15 Jahre Fachhochschule Brandenburg
15 Jahre Fachhochschule Brandenburg Herausgegeben von Rainer Janisch Fachhochschule Brandenburg
Rainer Janisch (Hrsg.): 15 Jahre Fachhochschule Brandenburg Brandenburg 2007 Eigenverlag Fachhochschule Brandenburg, Brandenburg an der Havel ISBN 3-9808266-2-7 Redaktion: Stefan Parsch, Dr. Claudia Appelius, Prof. Dr. Rainer Janisch, Prof. Alexander Urban Satz und Typographie: Günter Freude, Agentur für wissenschaftliche Weiterbildung und Wissenstransfer e.v. Umschlaggestaltung: Birte Morling, Potsdam, unter Verwendung zweier Fotos von Christian Gahl Druck und Verarbeitung: Brandenburgische Universitätsdruckerei und Verlagsgesellschaft Potsdam mbh
Inhaltsverzeichnis Vorwort...7 Grußworte...11 Zur Geschichte der Kürassierkaserne und ihrer Truppenteile in Brandenburg (Havel)...17 Von Enzyklopädien, einem aufgeklärten Gutsherrn aus Reckahn und der Fachhochschule Brandenburg...61 Chronik...71 15 Jahre Fachhochschule Brandenburg...105 Professorium der FH Brandenburg...125
Vorwort Auf 15 erfolgreiche Jahre können alle Mitglieder, Partner und Förderer der Fachhochschule Brandenburg in diesen Tagen zurück blicken. Aus dem Nichts wurde in dieser Zeit eine Hochschule mit über 2.500 Studierenden geschaffen, die mit den Unternehmen der Region und der brandenburgischen und der deutschen Wissenschaftslandschaft gut vernetzt ist. Allen Beteiligten erscheinen die 15 Jahre als eine lange Zeit, doch im akademischen Bereich mit seinen teilweise Jahrhunderte alten Traditionen ist dieser Zeitraum sehr überschaubar. Doch auch die längste Reise beginnt mit dem ersten Schritt. Wir haben begonnen und sind auf einem guten Weg. Es war der Stadtverordnete Paul Netter, der sich vehement für die Idee der Gründung einer Fachhochschule in Brandenburg an der Havel einsetzte. Es gab viele politische Unterstützer, aber auch zahlreiche Gegner dieser Idee. Wir danken ganz besonders den früheren und aktuellen Förderern in Stadt und Land, dass sie der Stadt und der Region eine akademische Perspektive gegeben haben. Die Wirkungen unserer Hochschule in die Region haben vor zwei Jahren eine neue Qualität bekommen, als wir gemeinsam mit Unternehmen in der Prignitz eine Präsenzstelle in Pritzwalk eröffnet haben. Seitdem haben wir dort erfolgreich Studienvorbereitungskurse, den Fernstudiengang Betriebswirtschaftslehre, den Prignitzer Nachwuchspool und Forschungs- und Technologieprojekte begonnen und etabliert. Wir hoffen, dass wir mit politischer Unterstützung bald auch in anderen Regionen ähnlich erfolgreich werden arbeiten können. Dabei kann die von der Hochschule gegründete Agentur für wissenschaftliche Weiterbildung und Wissenstransfer e.v. (AWW) den immer bedeutender werdenden Bereich der Weiterbildung abdecken. Noch 1990 übernahm die Bundeswehr das heutige Hochschulgelände von der Nationalen Volksarmee. Erst Anfang 1991 wurde das Areal einer zivilen Nutzung zugeführt. Dieser Konversion genannte Prozess ist auch ein symbolischer Akt: Statt auf kriegerische Auseinandersetzung mit anderen Völkern setzen wir nun auf Bildung und Verständigung. Aus mehr als 40 Ländern kommen unsere Studierenden, bis auf Australien ist jeder Kontinent vertreten. Und in mehr als 40 Partnerhochschulen in aller Welt können unsere Studierenden Auslandserfahrung sammeln. Wir führen zunehmend internationale Studiengänge ein und schalten für ein gemeinsames Studentenprojekt schon mal eine Videokonferenz zu einer US-amerikanischen Universität. International vergleichbar sind bereits fast alle unsere Studiengänge, denn sie wurden in den vergangenen Jahren in Bachelor- und Masterstudiengänge umgewandelt. Gerade die Einrichtung der Masterstudiengänge wurde genutzt, um das inhaltliche Profil unserer Hochschule zu schärfen. Des Weiteren setzen wir auf 7
moderne Lernformen wie Online-Studiengänge, Fernstudium und elektronische Lernunterstützung (E-Learning). Dadurch wird unser Studienangebot flexibler und familienfreundlicher, denn unsere Studierenden können zunehmend ihren Lernrhythmus selbst bestimmen bzw. den Bedürfnissen ihrer Familie anpassen. Auch durch andere Projekte Kooperation mit einem Kindergarten, Tagesmutter in Studentenwohnheim, u. ä. stellen wir uns der Herausforderung, unsere Hochschule familienfreundlicher zu gestalten. Dabei arbeiten wir eng mit dem Allgemeinen Studierenden-Ausschuss (AStA) zusammen. Wurden in den ersten zehn Jahren die historischen Gebäude in Stand gesetzt und neue Gebäude errichtet, so fallen die Veränderungen seit der letzten Festschrift vor fünf Jahren scheinbar geringer aus. Doch die Restaurierung der Sporthalle und der Umbau der ehemaligen Reithalle zum Auditorium Maximum sind entscheidende Elemente, um den Campus zu einem Lernort zu gestalten, der Studieren, Forschen und Leben zu einer Einheit verbindet. Erst mit der Eröffnung des Audimax haben wir das Gefühl, eine richtige Campushochschule zu sein. Eine Fachhochschule lebt von der Nähe zur Praxis. Durch viele Kontakte zu Unternehmen der Region und in ganz Deutschland entstehen auch gemeinsame Forschungsprojekte. Dabei sind wir so erfolgreich, dass wir mit durchschnittlich 51.600 Euro eingeworbenen Drittmitteln pro Professor/in zu den führenden deutschen Fachhochschulen im Forschungsbereich gehören. Unsere Studierenden selbst zu Unternehmern zu machen, ist ein weiteres wichtiges Anliegen, das wir mit Hilfe des Brandenburgischen Instituts für Existenzgründung und Mittelstandsförderung (BIEM) realisieren. Wir verleihen seit fünf Jahren den Innovationspreis für innovative Lösungen praxisnaher Probleme in Brandenburg und fördern damit einfallsreiche junge Menschen. Dreimal hintereinander wurden wir beim Businessplan-Wettbewerb Berlin-Brandenburg (BPW) zur Ideenschmiede und damit zur innovativsten Hochschule des Landes gekürt, und im vergangenen Jahr hat einer unserer Absolventen sogar den ersten Platz in diesem Wettbewerb belegt bei 575 eingereichten Businessplänen. Besser kann man eine gute Ausbildung nicht belegen. Unsere Studierendenzahlen entwickeln sich weiterhin sehr positiv, zum vergangenen Wintersemester haben sich 691 junge Frauen und Männer neu eingeschrieben. Wir sind zuversichtlich, dass sich unsere Fachhochschule auch in Zukunft sehr gut entwickeln wird, wissen aber auch, dass wir dazu nicht in unseren Anstrengungen nachlassen dürfen. Denn auch wir bleiben von der demographischen Entwicklung nicht verschont, die uns schon in einigen Jahren sinkende Abiturientenzahlen bescheren werden. Deshalb versuchen wir bereits heute durch das Projekt Übergang Schule Hochschule die Übergangsquote von den allgemeinbildenden Schulen zu den Hochschulen im Land Brandenburg zu erhöhen. 8
