s ä t z e Frauen im Menstruationsalter mit Eisenmangelsyndrom und erst recht solche mit Eisenmangelanämie sollen rasch aus der Problemzone geholt werden (Aufsättigungsphase). Eine anschliessende Prophylaxe (Erhaltungsphase) ist notwendig, um Rezidive zu vermeiden. wird falsch behandelt. Im Folgenden werden Pathophysiologie, klinische Relevanz und Therapie erläutert. Hypothese BEAT STEPHAN SCHAUB Die Mehrheit erschöpfter Frauen im Menstruationsalter leidet an einem Eisenmangel (Ferritin <50 ng/ml) bei einem normalen Hämoglobin. Neben der Erschöpfung wurden durch unsere Forschung noch andere Symptome entdeckt, die mit einem tiefen Ferritinwert korrelieren (s. nächstes Kapitel). Da sowohl die Erschöpfungszustände als auch die Begleitsymptome durch eine rasche Aufsättigung mit deutlich gebessert werden oder sogar verschwinden, kann die Kausalität zum tiefen Ferritinwert eindeutig hergestellt werden. Aufgrund dieser Erkenntnis scheint es notwendig, den heute noch gültigen unteren Normwert für Ferritin nach oben zu korrigieren, gemäss unserer Forschung auf mindestens 50 ng/ml. Nach der Analyse von 320 Behandlungsverläufen von Patientinnen mit einem IDS wurde von uns der Symptomkomplex als Eisenmangelsyndrom definiert. Das Eisenmangelsyndrom Das Eisenmangelsyndrom IDS ist ein Krankheitsbild, das vorwiegend bei Frauen im Menstruationsalter, aber auch oft bei Kindern und alten Menschen vorkommt. Beim IDS handelt es sich um die Vorstufe der Eisenmangelanämie IDA. Das Leitsymptom ist der physische und/oder psychische Erschöpfungszustand mit allgemein verminderter Belastbarkeit. Die Frauen sind oft energie- und lustlos, müde, antriebsarm oder sogar depressiv verstimmt. Zusätzlich können Konzentrationsstörungen, Nacken- und Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Schwindel und (bei schwerem Eisenmangel) Haarausfall auftreten (Abbildung 1). Diese Symptome traten in unserem Patientinnengut mit der angegebenen Häufigkeit in Prozent bei einem Eisenmangel (Ferritin < 50 ng/ml) auf, in der Regel Jahre vor dem Auftreten einer Anämie. Die meisten Patientinnen waren schon in ärztlicher Behandlung und erhielten oft Antidepressiva, Schmerzund Schlafmittel oder Verordnungen für eine Physiotherapie und selten Eisentabletten. Epidemiologie Das Eisenmangelsyndrom als Ursache für Erschöpfungszustände bei Frauen im Menstruationsalter ist gemäss unserer Forschung zehnmal häufiger als eine Hypothyreose und ein Mehrfaches häufiger als eine andere Krankheit wie Aids oder Krebs. Es handelt sich nach unseren Recherchen um die wahrscheinlich häufigste Krankheit überhaupt. Gemäss einer Forschung 18 ARS MEDICI 1 2006

DAS EISENMANGELSYNDROM Erschöpfung 1 0 20 40 60 80% Bei der Entwicklung eines Eisenmangels wird zwischen zwei Phasen unterschieden: Depressive Verstimmung Nackenschmerzen 3 Kopfschmerzen Schlafprobleme 5 Schwindel Konzentrationsstörung 7 Haarausfall Abbildung 1: Symptome des IDS bei Ferritinwerten unter 50 ng/ml Phase 1: Ferritinmangel (Eisenmangelsyndrom IDS) Bisherige Behandlung: keine oder symptomatisch (Antidepressiva, Schmerzmittel etc.) Empfohlene Behandlung: Phase 2: Eisenmangelbedingter Hämoglobinmangel (Eisenmangelanämie IDA) Bisherige Behandlung: meistens Eisentabletten, in schweren Fällen Empfohlene Behandlung: der Universität Münster sollen weltweit 1,5 Milliarden Menschen an einer Eisenmangelanämie IDA leiden. Wie viele leiden wohl unter einem Eisenmangelsyndrom IDS, der Vorstufe der IDA? In der Schweiz dürfte es mehr als eine Million betroffener Frauen geben. Dass insbesondere Frauen im Menstruationsalter an einem Eisenmangelsyndrom oder gar an einer Eisenmangelanämie leiden, erstaunt wegen des chronisch rezidivierenden Blutverlusts nicht. Mehr erstaunt wohl