Nika Grigorian. Deutsche Presse in St. Petersburg



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Transkript:

Nika Grigorian Deutsche Presse in St. Petersburg St. Petersburg war immer multinational. Seit seiner Gründung resorbierte es die Merkmale fast aller europäischen Kulturen. Unter Peter I. kamen Siedler aus ganz Europa in der Stadt an der Newa an. Es ist kein Geheimnis, dass die Mehrheit der Einwanderer Deutsche waren. Der Zar führte eine spezielle Politik für ausländische Unternehmer, Handwerker, Wissenschaftler für all jene, die die notwendige intellektuelle und wirtschaftliche Umgebung für die Entwicklung Russlands schaffen konnten. Zu dieser Zeit kam erstmals eine deutsche Presse in St. Petersburg auf. Im Prozess der Eingliederung einer immigrierten nationalen Minderheit gewinnt deren Presse an beträchtlicher Bedeutung. Sie kann die Akklimatisierung des Volkes erleichtern, wenn sie die Aufgabe übernimmt, die Zugewanderten mit dem Einwanderungsland vertraut zu machen. Durch sie wissen ausländische Bürger, wie das Leben im Einwanderungsland funktioniert, und dadurch fühlen sie sich beteiligt an diesem Leben. Aber das ist nicht ihr einziges Ziel: Die Presse kann sich bemühen, als ein Bindeglied zwischen den Auswanderern und ihrer alten Heimat zu fungieren; sie kann helfen, die emotionale Zerrissenheit zu überwinden. Die Frage, die ich in meinem Essay beantworten werde, ist: Welche Rolle spielte die Presse der deutschen Siedler war sie ein wichtiger Hebel im Integrationsprozess oder führte sie die deutsche Diaspora eher in eine nationale Isolation? Das 18. Fenster zur Welt Wie bereits erwähnt, entstand die deutsche Presse in Russland als Ergebnis der Reformen von Peter I. Während seiner Reise ins Ausland (1695-1697) machte sich der russische Zar mit verschiedenen europäischen Innovationen, darunter mit dem Buchdruck, bekannt. In kurzer Zeit wurde dieser Wirtschaftssektor von den Zugewanderten monopolisiert. Die Ursache dafür war der Mangel am dritten Stand, an persönlich und wirtschaftlich freien Menschen im Russland dieser Zeit. Zu jener Zeit war diese Nische in der Gesellschaft von Ausländern besetzt, deren Eintrag vom Zar gefördert wurde. Mit

Verlagswesen und Buchdruckerei beschäftigten sich hauptsächlich die Deutschen. Es ist interessant, dass sich diese Situation in der russischen Sprache auch festgesetzt hat: Terminologie des Druck-, Verlags- und Zeitungswesen ist eine Transliteration aus dem Deutschen. Im Jahre 1702 erschien die erste russische Zeitung Ведомости, die später in Санкт- Петербургские Ведомости umbenannt wurde. Die Akademie der Wissenschaften veröffentlichte diese Zeitung. Im Jahre 1727 trat die erste Zeitung in deutscher Sprache St. Petersburgische Zeitung auf, die von der Akademie der Wissenschaften initiiert worden ist. Ihr erster Redakteur war der berühmte Reisende und Entdecker Gerhard Friedrich Miller. Es ist wichtig zu erwähnen, dass diese Zeitung einen Impuls für die Bildung einer nationalen Gemeinschaft der Deutschen in St. Petersburg und später in ganz Russland gab. Mit dem Erscheinen der St. Petersburgische Zeitung setzte eine neue Phase in der russischen Presse ein, und es bildete sich eine deutsche Leserschaft in der Hauptstadt des Russischen Reiches. Lange war die St. Petersburgische Zeitung das einzige deutschsprachige Medium in Russland. Die Zeitung entspricht allerdings nicht unserem heutigen Verständnis von Journalismus. Die Artikel beruhten auf offiziellen Meldungen, einige wurden aus der Санкт-Петербургские Ведомости oder aus ausländischen Zeitungen geliehen. Selbstverständlich schrieben auch die eigenen Korrespondenten Beiträge. Einen großen Teil der Zeitung besetzten Kleinanzeigen von Privatpersonen und Institutionen, Informationen von der Akademie der Wissenschaften über gedruckte Bücher, Ankündigungen von Theateraufführungen, Nachrichten des Valutakurses. Die Zeitung hatte auch eine Vielzahl von Beilagen; zum Beispiel war eine Beilage ein Wörterbuch, in dem unbekannte Wörter mit einem Verweis auf die Ausgabennummer standen: Anmerkungen über die Zeitungen (1729-1742). Bis 1831 wurde die Zeitung nur einmal pro Woche herausgegeben, danach erschien sie täglich. Aber Miller war nicht nur der Verleger der St. Petersburgische Zeitung. Ein weiteres seiner bekanntesten Werke ist das Magazin Sammlung der russischen Geschichte. Mit einer Unterbrechung von 1737 bis 1758 veröffentlichte er bis 1764 neun Bände, die aus verschiedenen Artikeln auf Deutsch bestanden. Von der zweiten bis zur sechsten Zeitungsausgabe wurde Millers Geschichte Sibiriens, ein umfangreiches

