Schlussdebatte im Senat Kampfabstimmung über das Mediengesetz

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scheidende Stimmen gegen die variablen Exportzölle abgab, blieb Arturo Colombí dem Vizepräsidenten treu. und schied aus der Koalition mit der Kirchner-Regierung aus. Cobos unterstützte Arturo Colombí im Wahlkampf, empfahl ihm aber kurz vor der Stichwahl, sich zurückzuziehen, weil ihm die Umfragen nicht genehm waren. Der Gouverneur weigerte sich und Cobos blieb dem verlorenen Wahlkampf fern. Das Wahlergebnis bestätigte die Umfragen und Arturo Colombí musste seine Wahlniederlage anerkennen. Die beiden Vettern arbeiteten politisch zusammen während der Regierungsperiode von Ricardo Colombí, in dessen Kabinett Vetter Arturo mitwirkte. In Corrientes ist die Wiederwahl in Folge nach vier Jahren verboten, weshalb Gouverneur Ricardo seinen Vetter Arturo als Kandidaten für seine Nachfolge aufstellte. Nach dem Wahlsieg zerstritten sich die Vettern mit dem jetzigen Ergebnis, dass sich Ricardo Colombí als der Wahlsieger entpuppte und am 10. Dezember 2009 zum zweiten Mal das Gouverneursamt antreten wird. Wenige Tage vor der Stichwahl brach ein Korruptionsskandal auf, als der 28-jährige Medienunternehmer Hernán González Moreno sich überraschenderweise das Leben nahm. Ihm werden illegale Machenschaften in der Zuteilung von Geldern für Inserate in den Medien vorgeworfen, die seine Firma Negocios Correntinos S.A. im Auftrag der Provinzregierung verwaltete. Der Skandal mag unentschiedene Wähler beeinflusst haben und die Niederlage des Gouverneurs festgenagelt haben. Argentinier besuchen Gräber auf Malwinen Buenos Aires (dpa) - Mehr als 27 Jahre nach dem Ende des Malwinenkrieges sind erstmals auch Angehörige auf See vermisster argentinischer Soldaten auf die zu Großbritannien gehörenden Inseln im Südatlantik gereist. Insgesamt 170 Argentinier landeten am Samstag voriger Woche an Bord einer chilenischen Passagiermaschine auf dem britischen Militärstützpunkt Mount Pleasant auf den Ost- Malwinen. Von dort wurden sie in Bussen zu dem nahegelegenen argentinischen Soldatenfriedhof gefahren, wo sie ein Denkmal für die 695 argentinischen Soldaten enthüllten, die in dem 1982 geführten Krieg um die Inseln getötet wurden. Unmittelbar anschließend stand der Rückflug zum Kontinent an. Den größten Ort der Malwinen etwa eineinhalb Autostunden weiter nördlich, Port Stanley, besuchten sie aus Sicherheitsgründen nicht. Die Erinnerungen an den von der damaligen argentinischen Militärdiktatur angeordneten Überfall auf die Inseln am 2. April 1982 und das Leiden unter der Besatzung und den Kriegsfolgen bis zur argentinischen Kapitulation am 20. Juni desselben Jahres sind bei vielen Kelpern noch immer sehr lebendig. Vor allem erbost die britischstämmigen Inselbewohner der unveränderte argentinische Anspruch auf die Inseln. 2 WOCHENÜBERSICHT Vermögenszuwachs im Amt Gleich zwei Privatsekretäre von Präsidentin Cristina Kirchner haben sich im Amt bereichert. Sekretär Fabián Gutiérrez Vermögen nahm in sechs Jahren um ganze 765 Prozent zu, wie Clarín auf Grund der Einsicht in die eidesstattlichen Erklärungen von 2003 und 2008 berichtete. Gegenüber von nur 52.590 Pesos im Ausgangsjahr wuchs das angegebene Nettovermögen des 36-jährigen Junggesellen auf 402.392 Pesos hauptsächlich dank Immobilien, darunter mehrere in El Calafate, wo ein Luxushaus im Wert von 300.000 Dollar laut eigenem Eingeständnis entsteht (wir berichteten). Der Vermögenszuwachs wurde durch Gehälter, eine Hypothek und ein privates Darlehen von 70.000 Pesos der Brüder Barijhoff, die Kirchner nahe stehen, angeblich finanziert. Als zweiter Bereicherungsskandal im Amt wurde bekannt, dass ein anderer Privatsekretär der Präsidentin namens Isidro Bounine, Sohn der Haushälterin in der Wohnung der Kirchners in Rio Gallegos, sein Vermögen von nur 15.000 Pesos im Mai 2005 auf 719.261 Pesos 2008 anschwoll, wie das Antikorruptionsamt ermittelte, allerdings ohne wie andere Mitarbeiter des Präsidentenehepaars billige Grundstücke in El Calafate erworben zu haben, die der damalige Bürgermeister vergab. Politischer Ehekrach in Chaco Nach längeren Streitigkeiten hat der Gouverneur der Provinz Chaco Jorge Milton Capitanich, genannt Koki, die Scheidung von seiner Gattin Sandra Mendoza beantragt. Der Ehekrach hatte vor Jahren begonnen, nachdem sich beide der Politik widmeten. Der Gatte war vereidigter Buchhalter, die Gattin mischte in der Universitätspolitik mit. Zwei Töchter gehen in Buenos Aires zur Schule. Der 2007 gewählte Gouverneur, vormals Senator und Kabinettschef unter Präsident Duhalde, ernannte seine Gattin zur Gesundheitsministerin. Sie wurde Ende Juni zur Nationaldeputierten gewählt, bevor die Ehe auseinanderging. Sie wurde als Ministerin entlassen. Seither beschimpft sie ihren Gatten in aller Öffentlichkeit, der ihr verbietet, die offizielle Wohnung zu betreten. All das zum Gaudium des Publikums. Lichtkonzert an der Avenida de Mayo Über 10.000 neugierige Zuschauer versammelten sich am vergangenen Samstagnachmittag an der Avenida de Mayo gegenüber dem bekannten Hochhaus, genannt Palacio Barolo nach dem Erbauer Luis Barolo, um einem Lichtkonzert des jungen argentinischen Pianisten Horacio Lavandera auf der Straße zuzuhören und die Lichtfantasien von Lito Vitale am Gebäude zu genießen. Das 1919 eingeweihte Hochhaus war renoviert worden, was mit einem Lichtstrahl zu Ehren der nächstjährigen Zweihundertjahrfeier, genannt Bicentenario, geehrt wurde, der eine Lichtbrücke mit dem Palacio Salvo in Montevideo bilden sollte. Marinepilot der Todesflüge beschuldigt In Bariloche wurde der Marinepilot im Ruhestand Kapitän Emir Sisul Hess von der Bundespolizei unter der Beschuldigung verhaftet, dass er während der Militärregierung als Pilot an den sogenannten Todesflügen mitgewirkt habe. Der 60-jährige Verwalter von Ferienhäusern für Touristen war von zwei Personen beschuldigt worden, die sich auf angebliche Aussagen des Angeklagten bezogen. Der Pilot lehnt die Beschuldigung ab, zumal er nur Helikopter geflogen habe und keine Lizenz für Flugzeug der Typs Elektra oder Skyvan besitze, die für Todesflüge eingesetzt wurden. Auch der kurz vorher in Spanien verhaftete argentinische Marinepilot Julio Alberto Poch (wir berichteten) bestritt seine Teilnahme an den Todesflügen, die er nicht gebilligt habe. In beiden Fällen gehen die Anklagen vor Gericht auf Zeugenaussagen zurück, die behaupten, Geständnisse beider Piloten in privaten Gesprächen gehört zu haben, was die Piloten auf Feindseligkeiten der Zeugen zurückführen. Kabelsäuberungen im Stadtzentrum Die Stadtregierung meldete dieser Tage, es sei ihr gelungen, 3120 illegale Kabel im Stadtzentrum in 104 Häuserblocks zwischen den Straßen Carlos Pellegrini, Rivadavia, Alem und Córdoba zu entfernen. Die Kabel verbanden Hochhäuser wie weiland zur Zeit der staatlichen Telefongesellschaft ENTel als Ersatz für mangelnde Anschlüsse in der City, wo Finanzgesellschaften auf direkte Kontakte angewiesen waren, die ENTel nicht lieferte. Das Stadtgesetz 1877 verbietet Kabellegungen in der Luft. Die ganze Stadt beherbergt derweil noch geschätzte 500.000 illegale Kabel, die meisten für das Kabelfernsehen. Die Kabelsäuberung begann vor drei Monaten und soll 5,5 Millionen Pesos kosten. Die Arbeiten werden von privaten Vertragsfirmen erledigt. (AT/RTA)