Und wir haben durch die Einrichtung einer Studierendenstiftung dafür gesorgt, dass sich jede(r) dazu Berechtigte ein Studium an der Fachhochschule Brandenburg wird leisten können. Wahrscheinlich werden wir noch mehr gute und neue Ideen haben müssen, um als Hochschule weiterhin so erfolgreich zu sein, aber ich bin sicher, wir schaffen das. Ich danke allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die zum Erfolg der vergangenen 15 Jahre beigetragen haben und wünsche ihnen für die kommenden Jahre eine große Schaffenskraft und viele Ideen. An dieser Stelle möchten wir auch allen Personen und Institutionen danken, die uns in den vergangenen Jahren unterstützt und geholfen haben. Diese Liste ist sehr lang und umfasst Personen aus den Bereichen Wirtschaft, Politik und Verwaltung sowie Kunst und Kultur. Einen herzlichen Dank für Ihr Engagement! Prof. Dr. Rainer Janisch Präsident der Fachhochschule Brandenburg 9
Grußwort von Matthias Platzeck Ministerpräsident des Landes Brandenburg 15 Jahre erfolgreicher Auf- und Ausbau liegen hinter der Hochschul- und Forschungslandschaft in Brandenburg. Daran hat die Fachhochschule Brandenburg nicht unwesentlich Anteil. Die Landesregierung misst der Leistungsentwicklung der Hoch- und Fachhochschulen Priorität zu, denn Wissenschaft und Forschung sind unverzichtbarer Motor der Erneuerung Brandenburgs. Die Ausgaben für Wissenschaft und Forschung der Brandenburgischen Hochschulen konnten entsprechend der Hochschulentwicklungsplanung in den letzten Jahren nutzbringend gesteigert werden. Es wurden die Anzahl der Studienplätze erhöht, innovative Studiengänge eingeführt und Zielvereinbarungen abgeschlossen. Auch hat sich der zwischen Landesregierung und Landesrektorenkonferenz im Jahr 2004 ausgehandelte Hochschulpakt bewährt er stärkt die Autonomie der Hochschulen und bietet ihnen mehr Planungssicherheit. Die Landesregierung setzt auf die Verbesserung des Transfers wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Wirtschaft. Mit der Neuausrichtung der Förderstrategie in Brandenburg wurde bei der Erarbeitung der Standortkonzepte für die Regionalen Wachstumskerne die Fachkräftesicherung als existenzielle Grundlage definiert. Den Hochschulen kommt hierbei die Aufgabe zu, im Rahmen von Verbünden und Netzwerken gemeinsam mit Unternehmen Impulse für die Entwicklung von Innovationen zu geben und an der Lösung anstehender Entwicklungsprobleme mitzuwirken. Ebenso sind Aus- und Weiterbildung in zukunftsfähigen Wirtschaftsfeldern unverzichtbarer Bestandteil des Wissenstransfers aus den Hochschulen in die Wirtschaft. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels ergeben sich neue Anforderungen an die Hochschulen in Lehre und Forschung. Die Hochschulen müssen mehr denn je dafür Sorge tragen, das intellektuelle Potenzial des Landes zu erschließen, dem drohenden Fachkräftemangel und der Abwanderung junger Leute, insbesondere junger Frauen, entgegen zu wirken. Daher ist es unumgänglich, die Studierquote im Land zu erhöhen. Im Wettbewerb um die besten Studierenden und Wissenschaftler müssen sich die Hochschulen mit unverwechselbarem Profil sowie hoher Qualität in Lehre und Forschung konkurrenz- und kooperationsfähig erweisen. Die Fachhochschule Brandenburg ist für die künftigen Aufgaben gut aufgestellt. Ich wünsche der Fachhochschule Brandenburg viel Erfolg bei deren Bewältigung sowie im Wettbewerb um kluge Köpfe. 11
Grußwort von Prof. Dr. Johanna Wanka Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur 15 Jahre Fachhochschule Brandenburg repräsentieren 15 Jahre erfolgreicher Hochschulpolitik im Land Brandenburg, wo wir in relativ kurzer Zeit viel erreicht haben. Eines der maßgeblichen Ziele unserer Politik ist die Wettbewerbsfähigkeit unserer Hochschulen. Denn zukünftig werden gerade solche Hochschulen besonders erfolgreich sein, die sich mit ihrem Profil und ihren Leistungen in Lehre, Forschung und Technologietransfer national ebenso wie international als partnerschafts- und kooperationsfähig erweisen. Die Fachhochschule Brandenburg ist hierbei auf einem guten Weg, das zeigt sich auch am Profil ihrer Studiengänge. Die Hochschule trägt mit ihrer praxisnahen Ausbildung wesentlich dazu bei, den Bedarf an qualifiziertem, akademischem Fachpersonal in der Region, aber auch darüber hinaus zu decken. Ob der Master-Studiengang Security Management oder der zukünftige Bachelor-Studiengang Medizininformatik die Studiengänge werden und wurden in enger Kooperation mit Unternehmen und Einrichtungen entwickelt und durchgeführt. Familienfreundlichkeit soll ein besonderes Markenzeichen der Brandenburger Hochschulen werden. Die Fachhochschule Brandenburg ist bereits seit langem bestrebt, nicht nur junge Frauen für ein naturwissenschaftlich-technisches Studium zu interessieren, sondern es ihnen auch zu erleichtern, Studium und später wissenschaftliche Tätigkeit mit Familiengründung unter einen Hut zu bringen. Online- Studiengänge mit wenig Präsenzphasen, Anerkennung von Elternzeiten, Kooperation mit einem nahen Kindergarten und vieles mehr fördern den Verbleib des weiblichen wissenschaftlichen Nachwuchses. Die Brandenburger Hochschulen verfügen in hohem Maße über innovationsrelevantes Wissen. Sie sind für die wirtschaftliche Entwicklung der Region von zentraler und unverzichtbarer Bedeutung, um wirtschaftliche Wachstumszentren ausbilden zu können. Dies trifft insbesondere auch für die Fachhochschule Brandenburg zu, die sich in dieser Richtung sehr engagiert, wie beispielsweise im Brandenburgischen Institut für Existenzgründung und Mittelstandsförderung oder beim gemeinsam mit regionalen Unternehmen ins Leben gerufenen Innovationspreis, der jährlich an junge Ingenieure für kreative Ideen zur Lösung anstehender Probleme vergeben wird. Die Mehrzahl der Studiengänge der Fachhochschule Brandenburg stärken überdies die im Landesinnovationskonzept 2006 verankerten Branchenkompetenzfelder. 12
Im Jahr 2007 ist die Fachhochschule Brandenburg bereits zweimal als Ort der Ideen in den Fokus einer bundesweiten Öffentlichkeit gerückt. Das bestätigt, dass es an dieser Hochschule findige und kluge Köpfe gibt, die auch die zukünftig anstehenden Aufgaben insbesondere im Zusammenhang mit der demografischen Entwicklung meistern werden. Dafür wünsche ich der Hochschule viel Erfolg! 13