Forschungsprojekt, in fünf Folgen veröffentlicht. 1776 erschien das St. Petersburgische Journal, das von S. G. Arnd redigiert wurde. Interessant ist, dass in jeder Ausgabe des Magazins historische Seiten vorkamen. Das Magazin veröffentlichte zudem offizielle Meldungen, die ins Deutsche übersetzt wurden, und Listen der neuen Bücher aus St. Petersburg. Viele weitere deutsche Magazine u. a. Journal von Russland, Russische Bibliothek, zur Kenntnis des gegenwärtigen Zustandes der Literatur in Russland, Das englische Wochenblatt, Der Beobachter. Eine Periodische Schrift Fell Denker tauchten im St. Petersburg des 18. Jahrhunderts auf. Der Zeitraum der anfänglichen Bildung der deutschen Presse in Russland, als die Anhäufung von Informations- und Geistespotential für ihr schnelles Wachstum erfolgte, wurde durch die Politik der russischen Regierung bestimmt. Diese Politik orientierte sich an der Gewinnung und Förderung der Einwanderer aus Europa. Während der Regierungszeit von Katharina II. hatten die Deutschen erhebliche Vorteile, was die Gründung von Druckereien im Russischen Reich betraf. Die größte Druckerei (die Druckerei von Akademie der Wissenschaften) hatte nicht nur eine russische, sondern auch eine deutsche Abteilung. Zu dieser Zeit wurde eine der wichtigsten Traditionen der deutschen Presse gelegt: die Tradition der sogenannten staudigen Entwicklung. Einfach gesagt: Die Presse zielte auf lokale Gruppen der lesenden Deutschen; Ziel war aber auch, eine Vorstellung von dem, was im Land passiert, zu vermitteln. Es ist wichtig zu verstehen, dass zu dieser Zeit die Presse keine deutliche nationale Richtwirkung hatte. Ihre Informationspolitik strebte nicht danach, irgendwelche speziellen Bedürfnisse von St. Petersburger Deutschen auszudrücken und die nationale Kultur zu erhalten. Vielmehr war sie einfach eine Art von Vermittler zwischen den russischen Behörden und Zuwanderern aus den deutschen Fürstentümern. Die 19. Dämmerung Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann die deutsche Journalistik, sich vorwärts zu bewegen. Wenn frühere Geschichten in einem Block präsentiert wurden und ohne Titel begonnen hatten, konnte man jetzt Vermerke, Berichte, Artikel und Briefe, Essays und Reporte finden. Die Titelkultur entwickelte sich: Früher hatte man nur auf die Informationsquelle hingewiesen, später war der Titel von Bedeutung und half dem Leser, sich besser zurechtzufinden.