Klamme Kassen Von Stefan Kuhn Wer hat Angst vor Schwarz-Gelb? Fast Niemand! Nur ein paar seriöse Haushaltspolitiker raufen sich die Haare. Sie haben Recht. Während in Brüssel eine neues Defizitverfahren gegen die Bundesrepublik angelaufen ist, wird in den Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/ CSU und FDP das Füllhorn ausgeschüttet. Zwar nicht die von den Liberalen versprochenen Steuererleichterungen von 35 Milliarden Euro, aber immerhin noch erkleckliche Summen. So wird eine Erhöhung des Kinderfreibetrags und des Kindergelds allein rund acht Milliarden Euro kosten. Dazu sind noch Steuerentlastungen für Unternehmen geplant und eine ebenfalls kostspielige Änderung der Erbschaftssteuer. Daneben gibt es auch noch Haushaltslöcher, die zu stopfen sind. Allein beim Gesundheitsfonds fehlen 7,5 Milliarden Euro. Doch nicht nur Brüssel sitzt der künftigen Bundesregierung im Nacken. Die ins Grundgesetz aufgenommene Schuldenbremse ist noch strenger als der EU-Stabilitätspakt. Nach ihr müsste die Bundesregierung bis 2016 jährlich, je nach Schätzung, zwischen 29 und 37 Milliarden Euro einsparen. Die Nettokreditaufnahme darf laut Grundgesetz 0,35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes nicht überschreiten. Maastricht erlaubt drei Prozent. Für dieses Jahr geht die Bundesregierung von einem Staatsdefizit von 3,7 Prozent aus. Im kommenden Jahr werden gar sechs Prozent erwartet. Allerdings haben sowohl Maastricht als auch das Grundgesetz ihre Schlupflöcher. Derzeit überschreiten 20 der 27 EU-Staaten die Drei- Prozent-Grenze ohne gravierende Folgen. Sanktionen darf nur der EU-Ministerrat mit Zweidrittelmehrheit verhängen. Das entsprechende Land ist zwar nicht stimmberechtigt, aber in dieser Hinsicht gilt wohl die Devise, dass ein Sünder dem anderen kein Auge aushackt. Das Grundgesetz erlaubt Ausnahmen in Rezessionszeiten und bei Naturkatastrophen. Letztlich sind die Finanzprobleme aber konjunkturabhängig, und dort setzt die FDP 3 an. Die Liberalen stehen auf dem Standpunkt, dass mit Steuergeschenken der Binnenkonsum angeregt wird, die Unternehmen mehr investieren und Arbeitsplätze geschaffen werden. Der Bund nimmt mehr Steuern ein und gibt weniger aus, weil der Sozialetat entlastet wird. Es gibt viele Wirtschaftswissenschaftler, die das bezweifeln. Für sie haben Steuererleichterungen eher langfristige Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum. Skepsis ist in dieser Hinsicht nicht unangebracht. Wenn Großunternehmen gleichzeitig mit Rekordgewinnen Abbau von Arbeitsplätzen ankündigen, darf man sich wirklich fragen, ob durch Steuererleichterungen neue Jobs entstehen. Momentan scheint es sich bei den Koalitionsverhandlungen weniger um Zwistigkeiten zweier Parteien zu handeln, sondern um eine Konfrontation zwischen Realisten und Utopisten, wobei letztere ihre politische Heimat wohl mehrheitlich bei den Liberalen haben. Letztlich werden sich die Vertreter des Machbaren durchsetzen. Das neue Mediengesetz wird sicherlich der Regierung ermöglichen, Einfluss auf die Meinungsfreiheit über den Hör funk und das Fernsehen nehmen, indem Lizenzen an befreundete und gegebenenfalls gefügige Medienunternehmer erteilt werden. Die geschriebene Presse mit Zeitungen und Zeitschriften ist davon nicht betroffen, da keine amtliche Lizenzen erteilt werden. Ein gesellschaftsrechtlicher Verlag und eine Marke genügen. Diese Lücke in der Medienmanipulierung der Regierung soll offenbar auf dem Umweg des einzigen Fabrikanten von Zeitungspapier in Argentinien, die Firma Papel Prensa S.A., ausgeübt werden. Binnenhandelssekretär Guillermo Moreno, der auf Expräsident Néstor Kirchner hört, versammelte dieser Tage die amtlichen Vertreter der Regierung in der Firma in seinem Büro, befahl ihnen, der Regierungsdirektorin Beatriz Paglieri zu gehorchen und drohte mit Streiks mittels gefügigen Gewerkschaftern, um die Firma zu entwerten und dann billig zu kaufen oder zu enteignen. Außerdem schrieb er den Teilnehmern an der Sitzung vor, zu schweigen, und drohte mit gewaltgeübten Radaubrüdern, falls nicht geschwiegen werde. Paglieri war anstelle des früheren Kabinettsschef Alberto Fernández ernannt worden, nachdem sich dieser mit den Kirchners überworfen hatte. Dieser unglaubliche Vorgang gelangte indessen am nächsten Tag an die Öffentlichkeit, weil der Regierungsvertreter in Papel Prensa S.A. Carlos Collasso den Mut aufbrachte, trotz oder gerade wegen der Erpressung von Moreno den Inhalt der Sitzung einem Notar mitzuteilen, Anzeige vor Gericht zu erstatten und auf sein Amt zu verzichten. Papel Prensa S.A. wurde 1972 gegründet, um die im Bau befindliche Zeitungspapierfabrik vom Zeitschriftenverlag Abril zu übernehmen und zu vollenden. Das Projekt, in Argentinien Zeitungspapier herzustellen, war 1969 vom damaligen Wirtschaftsminister José María Dagnino Pastore in die Wege geleitet worden. Eine Ausschreibung für das Projekt, das mit Steuervergünstigungen ausgestattet war, wurde 1973 unter Wirtschaftsminister José Ber Gelbard seinem später in USA verunglückten Partner David Druck auf die Presse Graiver zugeschlagen, der Financier der Terroristen Montoneros war. Anfangs hatten sich die Verlage der Tageszeitrungen Clarín, La Nación, La Razón und La Prensa für das Projekt interessiert. La Prensa schied aus, während die anderen Verlage die Mehrheit kontrollierten. Der Staat ist Minderheitspartner mit 27,5 Prozent der Aktien, darf aber mit mehr als 20 Prozent Direktoren ernennen. Seit der Inbetriebnahme im Jahr 1981 wurden rund 200 Millionen Dollar investiert, einschließlich Baumpflanzungen, und die Erhöhung der Produktionskapazität von anfangs anvisierten 105.000 Tonnen auf jetzt 150.000 Tonnen erhöht. Das Produkt konkurriert am Markt erfolgreich mit importiertem Papier und beliefert 170 Zeitungen, für deren Verlage die lokale Produktion ungleich einfacher ist und mit weniger Nebenkosten (Frachten, Lagerung, Zinsen) verbunden