Der Wechselkurs des Euro gegenüber dem Dollar hat sich wie folgt entwickelt:



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Transkript:

2 Der Wechselkurs des Euro gegenüber dem Dollar hat sich wie folgt entwickelt: 1. Schlusskurs 02.01.2012: 1,2935 2. Schlusskurs 29.06.2012 (Datum des Bundestagesbeschlusses über den ESM): 1,2590 3. Schlusskurs 10.07.2012 (mündliche Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht): 1,2285 4. Schlusskurs 11.07.2012 (Folgetag): 1,2260 5. Schlusskurs 23.08.2012: 1,2552 (Quelle: Europäische Zentralbank) Der DAX hat sich zu den gleichen Zeitpunkten, wie oben angegeben, wie folgt entwickelt: 1. Schlusskurs 02.01.2012: 6.075,52 2. Schlusskurs 29.06.2012 (Datum des Bundestagesbeschlusses über den ESM): 6.416,28. 3. Schlusskurs 10.07.2012 (mündliche Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht): 6.438,33 4. Schlusskurs 11.07.2012 (Folgetag): 6.453,85 5. Schlusskurs 23.08.2012: 6.949,57 (Quelle: XETRA, Deutsche Börse Group AG) Der Euro-Stoxx 50 wies zu den genannten Zeitpunkten folgende Werte aus: 1. Schlusskurs 02.01.2012: 2.370,20 2. Schlusskurs 29.06.2012 (Datum des Bundestagesbeschlusses über den ESM): 2.264,72

3 3. Schlusskurs 10.07.2012 (mündliche Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht): 2.241,85 4. Schlusskurs 11.07.2012 (Folgetag): 2.246,23 5. Schlusskurs 23.08.2012: 2.429,17 (Quelle: XETRA, Deutsche Börse Group AG) Aus den vorgenannten Zahlen sind folgende Folgerungen zu ziehen: Der Wechselkurs des Euro gegenüber dem US-Dollar ist seit dem Tag der Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht am 10.07.2012 bis heute nahezu unverändert geblieben. Dies gilt auch im Verhältnis zum Datum des Bundestagsbeschlusses über den ESM am 29.06.2012. Das Aussetzen des Ratifikationsprozesses seitens des Bundespräsidenten auf Veranlassung des Bundesverfassungsgerichtes hat mithin insoweit keine maßgeblichen negativen wirtschaftlichen Konsequenzen hervorgerufen. Vielmehr sind im gleichen Zeitraum der Deutsche Aktienindex und der Euro-Stoxx 50 deutlich gestiegen. Dies wiederum bedeutet, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung seitens des Bundesverfassungsgerichtes voraussichtlich ebenfalls keine negativen Konsequenzen hervorrufen wird. Denn wenn die Phase vom 29.06.2012 bis zum 12.09.2012 für die Märkte tolerabel war, so wird es auch ein weiterer Zeitraum von wenigen Monaten sein. Bezugnehmend auf die Ausführungen von Prof. Häde in seiner Schutzschrift vom 25.06.2012 ist folgendes anzumerken: In der Folgenabwägung, die Prof. Häde angestellt hat, hat dieser als Folgen eines Nichtinkrafttretens des ESM hervorgehoben, dass es zu einer unmittelbaren Zunahme von Unsicherheit auf den Märkten kommen könnte und ein Vertrauensverlust und Unsicherheit auf weitere Märkte übergreifen würde. Legt man die eben genannten Fakten zugrunde, ist diese Unsicherheit bis zum heutigen Zeitpunkt ausgeblieben. Mithin hat sich die Auffassung der Bundesregierung hinsichtlich der Folgenabwägung als nicht richtig erwiesen.

