Wandel der Arzt-Patienten-Beziehung in den Niederlanden



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Transkript:

Wandel der Arzt-Patienten-Beziehung in den Niederlanden Gauke Kootstra In den Niederlanden sind die Rechte der Patienten seit 1994 gesetzlich gesichert, dem Jahr, in dem das Gesetz über den medizinischen Behandlungsvertrag ± ¹Wet op de Geneeskundige Behandelings Overeenkomstª WBGO) in Kraft trat. Dieses Gesetz regelt ± die Qualität der Hilfeleistung des Arztes, ± den ¹informed consentª, ± die Geheimhaltung der Patientendaten, ± das Patientendossier, ± das Recht zur Einsichtnahme und Kopie des Patientendossiers, ± den Umgang mit besonderen Patientengruppen Jüngere, Patienten mit eingeschränkter Entscheidungsfähigkeit) und ± die rechtliche Vertretung des Patienten. Im Folgenden werden der ¹informed consentª und das Patientendossier näher besprochen. Informed consent Der ¹informed consentª beinhaltet, dass der Arzt den Patienten vollständig aufklären muss, damit der Patient selbst bewusst entscheiden kann. Arzt und Patient sind Partner bei der Behandlung. Der Arzt muss den Patienten aufklären über 377

Gauke Kootstra ± das Risiko des Eingriffs, ± alternative Diagnose- und Therapiemethoden und ± die Prognose. Patientendossier Das Patientendossier wird bei Gerichtsverfahren immer wichtiger. Das elektronische Patientendossier findet Anwendung im Krankenhaus. Es unterliegt der Geheimhaltung und nur ein Arzt kann darin ¾nderungen vornehmen. Es ist überaus hilfreich, unverzichtbar und kann dazu beitragen, Leben zu retten, denn die moderne Medizin hat es häufig mit multimorbiden Patienten zu tun. Kranke, älter als 60 Jahre, haben im Durchschnitt zwei, drei oder mehr Erkrankungen. Die modernen Medien wie Fernsehen, Internet, Zeitungen und Gesundheitszeitschriften spielen eine immer wichtigere Rolle bei der Entscheidung des Patienten. Eine Studie im Auftrag des Rats für Volksgesundheit Raad voor de Volksgezondheid en Zorg) aus dem Jahr 2004 hat den Einfluss des Internets unter Internetnutzern untersucht. Drei wichtige Veränderungen hat es im Arzt-Patient-Verhältnis in den letzten zehn Jahren gegeben: ± Der Hausarzt hat einen PC in seinem Behandlungszimmer. ± Die Möglichkeiten der modernen Medizin wurden wesentlich erweitert. ± Und: Es gibt mehr Hilfspersonal, die Aufgaben des Arztes übernehmen; der Arzt macht nicht mehr alles selbst. Die Gefahr eines PC im Sprechzimmer ist, dass der Arzt eher den Monitor und die Daten, z. B. aus dem Labor, im Blick hat als den Patienten selbst. Diese Situation ist meis- 378

Wandel der Arzt-Patienten-Beziehung in den Niederlanden tens auch für den Arzt neu, und vielleicht fühlt er sich selbst nicht recht wohl mit dem neuen elektronischen Hilfsmittel, muss aber ¹gute Miene zum bösen Spielª machen. Die neue Situation bietet aber auch Vorteile: Dank des PC sind alle Krankheitsdaten schnell verfügbar, es gibt die Möglichkeit der grafischen Darstellung und der Patient kann davon einen Ausdruck zu seiner Information erhalten. In der genannten Studie wurde die Frage gestellt ¹Waren Informationen aus den Medien ein Grund für Sie, den Hausarzt zu besuchen?ª Darauf antworteten 11 Prozent der Befragten mit ja, durch das Internet; 6 Prozent mit ja durch Zeitungen; 5 Prozent mit ja durch Frauenzeitschriften und 4 Prozent mit ja durch medizinische Fernsehsendungen. Auf die Frage ¹Wie oft haben Sie in den letzten zwölf Monaten in Gesundheitsfragen das Internet konsultiert?ª fielen die Antworten wie in Tabelle I dargestellt aus: Tabelle I. Nur Internetbenutzer 61 % der Bevölkerung) 2003 N=2065) 2004 N=2241) öfter 30 % 33 % einmal 42 % 44 % nie 28 % 23 % Das Internet wird von Patienten immer mehr genutzt, auch bevor diese in die Sprechstunde gehen. Dies zeigen die Ergebnisse der Studie, die in Tabelle II dargestellt sind. 379