ist. Was Guillermo Moreno bezweckt, wenn er mit Enteignung und Einflussnahme auf die Versorgung der Zeitungsverlage mit Papier droht, kann nur mit der Erinnerung an die Zustände während der ersten beiden Regierungen von Juan Domingo Perón (1946-1955) erklärt werden. Damals wurden die Zeitungsverlage mit Papierquoten drangsalisiert, die nur maximal in 15 Tagen verbraucht werden durften. Das Argentinische Tageblatt hat das am eigenen Leibe erfahren müssen, als gelegentlich die Quote, nota bene des eigenen damals importierten Papier, zurückgehalten wurde, um Einfluss auf die Berichtserstattung der Zeitung zu nehmen. Das ist freilich gegenwärtig bei freiem Import kaum nachvollziehbar, würde aber bei einer Verstaatlichung von Papel Prensa S.A. bei gleichzeitiger Importkontrolle möglich sein und eine empfindliche Beschränkung der Meinungsfreiheit nach sich ziehen. Der Skandal wird jetzt vor Gericht weiter gehen, wo die Anzeige über die unglaubliche Sitzung des Binnenhandelssekretärs Moreno mit Beamten landete und den Richter nötigt, die anderen Beamten als Zeugen vorzuladen und dann zu urteilen. Inzwischen ist die Öffentlichkeit aufgeschreckt worden, weil die immer noch in Argentinien obwaltende Pressefreiheit abermals gefährdet worden ist.

4 Sechs Jahre lang bemühte sich Expräsident Eduardo Duhalde (2002-2003), stets zu beteuern, dass er kein exekutives Amt anstrebe, weder in der Regierung noch in der Justizialistischen Partei. Dass er aber stets politisch aktiv war, hinter den Kulissen wirkte, und seine persönlichen Kontakte mit peronistischen Politikern, zumal in der Provinz Bue-nos Aires, wo er zwei vierjährige Mandate als Gouverneur innegehabt hatte, intensiv pflegte, ließ die Lesarten nie verstummen, dass er doch bereit sein werde, eine Präsidentschaftskandidatur anzunehmen. Das hat sich dieser Tage bewahrheitet, als Duhalde gleichsam nebenbei erklärte, er würde gelegentlich eine solche Kandidatur antreten. Plötzlich war die Katze war aus dem Sack. Duhalde ist jetzt offiziell auch Bewerber wie Néstor Kirchner, Mario das Neves, Carlos Saúl Menem oder andere Politiker wie Mauricio Macri, Felipe Solá und Carlos Reutemann, die im Gespräch sind, ohne sich offiziell zu ihrer Kandidatur zu bekennen. Duhalde zielt zunächst auf die Füh-rung der Justizialistischen Partei, um als deren offizieller Kandidat gekürt zu werden. Ihm schwebt eine informelle Konföderation justizialistischer Gruppen vor, damit die Partei gestärkt und nicht gespalten wird. Sein Gegner sei Néstor Kirchner, den er weiland 2003 zur Kandidatur ermuntert hatte, um die Wiederwahl von Expräsident Carlos Menem zu hintertreiben, was auch gelang. Inzwischen ist Duhalde von den Kirchner-Regierungen enttäuscht worden und bezweckt, sie abzulösen. Allerdings fehlen noch über zwei Jahre für die neue Regierung und die Parteienpolitik ist mit 686 offiziell eingeschriebenen Parteien und 8,4 Millionen angegebenen Mitgliedern denkbar unübersichtlich. Aber die Präsenz Duhaldes als möglicher Kandidat wird ihre Wirkung in der Landespolitik nicht verfehlen. Randglossen Die Ossis von Namibia Ein Leben zwischen zwei Kulturen Von Ute Rammerstorfer Für Abwechslung wird auf jeden Fall gesorgt sein. Das war eine kuriose Entschei-dung. Natürlich kann man den Friedensnobelpreis für Reden und Absichtserklärungen vergeben, aber doch nicht an einen Politiker und schon gar nicht an den mächtigsten der Welt. Den sollte man an seinen Taten, nicht an seinen Worten messen. US-Präsident Barack Obama versteht die Ehrung zwar als Aufruf zum Handeln, wird sich aber kaum in ein Friedenskorsett zwängen lassen. Morgen muss er vielleicht mehr Soldaten nach Afghanistan schicken. Man entwertet den Nobelpreis, wenn man ihn als Darlehen vergibt. Ebenso kurios, aber verdienter wäre es gewesen, wenn man Obamas Vorgänger George W. Bush geehrt hätte. Er hat in diesem Jahr den größten Beitrag zum Weltfrieden geleistet. Er hat sich aus der Politik zurückgezogen. Schon wieder Berlusconi. Nein, kei-ne Fettnäpfchen, keine Frauen geschichten, Minderjährige, Prostituierte oder Ehekrieg. Der oberste italienische Gerichtshof hat die Immunität des Regierungschefs aufgehoben. Das ist im Prinzip eine gute Sache. Ein Indiz, dass der italienische Ministerpräsident nicht über dem Recht steht, dass der Rechtsstaat funktioniert. Doch was bringt das Ganze? Meineid, Steuerhinterziehung und Bestechung - es gibt wohl kaum einen demokratischen Staat, in dem ein Regierungschef so viele Prozesse am Hals hatte. Es scheint gar, dass Berlusconi, der reichste Mann Italiens, nur in die Politik gegangen ist, um der Strafverfolgung zu entgehen. Reformpolitik betreibt der selbsternannte Napoleon kaum, ein Großteil der unter ihm verabschiedeten Gesetze nützen nur ihm und seinem Wirtschaftsimperium. Die große Frage ist, warum ihn die Italiener wählen. Die Antwort ist ernüchternd. Er ist einer von ihnen. Wien (AT) - Auf dem Hügel vor der Christuskirche in Windhoek sitzt eine Gruppe junger Afrikaner. Im Schatten einer Palme spielt einer Gitarre, ein anderer singt dazu. Es klingt nach Reggae-Musik. Sie unterhalten sich mit vorbeigehenden Touristen auf Englisch. Plötzlich wechseln sie die Sprache, in ein Deutsch mit unverkennbarem Ossi-Akzent. Sie beginnen, aus ihrem Leben zu erzählen. Darüber, woher dieser Akzent kommt und welche Auswirkungen die politische Wende in der damaligen DDR auf das Schicksal von 430 afrikanischen Kindern hatte. Die Geschichte der sogenannten DDR-Kinder aus Namibia beginnt mit dem Cassinga- Massaker. In den 70er Jahren, als die Unabhängigkeit Namibias noch in weiter Ferne liegt, fliehen viele schwarze Familien nach Angola und Sambia, wo sie in Flüchtlingslagern unterkommen. Im Mai 1978 fallen südafrikanische Truppen im angolanischen Flüchtlingslager von Cassinga ein. Rund 600 Menschen sterben. Die South-West Africa People s Organisation, kurz SWAPO, eine marxistisch orientierte namibische Befreiungsbewegung, bittet die DDR-Regierung daraufhin, namibische Kinder aufzunehmen. Nach langen Verhandlungen kommen die ersten 80 Kinder im Dezember 1979 in Ost-Berlin an. Die Drei- bis Siebenjährigen sind entweder Waisen, Kinder von SWAPO-Kämpfern oder Opfer des Krieges. Sie werden im Schloss Bellin, in Mecklenburg- Schloss Bellin (heute: Jagdschloss) - dort haben die Kinder aus Namibia die ersten Jahre in Deutschland gewohnt. Vorpommern, untergebracht. Es muss ein großer Kulturschock gewesen sein. Naita, eines dieser 80 Kinder, erinnert sich: Wir sahen den Foto: Hinrich Franck ersten Schnee und dachten, es sei Zucker. Wir hatten daran geleckt, aber es war eiskalt und nass.