4 Herauszustellen ist überdies, dass die seit dem 10.07.2012 in das Bewusstsein der Öffentlichkeit getretenen zunehmenden Probleme Spaniens und Italiens, insbesondere auch der spanischen und italienischen Regionen (im Fall Italiens: vor allem Sizilien) nichts mit dem Aussetzen des Ratifizierungsverfahrens des ESM zu tun haben, sondern Tatsachen sind, die ohnehin zu Tage getreten wären. Beispielhaft bei Spanien, das die Ratingsagentur Standard & Poor`s auf einem guten Weg hinsichtlich der Umsetzung der aufgegebenen Reformen sieht, bestehen weiterhin beträchtliche Risiken, da die Regionen in Spanien zum Teil die Reformen nicht mittragen wollen. Schon im April 2012 wies die Commerzbank darauf hin, dass sich gerade bei den Regionen in Spanien aufgrund der deutlichen Unterschiede beim Defizit für das Jahr 2012 ein Konsolidierungsbedarf von knapp 6 % des Bruttoinlandsprodukts ergibt (siehe Commerzbank Economic aktuell vom 10.04.2012). Dadurch, dass die Regionen in Spanien sich der Umsetzung der Reformen widersetzen, ist die Konsolidierung Spaniens in Gefahr. Entsprechendes gilt im Hinblick auf die zunehmend negative Entwicklung in Griechenland und die Notwendigkeit, auch für Slowenien den Rettungsschirm in Anspruch nehmen zu müssen. Insbesondere die wirtschaftliche Lage des ehemaligen Euro-Vorzeigelandes Slowenien hat sich sehr verschlechtert, so dass sich die faulen Kredite in den Bankenbilanzen auf ein Viertel der Wirtschaftsleistung summieren könnten. Daher haben auch die Ratingagenturen Fitch und Moodys Slowenien von A2 auf Baa2 heruntergestuft. Diese erst jetzt sichtbar gewordenen Fakten erhöhen die Notwendigkeit, sich mit dem ESM gründlich und ohne Zeitdruck seitens des BVerfG zu befassen und erst dann eine endgültige Entscheidung zu treffen, ohne vorzeitig irreversible Zustände zu schaffen. II. Ein Thema, das im Zusammenhang mit der verfassungsrechtlichen Bewertung des ESM im Rahmen der Entscheidung über das Hauptsacheverfahren und unter dem Gesichtspunkt der Refinanzierbarkeit der Rettungsmaßnahmen zunehmend an Bedeutung gewonnen hat, sind die Targetsalden der Bundesbank. Diese sind als Äquivalent zu den abgelehnten Eurobonds zu sehen und als Äquivalent zum ESM, so dass sie im Rahmen des Verfahrens

5 vor dem BVerfG Mitberücksichtigung finden müssen (vgl. dazu Homburg, Wirtschaftsdienst, Zeitschrift f. Wirtschaftspolitik, 91. Jahrgang, Heft 8, August 2011, Anm. z. Target-2-Streit). Die Targetsalden der Bundesbank sind seit Januar 2012 dramatisch von 498.131,365 Millionen auf 727.206,146 Millionen per 31.07.2012 angestiegen. Im Januar 2010 lagen diese noch bei 177.759,587 Millionen Im Einzelnen gab es folgende Entwicklung: 1. Jan. 2010: 177.759,587 Millionen 2. Juni 2010: 249.416,903 Millionen 3. Dez. 2010: 325.556,428 Millionen 4. Jan. 2011: 302.629,655 Millionen 5. Juni 2011: 336.540,700 Millionen 6. Dez. 2011: 463.134,188 Millionen 7. Jan. 2012: 498.131,365 Millionen 8. Feb. 2012: 547.046,717 Millionen 9. März 2012: 615.591,528 Millionen 10. April 2012: 644.182,010 Millionen 11. Mai 2012: 698.567,101 Millionen 12. Juni 2012: 728.566,720 Millionen 13. 31.07.2012: 727.206,146 Millionen (Quelle: Bundesbank) Die Targetsalden stellen im System der EZB die im Ergebnis unbesicherten saldierten Forderungen der Bundesbank gegen andere Zentralbanken des Euro-Raumes dar. Genau genommen werden am Ende eines Tages die millionenfachen Transaktionen innerhalb des Euro-Raumes saldiert und an die Stelle einer Forderung gegen die betreffende ausländische Notenbank tritt eine Gesamtsaldo Forderung gegen die EZB, so wie gleichzeitig die EZB eine Forderung gegen diejenigen Notenbanken erwirbt, deren Saldo negativ ist. Die Forderung der Bundesbank gegen die EZB ist bis Ende Juli 2012 auf 727.206,146 Millionen angestiegen, was das Mehrfache des bisher vom Bundestag beschlossenen Enga-

