Grundlagen und Voruntersuchungen



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Transkript:

RSI-Prävention durch Wechsel von Eingabegeräten am Computer - Studie der TU Darmstadt untersucht Stifttablett als ergonomische Alternative zur Maus am Computer - Einführung Nutzer von Computer-Arbeitsplätzen leiden häufig unter schmerzhaften Gesundheitsproblemen im Bewegungs- und Stützapparat. Hauptsächlich treten dabei Bewegungsschmerzen auf, die keine erkennbare organische Ursache haben. Dadurch kann sich ein bewegungsabhängiges chronisches Schmerzsyndrom entwickeln, das auch dann den Arbeitsablauf des Patienten noch beeinträchtigt, wenn die eigentliche Mikroverletzung bereits abgeheilt ist. Therapie und Prävention des so genannten RSI-Syndroms (Repetitive Strain Injury Syndrom, auch Mausarm genannt) haben sich als schwierig erwiesen, denn: das Grundproblem, die häufige Wiederholung weitgehend gleichartiger Bewegungen, gehört zu einem der Leistungsmerkmale an Computer-Arbeitsplätzen. Diese Belastung kann in den meisten Fällen nicht ohne erhebliche Mehraufwendungen für ergonomische Büroausstattung (Möbel bzw. Hardware) verringert werden. In den vergangenen Jahren stellen Mediziner eine Zunahme der RSI-Beschwerden bei vielen Berufstätigen fest, die mehrere Stunden täglich am Computer arbeiten. Unter Leitung von Prof. Dr. Hardo Sorgatz, klinischer Psychologe an der TU Darmstadt, wurde vor diesem Hintergrund untersucht, ob sich die ergonomischen Eigenschaften des Stifttabletts als mögliche Alternative zur Maus am Computerarbeitsplatz objektivieren lassen und der Stift damit helfen kann, RSI-Beschwerden zu mindern oder vorzubeugen. 1

Grundlagen und Voruntersuchungen Ganz allgemein gilt für eine schonende Haltung: die Position der Gliedmaßen sollte möglichst neutral sein, das bedeutet, eine aufrechte Haltung mit seitlich am Körper entspannt herunterhängenden Armen, die Handinnenflächen hängen dabei seitlich vom Körper, d.h. sind einander zugewandt. Beim Arbeiten am Computer weicht die tatsächliche Haltung von dieser Neutralhaltung ab: der Unterarm kann verdreht oder das Handgelenk abgeknickt werden. Zusätzlich können die Finger gestreckt, gekrümmt und seitlich abgespreizt bzw. der Ellbogen und die Schulter verdreht werden. Optimal ist daher ein Eingabegerät, dass eine so geringe Abweichung wie möglich von der Neutralhaltung erlaubt. Bereits 2003 befasste sich ein Forscherteam (Ullman et al.) mit der Entwicklung eines möglichst ergonomisch konstruierten Eingabegerätes. Die Anforderungen an dieses Gerät ergaben sich aus Befunden bisheriger Untersuchungen zum Thema RSI. Demnach sollte die Entwicklung eines biomechanisch optimalen Eingabegerätes folgende Punkte beachten: Extreme Positionen wie Streckung des Handgelenks, Pronation (Einwärtsdrehung) und Abweichungen von der Neutralstellung sind möglichst zu vermeiden. Präzisionsaufgaben sollten ohne Involvierung der oberen Arm- und Schultermuskulatur ausgeführt werden können, das heisst, der Arm sollte auf der Arbeitstischoberfläche ruhen können. Bei Klickbewegungen sollten auch andere Beugermuskeln als nur die des Zeigefingers eingesetzt werden können, um die aufzubringende Kraft je Muskel zu verringern. Klicken sollte auch ohne Durchstrecken des Fingers möglich sein, um statische Spannung der Strecker zu verringern. Die Handhabung sollte auf bereits früh erlernte Fähigkeiten abgestimmt sein, um den Lernaufwand zu verringern. Geringe mentale Beanspruchung durch das Eingabegerät an sich, das heißt eine möglichst intuitiv erlernbare Handhabung. 2