Grußwort von Dr. Dietlind Tiemann Oberbürgermeisterin der Stadt Brandenburg an der Havel Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag! Dort, wo später der ehrwürdige Brandenburger Dom St. Peter und Paul entstand, war vor 850 Jahren die Geburtsstunde der Mark Brandenburg. Unsere Stadt, die auch dem heutigen Bundesland Brandenburg den Namen gab, hat über all die Jahrhunderte hinweg die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung der gesamten Region entscheidend beeinflusst. Berlin erhielt von uns das Stadtrecht, der Brandenburger Schöppenstuhl war schon im Mittelalter höchste Gerichtsbarkeit der Mark und nach der Industrialisierung eroberten viele Erzeugnisse aus heimischen Firmen die Weltmärkte. Es dauerte jedoch bis zum Jahr 1992, bis Brandenburg an der Havel endlich Hochschulstadt wurde. Inzwischen sind 15 sehr ereignisreiche Jahre vergangen. Die Konversion des einstigen Kasernenkomplexes zu einem modernen und offenen Campus ist nach der Fertigstellung des Audimax erfolgreich abgeschlossen. Mit zukunftsorientierten Studiengängen, gut ausgerüsteten Lehrsälen und technisch hervorragend ausgestatteten Laboren sowie einem engagierten Team an Professoren und wissenschaftlichen Mitarbeitern hat sich die Fachhochschule Brandenburg inzwischen weit über die Grenzen des Landes hinaus einen guten Ruf erworben. In einigen Bereichen bestimmt sie sogar das Niveau in der deutschen Hochschullandschaft mit. Die Menschen in unserer Stadt sind mit Recht stolz auf ihre Fachhochschule. Die Beschäftigten und die Studierenden gestalten das gesellschaftliche und kulturelle Leben unserer Stadt in vielfältiger Weise mit. Durch interessante Projekte und innovative Aktionen macht sich die Fachhochschule Brandenburg vor allem für die Förderung des ingenieur-wissenschaftlichen Nachwuchses und die Sicherung des Fachkräftepotenzials in der Region stark. Im Namen der Brandenburgerinnen und Brandenburger gratuliere ich der Fachhochschule zum 15. Geburtstag ganz herzlich und wünsche ihr, dass die beeindruckende Entwicklung auch in den nächsten Jahren eine erfolgreiche Fortsetzung findet. 14
Grußwort von Heiner van de Loo Geschäftsführer der Zahnradwerk Pritzwalk GmbH Zum 15-jährigen Bestehen der Fachhochschule Brandenburg an der Havel möchte ich meine herzlichsten Glückwünsche übermitteln. Es war vor 15 Jahren ein mutiger Schritt, den Aufbau dieser Hochschule in der Stadt Brandenburg und an dieser Stätte zu beginnen. Heute stehen wir vor einem Glanzstück in der Hochschullandschaft Brandenburgs. Die Fachhochschule Brandenburg ist inzwischen international anerkannt und genießt einen beachtlichen Ruf. Darüber hinaus ist sie für das nördliche und westliche Land Brandenburg eine unabdingbare Ausbildungsstätte geworden, die durch ihre Außenstelle in Pritzwalk in der Prignitz eine Repräsentanz geschaffen hat, die in der Hochschulwelt einmalig ist. Wir, die Industrie, die Unternehmen und besonders die Studierenden sind dankbar, dass die Fachhochschule Brandenburg diesen Schritt gegangen ist. Ich wünsche der Fachhochschule in Brandenburg an der Havel weiterhin viel Erfolg und hoffe, dass die Außenstelle in Pritzwalk dazu dient, den Dialog zwischen Industrie, Wirtschaft und Forschung sowie die Beziehungen zwischen Lehrenden und Lernenden zu vertiefen und erfolgreich zu gestalten. 15
Zur Geschichte der Kürassierkaserne und ihrer Truppenteile in Brandenburg (Havel)
1666 1877 Obwohl im traditionsreichen Gebäude der Fachhochschule Brandenburg an der Havel seit etwa 75 Jahren keine Kürassiere mehr kaserniert sind, wird es im einheimischen Sprachgebrauch noch immer Kürassierkaserne genannt. Jene lange zurückliegende Zeit hat also so tiefe Wurzeln im öffentlichen Bewusstsein der Stadt geschlagen. Bereits mehrfach wurde die Geschichte der Kürassiere beschrieben (siehe Literaturverzeichnis am Ende des Artikels). Es handelt sich um das Königlich Preußische Kürassier-Regiment Kaiser Nikolaus I. von Russland Brandenburgisches Nr. 6. In dieser Studie wird nunmehr versucht, jene Beschreibungen auf das Wesentliche zusammenzufassen vom Beginn der Vorgänger der Kürassiere im 17. Jahrhundert, die Geschichte der Kürassiere im 18. und 19. Jahrhundert und weiter bis zum Ende des I. Weltkrieges 1918. Dem folgt die Ergänzung der Geschichte mit neuen Erkenntnissen, welche sich auf die Zeit nach der Ära der Kürassiere beziehen: die Zeit von 1918 bis in das letzte Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts also die Zeit der Weimarer Republik mit der Polizeischule in dieser Kaserne, die Zeit des Nationalsozialismus mit dem Infanterieregiment 68 und die DDR-Zeit mit einer kurzen Zwischenzeit der Nutzung durch die Sowjetarmee, mit dem Flak-Regiment 13, dem darauf folgenden Hubschrauber-Geschwader und der Offiziershochschule der Luftstreitkräfte der Nationalen Volksarmee der DDR bis zum Ende der DDR 1990 und dem Übergang in die Konversion mit der Gründung der Fachhochschule 1992. Wenn wir davon ausgehen, dass das Kürassierregiment im Jahre 1881 die ab 1877 errichtete Kaserne nach ihrer Fertigstellung bezog, können wir die Geschichte des Regiments bis dahin als Vorgeschichte der Kaserne betrachten. Als Ausgangspunkt zur Entstehung des Regiments kann die vernichtende Niederlage Preußens am 14. Oktober 1806 bei Jena und Auerstädt durch das napoleonische Heer betrachtet werden. 6 Preußische Kavallerieregimenter (1) wurden zerschlagen oder in die Flucht getrieben. Ihre Reste mit etwa 3000 Pferden schlugen sich nach Norden und Nordosten durch, Teile davon kamen in Gefangenschaft, und das Gros konnte Ostpreußen und das Baltikum zwischen Memel und Riga erreichen. Diese Kavallerie wurde unter Führung eines Oberst von Maltzahn gesammelt, bei Tilsit am 8. November 1807 neu formiert, neu ausgestattet und als Märkische Kürassierbrigade im Saamland/Ostpreußen stationiert(2). Im September 1808 wurde diese Brigade noch einmal umstrukturiert und dabei das 3. Brandenburgische Kürassierregiment (ab 1819: 6. Kürassier-Regiment) gegründet. Dieses trat danach den Rückmarsch in die Mark Brandenburg an. Das Regiment war also aus Teilen von sechs Stammregimentern zusammengefügt worden, die es nun nicht mehr gab. An dieser Stelle sei eine kurze Rückbetrachtung in deren Geschichte eingefügt. Im Zuge des Ausbaus Kurbrandenburgs 18