Die deutsche Presse, die schon fast gebildet war, verbreitete sich in dem gesamten Russischen Reich, aber das Zentrum blieb in St. Petersburg. Es ist interessant, dass bis Ende des 19. Jahrhunderts die Deutschen alle anderen nicht-russischen Bürger in der Stadt an Zahl übertrafen. Die deutschen Experten waren in Russland hoch geschätzt. Sie hatten eine längere Zeit lang in vielen Bereichen eine führende Position in Europa. Vor allem im Buchwesen fungierten sie als Benchmark. Viele Deutsche wollten in St. Petersburg ihre eigenen Verlags- und Buchhandels-Unternehmen, die sich nach dem breiten russischsprachigen Publikum orientierten, eröffnen. Einige der Deutschen, wie Karl Marx, waren große russische Verleger. Allerdings zerstreute sich die deutsche Minderheit nicht in dem russischsprachigen Umfeld: Die Deutschen besiedelten kompakt die Innenstadt von St. Petersburg (in der Kasanskajastraße und der Wassiljewskij Insel). Es mag vielleicht heute überraschen, doch viele beherrschten nicht die Sprache ihrer neuen Heimat, die deutsche Sprache war ihre Kommunikationssprache. Damals begannen die Deutschen soziale Institutionen, die den nationalen Interessen der Diaspora entsprachen, zu schaffen: Schulen, Vereine, Gesellschaften usw. Mit dem Wachstum der deutschen Gemeinde wuchs die Zahl von Zeitschriften. Die deutsche Presse wurde im 19. Jahrhundert sehr vielfältig und interessant. Sie begann den Interessen der Diaspora zu entsprechen und behandelte neben politischen auch kulturelle, berufliche und religiöse Themen. Die bekannten Fachzeitschriften der Deutschen zu dieser Zeit waren: St. Petersburgische Handels-Zeitung, St. Petersburgische kaiserlich privilegierte Zeitung, Medizinische Zeitung Russland, Sonntags-Blatt für Musik und Annoncen, Musik-Zeitung Russland, Turn-Zeitung. Die religiösen Interessen drückte das St. Petersburgische evangelisches Sonntagsblatt aus. Man gab auch die Hefte von sozio-politischen Zeitungen heraus, aber sie waren nicht so langlebig: Deutsche Blätter für Russland. Politik, Unterhaltung und Neuigkeiten, Nordische Presse. Die wichtigste Zeitung war allerdings immer noch die St. Petersburgische Zeitung, die seit dem Jahr 1831 täglich erschien. Die Zeitung hielt sich etwa zwei Jahrhunderte wegen ihrer Pro-Regierungs-Orientierung über Wasser, so zumindest wird vermutet. Wie bereits erwähnt, gab die Druckerei der Akademie der Wissenschaften die Zeitung im 18. Jahrhundert heraus; im Jahre 1874 wurde sie Eigentum des Ministeriums für Bildung, danach übergab das Ministerium die Zeitung dem Herausgeber und Verleger P. K.

Kugelgen. Er und seine Söhne gaben die Zeitung bis zur Schließung des Zeitungsverlages im Jahre 1914 heraus. Der Inhalt der Zeitung hatte in dieser Zeitspanne einen großen Sprung nach vorne gemacht: Man veröffentlichte nicht offizielle Materialien, die Regierungsthemen behandelten, die St. Petersburgische Zeitung begann, über das politische Geschehen in Russland und im Ausland zu schreiben, Nachrichten aus Wissenschaft, Technik und Kultur sowie Rezensionen und bibliografische Bewertungen zu publizieren. So kam es, dass die St. Petersburgische Zeitung lange Zeit keine Konkurrenz hatte. Im Jahre 1876 erschien eine neue Tageszeitung der St. Petersburger Herold. Der erste Redakteur der Zeitung war E. Schmidt. Der Gründer, später der Chefredakteur war F. Gazellius. Diese neue Zeitung stellte so etwas wie ein Gegengewicht zur St. Petersburgische Zeitung dar. Viele Nachschlagebücher über die Geschichte der deutschen Siedlungen in St. Petersburg erklären, dass sich die St. Peterburgische Zeitung zu einem großen Teil den Interessen der gebildeten Schicht der Deutschen widmeten, der St. Petersburgische Herold hingegen richtete sich eher an die Mittelschicht. Aber was genau verstehen Historiker unter der Mittelschicht und gab es sie überhaupt im Russland des 19. Jahrhunderts? Ich glaube nicht. Meiner Meinung nach bestand der Hauptunterschied zwischen diesen beiden Zeitungen darin, dass der Herold" den Lesern viel näher war. Vermutlich gelang es ihm deshalb, die St. Peterburgische Zeitung was die Zahl der Abonnenten anging zu überholen. 1915 dekretierte man das Verbot der deutschsprachigen Periodika im gesamten Russischen Reich. Die 20. Unterbrechung Die Geschichte der deutschen Periodika im Russischen Reich endete während des Ersten Weltkriegs. Man begann mit dem Verfahren der Schließung der deutschen Unternehmen und Institutionen, einschließlich derjenigen im Bereich der Publizistik. Einigen Quellen zufolge wurden zwei der beliebtesten deutschen Zeitungen im August 1914 verboten: St. Petersburgische Zeitung und St. Peterburger Herold. Aber das Verbot dauerte nicht lange nur bis 1917. Die Zeitungen waren jedoch mit der Machtübernahme der Sowjetregierung einer strengen Zensur unterworden. Auch hatten sie eher eine Propaganda- als eine aufklärerische Funktion. Die Presse wurde in hauptstädtische (Moskau) und regionale geteilt. Demnach wurde es nach 1917 schwierig, über die Entwicklung des deutschen Journalismus in St. Petersburg zu sprechen.