Bis 1989 kommen insgesamt 430 Kinder aus dem krisengeschüttelten Afrika in die DDR, wo sie zur künftigen Elite Namibias ausgebildet werden sollten. Finanziert wird der DDR-Aufenthalt aus Solidaritätsgeldern. In Deutschland werden die Kinder zu Jungpionieren erzogen, mit Fahnenappell und Manöverübungen. In ihren Schränken, so berichtete eine DDR-Zeitung, liegen die Kleidungsstücke Kante auf Kante, und die Betten werden sauber gebaut. Die Woche ist straff durchorganisiert. Montags stehen Schießen und Geländeübungen auf dem Stundenplan, dienstags lernen sie kochen und Haare flechten, am Mittwoch singen sie namibische Lieder und am Donnerstag lernen sie namibische Tänze, am Freitag steht wieder Singen auf dem Programm. Samstags werden die Zimmer ordentlich aufgeräumt und am Sonntag gibt es Gruppensport. Es wird aber auch darauf geachtet, dass noch genügend Freizeit für die Kinder bleibt. Sam Nujoma, Anführer der SWAPO und später erster Präsident des unabhängigen Namibias, besucht die namibischen Kinder einige Male in Deutschland. Er spricht sie mit Meine künftigen Soldaten an und betont immer wieder, dass sie die Elite Namibias sein werden. Sie fühlen sich als etwas Besonderes mit einer vielversprechenden Zukunft als SWAPO-Kämpfer oder Diplomaten. Vor diesen hohen Besuchen üben sie fleißig, wie richtige Soldaten zu marschieren. Zur Begrüßung führen die Kinder namibische Tänze in Rökken der namibischen Nationalfarben, rot, blau und grün, auf. Den SWAPO-Gruß beherrschen sie perfekt: rechte Hand schräg nach oben, der Daumen berührt die Stirn, die Finger sind ausgestreckt. Dazu rufen die Kinder, wie vorher gut einstudiert, Viva Sam Nujoma und lassen die SWAPO hochleben. Während ihrer Zeit in Deutschland haben die Kinder, wenn überhaupt, nur Briefkontakt mit ihren Eltern - und diese Briefe werden zensiert. Einige hatten fast immer Post bekommen, ich gehörte zu denen, die nie etwas gekriegt hatten, erzählt Matheus. Als Sam Nujoma zu Besuch in der DDR war, habe ich ihm einen Brief für meine Mutter mitgegeben und ihn gebeten, sie ausfindig zu machen. Er hat es tatsächlich geschafft. 1987 durfte ich meine Mutter in Kwanza Sul besuchen, als Belohung für meine guten Noten in der Schule, so Matheus. Die namibischen Kinder besuchen in der DDR öffentliche Schulen, wo sie nach einem speziellen Lehrplan unterrichtet werden. Frau Staedt, die die namibischen Kinder von 1985 bis 1988 in Geografie unterrichtet und mit ihnen im Ferienlager in Prerow an der Ostsee war, denkt gerne daran zurück. Sie sagt, es sei ihre schönste und beeindruckendste Zeit als Lehrerin gewesen. Ich hatte immer das Gefühl, dass uns diese Kinder als ihre Ersatzeltern ansahen, sie waren meine Kinder und entsprechend vertrauensvoll war unser Umgang miteinander, so Frau Staedt. Kurz vor der politischen Wende in Deutschland, als die Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands nicht mehr das Sagen hat und die Zukunft für die namibischen DDR-Kinder ungewiss ist, werden sie zurückgeschickt. Völlig überstürzt, ohne Vorbereitung, in ein Land, das ihnen fremd geworden ist. Im Keller des Schlosses Bellin zeigen bunte Wandmalereien Giraffen, die unter Palmen grasen. So müssen sich die Kinder ihre Heimat vorgestellt haben. Die Realität sieht anders aus. Nach ihrer Ankunft werden sie zuerst in einem der ärmsten Stadtteile Windhoeks untergebracht, wo es weder Strom noch Warmwasser gibt. Die Jugendlichen kommen dann bei ihren Familien oder bei Verwandten unter, die die meisten zum letzen Mal vor elf Jahren gesehen haben. Ein paar Kinder wurden von irgendwelchen Leuten abgeholt und man wusste nicht, waren das wirklich Verwandte, oder wollten sie einfach nur die 50 Rand, die jedes Kind bekam, einheimsen. Wir haben geweint und wollten einfach wieder zurück in die DDR, erzählt Lucia, ein ehemaliges DDR- Kind. In Namibia scheinen sie nicht willkommen zu sein. Frustrierend war, dass wir uns anfangs kaum verständigen konnten - mein Oshivambo war zu schlecht. Und dass ich für die Weißen plötzlich nicht mehr das süße Schoko-Kind Kindergruppe Schloss Bellin. Foto: Archiv Klaus Dieter Garlow 5 war, sondern im schlimmsten Fall ein dummer Kaffer, so Oshosheni. Einige können ihren Schulabschluss an einer der beiden deutschen Schulen in Windhoek machen, wo sie zu den ersten Schwarzen zählen, die aufgenommen werden. Heute sind die ehemaligen DDR-Kinder in der ganzen Welt verstreut, die meisten von ihnen leben in Namibia, einige in Deutschland. Wenn sie einander treffen, dann sprechen sie Oshi-Deutsch, eine Mischung aus Englisch, Deutsch und ihrer eigentlichen Muttersprache Oshivambo. Oshi-Deutsch haben sie auch als Kinder in der DDR als eine Art Geheimsprache gesprochen, wenn es zum Beispiel auf dem Schulhof zu kleinen Rangeleien kam. Die ehemaligen DDR-Kinder, die nun längst Erwachsene sind, sind in fast allen Berufsgruppen vertreten, vom Anwalt, PR-Manager, über Arzthelfer, Krankenpfleger, Journalist, Vermesser bis zum Brauer. Über diejenigen, die es aus irgendwelchen Gründen nicht geschafft haben, wird kaum berichtet, wie zum Beispiel über Georg, der an Aids gestorben ist oder Nick, der heute in den Straßen von Windhoek lebt. Bücher, Dokumentationen und Filme handeln vom Schicksal der ehemaligen DDR-Kinder, die von Medien oft als Kollektiv betrachtet werden. Es wird vergessen, dass hinter jedem Einzelnen eine eigene Geschichte steht. Wir teilen einen wichtigen Abschnitt unse- Fotos: Baobab Frauenverein n.e.v Katatura ist einer der ärmsten Stadtteile Windhoeks... dort verbrachten die Kinder ihre ersten Tage nach ihrem Aufenthalt in Deutschland.