6 gements Deutschlands in den verschiedenen Rettungsschirmen ausmacht (vgl. auch Schünemann in der Zeitschrift für internationale Strafrechtsdogmatik, Jahrgang 2012 Seite 84 ff. auf Seite 85). Tatsächliche Zahlungen erfolgen insoweit nicht. Mit dem Target-2-System wird im System der Euroländer folgendes finanziert: Die Leistungsbilanzdefizite der Länder, die sich in der Wirtschaftskrise befinden, sowie die Finanzierung von Kapitalflucht, nämlich Kapitalbilanzdefizite (vgl. dazu Homburg, Wirtschaftsdienst, Zeitschrift f. Wirtschaftspolitik, 91. Jahrgang, Heft 8, August 2011, Anm. z. Target-2-Streit). Im Einzelnen ist dieses System geschildert im Jahresgutachten 2011/2012 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, dort Blatt 78 bis 86. Unmissverständlich wird auf Blatt 86 ausgeführt, dass die Targetsalden ein Haftungsrisiko für Deutschland mit sich bringen. Zwar haften zunächst die Mitgliedstaaten für negative Targetsalden ihrer Notenbank. Sollte es jedoch zur Zahlungsunfähigkeit eines Teilnehmerlandes kommen, müsste der Verlust von der EZB getragen werden und würde gemäß dem deutschen Anteil am Kapital der EZB von 27 % einen entsprechenden Vermögensverlust für Deutschland bedeuten (vgl. das Gutachten des Sachverständigenrates a. a. O., Blatt 86). Hinzu käme die Quote von 27 % bezogen auf den bisherigen Anteil des in Fortfall geratenen Teilnehmerlandes. Geraten alle Teilnehmerländer in die Krise, ist die Haftungs-/Verlustquote bezogen auf den positiven Targetsaldo für Deutschland 100 %. Dasselbe gilt, wenn die EZB nicht mehr leistungsfähig ist. Denn Deutschland ist zwar mit 27 % am Gewinn und Verlust der EZB beteiligt, und zwar entsprechend der Zeichnung von EZB-Kapital (vgl. Art. 28 und 29 der Satzung des ESZB und der EZB). Die EZB-Mitgliedsländer sind jedoch nicht zu Nachschüssen an die EZB verpflichtet. Kann die EZB mithin ebenso wenig wie die Zentralbank eines Landes mit negativen Targetsalden diese Targetsalden ausgleichen, so verwirklicht sich für ein Land mit positiven Targetsalden hier Deutschland ein (Haftungs-)Risiko. Angesichts der derzeitigen positiven Targetsalden von Deutschland geht es um einen Betrag von insgesamt 727.206,146 Millionen. Denselben Betrag müsste Deutschland als Haftungs-/Verlustrisiko tragen, wenn es aus dem Euro-System austräte.

7 Ökonomisch sind die Targetsalden nichts anderes als Eurobonds, denn wie ausgeführt auch für die Schulden im Target-2-System haben alle Mitgliedstaaten im Verhältnis ihrer EZB-Anteile einzustehen (vgl. Homburg, a. a. O.). Dabei sind die Forderungen im Target- 2-System dadurch gekennzeichnet, dass sie unbesichert sind, keiner strikten Konditionalität unterliegen und wie ein faktischer Rettungsschirm benutzt werden können. So formuliert Schünemann a.a.o. wie folgt: Während nun die Bonitätsanforderungen der einzureichenden Sicherheiten bis zum 24.10.2008 seitens der EZB auf den (entsprechend den internationalen Rating- Stufen) mit A- auf der unteren Stufe der Klasse prinzipiell sichere Anlage eingeordnet waren, wurden sie durch eine EZB-Verordnung per 25.10.2008 auf BB- und damit auf die unterste Stufe der durchschnittlich guten Anlage abgesenkt eine Stufe über den sogenannten Ramschanleihen und sodann gegenüber den Hauptproblemländern Griechenland, Irland und Portugal für dortige Staatsanleihen oder staatlich garantierte Sicherheiten vollständig ausgesetzt. Durch diese Maßnahmen wurden, wie bei Sinn im Einzelnen dargelegt, die Peripherieländer in den Stand gesetzt, das Targetsystem als einen faktischen Rettungsschirm zu benutzen, d. h. zu einer nach oben unbegrenzten Kreditmaschinerie umzufunktionieren. Auch Prof. Gerber prognostizierte in einer Untersuchung aus dem Jahr 1998 eine Krise des Euroraums, wobei er eine Phase benannte, in der sich die Nationalen Zentralbanken gegenseitig beliebig viel Kredit gewähren durch das sog. Target-Buchungssystem. Dieses System wurde seiner Auffassung nach nur entworfen, um unbegrenzten Kredit zwischen den Nationalen Zentralbanken bereitzustellen (siehe Peter M. Gerber, Der Target Mechanismus: Wird er eine Krise in Phase III verbreiten oder unterdrücken?, 1998, S. 3). Wie stark dies allein seit Anfang des Jahres 2012 genutzt worden ist, ergeben die Zahlen auf Seite 5 dieses Schriftsatzes.