Gauke Kootstra Tabelle II. 2003 N=1524) 2004 N=1713) immer 4 % 9 % oft 12 % 24 % manchmal 32 % 38 % selten 19 % 21 % nie 33 % 9 % Eine weitere Frage war ¹Wer entscheidet, ob Sie einer medizinischen Untersuchung oder Behandlung bedürfen?ª Das Ergebnis ist in Tabelle III dargestellt. Tabelle III. 2003 N=2081) 2004 N=2241) ich selbst 5 % 12 % ich selbst nach Beratung 29 % 37 % durch den Arzt ich zusammen mit 47 % 30 % meinem Arzt mein Arzt 17 % 14 % weiû nicht 3 % 7 % Die Antworten auf die Frage ¹Haben Sie nach Konsultation Ihres Arzt das Internet konsultiert?ª sind in Tabelle IV dargestellt. Tabelle IV. 2003 N=1529) 2004 N= 1713) öfter 11 % 26 % einmal 36 % 46 % nie 53 % 28 % 380

Wandel der Arzt-Patienten-Beziehung in den Niederlanden Das Internet trägt dazu bei, den Patienten zu informieren, er erfährt dadurch Unterstützung bei seiner Entscheidung. Der einzige Nachteil ist vielleicht, dass die Nutzung des Internets zu einer ¹defensive medicineª führt. Das Internet ermöglicht es auch, dass der Patient den Arzt ¹onlineª konsultieren kann. Der Berufsverband der niederländischen ¾rzte KNMG) hat Richtlinien für eine solche Online-Konsultation aufgestellt. Bei Online-Konsultationen ist Zurückhaltung geboten. Die ärztliche Schweigepflicht muss beachtet werden. Auûerdem sollten sich Arzt und Patient kennen. Online-Konsultationen sind vorteilhaft für die Beratung, beim Einsatz medikamentöser Therapien und wenn es darum geht, Wiederholungsrezepte zu erstellen. Die Richtlinien der KNMG entsprechen den Grundsätzen des ¹ComitØ Permanent des MØdecins EuropØensª. Arjen Kamphuis, IT-Architekt und Zukunftsforscher, hat die Zukunft auch die der Medizin betreffend) folgendermaûen skizziert: ± Die Gesamtmenge an Informationen, die ein Europäer im Jahre 1500 in seinem ganzen Leben bekam, lesen wir in drei Wochenendzeitungen. ± Ein Auto hat heute mehr Rechenkapazität als die ¹Saturnª-Mondrakete aus dem Jahr 1969. ± Die rasanten Entwicklungen bei Handys und Internet sind beachtlich. ± Die derzeitige Rolle der IT wird in Zukunft der Biotechnologie und Nanotechnologie zukommen. Kamphuis unterscheidet hinsichtlich der künftigen Entwicklung der Medizin drei Phasen: 1) Phase 1: 2005 ±2015: IT, elektronisches Patientendossier Einsichtnahme bis 71 Prozent,) einfach und populär wie ¹Telebankingª, Autodiagnostik. 2) Phase 2: 2010 ±2025: Biotechnologie, Scanning von genetischem Material, Detektion von Risikoträgern, Prävention, Züchten von Gewebe und Organen. 381

Gauke Kootstra 3) Phase 3: 2015 ±2035: Nanotechnologie, Instrumente in der Gröûe von Bakterien, mechanische oder genetische Intervention auf Zellniveau, prädiktive Diagnostik. Vor diesem Hintergrund lässt sich der Wandel in der Arzt- Patienten-Beziehung in den Niederlanden wie folgt beschreiben: ± Der PC und das Internet werden immer wichtiger. ± Der einzige Arzt, mit dem der Patient persönlich in Beziehung treten wird, ist der Chirurg. ± Andere ¾rzte werden zum ¹Datenverwalterª für ihre Patienten. ± Das Verhältnis Arzt-Patient bleibt trotzdem fürsorglich. ± Die Prävention durch Genetik wird Ziel der Medizin. Seit Januar 2006 gibt es in den Niederlanden eine obligatorische Volksversicherung: Jeder muss sich versichern. Damit ist ein Wettbewerb zwischen den Versicherungen entstanden, der zu einem billigeren Gesundheitswesen führen soll. Literatur 1) Internet gebruiker en veranderingen in de zorg. Raad voor de Volksgezondheid & Zorg, Zoetermeer, 2005. 2) De dagen van het ziekenhuis zijn geteld. Arts en Auto 7: 20±22, 2005. Anmerkung Für ihre Hilfe danke ich Jürgen Wöretshofer, Helma Duynstee und Nicole de Bijl ± Juristen an der Universität Maastricht. 382