die Tatsache, dass viele Kinder sowie auch alte Menschen an einem Eisenmangel leiden. Da diese beiden Patientengruppen keine rezidivierenden Blutungen aufweisen, dürfte der Verdacht aufkommen, dass das durch die Nahrung aufgenommene Eisen für einen normalen Eisenstoffwechsel bei diesen Betroffenen nicht genügt. Pathophysiologie Es ist physiologisch, dass Frauen alle 28 Tage während etwa vier bis fünf Tagen bluten. Zusammengezählt blutet eine Frau während ihres Menstruationsalters während über fünf Jahren. Dies hat zur Folge, dass neben dem Blut- auch ein Eisenverlust stattfindet. Der menschliche Organismus verfügt über einen derart guten Kompensationsmechanismus, dass er trotz eines jahrelangen Eisenmangels in der Lage ist, den Hämoglobingehalt im normalen Bereich zu halten, Normwert 20 200 ng/ml Normwert 12 16 g/dl sodass die Sauerstoffversorgung im Gewebe garantiert ist. Nach der Menarche sinkt der Ferritinspiegel kontinuierlich ab. Das aus der Nahrung aufgenommene Eisen reicht nicht, um den menstruellen Eisenverlust zu kompensieren, sodass eine Negativbilanz entsteht. Unter einem Ferritinwert von 50 ng/ml beginnen in der Regel die Symptome eines Eisenmangels. Viele Frauen im Menstruationsalter weisen einen Ferritinwert um 20 ng/ml auf, sodass ein solcher Wert physiologisch zu sein scheint. Den Bereich zwischen dem physiologischen unteren Ferritinwert von 20 ng/ml und dem Ferritinwert von 50 ng/ml bezeichnen wir als Problemzone, weil Frauen in diesem Bereich meistens symptomatisch sind. Das Neue und Irritierende an unserer Entdeckung ist die Tatsache, dass wir «physiologische Zustände» behandeln. Abbildung 2 stellt den Ferritinverlauf von Frauen dar. Der Wert sinkt nach der Menarche und erholt sich meistens erst wieder nach der Menopause. Unsere Stichproben zeigen, dass Frauen Menarche: Menstruationsalter IDS IDA PROBLEMZONE { Ferritin Frauen Beginn des IDS bei Ferritinwerten unter 50 ng/ml Abbildung 2: Verlauf von Ferritin und Hämoglobin bei Frauen Ferritin Männer Hämoglobin Beginn der IDA bei Hämoglobinwerten unter 12 ng/ml ARS MEDICI 1 2006 19

im Alter von 60 Jahren etwa einen Ferritinwert um 70 ng/ml aufweisen und Frauen im Alter von 70 Jahren einen um 100 ng/ml. Im Gegensatz zum Ferritin bleibt der Hämoglobinwert meist noch während Jahren im Normbereich. Erst nach Versagen der Kompensationsmechanismen (bei leerem Eisenspeicher) entwickelt sich eine Anämie. Die Formel lautet: [(LTR + Transferrin) / 2] / log Ferritin Indikationskonzept bei Verdachtsdiagnose IDS: Diagnostik des Eisenmangelsyndroms IDS Die Verdachtsdiagnose kann aufgrund des Alters der Patientin (Menstruationsalter) sowie der Anamnese leicht gestellt werden. Der hier angebotene Clinical Score (CS) basiert auf der Häufigkeit der IDS-Symptome. Die Verdachtsdiagnose eines IDS bei einer Patientin im Menstruationsalter liegt bereits dann vor, wenn im Clinical Score ein Punkt erreicht wird (CS 1). Liegt gleichzeitig ein Ferritinwert von < 50 ng/ml vor, ist die Indikation für eine Behandlung mit gegeben. Selbstverständlich ist eine klinische Untersuchung notwendig, die bei Fehlen von pathologischen Befunden (z.b. Struma, palpable Lymphknoten, erhöhte BSR) die Verdachtsdiagnose unterstützt. Für besonders Interessierte soll hier angeführt sein, dass gemäss unserer Forschung neben dem Ferritinwert noch zwei andere Parameter die Bedeutung des Eisenmangels repräsentieren: das Transferrin und die löslichen Transferrin-Rezeptoren LTR. Die Dokumentation der drei Laborwerte (vorgenannte und Ferritin) ergab die Möglichkeit, eine Formel zu entwickeln, in denen alle drei Parameter implementiert sind. Es hat sich nämlich gezeigt, dass die LTR mit einer Verzögerung von einigen Monaten nach Beginn eines