in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts durch Kurfürst Friedrich Wilhelm I. (der Große Kurfürst) zu einer starken absolutistischen Macht von europäischem Rang wurde auch ein stehendes Heer geschaffen, zu dem vorerst ab 1666 drei Kavallerieregimenter gehörten. Nach dem Tode des Kurfürsten 1688 erfolgte bis 1692 die Aufstellung weiterer drei Regimenter mit einem Bestand von etwa 800 Pferden à Regiment. Die Regimenter Nr. 2 und 3 wurden erstmals 1675 bei der Vertreibung der Schweden aus Rathenow und der danach stattgefundenen Feldschlacht bei Fehrbellin eingesetzt. Das war die erste eigenständige und zugleich erfolgreiche Schlacht Kurbrandenburgs, bei der etwa 5700 Brandenburgische die schwedische Armee mit 11 000 Mann zum Rückzug zwangen. Abb. 1: Preußische Kavallerieattacke bei Roßbach (Gemälde von Karl Friedrich Becker) Sogleich nach dem Regierungsantritt des Königs Friedrich Wilhelm I. 1713 des Soldatenkönigs wurde eine deutliche Vergrößerung der Armee um vorerst 9000 Mann auf etwa 50.000 und ein straffes und disziplingeprägtes Ausbildungsregime eingeleitet. Die Reiterregimenter waren bis in das 18. Jahrhundert hinein auf dem Lande einquartiert; ab 1718 begann eine Verlegung von Kavallerie in die Städte. Dazu gehörte das 10. Reiterregiment Gens d armes, welches uns noch einen Moment interessieren soll. Dieses war ein Garderegiment, dessen 1. Eskadron 1691 unter Kurfürst Friedrich III. (ab 1700: König Friedrich I.) aufgestellt worden war. Es wurde 1720 mit vier weiteren Eskadronen in Berlin im Bereich des Gendarmen- 19
marktes zu einem Gardekavallerie-Regiment mit besonderem Rang vereinigt. Die Unterbringung erfolgte in Berlin, Rathenow, Zehdenick und Wrietzen. Im Jahr 1900 also 180 Jahre später erhielten die Kürassiere in der Stadt Brandenburg die Tradition jenes bis 1806 bestandenen Regiments Gens d armes verliehen, galten also als dessen Traditionsträger. Als 1740 König Friedrich II. der Große die Nachfolge seines Vaters antrat, übernahm er eine indessen auf 76 000 Mann vergrößerte schlagkräftige Armee. In den nun folgenden Schlesischen Kriegen waren die o. a. 6 Stammregimenter der Brandenburgischen Kürassiere an bedeutenden Schlachten und Gefechten beteiligt wie u. a. bei Hohenfriedberg, Lobositz, Kesselsdorf, Torgau, Zorndorf, Kolin, Roßbach, Kunersdorf, Leuthen und Mollwitz. Abb. 2: Kürassier Gens d armes um 1800 (Hintergrund: Gendarmenmarkt in Berlin) Etwa ab 1742 war der Begriff Kürassiere gebräuchlich. Er bezog sich auf den blanken eisernen Brustpanzer den Kürass über der weißen Uniform (Kürassier = Panzerreiter; Ursprung: Brustharnisch der Römer aus Leder mit Metallplatten; frz. cuirasse, cuir = Leder; erstmals verwendet 1481 in Österreich). Ein Preußischer Sieg im Siebenjährigen Krieg stand nicht nur einmal in Frage; das Ausscheren Russlands 20
aus der Front der Preußischen Feindmächte durch den Tod der russischen Zarin Elisabeth 1761 sicherte Preußen schließlich doch noch den Sieg nach schwersten blutreichen Verlusten auf allen Seiten. Der Weg Preußens zu einer europäischen Großmacht war frei vorläufig Die katastrophale Niederlage Preußens 1806 bei Jena und Auerstädt jedoch kam nicht von ungefähr. Ihr war nach dem Tode Friedrichs des Großen 1786 eine allmähliche Erosion des für die damaligen absolutistischen Verhältnisse relativ fortschrittlichen friderizianischen Systems vorausgegangen nicht zuletzt auch unter dem Einfluss der Französischen Revolution. Mit der Zäsur 1806, also auch mit der Zerschlagung der einstmals schlagkräftigen Preußischen Kavallerie, endet die Vorgeschichte der Kürassiere, welche von September bis November 1808 in Ostpreußen neu formiert worden waren. Nach seinem Rückmarsch in die Mark Brandenburg war schließlich Abb. 3: Brandenburgische Kürassiere nach 1806 das 3. Brandenburgische Kürassierregiment 1809 im Havelland angekommen und vorübergehend auf Nauen, Spandau und Kremmen verteilt worden. Im Juli kam das Regiment in neue Garnisonen: während die 1. Schwadron in Nauen blieb, kamen die 2. Schwadron in die Stadt Brandenburg, die 3. Schwadron nach Wusterhausen und die 4. mit dem Stab nach Rathenow. Somit waren erstmals Kürassiere in Brandenburg (Havel) stationiert. Hier blieben sie, bis sie im März 1812 nach Ohlau in Schlesien verlegt wurden. Nach der Preußischen Kriegserklärung gegen Frankreich am 17. März 1813 und dem folgenden Befreiungskrieg wurden die Brandenburgischen Kürassiere dem Blücherschen Korps als Reserve-Kavallerie zugeordnet. Ab Mitte März begann gemeinsam mit russischen Truppen der Vormarsch aus Schlesien in Richtung Sachsen bis in den Raum Altenburg-Borna der Napoleonischen Armee entgegen. Bei Groß-Görschen zwischen Leipzig und Weißenfels kam es am 2. Mai zum ersten großen Zusammenstoß mit den Franzosen, der nach 11 opferreichen Stunden mit dem französischen 21
Sieg endete. Die Brandenburgischen Kürassiere trugen maßgeblich zur Sicherung des geordneten preußisch-russischen Rückzuges bei. Nach der Sammlung der Kräfte bei Großenhain-Königsbrück wichen sie über Bautzen nach Schlesien bis zur Festung Silberberg aus, um dann erneut durch Böhmen über das Elbsandsteingebirge / Erzgebirge in Richtung Leipzig vorzustoßen. Die Kürassiere waren dabei an einer Reihe von Gefechten beteiligt: so bei Bautzen und Kulm, bis in der großen Schlacht bei Leipzig vom 16. bis 18. Oktober die siegreiche Entscheidung für die Verbündeten fiel nicht zuletzt unter wesentlichem Anteil der Brandenburgischen Kürassiere im Zentrum der Kavallerie-Aufstellung. Nun begann der Vormarsch über Weimar Frankfurt/Main Koblenz Trier Verdun bis Paris. Mit der Teilnahme an der Schlacht um Paris am 31. März 1814 endete auch für die Kürassiere aus Brandenburg dieser Feldzug. Am 3. September 1814 wurde erstmals in Preußen die allgemeine Militärdienstpflicht eingeführt. Nachdem die Brandenburgischen Kürassiere ab 28. Dezember 1815 aus Frankreich über Lüttich-Brüssel zurück marschiert waren, wurde das Regiment ab Januar 1816 vorübergehend im Raum Magdeburg disloziert. Im Zusammenhang mit einer Frühjahrsübung erfolgte seine Verlegung in das Havelland. Am 17. April wurde das Regiment mit dem Namen des russischen Großfürsten Nikolaus belehnt und am 20. 4. auf einem feierlichen Appell in Potsdam dem neuen Regiments-Chef dem späteren russischen Zaren übergeben. Ab dem 29. April befanden sich in der Garnison Brandenburg (Havel) der Regimentsstab und zwei Eskadronen mit insgesamt etwa 300 Mann. Ab Mai 1819 hieß das Regiment (nun bis zur Auflösung Anfang 1919): 6. Kürassier-Regiment Großfürst Nikolaus (Brandenburgisches) (3). Diese Ehrerbietung gegenüber dem russischen Thronfolger ist als Ausdruck einer engen und vielfältigen Beziehung zwischen Preußen und Russland zu verstehen, die nun schon auf einer langen Tradition beruhte. Für die 50 Jahre zwischen den Befreiungskriegen und den Einigungskriegen die Zeit des Vormärz, der Revolution 1848 und der Reaktion danach, also zwischen 1815 und 1864 sind folgende Tatsachen bemerkenswert (4): 1. Die Quartiere der Kürassiere in den Häusern der Brandenburger Bürgerschaft befanden sich bis zur Kasernierung 1881 im Bereich der Fohrder, Rathenower und Brielower Straße (1., später 3. Eskadron), im Bereich der Kirchhofstraße, der Potsdamer und der Schützenstraße jetzt Geschwister-Scholl-Straße (4. Esk.) und nach der Konzentration des gesamten Regiments in Brandenburg 1850 weiterhin im Bereich der Bauhof-, Große Garten- und Jakobstraße (1. Esk.) und der Plauer-, Ritter- und Bäckerstraße (2. Esk.), ab 1866 eine 5. Esk. am Altstädtischen Markt und in der Mühlentor- und Rathenower Straße. Reitplätze waren am Nikolaiplatz, am Güterbahnhof (in der Nähe des Hauptbahnhofes) 22