Die Ullman-Studie zeigte außerdem, dass beim Arbeiten mit dem Stift für den Computer gegenüber dem Arbeiten mit der Maus eine niedrigere Aktivität der Muskeln nötig war. Besonders bei Versuchspersonen, die täglich mit der Maus arbeiteten, zeigte sich eine extreme Reduktion der Muskelspannung durch Verwendung des digitalen Stiftes. Ebenfalls 2003 überprüften Kotani & Horii zusätzlich zur muskulären Anspannung auch Leistungswerte bei der Stift- und Mausarbeit. Zur Prüfung der Bearbeitung unterschiedlicher Aufgabentypen mit Stift und Maus im Vergleich wurden zwei Aufgaben unterschiedlicher Art entwickelt, welche die Versuchspersonen an fünf aufeinander folgenden Tagen jeweils mit beiden Eingabegeräten zu bearbeiten hatten. Dabei war eine Aufgabe eher maustypisch (häufiges Klicken, Drag&Drop), die andere eher stiftgeeignet (Nachzeichnen von Polygonen, feinmotorische Fähigkeiten). Die Werte für die letzte Aufgabe waren vom ersten Tag an für den Stift deutlich besser als für die Maus. Die Werte für die andere, für die Mausarbeit typischere Aufgabe, waren am ersten Tag noch deutlich besser, wenn mit der Maus gearbeitet wurde; schon ab dem zweiten Tag wurden die Werte für die Stiftbearbeitung jedoch besser als die Mauswerte, was vor allem an den niedrigeren Fehlerraten bei der Stiftbenutzung lag. Die schnellen Lernerfolge mit dem Stift werden von den Autoren als Hinweis interpretiert, dass die Fähigkeit zu schreiben gut auf das Arbeiten mit dem Stifttablett übertragen werden kann. Versuchsanordnung Aufbauend auf den oben geschilderten Voruntersuchungen erstellte die TU Darmstadt unter der Leitung von Prof. Dr. Hardo Sorgatz eine neue Studie. In dieser Studie wurde an 60 Studenten während einer dreimonatigen Untersuchungsphase der Umstieg von der PC-Maus auf das Stifttablett als Eingabegerät unter büroüblichen Arbeitsbedingungen untersucht. Die Probanden verfügten über jeweils ca. 10 Jahre Erfahrung mit der Nutzung einer Maus, jedoch über keinerlei Erfahrung im Umgang mit dem kabel- und batterielosen Stift des Tabletts als Eingabegerät für den Computer. 3

Vor diesem Hintergrund musste die Stiftnutzung zu Beginn der Untersuchung zunächst eingeübt werden, wobei nicht erwartet wurde, dass sich die Arbeitsleistung bei der Benutzung von Maus und Stift innerhalb weniger Übungsstunden vollständig angleichen ließe. Dem Hauptversuch wurde eine ca. 2-stündige Trainingseinheit vorangestellt; zwischen Training und Hauptversuch hatten die Teilnehmer keine Gelegenheit, zusätzlich am Stifttablett zu üben. Bereits im Training (Abb. 1) konnte der Leistungswert in den auszuführenden Trainingsaufgaben beim Arbeiten mit Stift und Tablett um rund 300% gesteigert werden. Im Gegensatz zum Beginn des Trainings machten die Teilnehmer an dessen Ende nur noch rund ein Drittel so viele Fehler beim Lösen von Navigationsaufgaben. Die Gesamtleistung mit dem Stift betrug nach dem Training etwa 90 Prozent der Leistung mit der Maus. Abb. 1 Trainingsraum mit Probanden Im Hauptversuch erwies sich später eine hohe Stabilität des Trainingseffektes. Die Leistung mit dem Stift betrug dort z.b. bei einer vergleichbaren Drag & Drop Aufgabe noch 84% der Leistung mit der Maus, ohne dass die Teilnehmer in der vierwöchigen Zwischenzeit Gelegenheit gehabt hätten, mit dem Stift zu arbeiten. 4