Eisenmangels (Ferritin< 50 ng/ ml) in den oberen Normwert anzusteigen beginnen. Der Transferrinwert steigt bei Ferritinmangel ebenfalls an, und zwar schneller als die LTR. Aus diesem Grund wurde neben den LTR auch das Transferrin in die Formel implementiert, dank welcher die Indikation für eine Eisensubstitution berechnet werden kann. Die Indikation ist gegeben, wenn der Formelwert bei 1,5 liegt. Erschöpfungszustände Auswertung: Falls vorhanden 1 und 2 Punkte: Depressive Verstimmung Mögliches IDS Konzentrationsstörungen Falls mind. 1 Kriterium erfüllt 3 Punkte Schlafstörungen Wahrscheinliches IDS Nackenschmerzen Kopfschmerzen 4 Punkte Falls mind. 1 Kriterium erfüllt Sehr wahrscheinliches IDS Schwindel Falls das Total mindestens Haarausfall 1 Punkt ergibt, sollte Nagelbrüchigkeit der Ferritinwert gemessen Falls mind. 1 Kriterium erfüllt werden. Bei einem Wert < 50 ng/ml ist eine Therapie Total Punkte mit indiziert. Abbildung 3: Clinical Score (Messkategorie gemäss J.P. Rothen) Clinical Score CS 1 Formel IDS 1,5 Clinical Score CS 1 Formel IDS 1,5 Clinical Score CS 1 Formel IDS 1,5 Clinical Score CS 1 Formel IDS 1,5 Therapie Indikation für Prophylaxe mit Eisentabletten nach Ausschluss einer anderen Krankheit (wenn Ferritin 100 ng/ml) keine Indikation Die Behandlung von Patientinnen mit einem Eisenmangelsyndrom kann innert zwei bis drei Wochen mit gutem Erfolg durchgeführt werden. Die bei uns berechnete Erfolgsquote bei der Behandlung von Erschöpfungszuständen liegt bei fast 80 Prozent, diejenige der Begleitsymptome zwischen 50 und 60 Prozent (Monitoring über 6 Monate). Die Verbesserung der physischen und psychischen Belastbarkeit, der Erschöpfungszustände sowie weiterer IDS-Symptome wird von den Patientinnen in der Regel innerhalb von vier Wochen festgestellt. Die Erfolgsquote der von uns mit Eisentabletten behandelten Patientinnen lag im Gegensatz dazu nur bei etwa 20 Prozent, sodass wir seit 2001 nur noch Behandlungen mit durchführen. Es werden zwei Therapiephasen des IDS unterschieden: Bei der Behandlung findet zunächst die schnelle Aufsättigung (Aufsättigungsphase = Therapie) über zwei bis drei Wochen statt. Anschliessend muss die Erhaltungsdosis (Erhaltungsphase = Prophylaxe) berechnet werden, damit ein Rezidiv vermieden werden kann. Die Anzahl notwendiger Ampullen für die Aufsättigungs- und Erhaltungsphase muss individuell berechnet werden. Wir haben für beide Therapiephasen ein Computerprogramm entwickelt, das die individuell notwendige Anzahl Ampullen für die Aufsättigungs- und Erhaltungsphase berechnet. Seit November bieten wir das Health-Banking (H-Banking) an, in welchem analog zum E-Banking Informationen direkt in die Internet-Datenbank eingegeben werden können. Auf dieser Plattform wird ein Calculator angeboten, mit dem die individuelle Anzahl notwendiger Eisenampullen berechnet werden kann. Zugang zu dieser Datenbank haben die ärztlichen Eisenzentren, welche die hier 20 ARS MEDICI 1 2006

DAS EISENMANGELSYNDROM Zusammenfassung In unserem Forschungs- und Dokumentationszentrum für Therapieerfolge in Binningen haben wir in den letzten vier Jahren bei 320 Patientinnen folgende Beobachtung gemacht: Die Mehrheit der Frauen im Menstruationsalter, die wegen körperlicher oder psychischer Erschöpfungszuständen unsere Hausarztpraxis aufsuchten, wies in der Blutuntersuchung einen Ferritinwert unter 50 ng/ml bei einem normalen Hämoglobin auf. Durch eine rasche intravenöse Aufsättigung mit innerhalb von zwei bis drei Wochen waren gegen 80 Prozent der Patientinnen beschwerdefrei oder fühlten sich zumindest deutlich besser als vor der Behandlung. Einige der behandelten Frauen erhielten in der Vergangenheit Eisentabletten über Monate oder gar Jahre: Die Mehrheit der