und am Trauerberg (dort eine 1825 errichtete Reithalle). Ab 1850 war das Regiment mit etwa 870 Mann komplett. Doch dazu nachher noch. 2. Zwei Ereignisse fallen auf, wenn man die etwa 50 langen Friedensjahre nach den Befreiungskriegen überschaut: Das war im April und Mai 1835 eine Großübung des 3. Armeekorps, zu welchem das Kürassierregiment gehörte, gemeinsam mit der 1. russischen Armee bei Kalisch (im damals russischen Polen zwischen Lodz und Breslau an der Grenze zu Preußen), beide Armeekorps unter russischem Kommando, und das waren die Ereignisse in Brandenburg während der Revolution 1848. 3. Mit dem Einsetzen der Restaurationsperiode nach dem Wiener Kongress und den Bemühungen zur Überwindung der im Befreiungskrieg erwachten bürgerlichen Freiheitsvorstellungen entwickelten sich die Kürassiere zu einer konservativen Kerntruppe in der Preußischen Armee mit einem recht einheitlichen aristokratischen Offizierskorps. Das blieb auch so bis zum Ende des Regiments 1919. Während in der Infanterie ein recht hoher Anteil von Arbeitern und Handwerkern viele aus Berlin und der Provinz Brandenburg ein zunehmend unruhiger Personalbestand wurden, dominierten in der Kavallerie als Soldaten und Unteroffiziere die Bauernsöhne viele aus den Provinzen Posen, Pommern, Ostpreußen und den märkischen Agrarkreisen im Geiste des Gehorsams zur Herrschaft und zum König erzogen. Das zeigte sich in den Revolutionsjahren 1848/49. Als im Frühjahr 1848 der erste deutsch-dänische Krieg ausbrach, wurden die Brandenburger Füsiliere am 28. März nach Schleswig-Holstein verlegt, wo sie bei den Düppeler Schanzen hohe Verluste erlitten hatten (die zweite Schlacht dort war 1864). Die Kürassiere behielt man jedoch als taktische Reserve gegen mögliche Unruhen in Berlin oder in der Provinz in Bereitschaft (5). Die zwei in Brandenburg stationierten Eskadronen waren am 15. Juni 1848 ein Tag nach dem Berliner Zeughaussturm dorthin zum möglichen Einsatz gegen die Berliner Bürgerwehr verlegt worden. Am 9. Oktober 1848 war es in Brandenburg während einer Volksverbrüderung mit meuternden Füsilieren in einer Kneipe zu einer Schlägerei zwischen Füsilieren und Kürassieren gekommen. Übrigens: Zwischen diesen beiden Waffengattungen gab es in der Stadt auch in späteren Zeiten immer wieder ähnliche Auseinandersetzungen. Die Kürassiere dienten noch einmal am 14. November in Potsdam als zuverlässige Eingreiftruppe gegen die dort sich anbahnenden Volksverbrüderungen mit unruhigen Teilen des dortigen Militärs. Zur Absicherung der Lage in Brandenburg wurden dafür die zwei Schwadronen Kürassiere des Regiments aus Rathenow nach Brandenburg verlegt. Am 9. November 1848 war in Berlin die Preußische Nationalversammlung in einem Handstreich durch General Wrangel aufge- 23
löst worden. Ein Kabinettsbefehl legte die Verlegung ihrer Tagung in den Brandenburger Dom fest. Zur militärischen Absicherung wurde im November/Dezember ein größeres Militäraufgebot im weiteren Umkreis von Brandenburg disloziert auch mit den zwei Brandenburger Schwadronen. Dieser unruhigen Zeit folgte die Reaktionszeit, in der nun die Konzentration des gesamten Regiments August 1850 in Brandenburg (Havel) vorgenommen wurde. Das waren 865 Mann und etwa 1000 Pferde. Das war auch die Zeit der Roonschen Heeresreform mit einer bedeutenden Vergrößerung der Armee. Mit dem Jahr 1864 begannen die maßgeblich von Bismarck inszenierten Abb. 4: Feldmarschmäßige Kürassiere, 1845 Einigungskriege zuerst mit dem Deutsch-Dänischen Krieg (dem zwei- ten). Die Kürassiere wurden im Januar 1864 nach Holstein verlegt, jedoch dann nur als Aufklärungspatrouillen verwendet, ohne an entscheidenden Gefechten teilzunehmen. Sie kamen im Dezember zurück. 1866 wurden sie im Deutschen Krieg zwischen Preußen und Österreich nach Böhmen verlegt und nahmen an der Schlacht bei Königgrätz teil. Nach der von Bismarck provozierten französischen Kriegserklärung am 19. Juli 1870 (13. Juli 1870 Emser Depesche) wurde das Regiment in Frankreich eingesetzt und war u. a. an den Gefechten bzw. Schlachten bei Metz, Vionville und Sedan beteiligt vorwiegend zu Aufklärungszwecken. Nach dem Friedensschluss am 10. Mai 1871 blieben die Kürassiere als Teil der Preußischen Okkupationsarmee bis zum 6. August 1873 in Frankreich. Danach begann wieder eine lange Friedensperiode: 43 Jahre ohne Krieg aber eine Zeit der bald erfolgenden Kasernierung und damit einer gründlicheren Ausbildung. Indessen hatte die Entwicklung der Feuerwaffen der Artillerie und der Einführung von Maschinenwaffen den Einsatz der Kavallerie in großen Verbänden in der Attacke zur letzten Entscheidung einer Schlacht ad absurdum geführt. Es blieb als Hauptaufgabe die gewaltsame Aufklärung (6). 24
1877 1918 Nach 1871 begann ein weiterer Heeresausbau: von 420.000 Mann 1873 bis auf 600.000 Mann im Jahr 1900. In diesem Zusammenhang wurde 1874 ein Regierungsbeschluss zum Bau der Kasernen in der Stadt Brandenburg gefasst also auch der Kürassierkaserne. Dazu bestätigte der Reichstag einen Betrag von 2.275.000 Mark aus den 5 Milliarden Goldfranken der französischen Reparationszahlungen (7). Der Baubeginn war im Sommer 1877, die Übergabe der Kaserne erfolgte am 1. April 1881. Dazu gehörten ein Areal von etwa neun Hektar mit 13.570 m 2 bebauter Fläche, eine Reitbahn mit 47 m Länge und 18 m Breite, und 673 m Stallungen für 742 Pferde (8). Architektonisch diente die Potsdamer Husarenkaserne als Prototyp. Die Unterkunftsstuben lagen zur Straße, die Küchen, Vorratskammern, Speisesäle und Baderäume im Keller, die Bekleidungs- und Ausrüstungskammern und die Werkstätten unter dem Dach. Dazu gehörten Unterkünfte für sechs Offiziere und 17 Unteroffiziersfamilien (9). Abb. 5: Baubeginn 1877 25