Seit Beginn des Jahres 1990 veränderte sich der deutsche Zeitungsdruck und die Zeitungen erklärten ihre Unabhängigkeit von den Parteiorganen. Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes Über die Massenmedien im Jahre 1991 gibt es viele neue deutsche Zeitungen in Russland, auch in St. Petersburg. Die 21. Neubelebung Zwei Zeitungen gibt es auch heute noch für den deutschen Leser in St. Petersburg. Die beiden Zeitungen heißen, das ist nicht schwer zu erraten, St. Petersburgische Zeitung und des St. Petersburger Herold. Die St. Petersburgische Zeitung erschien in den 1990er Jahren wieder, dank einer kleinen Gruppe von Menschen, die sich um den Redakteur Juri Kotscherewsky versammelte. Die Zeitung war von guter Qualität; man druckte auf ihren Seiten Berichte, die die deutsche Gemeinde in St. Petersburg interessierten. Sie wurde in deutschen Unternehmen und dem deutschen Konsulat verteilt. In einem Gespräch mit Yuri Kotscherewsky erfuhr ich, dass die Zeitung aufgrund fehlender Mittel eingestellt werden musste. Die Zeitung verfügt noch über eine Website im Internet, wo seit geraumer Zeit, Online-Format der Zeitung angekündigt wird. Doch leider ist bislang nichts passiert. Die Journalisten Eugen von Arb und Marcus Wheeler begriffen rechtzeitig, dass die Ära der Print-Medien zu Ende war. Sie beschlossen, eine neue deutsche Zeitung in einem Online-Format zu veröffentlichen. Unter dem bekannten Titel St. Petersburger Herold erstand 2008 ihre neue deutsche Online-Zeitung, die sich bis heute an moderne Technik und Standards der Darstellung von Informationen hält. Eine der wichtigsten Innovationen, wie auf der Website der Zeitung behauptet wird, ist: den Leser in den Prozess einzubeziehen. Der St. Petersburger Herold veröffentlicht Artikel von Lesern, die sich mit relevanten und interessanten Themen beschäftigen. Die Informationen bezieht die Redaktion aus unterschiedlichen Quellen, so der Herausgeber Eugen von Arb. Ein Informationsportal wie RIA Nachrichten ist für die Online-Zeitung unentbehrlich, trotzdem schreibt der Herausgeber lieber darüber, was er mit seinen eigenen Augen sieht. Für ihn ist dies der sicherste Weg, um dem Leser zuverlässige und präzise Informationen zu vermitteln.