8 Wichtig ist in diesem Zusammenhang weiter folgendes: Das Szenario der Verwirklichung des Haftungsrisikos, auf welche Weise auch immer, ist nicht unrealistisch. Gerade die Länder mit den negativen Targetsalden sind die Krisenländer des Eurosystems, nämlich Griechenland, Irland, Italien, Spanien und Portugal. So haben sich bei Spanien zum 31.07.2012 negative Targetsalden in Höhe von - 423.270 Millionen aufgehäuft. Bei den anderen genannten Ländern sieht es folgendermaßen aus: Griechenland: - 100.420 Millionen (Stand: 31.05.2012), Irland: - 96.560 Millionen (Stand: 31.05.2012), Italien: - 278.060 Millionen (Stand: 31.07.2012), Portugal: - 61.490 Millionen (Stand: 31.05.2012). Zu erwähnen ist überdies, dass selbst Zypern schon negative Targetsalden in Höhe von - 10.700 Millionen (Stand: 31.05.2012) aufzuweisen hat. Im Fall von Slowenien betrugen die negativen Targetsalden zum 31.12.2011-2.540 Millionen, während sie zum 31.05.2012 schon bei - 5.110 Millionen lagen. Diese aufgezeigte gesamtwirtschaftliche Entwicklung und die negativen Targetsalden müssen bei der Prüfung der finanziellen Tragfähigkeit der Folgen des ESM mithin Berücksichtigung finden und dürfen bei der Bewertung nicht außer Betracht gelassen werden. Realisiert sich auf der Ebene des ESM der Dominoeffekt, dass Deutschland gemäß Art. 25 Abs. 2 ESM-Vertrag für andere ESM-Staaten eintreten muss, besteht zugleich die hohe Wahrscheinlichkeit, dass Deutschland auch seine positiven Targetsalden nicht durchsetzen kann. Angesichts der immer weiter um sich greifenden Eurokrise, von der mittlerweile nicht nur Griechenland, Portugal, Irland, sowie auch Zypern und Slowenien, betroffen sind, sondern auch große Volkswirtschaften wie Italien und Spanien ergibt sich das Bild, dass die Eurorettung im Wege eines Dominoeffektes auch die wirtschaftlich noch starken bzw. stärkeren Staaten Stück für Stück in die Krise zieht. Es entsteht dann nicht nur eine Liquiditäts- und Finanzkrise der schwachen Eurostaaten sondern auch der starken Eurostaaten. Für Deutschland kann die zunehmende Anzahl der schwächeren Eurostaaten mithin dazu führen, dass es überfordert wird durch Einzahlungen von bis zu 700 Mrd. in den ESM und durch den Verlust von Targetsalden von

9 727.206,146 Millionen, zusammen etwa 1,42 Billionen. Hinzukommen die Hilfen, die Deutschland bilateral im Euroraum, im Rahmen des EFSF und des EFSM bereits ausgereicht hat. Die Kumulation dieser Summen, die angesichts der aktuellen Entwicklungen viel realistischer geworden ist als noch vor Jahresfrist, gefährdet aber nicht nur die Staatlichkeit und Haushaltssouveränität Deutschlands sondern auch die demokratischen Grundsätze. Das Zusammenspiel der verschiedenen Haftungsrisiken begründet die nachhaltige Gefahr der Herbeiführung einer Zahlungsunfähigkeit auch für Deutschland und damit eine Handlungsunfähigkeit Deutschlands als staatliches Gebilde. III. Abschließend sei zudem erneut auf Folgendes hingewiesen: Konnte die Bundesregierung bisher die eingegangenen Risiken mit übergeordneten Interessen der gemeinsamen Währung und des Zusammenwachsens im Euroraum noch rechtfertigen, so verliert die Legitimationswirkung der entsprechenden Begründung zunehmend an Gewicht. Denn Deutschland hat sich im gleichen Zusammenhang auch auf die strikte Konditionalität der Gewährung von Hilfe an die Vereinbarung von Auflagen für das betroffene Land, einschließlich makroökonomischer Anpassungsprogramme, berufen. Dieses Argument ist aber nicht mehr tragfähig, seit sich auch ein Prozessvertreter des Bundestages im Zusammenhang mit dem Fiskalvertrag dahingehend öffentlich geäußert hat, dass letztlich Sanktionen gegen hilfeempfangende Staaten nicht durchsetzbar sind (vgl. Möllers/Reinhardt, JZ 2012, S.693, 698). Es wird mithin die Wirkungslosigkeit der strikten Konditionalität ohne Einschränkungen eingeräumt. Gibt es für die Hilfen im Euroraum aber nicht einmal einen Sanktionsmechanismus, fehlt es an jeglicher Konditionalität, so steigt das Risiko für die Geberländer, mithin auch Deutschland, massiv an. Dieses Risiko lässt sich nicht mehr rechtfertigen. Dies gilt umso mehr angesichts der juristischen Ungenauigkeiten, Fehler und Haftungsrisiken, die aus

10 dem Text des ESM-Vertrages resultieren und die der Beschwerdeführer in seiner Antragsschrift vom 29.06.2012 ebenso wie in seinem Schriftsatz vom 09.08.2012 hervorgehoben hat. Angesichts dieser Zusammenhänge ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung zwingend geboten, die Verfassungsbeschwerde muss im Ergebnis Erfolg haben. Dr. Arvid Siebert Rechtsanwalt Katrin Piepho Rechtsanwältin