Abb. 6: Die Kürassierkaserne ab 1881 Der Standort des Areals war außerordentlich günstig am Stadtrand gelegen. Der Schießplatz befand sich am Gördenwald in der Nähe des Gördensees, die Exerzierplätze befanden sich auf dem Neuendorfer Sand, auf der Musterwiese und auf dem Silower Übungsplatz zwischen der Altstadt und Brielow. Mit dieser Kasernierung waren eine intensivere Ausbildung und Disziplinierung der Soldaten möglich und ein strengeres hygienisches Regime (10). Mit der Kasernierung wurden etliche Neuerungen im Soldatenalltag eingeführt wie: der Frühsport, der Morgenappell, der geschlossene Marsch zu den Mahlzeiten, die Diensthabenden Offiziere und Unteroffiziere (O. v. D. und U. v. D.) u. a. m. Unmittelbar nach der Kürassierkaserne wurde in der direkten Nachbarschaft die Füsilierkaserne fertig gestellt. Dazu kam noch die Artilleriekaserne gegenüber in der Magdeburger Straße. Damit war das umfangreiche Brandenburger Kasernenviertel in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts geschaffen worden mit allen notwendigen Anlagen wie Sportplätzen, Reitbahn, Sport- und Reithallen, Stallungen, Garagen usw. Die Zeit der Bürgerquartiere war nun vergangen. Diese Kasernen trugen schließlich auch zur Belebung der einheimischen Wirtschaft bei für Handwerk, Handel und Gastronomie (u. a. Hufschmiede, Wäschereien). Jedes Regiment hatte seine Stammkneipe für die Soldaten und sein Stammlokal für die Offiziere und Unteroffiziere. Den größten Gewinn hatten vom Militär die Bauern aus dem Umland; zwei 26
bis drei mal im Jahr fand eine Remonte statt, ein Pferdeaufkauf in der Regel auf dem Platz vor dem Paulikloster. Abb. 7: Lageplan nach 1881 Abb. 8: Kürassiere (vermutlich um 1900) 27
Abb. 9: Pferdestall (heute Hochschulbibliothek) Nach 1905 bekamen die Offiziere des Regiments ein Offizierskasino im Jugendstil das rechte der beiden Kasinos in der Magdeburger Straße (heute ein Jugendklub). Zwischen dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 und dem I. Weltkrieg 1914 18 lagen wieder über vier Jahrzehnte währende Friedensjahre, die der weiteren Aufrüstung und der Intensivierung der Ausbildung dienten. Das Heer wurde ab 1873 von etwa 420.000 auf etwa 600.000 Mann im Jahr 1900 vergrößert. Mit der Wehrordnung vom 28. September 1875 galt die aktive Dienstpflicht für drei Jahre. Im Frühjahr wurde bis zu acht Wochen in den Eskadronen exerziert, im Sommer erfolgte die zehntägige Regimentsübung mit Gefechtsschießen und im Herbst das große Manöver im Divisionsmaßstab oder im Armeekorps (11). Ab 1888 war der Küraß nur noch Teil der Paradeuniform. Es gibt Hinweise dafür, dass Brandenburger Kürassiere in der Zeit von 1904 bis 1911 in Deutsch-Südwestafrika im Kampf gegen die aufständischen Hereros und Hottentotten eingesetzt waren auf Freiwilligen-Basis (12). Die Kürassiere in der Stadt Brandenburg hießen indessen Königlich-Preußisches Kürassier-Regiment Kaiser Nikolaus I. von Russland Brandenburgisches Nr. 6. Anfang Juli 1914 befand sich das Regiment auf Übung bei Jüterbog zur Vorbereitung auf die Mobilisierung gegen Russland und die Ententemächte. Am 1. August 1914 begann der I. Weltkrieg. Am 2. August schon erreichte die 1. Eskadron die belgische Grenze (13). Der Krieg war gut und langfristig vorbereitet. Hatte das Brandenburger Kürassierregiment einen Friedensbestand von fünf Eskadronen, kam mit Kriegsbeginn schnell aufgestellt eine 6. hinzu. Nach Kriegsbeginn wurden die sechs Eskadronen auf zwei Infanteriedivisionen aufgeteilt; im Sommer 1916 wurden sie dann auf sechs Divisionen verteilt. Die Kürassiere (2. 6. Esk.) verließen am 8. August Brandenburg per Bahn vom Altstädtischen Bahnhof aus je Eskadron mit 183 Pferden in Richtung über Belzig / Güsten / Wetzlar / Köln bis zur Eifel. Dort erfolgte die Aufteilung als Divisionskavallerie. 28
Abb. 10: Kürassiere beim Baden ihrer Pferde Um den 13. August 1914 herum wurde die Belgische Grenze überschritten, und recht bald erlebten die patrouillierenden Kürassiere aus Brandenburg den Widerstand der belgischen Bevölkerung mit Heckenschützen und Sabotage. Die Kürassiere waren an den Schlachten um die Festung Lüttich und um Namur beteiligt. Nach dem Aufmarsch im Westen gegen Frankreich folgte ab 28. August die Verlegung nach Ostpreußen. Dort fand gerade die für Deutschland erfolgreiche Schlacht bei Tannenberg gegen zahlenmäßig überlegene russische Truppen statt. Nach der erfolgreichen Masurenschlacht wurden die Kürassiere im Bestand ihrer Divisionen nach Südpolen verlegt, um den in die Flucht geschlagenen Österreichern zu helfen. Jetzt wurde der Krieg härter: Der Druck der Russen nahm zu, heftige Scharmützel, Regen und Schlamm, immer schlechtere Verpflegung, schwere Kämpfe um Lodz und Rückzug wieder Richtung Norden. Dort begann der Stellungskrieg nun auch mit den Reitern als Infanterie in den Schützengräben. Die Auszehrung hatte begonnen. Der Blitzkrieg war an beiden Fronten gescheitert. Im weiteren Kriegsverlauf ging es immer wieder hin und her. Ab Sommer 1915 bis zum Frühjahr 1916 waren zwei Eskadronen (1. u. 2.) vorübergehend in Serbien und Ungarn eingesetzt ein vorwiegend angenehmer Einsatz-, zwei weitere (3. u. 4.) wieder in Frankreich am Rande der Schlacht vor Verdun, zwei weitere in Weißrussland (5. u. 6.) bei den Rokitno-Sümpfen. Diese mussten sich nach Beginn einer russischen Offensive bis nach Litauen zurückziehen und die Kameraden aus dem wärmeren 29
Serbien kamen nun zurück auch dorthin. Als im Sommer bzw. Herbst 1916 die Entente zur umfassenden Generaloffensive ansetzte, waren im Osten also vier Eskadronen auf vier Divisionen aufgeteilt von der Bukowina und Galizien bis Lemberg und 1917 bis zum Baltikum zur Abwehr der Kerenski-Offensive. Im harten Winter bei zunehmend schlechterer Verpflegung setzten Epidemien ein. Der Krieg wurde hart. Am 3. März 1918 scheiterten in Brest-Litowsk die seit Dezember 1917 stattfindenden Friedensverhandlungen zwischen Deutschland und Sowjetrussland, vertreten durch Leo Trotzki, der wegen mangelnder Kompromissbereitschaft vom russischen Revolutionsführer Lenin gerügt worden war. Nun drangen die deutschen Truppen bis in die Ukraine und im Baltikum nach Norden bis kurz vor Petrograd vor. Daran war das 6. Kürassierregiment ohne die 3. und 6. Eskadron beteiligt. Abb. 11: Ausmarsch der Kürassiere Im Spätsommer / Herbst 1918 waren im Westen wieder drei Eskadronen an der Somme-Front, wo ein letzter deutscher Vorstoßversuch unter schwersten Verlusten stecken blieb auch für die Kürassiere aus Brandenburg. Der Krieg war verloren. Abb. 12: Kürassieroffiziere und russische Kriegsgefangene nach der Masurenschlacht 1914 30