rer Vergangenheit, trotzdem sind wir Individuen mit unterschiedlichen Lebenswegen, bringt es ein ehemaliges namibisches DDR- Kind auf den Punkt. Eines haben sie noch gemeinsam: Sie sind zwischen zwei Kulturen aufgewachsen. Matheus, der heute in Deutschland lebt, erzählt: 2006 war ich mit der ganzen Familie für drei Monate in Namibia, zum ersten Mal, seit wir im Jahr 2000 nach Deutschland gingen. Ich hab in Namibia ein Praktikum als Webdeveloper gemacht. Am Ende hatte ich die Stelle und stand vor einer schwierigen Entscheidung. Ich hab mich für Berlin entschieden. Am liebsten würde ich hin und her pendeln. Die meisten der ehemaligen DDR-Kinder leben heute in Namibia. Fotos: Ute Rammerstorfer In Namibia schienen die Kinder zunächst nicht willkommen zu sein. 6 AUSFLÜGE UND REISEN Die mysteriöse Casa Mínima in San Telmo Die Casa Mínima im Pasaje San Lorenzo Buenos Aires ist, warum auch nicht, voller Rätsel, Mythen und Geheimnisse. Wie beispielsweise jene Casa Mínima in San Telmo, über die die verschiedensten Versionen im Umlauf sind: wahrscheinlich das winzigste Haus der Stadt, nur zweieinhalb Meter breit, dreizehn Meter tief, kaum größer als ein geräumiger Wohnwagen. Angeblich gehörte diese Miniaturwohnung einem Negro liberto, also einem aus seinem Sklavendasein freigelassenen Schwarzen. Die Provincias Unidas, der politische Vorläufer des heutigen Argentinien, waren punkto Sklaverei nahezu weltweit wegweisend. Schon 1813 wurde die Sklaverei abgeschafft, lange vor den meisten übrigen amerikanischen Ländern, darunter, als letztes, Brasilien erst 1888. Dieses Grundstück des angeblich freigelassenen Sklaven lag neben dem Haus der Familie Ezcurra unweit des Tercero del Sur, der südlichste Bach, der das Stadtgebiet von West nach Ost Richtung Río de la Plata durchfurchte. Der ehemalige Herr des Freigelassenen soll diesem die winzige Parzelle für seine Behausung als Belohnung geschenkt haben, gelegen in dem heutigen Pasaje San Lorenzo Nummer 380. Für die Kameras der Touristen ist die Casa Mínima ein dankbares Motiv, mit dem halb abgefallenen Verputz und der schmalen Doppeltüre, in einer Stadt, in der die Standardbreite der Parzellen zehn spanische Varas, also etwa 8.54 Meter betrug. Die historische Wahrheit ist etwas anders. Der Architekt José María Peña, ehemaliger Leiter des Museo de la Ciudad und Initiator des Antiquitätenmarktes von San Telmo auf der Plaza Dorrego, hat schon vor Jahren festgestellt, dass das Lilliput-Anwesen in Wirklichkeit ein Überbleibsel sukzessiver Parzellierungen jenes Häuserblocks darstellt. Tatsache ist nämlich, dass das Minimalgrundstück Mitte des 19. Jahrhunderts von einem gewissen Silvio Bassi aufgekauft wurde, der Antiquitätenhändler war und die Mär vom befreiten Negersklaven in die Welt setzte. In den Katasterplänen der Stadt bildet diese Parzelle eine Einheit, ohne jegliche Unterteilung, mit dem großen Anwesen an der Ecke San Lorenzo und Defensa, ähnlich den Fällen, als die Avenidas aufgerissen wurden, wie die Corrientes, die Belgrano und nicht so lange her die Libertador - überall blieben Restbaulose übrig, die teils zu merkwürdigen Parzellierungen führten. Heute gehört der ganze Komplex Jorge Eckstein und wird für Präsentationen, Empfänge und sonstige Events vermietet. Eckstein besitzt nur wenige Schritte entfernt auch den Zanjón de Granados, über den an dieser Stelle bereits berichtet wurde. Marlú Eröffnung am Tag der Deutschen Einheit: www.allesdeutsch.com.ar...für alle, die es deutsch mögen. Das Innere des restaurierten Zanjón de Granados.

Mehr Auswähler als Trainer César Luis Menotti über Maradona, Deutschland und Fußballkultur Ein Argentinier in Franken: César Luis Me notti ist am Freitag, 2. Oktober, in Nürnberg im Rahmen der Verleihung des Deutschen-Fußball-Kulturpreises 2009 mit dem Hauptpreis ausgezeichnet worden: Für sein Lebenswerk, für außergewöhnliches Engagement und soziale Verantwortung weit über den Fußball-Platz hinaus. Der 70-Jährige wurde somit Nachfolger von Franz Beckenbauer (2006), Alfredo di Stéfano (2007) und Bernd Trautmann (2008), dem ersten deutschen Profi, der nach dem Zweiten Weltkrieg in England Kultstatus erlangte (als Torhüter bei Manchester City) und so auch zu einer Annäherung zwischen den ehemaligen Kriegsgegnern sorgte. Der Preis wird von der Deutschen-Akademie für Fußball- Kultur verliehen, die vor drei Jahren gemeinsam von der Stadt Nürnberg und dem kicker- Sportmagazin gegründet wurde. Menotti mit dem früheren Tageblatt-Redakteur Jörg Wolfrum. 7 Herr Menotti, Sie waren erneut in Deutschland, hatten teils ein stressiges Programm. Was überwog dabei: Die Verpflichtung oder der Reisespaß? Cesar Luis Menotti: Letzteres. Ich fühle mich in Deutschland sehr wohl, komme ja schon seit über 30 Jahren immer wieder, sei es in Sachen Sponsoring oder als TV-Kommentator wie zuletzt bei der WM 2006. Was schätzen Sie besonders? Menotti: Mir gefallen die Menschen, ihre Einstellung, die Ehrlichkeit, Sauberkeit und Ordnung. Hinzu kommen die Architektur, die Natur, selbst entlang der Autobahnen ist alles grün. Mir schmeckt das Essen, und ich liebe die Straßenbahnen im Stadtbild. Das sind nur Beispiele, aber Sie sehen, es ist von allem etwas. Sie wurden von der Deutschen-Fußball- Akademie mit dem Hauptpreis ausgezeichnet. Bedeutet Ihnen als vielfach ausgezeichneter Fußball-Schaffender so ein Preis noch etwas? Menotti: Natürlich. Es geht hier um mehr als einen Fußball-Preis. Für mich ist dies eine Verpflichtung, dem integralen Ansatz gerecht zu werden bis zum Ende meiner Tage. Es geht ja hier nicht um eine Leistung wie z. B. Bester Fußballer 2009. Sondern um eine Lebenswerk-Auszeichnung. Es wäre also das Schlimmste, wenn die Juroren eines Tages zu dem Schluss kämen, dass sie sich getäuscht hätten. Kommen wir zum Fußball: Hat man sich bei der Wahl von Diego