Die Redaktion von St. Petersburger Herold besteht nur aus zwei Personen: dem Herausgeber und seinem Kollegen Marcus Wheeler. Die Zeitung verdankt sich dem Idealismus der beiden Journalisten. Sie wird von niemandem finanziert, hält sich bislang aber selbstbewusst über Wasser. Auf meine Frage, welche Pläne die Zeitung in Zukunft verfolgen wird, antwortete Eugen von Arb, er habe gegen eine gedruckte Version der Zeitung nichts einzuwenden, doch bestehe dafür besonderes Bedürfnis das Papier werde von Jahr zu Jahr teurer und schließlich fühlten sich immer mehr Leser im Netz zuhause, also reiche ein elektronische Version der Zeitung durchaus. Einmal im Monat veröffentlicht von Arb alle wichtigen Ereignisse in einer printfähigen Zeitung, deren PDF- Format sich jeder herunterladen kann. Die Zeitung ist also zum Druck bereit, aber braucht sie der moderne Leser? Heute wird die Zeitung von den meisten deutschen Touristen in St. Petersburg gelesen. Doch sind die Zeiten des 18. Jahrhunderts vorbei, und fast alle Deutschen, die in Russland leben, versuchen, Russisch zu lernen. Daher können sie auch die russische Presse lesen. Die wichtigsten Fakten, um ein allgemeines Bild von der deutschen Presse in St. Petersburg zu erhalten, habe ich in meinem Essay zusammengetragen. Zusammenfassend kann gesagt werden: Im 18. und 19. Jahrhundert bildete die deutsche Minderheit ein geschlossene Gesellschaft die Notwendigkeit, Russisch zu lernen, gab es nicht. Die deutsche Minderheit wurde von der russischen Politik gefördert. Daher isolierte die deutsche Presse ihre Leser und entwickelte sich nur in einem bestimmten Kreis der deutschen Diaspora. Im Laufe der Zeit hat sich die Situation geändert. Heute schreibt die deutsche Presse in St. Petersburg über politische und kulturelle Veranstaltungen weltweit sowie über interessanten Veranstaltungen der Stadt. Es wird aber für alle Zeitungen auch dem St. Petersburger Herold immer schwerer, in der modernen Strömung der wohlfeilen Information zu überleben. Der Herold ist eine Lokalzeitung und das ist seine Einzigartigkeit. Die Einzigartigkeit könnte ihm sein Überleben ermöglichen. Sie ist der Garant für die zukünftige Entwicklung. Schriftenverzeichnis: 1. Иларионова Т.С. Печать российских немцев. Опыт исторического анализа, Москва, 1992;

2. Немцы в России: сборник статей. Спб, 1998-2001; 3. Торгово-издательская фирма Г.Шмидцорфа: Библиографический указатель книг и периодических изданий на русском, немецком и французском языках. Спб, 2000; 4. Шрадер Т.А. Правовая и культурная адаптация немецких колонистов в петербургской губернии в пореформенное время // Петербург и губерния: Ист.-этногр. исследования. Л, 1989; 5. Владимирова С.С. Книжная культура Европы в освещении "Санкт-Петерсбургер Цайтунг" // Проблемы интенсивного обучения русского языка как иностранного: Сб. тез. междунар. науч.- метод. конф., 2-4 июня 1993 г. - СПб, 1993. - С.117-119. - (Герценовские чтения.); 6. Минина А.Н."Санкт-Петербургские ведомости" в 1728-1738 годах // Исследования молодых ученых по отечественной истории: [Сб.] /Тамбов. гос. ун-т им. Г.Р.Державина. - Тамбов, 1998. - С.101-105; 7. Триста лет отечественной журналистики (1702-2002) / Б. И. Есин, И. В. Кузнецов. - М. : Изд-во Моск. Ун-та, 2002; 8.Немцы в России = Die deutschen in Russland :Петерб. немцы : [Сб. ст. / Семинар "Немцы в России. Рус.-нем. науч. и культ. Связи" ; 9. Немцы в России / [подгот. Е.В. Бахмутской и др.; ред.: А.Н. Чистиков]. - [Изд. 2-е]. - Санкт-Петербург : Лики России, 2012; 10. M. Busch. Deutsche in St. Petersburg 1865-1914, 1995. Bd.6//Heinrich-Heine- Universität. Institut für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa. (Düsseldorf ); 11. St.Petersburgische Zeitung, St.Petersburger Herold; 12. http://www.petersburgische.de/stpz/skoro.htm;