MicroRNAs Eine schnelle Karriere: von der wurm-spezifischen Besonderheit zum hoffnungsvollen Ziel neuer Therapien



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Transkript:

Arbeitsgruppe: Molekulare Onkologie Forschungs-Projekt: MicroRNAs bei Leukämien Cand. rer. nat. Katrin Fleischmann, PD Dr. med. Irene Schmid und Prof. Dr. Adelbert Roscher MicroRNAs Eine schnelle Karriere: von der wurm-spezifischen Besonderheit zum hoffnungsvollen Ziel neuer Therapien Kurzbeschreibung: Dieses Projekt dient dazu micrornas zu identifizieren, die bei der Entstehung der akuten myeloischen Leukämie mit Fusionsgen MLL-AF9 beteiligt sind. Anhand dieser Erkenntnisse sollen neue Therapieansätze für die Behandlung dieser Patienten gefunden werden. Mitte der 1990er Jahre wurde eine völlig neue Art und Weise entdeckt, wie Gene in Zellen und Organismen reguliert werden: über micrornas. Als die erste microrna 1993 in dem Fachjournal Cell im Zusammenhang mit der Entwicklung des Fadenwurms C. elegans beschrieben wurde, betrachtete man sie als eine interessante - aber vermutlich wurmspezifische - Besonderheit 1 2. Erst ab dem Jahr 2001 wurde erkannt, dass dieser Regulationsmechanismus weit verbreitet ist und alle höheren Organismen, aber auch Viren, micrornas zur Genregulation benutzten 3 1. Wie in Abbildung 1 gezeigt, produziert ein aktives Gen über ein Zwischenprodukt (die Boten- oder messenger RNA) ein spezifisches Protein (die sogenannte Proteinbiosynthese). Alle Genprodukte / Proteine bestimmen gemeinsam den Phänotyp (das Erscheinungsbild) der Zelle und sind damit aufschlussreich über den Zustand der Zelle: Z.B. wird eine Krebszelle Proteine in anderen Mengenverhältnissen besitzen als eine gesunde Zelle). Proteine sind allerdings deutlich schwieriger zu messen als ihre Vorläufer, die messenger RNAs. Deshalb werden heutzutage moderne Methoden genutzt, mit denen man die vorliegende Menge aller messenger RNAs bestimmen und damit die Gesamtheit aller Proteine abschätzen kann (sogenannte Genexpressionsstudien). MicroRNAs greifen nun in den Prozess der Proteinbiosynthese ein und verhindern über komplementäre Bindung an eine messenger RNA die Produktion des entsprechenden Proteins. Da die Bindungsstelle der microrna nicht perfekt komplementär zur messenger RNA sein muss also unpassende Stellen vorkommen - reguliert eine einzelne microrna die Aktivität von etwa 100 verschiedenen Genen 4. Von dieser Vielzahl an möglichen Gen-microRNA-Interaktionen sind bis heute nur ein kleiner Teil experimentell validiert, so dass es über die spezifische Wirkung einzelner micrornas noch viel aufzuklären gilt. Abb. 1 Die Proteinbiosynthese: Nach Anleitung eines Gens (in Form von DNA vorliegend) wird eine messenger RNA produziert. Diese dient als Vorlage zur Produktion eines Proteins, das mit Hilfe von Ribosomen synthetisiert wird. Herkunft und Wirkung von micrornas: MicroRNAs werden ebenso wie messenger RNAs von ihren entsprechenden Genen abgeschrieben und werden über weitere Schritte zu reifen micrornas prozessiert. Innerhalb des Proteinkomplexes RISC binden sie an passende messenger RNAs und bauen diese ab und / oder führen zur Hemmung der Proteinproduktion. 1

MicroRNAs sind bedeutende Regulatoren in praktisch allen wichtigen Lebensvorgängen: wie z.b. die normale Entwicklung, Zellhomeostase (Konstanterhaltung eines inneren Milieus), Zellwachstum, Zelldifferenzierung und Zelltod und auch in der Pathogenese (Krankheitsentstehung) vieler Erkrankungen 1,5. Neue Studien weisen darauf hin, dass die Genregulation über micrornas bei vielen Arten von Krebs eine Rolle spielt 6. So wurden veränderte microrna-profile (die Mengen aller gemessenen micrornas ergibt ein Profil ) auch bei Leukämien erkannt, die jeden Subtyp charakterisieren, darunter