Maradona zum Nationaltrainer getäuscht? Menotti: Ich kann sein Wirken nicht wirklich bewerten, denn es ist mir nicht ganz klar, wohin Maradona mit der Nationalelf will. Aber er konnte es auch noch nicht zeigen. Warum? Menotti: Weil er bislang mehr ein Auswähler denn Trainer ist. Er wählt Spieler aus, aber er hatte sie ja bislang kaum mal ein paar Tage zusammen. Daher kann ich auch nicht bewerten, was für einen Stil er anstrebt. Bei den Tests in Europa fehlen die Jungs aus der heimischen Liga, in der WM-Qualifikation fehlten in den letzten Spielen verletzt viele Legionäre. Was Maradona wirklich kann, werden wir erst bei der WM sehen, wenn er die Mannschaft lange beieinander hat und mit ihr arbeiten kann. Zwei Quali-Spiele noch, heute gegen Peru, dann in Uruguay. Erstmals seit 1970 droht Argentinien die WM zu verpassen. Ist Maradona für diese beiden Spiele der Richtige? Menotti: Es wäre Unsinn, ihn jetzt rauszuwerfen. Man hat sich für ihn entschieden, und nun soll man auch zu ihm stehen. Er braucht jetzt die Rückendeckung von allen. Die Spieler loben seine Motivationskünste, aber das half schon einige Male nicht. Menotti: Motivation, Motivation, wenn ich das schon höre. Was soll das: Wenn ich meinen Sohn gegen Tyson boxen lasse, hat er trotz Motivation keine Chance. Die einzige Motivation ist Wissen. Was passiert, wenn Argentinien die WM verpasst? Menotti: Dann haben wir zwei Möglichkeiten. Eine ist, dass wir alle eine Woche lang Weinen und tun als wäre es eine Tragödie oder dass im argentinischen Fußball die notwendigen Strukturänderungen vorgenommen werden. Was meinen Sie? Menotti: Um die Nationalelf herum gibt es zu viele Trainer und Direktoren: A-Nationalelf, Olympia, Junioren. Zu viele Stimmen, die zudem nicht miteinander reden. Es muss da was passieren. Sie sprachen eben scherzhaft von Tragödie. Aber wäre es nicht zumindest ein fußballerischer Schock? Menotti: Was wäre denn? Das Leben in Argentinien würde sich für fast niemanden ändern. Wir sollten also selbst ein Ausscheiden bitte nicht dramatisieren. Warum hat Argentinien seit der Vizeweltmeisterschaft 1990 nicht mehr ein WM- Halbfinale erreicht? Menotti: Weil die großen Persönlichkeiten fehlen, heute sind das in der Nationalmannschaft fast alles junge Kerle, keine Anführer wie einst Passarella. Nun ist mit Messi einer da, der den Druck von den anderen nehmen könnte. So war es in Brasilien in den letzten Jahrzehnten viel öfter: Romario, Ronaldo, Ronaldinho waren alles Stars, die mit ihrer Klasse kollektive Schwächen der Selecao kompensierten. Wer ist denn momentan der beste Spieler der Welt? Menotti: Iniesta. Er ist einer dieser ganz wenigen Abenteurer und zudem torgefährlich. Eine beste Elf aller Zeiten. Machen Sie das Spielchen mit? Menotti: Viel Sinn macht es nicht, die Zeiten zu vergleichen. Aber bitte, keine Elf, aber ein paar Namen: König unter den Königen ist Alfredo di Stefano, dann kommen in zeitlicher Abfolge Pele, Cruyff und Maradona. Danach erst mal nichts mehr. Vielleicht ein Romario, ein Ronaldinho, ein Zidane, man verliert sich hier schon. Cristiano Ronaldo, aber auch ihm fehlt das gewisse Etwas für einen König. Prinzen, ja die gab es: Beckenbauer, Platini, Laudrup. Sie gelten als Kritiker des modernen Fußballs. Die Zeiten scheinen wie gemacht für Sie: Trotz Wirtschaftskrise haben die Klubs in Europa im Sommer fleißig verpflichtet. Real Madrid gab rund 250 Millionen Euro aus. Normal ist das nicht, weil bisher noch nicht dagewesen. Aber sind die Spieler solche Preise vielleicht doch wert, bei Real verweisen sie ja immer auch auf das damit gesteigerte Marketing? Menotti: Wenn Real so viel Geld ausgibt, müssen die Spieler wohl entsprechend gut sein. Aber sie müssen erst einmal beweisen, dass sie auch Real weiterbringen. Haben Sie Zweifel? Menotti: Es ist doch wie bei der Musik. Ein Dirigent kann mit guten Musikern ein feines Orchester hinbekommen, aber für den großen Wurf, für ein Symphonieorchester

braucht es großartige Musiker. Dort die Musiker, hier die Spieler. Trainer Pellegrini hat die notwendigen Spieler. Aber nun muss er auch die Zeit zum Proben bekommen, sonst klappt das mit dem Symphonieorchester nicht. Trainer Pellegrini verweist auf knapp 30 Spiele in den nächsten drei Monaten. Menotti: Fußball ist ein riesiges Geschäft, eine Ware. Das kann man bewerten wie man möchte. Aber gerade deshalb muss man sich umso mehr um Qualität bemühen, ihn zu einem Premiumprodukt machen und auf diese Weise quasi schützen. Wie soll das bei 60, 70 Spielen pro Saison und Mannschaft funktionieren? Quantität läuft der Qualität immer mehr den Rang ab. Glauben Sie, ein Pavarotti hätte jeden Tag singen können? Sie sagten dem kicker einmal, dass Sie es gerne sähen, wenn etwa Franz Beckenbauer FIFA-Präsident würde, auf dass der Weltverband von einem Ex-Spieler geleitet werde wie dies auch bei der UEFA mit Michel Platini der Fall ist. Stehen Sie noch immer dazu? Menotti: Das habe ich gesagt, aber ich sagte auch, dass es zwei Beckenbauer gibt. Den Ex-Fußballer und den Vereinsfunktionär. Und den Fußball-Kolumnisten Menotti: Das interessiert mich nicht. Ich würde mir wünschen, dass der Ex-Spieler Beckenbauer FIFA-Chef würde und diese fußballerische Sensibilität mit einbrächte, die ihn einst auf dem Platz auszeichnete. Er wäre mehr als geeignet, denn er ist ein Fußball- Adeliger mit großer Erfahrung, schauen Sie die WM 2006 an. Er könnte einer sein, dem Qualität vor Quantität geht. Als Ex-Fußballer weiß er, dass 60, 70, 80 Spiele pro Saison unmöglich sind. Sehen Sie hin und wieder deutschen Fußball? Menotti: Nur manchmal, vor einer Woche in München das 0:0 gegen Köln. Das hat mir gar nicht gefallen. Keinerlei Inspiration auf beiden Seiten. Sonst eigentlich nur über die Teilnehmer in der Champions League, wenn es sich zeitlich nicht überschneidet mit meiner