Abb. 13: Sommer 1918 in der Ukraine im Einsatz gegen die Rote Armee 1919 1934 Nach Kriegsende kehrte das Kürassierregiment gruppenweise nach und nach über einen längeren Zeitraum nach Brandenburg zurück. Die 2. Eskadron im Oktober 1918 noch einmal von Polen nach Belgien verlegt begann den Rückmarsch nach Deutschland ab dem 19. November aus dem Breisgau über Bamberg / Leipzig / Cottbus aber nicht nach Brandenburg, sondern nach Schlesien an die polnische Grenze als Grenzschutz bis 1919 gegen das nun souveräne Polen. Auch Teile der 1. und 4. Eskadron wurden noch einmal eingesetzt: im Mai 1919 nach einigen Entlassungen in Brandenburg, nach Querelen mit dem dortigen Soldatenrat der Ersatzeinheit und nach Umstrukturierungen auf Freiwilligenbasis (für fünf Reichsmark pro Tag), verlegt nach Preußisch-Stargard, südlich von Danzig. Sie kamen erst am 31. Januar 1920 wieder nach Brandenburg zurück. Danach wurden sie zu einer Eskadron vereinigt und im Mai 1920 auf dem Truppenübungsplatz Döberitz in die neu aufgestellte Reichswehr übernommen. Sie gehörten jetzt als 1. Eskadron zum 3. Reiterregiment der Brigade Reinhardt. Vermutlich 1921 wurden sie nach Stendal verlegt. Die 3. Eskadron kam aus Richtung Brüssel am 15. November 1918 nach Brandenburg zurück, die 6. Eskadron nach verlustreichen Rückzugskämpfen bei 31
Mons in Belgien am 29. November. Danach erfolgte ihre Demobilisierung. Doch zurück zur 1. Eskadron. Sie war in Minsk verblieben, kam dann nach Charkow, erlebte danach in der Südukraine am Asowschen Meer etliche Zusammenstöße mit der Roten Armee, aber auch das Zusammenwirken mit Donkosaken unter Ataman Krasnow. Dem folgte eine abenteuerliche Rückfahrt zuerst per Schiff auf dem Schwarzen Meer nach Konstantinopel und danach ein Rückmarsch über Konstanza weiter durch Siebenbürgen, Ungarn, die Slowakei und Schlesien bis zur endlichen Rückkehr am 9. Dezember 1918 in Brandenburg. Auch der Rückmarsch der 5. Eskadron war recht abenteuerlich. Ab 19. November begann sie den Rückmarsch aus Lettland durch weißrussische Sümpfe, wo sie von roten Partisanen attackiert worden waren. Über Königsberg gelangten sie schließlich am 29. Dezember 1918 in der Stadt Brandenburg an. Danach erfolgte ihre Entlassung. Während größere Teile der Infanterie des Ostheeres mit dem aus Russland übernommenen Geist der Zersetzung zurückgekehrt waren (14) auch in Brandenburg kamen die kaisertreuen Kürassiere in gewohnter Disziplin in ihrer Garnisonsstadt an. Hier fanden sie für sie befremdliche Verhältnisse vor: Ein Arbeiter- und Soldatenrat hatte sich nach der Abdankung des deutschen Kaisers am 9. November 1918 konstituiert; die Füsiliere in der benachbarten Kaserne hatten ihre Offiziere abgesetzt und Schulterstücke und Kokarden von den Uniformen entfernt. Nun wurde auch bei den Kürassieren ein Soldatenrat gebildet, welcher am 10. Januar 1919 auf einer Vollversammlung der Kürassiere eine Resolution beschließen ließ, in der es hieß: Die heutige Versammlung des Kürassier-Regiments Nr. 6 drückt den Offizieren des Regiments ihr Vertrauen aus und beauftragt den Soldatenrat fernerhin, mit dem Offizierskorps gemeinsam zu arbeiten und Sorge zu tragen, dass kein Misstrauen zwischen Mannschaft und Offizieren getragen wird und solche Bestrebungen energisch zurückzuweisen (15). Die Novemberrevolution hatte vor allem die Offiziere und Unteroffiziere in die Angst vor dem sozialen Absturz versetzt. Lebhaft wurde die Bildung von Freikorps unterstützt. So fand am 6. März 1919 in der Stadt eine Werbedemonstration von Kürassieren zur Werbung junger Männer für das Freikorps von Hülsen (25. Reichswehr-Brigade) im Grenzschutz-Ost statt, also zur Ergänzung der zwei neu aufgestellten Eskadronen statt (16). Wer nicht an einer Entlassung interessiert war, konnte für einen Tagessold von 5 bis 10 Reichsmark in einem Freikorps weiterdienen (17). Zu deren Unterstützung waren in Brandenburg vermutlich in der Kürassierkaserne 1919 auch sogen. Zeitfreiwillige (auch Schwarze Reichswehr genannt) untergebracht (18). Das war die Zeit der Entlassungen. Der indessen aus Tartu in Estland zurückgekehrte Regimentsstab fungierte als Auflösungsstelle für das 6. Kürassierregiment. Das war auch die Zeit der Reduzierung des Heeres auf Beschluss der Siegermächte in Versailles auf 100.000 Mann bis zum 31. März 1920 und der folgenden Umstrukturierungen zur 32
Reichswehr. Die gesetzliche Grundlage dafür war das Gesetz über die Bildung einer vorläufigen Reichswehr vom 6. März 1919, welches vorerst ein 200.000-Mann- Heer vorsah. Der Zeitplan der Siegermächte ging nicht auf. Die deutsche Heeresleitung unter General von Seeckt beeilte sich nicht sehr mit den Entlassungen und erreichte das befohlene Soll erst Ende 1920. Das Kürassierregiment Nr. 6 wurde als Truppenteil der 25. Reichswehr-Brigade zum Kavallerie-Regiment Nr. 25B umbenannt, im Zuge der weiteren Reduzierungen zum Kavallerie-Regiment 103 (19). Dann schließlich kam etwa 1921 die verbliebene Eskadron der ehemaligen Brandenburger Kürassiere nach Stendal (20). Noch im April 1920 war die Rede davon, dass das ganze Freikorps Lüttwitz mit 3000 Mann nach Brandenburg verlegt werden sollte nun als Reichswehr-Brigade 25 im Wehrkreis III (Provinz Brandenburg-Berlin) (21). Die revolutionären Unruhen nach dem Krieg stellten das Militär vor eine neue Aufgabe die Umstellung des Heeres für den inneren Einsatz. Seit der Revolution 1848 war der deutschen Generalität der Militäreinsatz im Innern des Landes suspekt gewesen, bestenfalls als Notfall, als ultima ratio (22). Auch heute noch wird allgemein diese Option für die Bundeswehr abgelehnt. Nach 1918 musste wohl oder übel die Reichswehr für den Fall des Bürgerkrieges ausgebaut werden. (23). Dazu wurde im September 1919 vom Reichswehr-Gruppenkommando I für die Provinzen Brandenburg-Berlin, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Schlesien eine umfassende Aufmarschplanung gegen besondere Unruheherde mit dementsprechender Strukturierung und Dislozierung der Truppen entwickelt (24). Dabei konnten die bisherigen Freikorps- Erfahrungen weitgehend berücksichtigt werden insbesondere die von General Maercker in Frühjahr und Sommer in Mitteldeutschland mit der gemischten Abteilung seiner 16. Brigade (mit einem relativ hohen Kavallerie-Anteil gegenüber der Infanterie) (25). Ein dramatisches Ereignis hatte indessen am 13. März 1920 das ganze Volk erregt: der Kapp-Putsch der Versuch, die legitime Reichsregierung zu stürzen und mit Teilen der Reichswehr eine Militärdiktatur zu errichten. Ein deutschlandweiter geschlossener Generalstreik am 14. März zum Schutze der noch jungen Demokratie war die unmittelbare Reaktion der Arbeiterschaft. In Brandenburg (Havel) besetzte am 14. März gegen 23.15 Uhr eine Abteilung von etwa 40 bis 50 Kürassieren des Reichswehr-Kavallerie-Regiments 103 unter Oberleutnant von dem Bussche, bewaffnet mit Karabinern, Handgranaten und MG, die sozialdemokratische Druckerei des Verlages Otto Sidow & Co. in der St.