auch Leukämien mit einer bestimmten genetischen Veränderung, den MLL-Rearrangements 7. Die Funktion dieser micrornas kann zum Beispiel das an- und abschalten von Genen betreffen, die dafür zuständig sind, dass geschädigte Zellen Selbstmord (Apoptose) begehen und sich nicht weiter vermehren, oder sich Zellen nur begrenzt und wenn nötig teilen. Sind diese regulatorischen micrornas in zu hoher oder zu niedriger Menge in einer Zelle vorhanden, so funktioniert auch die Zelle nicht mehr so wie sie sollte und kann sich z.b. immer weiter vermehren. Im Falle des Hepatozellulären Karzinoms konnte gezeigt werden, das die Korrektur einer zu niedrig vorhandenen microrna im Mausmodell zur Hemmung des Krebszellwachstums, zur Induktion des tumorspezifischen Zelltods und zum Schutz vor dem Fortschreiten der Erkrankung führte - und das ohne toxische (giftige) Nebenwirkungen 8. Die erste klinische Studie (am Menschen), die eine Hemmung einer microrna verwendet, wurde 2008 initiiert und betrifft die Behandlung von Hepatitis C 9. Zielsetzung der Untersuchungen Viele Leukämien gehen auf charakteristische Veränderungen der Erbsubstanz (DNA), wie zum Beispiel die sog. MLL-Translokationen, zurück. Hierbei kommt es zu Brüchen und zur anschließenden Fusion von zwei DNA- Abschnitten (= Translokation). Dadurch werden zwei Gene, die jeweils die Information für ein bestimmtes Protein tragen, geteilt und so miteinander verschmolzen, dass neue, in gesunden Zellen nicht vorkommende Fusions- Proteine entstehen. Vielfach wurde die Assoziation sowie die Kausalität dieser Translokationen für die Entstehung von Leukämien beschrieben. Die MLL-AF9 Translokation Als Modell, wie diese Translokationen zu einer Leukämie führen können, beschäftigen wir uns mit der, bei akuter myeloischer Leukämie (AML) sehr häufig vorkommenden, Translokation zwischen Chromosom 11 und 9. Aus dieser resultiert die Fusion der Gene MLL und AF9 (also MLL-AF9). Bekannt ist bereits, dass MLL-AF9 in Blut- Vorläuferzellen eingebracht und in Mäuse transplantiert zu der Entwicklung einer AML führt, was dessen Kausalität für die Entstehung der Leukämie belegt 10-13. Durch Genexpressionsstudien von Patientenproben sowie von in vitro Labor-Versuchen ist auch bekannt, das die Aktivität einiger Gene (z.b. HOXA-Gene) durch MLL-AF9 erhöht wird, was zu dem bösartigen Phänotyp beiträgt 14. Der exakte Mechanismus, wie MLL-AF9 Leukämie auslöst ist, jedoch bis heute größtenteils unbekannt. Wir postulieren, dass diese Effekte des Fusionsproteins zum Teil über micrornas vermittelt werden. Transkriptionsfaktoren (Proteine, die die Aktivität von Genen regulieren) sind therapeutisch nur schwer angreifbar, während micrornas als sehr vielversprechende Zielmoleküle für neue Therapien angesehen werden 15. Des Weiteren könnten relevante micrornas für die Prognose und Therapie- Entscheidung zukünftig eine Rolle spielen. Eigene Vorarbeiten Im Rahmen meiner Doktorarbeit am Dr. von Haunerschen Kinderspital über ein Stipendium des Graduiertenkollegs 1202 (Oligonukleotide in Zellbiologie und Therapie) habe ich an der Beteiligung von micrornas bei der Entstehung von AML durch das Fusionsprotein MLL-AF9 geforscht. Dazu wurde das in vitro Modell der Zelllinie THP1 verwendet. Diese MLL-AF9-tragenden Zellen stammen von einem 1-jährigen Jungen mit akuter myeloischer Leukämie des monoblastären Subtyps (French-American-British (FAB) Klassifikation: M5). Dieser Fall ist sowohl im Subtyp als auch im frühen Auftreten der Leukämie sehr charakteristisch für die MLL-AF9 Translokation und macht damit THP1 Zellen zu einem idealen Zellkultur-Modell. 2