Um die Leistungsfähigkeit und die Auswirkungen auf die Muskulatur zu untersuchen, wurden im Hauptversuch unterschiedliche Vergleichsaufgaben gestellt, die jeweils mit Maus und Stift gelöst werden mussten. Zusätzlich wurden auditive und visuelle Ablenkungen (Abb. 2) simuliert, wie sie im Büroalltag üblich sind. Durch Akkordaufgaben wurde Leistungsdruck erzeugt. Damit sollte auch überprüft werden, ob zusätzliche Ablenkungen die Stabilität der Ergebnisse mit Stift und Maus unterschiedlich beeinflussen. Abb.2 Visueller Ablenker: Sechs Strahler und ein Blitzlicht Insgesamt gab es drei verschiedene Aufgaben, die von den Probanden am PC bearbeitet werden mussten, jeweils mit einer handelsüblichen Maus und einem Wacom- Stifttablett. Pro Eingabegerät mussten sechs Durchgänge von jedem Aufgabentyp ohne Pausen erledigt werden: 1. Tracking: Eine rote Linie musste möglichst genau durch gedrücktes Halten der Stift- bzw. Maustaste schwarz nachgezeichnet werden, so dass im Idealfall nach der Bearbeitung nur noch die schwarze Linie sichtbar war. 2. Klickaufgabe: Auf dem Bildschirm erscheinende Icons (Smileys) mussten weggeklickt werden, pro Durchgang waren 40 Smileys wegzuklicken. 3. Drag & Drop: Auf dem Bildschirm erscheinende Icons (Smileys) mussten auf eine Fläche in der Mitte des Bildschirms (Tasche) gezogen und dort abgelegt werden, auch hier waren pro Durchgang 40 Smileys zu verschieben. Bei den Aufgaben wurden Schnelligkeit und teilweise auch Genauigkeit der Aufgabenbearbeitung erhoben. Bei der Klick- und der Drag & Drop-Aufgabe wurde die Bearbeitungszeit pro Durchgang gemessen, bei der Trackingaufgabe wurde zusätzlich zur Bearbeitungszeit noch ein Fehlerwert für Abweichungen von der nachzufahrenden Linie berechnet. 5

Vor Versuchsbeginn wurde eine EMG-Baseline (der Belastungswert der Muskeln in Ruhestellung) mit auf einer Ablage ruhendem Arm in drei Haltungen erhoben: In einer (flach auf dem Tisch liegenden) Haltung der Hand und jeweils mit dem Eingabegerät in der Hand. Je nach Versuchsbedingung wurde vor Aufgabenbeginn die entsprechende Ablenkung eingeschaltet. Die visuelle Ablenkung wurde durch ein ständig flackerndes Licht und am Bildschirmrand aufblinkende LEDs simuliert. Der auditive Ablenker bestand aus einem Tonband, das mit unverständlicher (rückwärts abgespielter) Sprache lief. Nach Abschluss der drei oben geschilderten Aufgabenblöcke wurde bei entspannt auf der Ablage liegendem Arm mit Stift bzw. PC-Maus in der Hand für 30 Sekunden ein Ruhe-EMG abgenommen. Zusätzlich wurde die Befindlichkeit der Teilnehmer vor und nach den Versuchen anhand des NASA Task Load Index (TLX) erhoben, einem multi-dimensionalen Bewertungsinstrument, das Aufschluss über geistige, körperliche, zeitliche Anforderungen, Leistung, Anstrengung und Frustrationsniveau aus der Sicht der Teilnehmer erfasst. Außerdem wurden die Ergebnisse in zwei Gruppen eingeteilt, und zwar getrennt nach Probanden, die bereits über Probleme mit RSI klagten (auch hier war zuvor ein entsprechender Index erstellt worden) und solchen, die noch keine Symptome zeigten. Ergebnisse der Untersuchung Unabhängig vom Eingabegerät traten nach der ersten und zweiten Bearbeitungsphase (also jeweils nach Erfüllung der Aufgaben mit dem jeweiligen Eingabegerät) im Vergleich zum Ruhe-EMG höhere Werte auf. Über den Versuchsverlauf hinweg gab es einen signifikanten Anstieg der Befindlichkeitswerte in den Bereichen Unteram-Kribbeln, Nacken-Schulter-Kribbeln und Nacken-Schulter-Taubheit. 6

Die Einschätzung von muskuloskeletalen Missempfindungen (also Schmerzempfindungen im Bewegungsapparat) ergab bei RSI-gefährdeten Probanden (RSI-Index hoch) für den Nacken-Schulter-Bereich etwas höhere Werte bei Maus- Nutzung als bei der Nutzung des kabel- und batterielosen Stifts (Abb. 3). Die Mausnutzung führt somit subjektiv zu mehr Nackenbeschwerden als die Nutzung des Stifttabletts. Abb. 3 Missempfindungen: Gesamtwerte für Nacken-Schulter-Bereich in Abhängigkeit zum Eingabegerät und RSI-Index. Bei den im Vergleich zur Mausnutzung eher ungeübten Stiftnutzern treten anfangs ebenso hohe Beanspruchungs- und Missempfindungswerte auf wie bei der Mausnutzung. Dies war aufgrund des ungewohnten Umgangs mit dem Stifttablett zu erwarten. Unter der Vermutung einer Reduktion der Empfindungen bei fortschreitender Bewegungsautomatisierung mit dem Stift kann das Stifttablett als das weniger beanspruchende Gerät bezeichnet werden. Nach einem zweistündigen Training mit dem Stifttablett zeigten die Befunde einen 300%-igen Leistungsanstieg. Im Vergleich zu ihren Navigationsleistungen mit der PC- Maus wurde der Rückstand bis auf 10 bis 20 % ausgeglichen, so dass die Trackingaufgabe von den Probanden in fast derselben Zeit mit dem Stifttablett bewältigt wurde wie mit der Maus, allerdings mit hochsignifikant weniger Fehlern. Fehlerwert und Zeitwert hängen beim Tracking mit der Maus-Nutzung eng zusammen, das bedeutet, Langsamere machen mehr Fehler. Für die Stift-Nutzung liegt kein derartiger Zusammenhang vor. 7