-Annen-Straße und vertrieb das Personal, um den Druck eines Streikaufrufes zu verhindern, was aber misslang. Ein Unteroffizier versuchte zeitgleich, mit acht Mann die Polizeihauptwache im Neustädtischen Rathaus zu besetzen, wurde aber von den Polizeibeamten scharf zurückgewiesen. Dieser Handstreich in Brandenburg hatte am Mittag des nächsten Tages 33
Abb. 14: Freikorps-Werbung in der Brandenburger Zeitung Februar 1919 den Auflauf einer großen erregten Menschenmenge vor der Druckerei zur Folge. Nach Verhandlungen des Bürgermeisters mit den Rittmeistern von der Recke und von Cramm zogen die Kürassiere durch die johlende Menge wieder ab. Karabiner wurden ihnen entrissen, drei Soldaten waren durch Kolbenschläge verletzt worden (26). Der Kommandeur der Kürassiere, Rittmeister von der Recke, reagierte mit einer Meldung zur Reichswehrgarnison in Potsdam, dass in Brandenburg auf Grund der Unruhen die hiesige Garnison nicht mehr Herr der Lage wäre. Tags darauf am 15. März rückte eine der putschenden Kapp-Regierung gehorchende Reichswehrabteilung aus Potsdam in Brandenburg ein. Die folgenden Zusammenstöße mit Einwohnern der Stadt kosteten fünf Bürger das Leben. Die einheimische Kavallerie hatte andererseits ihre Neutralität gegenüber den Kapp-Putschisten erklärt. Am 21. März musste die Besatzungstruppe nach dem gescheiterten Putsch in den Morgenstunden wieder abziehen. Das war das letzte Ereignis, in welchem die Kürassiere in der Stadt Brandenburg eine Rolle gespielt hatten. Die akute Verelendung breiter Bevölkerungsschichten in der Zeit der Inflation bis Ende 1923 und die verbreiteten revolutionären Stimmungen im Lande prägten in jener Zeit das Handeln des Militärs. Nach dem Kapp-Putsch wurden weitere Präzisierungen der Alarm- und Einsatzpläne vorgenommen. So galt ab 15. September 1920 ein Wehrkreisbefehl für die Sicherung Groß-Berlins, ein Besetzungsplan für Berlin mit dem Einsatz der Brandenburger Kavallerie in Tempelhof, Johannisthal, Adlershof und Köpenick (27). Der gescheiterte Kapp-Putsch hatte aber die Reichswehr im öffentlichen Ansehen erheblich geschwächt. Eine Reihe von Truppenführern erklärte nun ihre Treue zur Weimarer Verfassung, einige wurden abgelöst, so auch Rittmeister von der Recke, der Brandenburger Kommandeur (28). Etliche Truppenteile wurden verlegt, heraus aus großen Industriearbeiterstädten, hinein in kleinere Provinzstädte und vor allem im Ring von etwa 200 Kilometern um große Zentren wie Berlin. So kamen die ehemaligen Brandenburger Kürassiere 1921 nach Stendal. Dort wurden sie in das 3. (Preußische) Reiter-Regiment der Reichswehr eingegliedert und vom Chef der Heeresleitung General v. Seeckt zu den Traditionsträgern des kaiserlichen 34
Kürassierregiments Nr. 6 erklärt (29). Obwohl die Soldaten danach zu unpolitischen Soldaten erzogen wurden, war die aus Berufssoldaten bestehende Reichswehr keinesfalls unpolitisch. Das zeigte sich spätestens in den Jahren 1933 bis 1935, das Jahr, in welchem Brandenburg wieder Garnisonsstadt wurde. Von 1921 bis 1935 beherbergte die Kaserne Polizeischüler. Dazu war es notwendig, beide Kasernen die Kürassier- und die Füsilierkaserne zu einem Liegenschaftskomplex zu vereinigen. Von dem Zeitpunkt an muss man die Geschichte der jeweiligen Truppenteile in dem vereinigten Kasernenkomplex betrachten. Laut Erlass des Preußischen Innenministers vom 6. Mai 1921 wurden mehrere Polizeischulen in der Provinz Berlin-Brandenburg eingerichtet. Die Polizeischule in Brandenburg wurde Polizeischule von Groß-Berlin. Daneben gab es in Berlin noch zwei weitere Spezialschulen der Polizei: in Spandau und Treptow. Die Polizeischule für die Provinz Brandenburg wurde in Neuruppin eingerichtet, bis sie laut Erlass des Preußischen Ministers des Innern vom 25. Oktober 1926 aufgelöst wurde und deren Zuständigkeit auf die Polizeischule in Brandenburg/Havel zusätzlich übertragen wurde (30). Sie hieß ab November 1927 Staatliche Polizeischule Brandenburg (Havel). Ab Januar 1922 begannen die Lehrgänge mit einer Stärke von etwa 200 bis maximal 500 Polizeischülern. Sie waren pro Mann mit einer Pistole und 50 Schuss ausgerüstet. Ihre Ausbildungsfächer waren Staatskunde, Allgemeine Polizeikunde, Besondere Polizeikunde, Rechtskunde, Sanitätsausbildung, Psychologie, Deutsch, Rechnen, Lebensläufe, Schießausbildung, Sport, Schwimmen und Geländemärsche. Dazu kamen Freizeitvorträge und Filme für die Allgemeinbildung, Sportfeste und Feiern zum Verfassungstag am jeweiligen 18. August. Geschossen wurde auf den Schießständen am Gördenwald, geschwommen am Quenzsee hinter der Quenzbrücke. Gab es anfänglich in den Jahren der Nachkriegsnot ein Überangebot an Bewerbungen, so dass mit strengeren Maßstäben nach körperlichen und geistigen Voraussetzungen ausgewählt werden konnte, trat bald nach Beginn der Wirtschaftsstabilisierung 1924 die Goldenen Zwanziger Jahre eine neue Lage ein. In den folgenden Jahren waren die Lehrgänge nicht ausreichend aufgefüllt. Aus den Polizeirevieren Berlins und der Provinz kamen Klagen über Fehlstellen, erhöhten Bedarf ausgebildeter Polizeikader usw. Immerhin fanden mit der Polizeilaufbahn zahlreiche nach dem Krieg entlassene Offiziere und Unteroffiziere eine neue Perspektive. Die nun als Polizeischule genutzten Kasernengebäude waren mittlerweile in einen schlechten baulichen Zustand geraten. In den Jahren 1926/27 mussten erhebliche Baureparaturen an den Kasernen vorgenommen werden. Die Gebäude waren nun fast 50 Jahre alt und begannen, hinfällig zu werden. Die Schwerpunkte waren die Dächer, Fußböden, Öfen und Sanitäranlagen. Die Wasserleitungen bekamen zunehmend Frostschäden. Dazu kamen Finanzierungsprobleme. Die Bereitstellung der Mittel erfolgte nicht zügig genug. So hieß es in einem Schreiben des 35