Versuchsaufbau Um den genregulatorischen Effekt des MLL-AF9 Proteins auf die Zellen zu untersuchen, haben wir uns der Methode der RNA-Interferenz bedient und durch das Einbringen von sirna das fusionierte MLL-AF9-Gen weitgehend ausgeschaltet ( knockdown ): Diese Technik bedient sich des zelleigenen microrna Mechanismus, indem synthetisch hergestellte, künstliche micrornas so gestaltet werden, dass sie eine ganz bestimmte messenger RNA (und damit Gen) als Ziel haben. Diese kleinen RNAs werden small interfering RNAs (sirnas) genannt. Durch sie wird die Proteinproduktion des Zielgens spezifisch herabreguliert. Um diese sirnas in den THP1 Zellen gegen das MLL-AF9 Gen einsetzen zu können, musste zuerst eine effiziente Methode für das Einbringen von sirnas in diese Zellen gefunden werden, was das Testen einer Reihe von Methoden mit sich brachte. Unter diesen wurde eine sehr effektive ausgewählt, die zusätzlich sehr schonend für die Zellen war. Eine besondere Herausforderung stellte die Auswahl der sirnas dar, da neben der Einhaltung bestimmter Design-Vorgaben für eine effektive sirna in diesem Fall zusätzlich eine ganz bestimmte Region des Gens getroffen werden musste nämlich die Stelle an der MLL und AF9 aneinandergrenzen. Dies ist nötig, da sowohl von MLL als auch von AF9 noch eine zweite, gesunde Kopie (das wildtyp Allel) vorhanden ist und diese Gene auch aktiv sind. Würde man nun die sirna nicht spezifisch gegen den Fusionspunkt richten, würden auch diese Gene herabreguliert. Die Effektivität und Spezifität von sechs verschiedenen, so gestalteten sirnas wurde getestet, es wurden zwei sehr effektive sirnas gefunden und diese im weitern Verlauf benutzt. Hiermit konnten nun also Zellen mit weitgehend stillgelegtem MLL-AF9 Protein mit den MLL-AF9 produzierenden Zellen verglichen werden. Allerdings musste der Versuchsablauf optimiert werden: zum einen führt MLL-AF9 über sogenannte epigenetische Mechanismen zu veränderten Aktivitäten seiner Zielgene. Hier werden bestimmte chemische Signalmoleküle an die DNA des Gens angehängt, die aktivierende oder inaktivierende Wirkung auf das Gen haben. Da diese Markierungen hauptsächlich über Zellteilungen abgebaut werden, dauert es eine beträchtliche Zeit bis Veränderungen auf dieser Ebene zu Veränderungen in der Menge der Genprodukte führten. Daher musste für die Experimente ein Ablauf über mehrere Tage gewählt werden, was zu der Notwenigkeit führte, die Zellen mehrmals mit sirnas zu behandeln. Zum anderen mussten die Kulturbedingungen optimiert werden, da das normalerweise in relativ hoher Menge (10%) zugegebene fötale Kälberserum zu einer starken Anregung der Proliferation (Zellwachstum) führt. Dies ist über eine Vielzahl von zellulären Mechanismen vermittelt, worunter auch der microrna Signalweg ist. Eine starke Aktivierung dieser Mechanismen durch das fötale Kälberserum könnte somit Effekte des Versuchs überdecken. Schlussendlich wurde ein Versuchsaufbau etabliert, in dem MLL-AF9 über 8 Tage kontinuierlich herabreguliert werden konnte und an den letzten drei Tagen des Versuchs die Zellen in ein Medium mit stark reduziertem Serum gegeben wurden. Aktuelle Ergebnisse Aus diesen Proben von Zellen mit stark erniedrigtem MLL-AF9 Protein und dazugehörigen Kontroll-Proben wurde RNA isoliert und diese für die Bestimmung eines microrna Profils eingesetzt. Mittels eines Hochdurchsatzverfahrens wurde die Menge von 667 micrornas bestimmt und darunter 37 micrornas als dereguliert erkannt. Über quantitative real-time PCR konnte die veränderte Menge von 3 dieser micrornas in weiteren Experimenten bestätigt werden. Die am stärksten veränderte dieser drei micrornas sollte nun zuerst funktionell weiter untersucht werden. Wenn man die Zellen mittels einer Chemikalie (PMA) zur Differenzierung (Weiterentwicklung von einer unreifen zu einer reifen, funktionstüchtigen Blutzelle) bringt, fand sich diese microrna in differenzierten Zellen in signifikant größerer Menge. Dies deutet auf eine Aufgabe dieser microrna innerhalb der Differenzierung von Monoblasten hin zu reifen, funktionellen Monozyten hin. 3