mit Eisentabletten behandelten Patientinnen fühlte sich schlecht behandelt (ungenügende Wirksamkeit, oft schlechte Verträglichkeit). Menarche Problemzone Ferritin Abbildung 4a: Ferritinverlauf unter Menarche Problemzone Ferritin Abbildung 4b: Ferritinverlauf unter Eisentabletten Erhaltungstherapie Schnelle Aufsättigung mit Langsame Aufsättigung mit Eisentabletten beschriebene Diagnostik und Behandlung anbieten. In der Schweiz bestehen bis jetzt zehn ärztliche Eisenzentren, weitere in Europa sind im Aufbau. Die Abbildungen 4a und 4b widerspiegeln den Ferritinanstieg bei Eisensubstitution. Die Behandlung mit (schnelle und zuverlässige Aufsättigung) ist derjenigen mit Eisentabletten (langsame und oft ungenügende Aufsättigung) in jedem Fall überlegen. Schliesslich sind die Eisenspeicher durch in vier Wochen wieder gefüllt, was durch die Einnahme von Eisentabletten wenn überhaupt erst nach Monaten oder Jahren gelingt. Viele Patientinnen verlieren die Geduld (wegen fehlender Besserung des Wohlbefindens) oder brechen die Behandlung mit Eisentabletten wegen schlechter Verträglichkeit ab. Die Behandlung mit kostet etwa 500 Franken (über 2 bis 3 Wochen) im Vergleich zu Eisentabletten (ca. 200 Franken über 3 Monate). Das Kosten-Nutzen-Verhältnis (KNV) der Infusionstherapie ist wesentlich günstiger (0,8) als dasjenige der Tablettentherapien. Das KNV wird so berechnet: 10 x Kosten/Quadrat der Erfolgsquoten (nach 3 Monaten). Die Wirksamkeit der ist so gut, dass durch eine Behandlung mit Infusionen oft auf viele bisherige symptomatische Behandlungen verzichtet werden kann. Gleichzeitig werden die erfolgreich behandelten Frauen unter Einhaltung der individuell zu berechnenden Erhaltungsdosis weniger oft den Arzt besuchen, um unspezifische Symptome medikamentös zu unterdrücken. Die so genannten Folgekosten werden im günstigen Fall zu einem grossen Teil wegfallen. Wenn der Ferritinwert der Frauen während des Menstruationsalters zwischen 50 (evtl. 100) und 200 ng/ml liegt, haben wir künftig sehr wahrscheinlich weniger Patientinnen in dieser Altersgruppe. Frauen im Menstruationsalter mit gutem Wohlbefinden gehen selten zum Arzt. Diskussion Wie der Name des Syndroms aussagt, handelt es sich um einen Eisenmangel (Ferritin < 50 ng/ml), der die beschriebenen Symptome verursacht. Irritierend ist die Tatsache, dass der offizielle untere Normwert für Ferritin bei 20 ng/ml liegt, obwohl die Mehrheit der Frauen mit einem Ferritinwert unter 50 ng/ml an einem oder mehreren Symptomen eines Eisenmangels leidet. Ein Wert von 20 ng/ml ist bei menstruierenden Frauen zwar physiologisch, aber dennoch oft Ursache für das Auftreten von Symptomen. Aus dieser Sicht ist ein Wert von 20 ng/ml pathologisch, wenn eine Patientin unter Symptomen leidet. Genau wie bei einer physiologischen Osteoporose (die im Alter eben normal ist) wird der physiologische Zustand plötzlich als pathologisch (weil symptomatisch) betrachtet. Aus diesem Grund werden bei einer Osteoporose knochenstärkende Medikamente und beim IDS verabreicht. Die Erfahrung aufgrund der dokumentierten Therapieverläufe zeigt, dass sich Frauen nach der Aufsättigungsphase mit einem «männlichen» Ferritinwert von 150 bis 200 ng/ml signifikant besser fühlen als Frauen mit einem Ferritinwert unter 50 ng/ml. Da der offizielle Normwert für beide Geschlechter bei 200 ng/ml liegt, wäre vielleicht ein Wert von über 100 ng/ml auch für Frauen anzustreben. Die Erhaltung eines hohen Ferritinwertes nach einer erfolgreichen Aufsättigungsbehandlung gelingt durch, die in seltenen ARS MEDICI 1 2006 21