Arbeit als Sportdirektor bei Independiente. Gefällt Ihnen, was Sie da sehen? Menotti: Wenn man von deutschem Fußball spricht, ist in der Regel immer von Ordnung, von Disziplin und von Einsatz die Rede. Selten einmal von Talent. Dann sage ich: War Beckenbauer nicht talentiert? Der deutsche Fußball verlor seine herausragende Stellung, als diese Abenteurer des Balles ausblieben, die die aufgrund ihrer Ordnung ohnehin starken deutschen Mannschaften zusätzlich mit Qualität und Schönheit adelten. Deutsche Teams haben Struktur, sie sind wie ein Orchester mit gutem Klang, die aber meist auch herausragende Solisten hatten wie Müller, Overath, Breitner. Beckenbauer stand natürlich über allen, er war ein Künstler. Also Vorsicht mit dem Etikett Ordnung. Das war früher. Wen würden Sie heute herausheben? Menotti: Ballack allen voran. Allerdings ist Ballack mehr ein Chefordner als ein Chefabenteurer, er ist kein Iniesta, der auf den letzten 20 Metern den Gegner in Stücke legt. Auch Schweinsteiger hat schon vieles gezeigt, wenn auch noch nicht so viel wie einst ein Littbarski. Wo steht die deutsche Nationalelf? Menotti: Wie ich sagte: Es gibt sehr gute Spieler momentan, aber die großen Abenteurer, die Cracks fehlen. Unser Nationalschriftsteller Jorge Luis Borges sagte einmal: Literatur ist Ordnung und Abenteuer. Beim Fußball ist es genauso. Deutschland hatte bei der WM 2006 die Leute begeistert, aber ganz ehrlich: Spektakulärer Fußball war das nur mit Ausnahmen, trotz des dritten Platzes. Bei der EURO 2008 erst recht nicht, trotz Finalteilnahme. Noch ein Rückgriff: Sie sagten uns ebenfalls einmal, dass das WM-Finale von 1974 das beste bedeutende Spiel war, das Sie je gesehen haben. Wurde es mittlerweile abgelöst? Menotti: Nein, es ist immer noch das beste, weil beide Teams spektakulären Fußball gezeigt haben. Es war ein auf und ab. Also ganz anders als das Champions-Finale, in dem Barca Manchester United keine Chance ließ? Menotti: Das war eine Dominanz, aber die allergrößte, das ich jemals sah, war das Brasilien von 1970. Welche Nationalmannschaft gibt momentan den Ton an? Menotti: Mir gefällt weiterhin der Stil der Niederländer, auch Russland unter der Leitung von Guus Hiddink hat bei der EURO sehr gut gespielt. Aber natürlich und vor allem gibt momentan Spanien den Ton an. Warum? Weil sie exzellente Spieler haben. Ich habe mir ja seit 20 Jahren den Mund fusselig geredet: Wollt ihr Spanier sterben wie der Stier oder wie der Torero? Bitte erklären Sie das Bild. Menotti: Jahrzehntelang hatte Spanien auf physisch starke Spieler gesetzt, sich den Namen Furie erarbeitet, wenn Sie so wollen. Aber der Furie erging es wie dem Stier: bei den Turnieren kam schnell das Ende. Und seit Trainer Vicente del Bosque und zuvor sein Vorgänger Luis Aragones am Ruder sind, agieren die Spanier behände wie ein Torero? Menotti: So ähnlich. Jetzt setzen sie weniger auf körperlich dominante Akteure, sondern auf die Kleinen, die eine Kunst aufführen. Sie können das machen, weil es technisch exzellente Spieler wie Xavi oder Iniesta, die auch mental auf der Höhe ihrer Fußballkunst sind, also ihre Technk nicht nur zum gewonnenen Dribbling einsetzen, sondern mit ihrer Rafinesse auch ein Spiel aufziehen können. Fernando Torres sagte nach dem Sieg bei der Europameisterschaft: Unser Erfolg ist gut für den Fußball. Hat er recht? Menotti: Er hat recht. Warum? Menotti: Weil Spanien einen sehr guten 8 Fußball gespielt hat, sie haben der EURO den Stempel aufgedrückt. Italien hingegen hat 2006 schrecklichen Fußball gespielt. Und die wenigsten haben dies kritisiert. Jetzt wo Italien genauso spielt wie 2006 und beim Confed Cup in Südafrika früh ausschied, wird plötzlich kritisiert. Was sagt uns das? Menotti: Mehr Muskel als Intelligenz. Es ist leider bei den Kritikern oft genauso wie bei den Trainern. Man setzt auf Bewährtes. Das ist eine oft fast schon reflexartige Handlung. Können Sie sich vorstellen, nochmals als Trainer aktiv? Menotti: Als Sportdirektor bei Independiente habe ich Einfluss auf die Trainerwahl. Ich könnte irgendwann mich vorschlagen, aber bis dahin ist noch Zeit. Sie hatten nach dem Ende eines Trainerjobs in Mexiko Anfang 2008 fast eineinhalb Jahre pausiert. Nun sind Sie wie angesprochen beim argentinischen Traditionsklubs Independiente wieder aktiv im Geschehen tätig. Wurde Ihnen das Rentnerdasein zu langweilig? Menotti: Mit Independiente verbindet mich ja seit vielen Jahren ein Lasso. Nun ging es darum, einen alten Klub neu zu Ordnen, ein Konzept zu entwerfen, welches auch die Nachwuchsarbeit umfasst. Nicht nur Independiente, fast alle Klubs in Argentinien können sich ja eigentlich keine Spielerkäufe leisten. Aber auch bei uns gilt: Erst einmal muss Trainer Gallego ein schlagkräftiges Team haben, dann kann man sich in Ruhe dem Nachwuchs widmen. Das hört sich nach der Aufgabe Ihrer alten Werte an. Menotti: Nein, ich bevorzuge immer noch Teams wie das der Holländer bei der WM 1974 oder Arrigo Sacchis Milan. Auch Deutschland hatte 74 eine wunderbare Elf, 72 noch viel mehr. Künstler, Feingeistige, die sich nicht allein von Ergebnissen beeinflussen ließen in ihrem Spiel, das war mit dem linken Fußball gemeint. Nervt es Sie, dass Sie immer wieder auf Ihrer Theorie vom linken und rechten Fußball angesprochen zu werden? Menotti: Ich hab das gesagt, dazu stehe ich. Aber Fußball ist auch einfacher zu definieren. Fußball, das ist Raum, Zeit und auch Täuschung, aber ich meine hier Täuschung auf dem Platz. Es geht in der Abfolge um das Verteidigen, den Ball erobern, das Spiel aufziehen und dann das Tor schießen. Klingt einfach, aber das muss man erst einmal hinkriegen. Dies perfekt umzusetzen, dass schaffen über einen langen Zeitraum nur die Größten. PERSONALNACHRICHTEN Todesfälle Prof. Pedro Graf, am 26.9.; Trude Goldschmidt geb. Jacob, am 4.10.