microrna in Zellen ein. Sofern die microrna den eingebrachten Bereich an der Luciferase messenger RNA tatsächlich bindet, nimmt die Leuchtkraft der Zellen ab. Auf diese Weise wollen wir wichtige Zielgene der durch MLL- AF9 veränderten microrna identifizieren und so die Funktion der microrna genauer charakterisieren. Cand. rer. nat. Katrin Fleischmann bei Posterpräsentation Aktuelle Untersuchungen Weitere Arbeiten, die durch die Bettina-Bräu Stiftung unterstützt werden, untersuchen nun potentiell weitere Funktionen dieser microrna in den Krebszellen. Dazu müssen zuerst die Zielgene der microrna identifiziert werden, die auch mittels mathematischer Algorithmen vorhergesagt werden können. Die microrna selbst wird in den THP1 Zellen künstlich eingebracht (und damit ihre Konzentration in den Zellen erhöht) und durch vergleichende Studien (mit und ohne microrna Zugabe) die Auswirkung der microrna auf die vorhandene Menge von über 20 000 messenger RNAs bestimmt. Aus dieser großen, generierte Datenmenge werden mit biostatistischen Methoden einige interessante Kandidatengene ausgewählt, die durch diese microrna beeinflusst werden könnten. Durch sogenannte Luciferase-Assays werden diese Interaktionen im Weiteren experimentell belegt. Bei dieser Methode, wird ein Bereich des Zielgens and das Luciferase-Gen fusioniert. Das Luciferase-Gen produziert ein leuchtendes (biolumineszentes) Protein, dessen Menge über die Stärke der Leuchtkraft bestimmt werden kann. Zusätzlich zu dem veränderten Luciferase- Gen bringt man nun die zu untersuchende Therapeutischer Ausblick Weitere Studien sollen die Eignung dieser microrna als therapeutisches Ziel untersuchen, indem die biologischen Effekte der microrna durch Einbringen oder Ausschalten in Leukämiezellen analysiert werden. Hier soll die Auswirkung auf Differenzierung, Proliferation (Zellwachstum), Zellzyklus, Apoptose (Zelltod) etc. untersucht werden. Auch sind mögliche Synergien durch mehrere der abnorm regulierten micrornas zu testen. Anschließend soll die Expression (Analyse der vorliegenden Mengen) der KandidatenmicroRNAs in klinischen Proben von pädiatrischen Leukämiepatienten mit MLL-AF9 Rearrangement analysiert werden, um damit ihre Eignung als prognostische Marker und mögliche therapeutische Ziele weiter zu prüfen. Die Messung von micrornas aus Serum und Plasma wurde in unserem Labor entwickelt und etabliert, so dass auch diese vielversprechende Möglichkeit zur Verfügung steht. Da micrornas meist viele verschiedene Gene regulieren, besteht hier das Potential, mit einer einzelnen veränderten microrna als therapeutischen Angriffspunkt die Aktivität von 100 oder mehr Genen gleichzeitig korrigieren zu können. Dies gibt Hoffnung, dass neue, effiziente Therapiemethoden über micrornas entwickelt werden können. Herzlichen Dank an die Mehr LEBEN für krebskranke Kinder - Bettina-Bräu-Stiftung für die Unterstützung dieses Forschungsprojektes! 4

DNA Expression (Expressionsstärke) Genexpressionsstudie Hochdurchsatzverfahren in vitro Klonieren komplementär microrna Profil micrornas MLL-Rearrangement Monoblasten Monozyten myeloisch Phänotyp real-time PCR (quantitative) RISC RNA Synergie Glossar Desoxyribonukleinsäure, die Form in der das Erbmaterial (alle Gene) in jeder Zelle gespeichert ist Aktivität eines Genes, d.h. ob und wie viel messenger RNA (und Protein) nach Vorlage eines Gens produziert wird. Methode, mit der man die vorliegende Menge aller messenger RNAs bestimmen und damit die Gesamtheit aller Proteine abschätzen kann Verfahren, bei dem sehr viele Parameter (z.b. hunderte