Intervallen notwendig sind. Ob allenfalls Eisentabletten zur Erhaltung eines hochnormalen Ferritinwertes genügen, wird durch eine spätere Erhebung evaluiert werden. Bei der ersten Analyse der epidemiologischen Daten hat sich herausgestellt, dass diverse Symptome häufiger vorkommen, je tiefer der Ferritinwert ist (z.b. Erschöpfung und depressive Verstimmung) und je älter die Patientinnen sind (z.b. Erschöpfung und Insomnie). Bis heute können wir allerdings noch keine standardisierten Korrelationen anbieten. Unsere Beobachtungen sind vorerst deskriptiv. Die Erfolgsquote der ist in unserer Erhebung derjenigen der Eisentabletten dermassen signifikant überlegen, dass wir zum Wohle der betroffenen, unerkannten und meist falsch behandelten Frauen das neu entdeckte Krankheitsbild als Eisenmangelsyndrom IDS Version 1.0 definieren. Gleichzeitig bieten wir ein neu entwickeltes Diagnostik- und Therapiekonzept an. Zur Qualitätskontrolle und vertieften Erforschung des IDS wurde «eurofer» entwickelt, eine Datenbank, die Behandlungsverläufe fortlaufend dokumentiert. Die Informationen können per Fragebogen oder via Internet (Health-Banking) übermittelt werden. So kann es durchaus sein, dass erstmals Hausärzte unter sich inmitten bedürftiger Patientinnen neue Guidelines entwickeln, die später von den Universitäten übernommen werden müssen, weil sie sich als richtig erwiesen haben. Schliesslich sind die Universitäten dies den Patientinnen und Hausärzten schuldig. Haben sie doch über Jahrzehnte einen unteren Normwert für Ferritin deklariert, der viele Frauen unnötigerweise leiden liess, weil sie ihr «Benzin» nicht erhielten, da der Ferritinwert ja «normal» und das Hämoglobin auch gut sei. Literaturhinweise: Unter www.euro-fer.net sind zahlreiche Publikationen einsehbar. Interessenkonflikte: keine Dr. med. Beat Schaub Facharzt für Innere Medizin Leiter des Forschungs- und Dokumentationszentrums für Therapieerfolge FDTE Hauptstrasse 28 4102 Binningen E-Mail: bschaub@magnet.ch Internet: www.euro-fer.net LESERZUSCHRIFT ZUM INTERVIEW «MEDIKAMENTE SIND UNWIRKSAM, DIE BETREUUNG IST DAS ENTSCHEIDENDE» in ARS MEDICI 22/06, Seite 1026 1029 Akupunktur nützt sehr wohl Ich schätze Ihre Zeitschrift sehr sie bringt informative, prägnante Artikel über Sachgebiete, die auch mich als Internistin mit ausschliesslicher Tätigkeit als TCM-Ärztin interessieren. In der Ausgabe vom 11. November haben Sie ein Interview mit Herrn Dr. Chr. Meyer über chronische tägliche Kopfschmerzen abgedruckt. Auf die Frage, wer denn für gewöhnlich Patienten mit chronischen Kopfschmerzen behandle, meinte Herr Kollege Meyer, dass dies «der Markt für die alternativ-medizinische Szene sei: Sie gehen zum Heiler oder Akupunkteur» doch «die alternativen Methoden helfen überhaupt nicht». Dies ist die Meinung des Präsidenten der Schweizerischen Kopfweh-Gesellschaft (SKG). Ich behandle seit rund 10 Jahren Patienten mit Migräne und Kopfschmerzen aller Art, auch Patienten mit chronischen Kopfschmerzen, mit Akupunktur und die Akupunktur, sachverständig und seriös ausgeführt, nützt sehr wohl: Die grosse Mehrheit der Patienten mit Migräne oder chronischen Kopfschmerzen leidet nach einer guten Akupunkturtherapie ganz klar deutlich weniger bis überhaupt nicht mehr unter ihren teilweise jahrelang erfolglos behandelten Kopfschmerzen die Behauptung von Herrn Kollege Meyer ist also alles andere als stichhaltig und richtig! Es ist schade, dass Ärzte auch in wichtigen Positionen, so wie Herr Kollege Meyer, immer noch alle alternativen medizinischen Heilmethoden in denselben Topf werfen mit einer unkritischen und unwissenschaftlichen oder unwissenden Haltung. Zumindest der Akupunktur in der Behandlung von Migräne und Kopfschmerzen wird man dabei nicht gerecht! Dr. med. Anita Meyer-Merlitschek Innere Medizin FMH, Akupunktur TCM ASDA 8500 Frauenfeld, E-Mail: anita.meyer@hin.ch LESERMEINUNG 22 ARS MEDICI 1 2006