Es ist zu vermuten, dass durch häufigere Nutzung ein vollständiger Ausgleich, wenn nicht sogar ein Leistungsgewinn mit dem Stifttablett gegenüber der Maus erzielt werden kann. Bei den von allen erfahrenen Mausnutzern beherrschten, navigationstypischen Klickund Drag & Drop-Aufgaben waren die dafür benötigten Zeiten bei der Mausarbeit signifikant geringer als bei der Bearbeitung mit dem Stifttablett. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass während dieses Experiments die Klick-Funktion der Stiftspitze u.a. aus Gründen der Vergleichbarkeit der EMG-Werte deaktiviert werden musste. Bei aktivierter Stiftspitze sind wesentlich höhere Leistungen zu erwarten als bei dem in dieser Studie angewandten Maus-typischen Tastenklick am Stift. Wurden die oben beschriebenen visuellen und auditiven Ablenker eingesetzt, ergaben sich keine wesentlichen Unterschiede in den Leistungswerten mit den einzelnen Eingabegeräten. Zusätzlich zu der EMG-Baseline mit dem jeweiligen Eingabegerät in der Hand, wurden nach Abschluss der Aufgaben die EMG-Werte für beide Eingabegeräte erneut erfasst (Abb. 4). Dabei zeigte sich an Hand der EMG-Baseline, dass beide Maus und Stift einen Spannungsanstieg für die Streckermuskulatur bewirken, der jedoch bei der Maus signifikant höher ausfällt. Die Spannung der Beugermuskulatur fällt dagegen ab und unterscheidet sich bezogen auf das Eingabegerät nicht. Das nach Abschluss der Aufgaben abgenommene Ruhe-EMG wies für die Maus höhere Belastungswerte der Muskulatur auf als für das Stifttablett. Abb. 4 EMG für Ruhehaltung von Maus und Stift (obere Grafiken) und nach der 25-minütigen Nutzung von Maus und Stift (untere Grafiken). 8

Zusammenfassung Das Stifttablett hat gegenüber anderen Eingabegeräten den Vorteil der frühzeitigen Einübung beim Handschriftenerwerb und des gänzlich anderen Bewegungsablaufs im Vergleich zu den meisten PC-Maus-Varianten. Das Stifttablett zeigte im Vergleich zur Maus ergonomischere Eigenschaften und bietet sich nach diesen Befunden als ergonomische Navigationsalternative zur Computer- Maus an. Bereits nach verhältnismäßig kurzen Trainingszeiten können damit vergleichbar gute, nach längerer Nutzung vermutlich durchgängig bessere Leistungen erbracht werden. Zur Vermeidung von RSI-Beschwerden ist ein häufiger Wechsel der Eingabegeräte grundsätzlich zu empfehlen. Beim Umstieg von der PC-Maus auf das Stifttablett kommt, wegen der deutlichen Reduktion der Muskelspannung beim Stift, ein weiteres Element für die Prävention bzw. Reduktion von RSI-Beschwerden hinzu. Zusammenfassend hat sich das Stifttablett im Vergleich zur Maus in subjektiven wie objektiven Indikatoren als ergonomisch überlegen erwiesen. Die Teilnehmer der Studie empfanden das ungewohnte Stifttablett als solches eher weniger beanspruchend als die gewohnte Computer-Maus. Nach den Ergebnissen dieser, durch Simulation von arbeitsüblichem Leistungsdruck und büroähnlichen Ablenkungsbedingungen weitgehend realitätsnah angelegten experimentellen Untersuchung, ist Mausnutzern mit und ohne RSI-typischen Beschwerden ein häufiger Umstieg auf das Stifttablett zu empfehlen. 9