von micrornas) simultan bestimmt werden können im Glas : nicht in ganzen Organismen (z.b. Maus) sondern z.b. in Zellkultur das Herstellen identischer (veränderter) DNA Moleküle, die in Zellen eingebracht werden können Nukleinsäuren (DNA und / oder RNA) bestehen aus 4 unterschiedlichen Bausteinen. Zwischen je zwei dieser Bausteine (Adenin und Thymin / Cytosin und Guanin) können sich Wasserstoffbrücken bilden, die die Bindung zweier Nukleinsäuren zu einem Doppelstrang ermöglichen. Passt von der Abfolge der Bausteine her ein Strang genau zu einem anderen Strang, so nennt man die beiden Nukleinsäuren komplementär zueinander. die Mengen aller gemessenen micrornas ergeben zusammen ein Profil oder Muster kleine RNA Moleküle, die von eigenen Genen abgeschrieben werden und andere Gene an der Produktion von Protein hindern genetische Veränderung, die das MLL Gen betreffen unreife Monozyten Vorläuferzellen eine Art weißer Blutkörperchen, die eine Rolle bei der Infektabwehr spielen die Vorläufer bestimmter Blutzellen (Granulozyten, Monozyten, Erythrozyten) betreffend Erscheinungsbild Verfahren, um die Menge einer messenger RNA zu bestimmen (PCR = Polymerase Kettenreaktion) RNA induced silencing complex: Proteinkomplex, in dem die microrna funktionell ist Ribonukleinsäure; sie ist chemisch ähnlich zur DNA und spielt bei einer Reihe von Vorgängen eine Rolle, z.b. als messenger RNA ist sie das Zwischenprodukt zwischen Gen und Protein, als ribosomale RNA ist sie ein essentieller Baustein der Ribosomen (die Protein synthetisieren), oder als microrna (siehe oben). Zusammenwirken, so dass gemeinsam mehr entsteht als nur die Summe der Einzeleffekte 1 Hwang HW, Mendell JT. MicroRNAs in cell proliferation, cell death, and tumorigenesis. Br J Cancer. 2006;94:776-780. 2 Lee RC, Feinbaum RL, Ambros V. The C. elegans heterochronic gene lin-4 encodes small RNAs with antisense complementarity to lin-14. Cell. 1993;75:843-854. 3 Lagos-Quintana M, Rauhut R, Lendeckel W, Tuschl T. Identification of novel genes coding for small expressed RNAs. Science. 2001;294:853-858. 4 Lim LP, Lau NC, Garrett-Engele P et al. Microarray analysis shows that some micrornas downregulate large numbers of target mrnas. Nature. 2005;433:769-773. 5 Hammond SM. MicroRNAs as oncogenes. Curr Opin Genet Dev. 2006;16:4-9. 6 Lu J, Getz G, Miska EA et al. MicroRNA expression profiles classify human cancers. Nature. 2005;435:834-838. 7 Garzon R, Volinia S, Liu CG et al. MicroRNA signatures associated with cytogenetics and prognosis in acute myeloid leukemia. Blood. 2008;111:3183-3189. 8 Kota J, Chivukula RR, O'Donnell KA et al. Therapeutic microrna delivery suppresses tumorigenesis in a murine liver cancer model. Cell. 2009;137:1005-1017. Literatur 9 Wahid F, Shehzad A, Khan T, Kim YY. MicroRNAs: synthesis, mechanism, function, and recent clinical trials. Biochim Biophys Acta. 2010;1803:1231-1243. 10 Krivtsov AV, Twomey D, Feng Z et al. Transformation from committed progenitor to leukaemia stem cell initiated by MLL-AF9. Nature. 2006;442:818-822. 11 Corral J, Lavenir I, Impey H et al. An Mll-AF9 fusion gene made by homologous recombination causes acute leukemia in chimeric mice: a method to create fusion oncogenes. Cell. 1996;85:853-861. 12 Somervaille TCP, Cleary ML. Identification and characterization of leukemia stem cells in murine MLL-AF9 acute myeloid leukemia. Cancer Cell. 2006;10:257-268. 13 Ayton PM, Cleary ML. Molecular mechanisms of leukemogenesis mediated by MLL fusion proteins. Oncogene. 2001;20:5695-5707. 14 Zeisig BB, Milne T, Garcia-Cuellar MP et al. Hoxa9 and Meis1 Are Key Targets for MLL-ENL- Mediated Cellular Immortalization. Mol Cell Biol. 2004;24:617-628. 15 van Rooij E. The Art of MicroRNA Research. Circ Res. 2011;108:219-234 5