Es ist alles im Kopf, wie beim Kung Fu Die Bedienungen beim Oktoberfest können bis zu 12 Maß auf einmal tragen München (AT) - Sechs Uhr aufstehen, duschen, Haare kämmen, schminken und das Dirndl anziehen. Schnell die Familie küssen, die Schürze festbinden und los geht s auf die Wiesn. Immer dasselbe, sechs Tage lang. Sie besuchen das Oktoberfest jeden Tag, haben sehr viel Spaß dabei und würden nie mal einen Tag zu Hause bleiben während der zwei Wochen des Münchner Oktoberfestes. Sie haben aber weder einen Tisch im Zelt gebucht noch gehen sie mit Freunden hin. Außerdem sind sie den ganzen Tag, von 7 Uhr bis Mitternacht, da, ohne Bier zu trinken. Sie sind keine normalen Besucher, sondern die Frauen, die beim Fest bedienen. Seit neun Jahren bedient Josefine beim Oktoberfest. Sie ist Mutter von zwei Kindern und arbeitet normalerweise in einem Café. Im Moment hat sie Urlaub, den sie auf der Wiesn verbringt. Elfriede ist seit 34 Jahren dabei und hilft den neuen Bedienungen mit ihrer Erfahrung. Sie ist überall im Zelt bekannt. Sabrina hat gerade ihr Abitur gemacht, und das ist ihr erstes Mal auf dem Oktoberfest. Sie wollte diesen Job schon immer haben. Die Arbeit fängt sehr früh an, denn man muss alles saubermachen, die Tische decken und auf der eigenen Stelle sein, wenn sich die Türen öffnen. Das ist immer um 10 Uhr morgens, und von da an sind die Großzelte alle immer voll. Egal ob Künstler, Studenten, Sportler, Hausfrauen, Tischler, Beamte oder Angestellte, reiche oder arme Leute: Die sozialen Unterschiede verschwinden einfach, alle sitzen nebeneinander, und statt ihrer Markenklamotten haben sie die traditionellen Lederhosen und Dirndl angezogen. Selbst Besucher aus anderen Ländern tragen auf dem Oktoberfest gern die traditionelle Kleidung. Elfriede ist schon in Rente, aber sie sagt, sie würde nie auf diese zwei Wochen Spaß und Arbeit verzichten. Ich habe seit Jahren dieselben Kunden, die in meiner Abteilung sitzen. Sie kommen aus dem Ausland, meistens aus den USA und Neuseeland. Sie kommen mich auch so besuchen. Obwohl die gewöhnliche Beschreibung des Oktoberfests als das Fest des Biers und der Brezn schon ein biss-chen stimmt, meinen Elfriede und Josefine, dass noch viel mehr zu sehen sei. Wer Bier trinken möchte, kann Bier trinken; wer gut essen möchte, kann gut essen; und wer einfach die ganzen Stimmung genießen möchte, kann das auch. Hier gibt es für jeden etwas, sagt Josefine. Es ist ein Fest der Familie, betont Elfriede. Mit einer Stunde Pause in 13 Stunden täglicher Arbeit während 16 Tagen ohne freie Tage, machen die Bedienungen es möglich, dass in den Zelten, das Oktoberfest reibungslos funktioniert. Je besser die Bedienung ist, desto besser ist der Umsatz. Trotz der Wirtschaftskrise seien dieses Jahr mehr Leute auf dem Oktoberfest gewesen, heißt es in den bayrischen Medien. Die Köche und Köchinnen arbeiten schneller und präziser als die Automechaniker des F1. Ochsen, Hendl, Würste und Knödel werden ohne Pause gebraten, gekocht und serviert. Die Frauen laufen ohne Pause durch das Zelt, sprechen mit den Kunden und hören die Live-Musik, die gespielt wird. Die Leute stehen auf dem Tisch, tanzen, singen, trinken und essen. Und nicht nur zwei oder drei, sondern hunderte Leute, den ganzen Tag lang. Von Lucía Alfonso Beim Fest zu bedienen, ist nicht einfach. Man muss Facherfahrung haben und mit Stress gut umgehen können. Man muss Spaß verstehen und mitmachen, sagt Josefine. Auch wenn uns zum Beispiel Männer anbaggern mit dem Spruch Eine Maß Bier und ein schönes Mädchen!. Das ist einfach ein Spaßfaktor, sagen sie. Sabrina ist nicht ganz ihrer Meinung, sie stört es schon, dass Besucher zu viel trinken und später die anderen anpöbeln. Trotzdem meint sie, dass man immer eine gute Austrahlung haben müsse. Sie hat sie ganz sicher gehabt, denn sie hat jemanden auf der Wiesn kennengelernt und sie haben sich verliebt. Die Arbeit wird aber sehr gut belohnt: Die Frauen können 10.000 Euro in 16 Tagen verdienen; sie bekommen ein Prozent von dem, was sie verkaufen. Aber es ist auch eine Arbeit, die man lieben muss, sonst könnte man sie nicht machen, sagen sie. Man muss fleißig und schnell sein. Man muss viele Maß Bier auf einmal tragen können, denn es gibt sehr viele Leute, die ungeduldig darauf warten. Deswegen müssen die Frauen ein besonderes Talent haben: So viele Maßkrüge Bier wie möglich gleichzeitig tragen Foto: LA zu können (ohne Tablett!). Ich kann zehn, sagt Josefine. Sabrina, acht. Elfriede, die mehr Übung hat, sogar 12. Jede Maß hat zwei Liter, jede Maß wiegt 2 Kilo. Elfriede trägt 24 Kilo auf einmal nur mit den Händen. Es ist wie beim Kung Fu: es ist alles im Kopf, antwortet sie auf die Frage, wie sie das schafft. In den Zelten wird weiter gefeiert. Leute aus der ganzen Welt sind dabei. Und jedes Jahr werden es mehr. Es sind nicht nur Leute, die gern Bier trinken. Viele Familien mit Kindern und auch Menschen, die aus religiösen Gründen keinen Alkohol trinken, genießen das Essen, die Süßigkeiten, das Ambiente, die Spiele und die Atmosphäre. Die Theresienwiese ist von 10 Uhr morgens bis nachts voller Besucher. Josefine, Elfriede und Sabrina beschreiben das Fest als einmalig. Sie sagen, so, wie es in München sei, könnte man es nirgendwo machen. Man muss es einfach erleben. Nach vielen Stunden stehen, laufen und Maßkrüge und Teller tragen, ca. 12 Uhr nachts, gehen die Frauen nach Hause, um zu schlafen. Denn am nächsten Tag geht es weiter. Aber die drei sagen, es sei keine Anstrengung, so früh aufstehen zu müssen und ein Lächeln auf dem Gesicht zu haben. Es macht uns einfach total Spaß. Das Oktoberfest 2009 in Zahlen 12.000 Leute arbeiten beim Oktoberfest Eine Maß Bier kostet zwischen 8,10 und 8,60 Euro 6 Millionen Besucher kamen 6,5 Millionen Maß Bier wurden getrunken Es gab 14 Großzelte und 100.000 Sitzplätze Nach dem Fest blieben 1118 Tonnen Abfall 80 verlorene Fotoapparate wurden gefunden Quelle: Seite der Stadt München www.muenchen.de 9

Humor hilft, Distanz zu schaffen Neues Buch von Eduardo Goldman wird bei der Frankfurter Buchmesse vorgestellt Von Máximo Tannchen Buenos Aires (AT) - Das neue Buch des argentinischen Schriftstellers Eduardo Goldman El último chiste del Gran Jacobi über den fiktiven Alltag eines jüdischen Komödianten unter dem Naziregime wird kommende Woche bei der Frankfurter Buchmesse vorgestellt. Die Geschichte des Protagonisten Paul Jacobi führt ihn von der Bühne nach Auschwitz und dann in die argentinische Diktatur - wenn es sich lohnt, ein Schicksal zu verfolgen, dann ist es das des Großen Jacobi. Der jüdische Kaufmann entscheidet sich während der Weimarer Republik, sein Brot als politischer Komödiant zu verdienen. Sein Talent ist vielversprechend, er erobert die Karabetts. Das schöne Spìel ist aber schnell vorbei, als die Nazis an die Macht kommen. Bald werden künstlerische Entfaltungsmöglichkeiten eingeschränkt, das Leben wird langsam zur Hölle. Der fiktive Erzähler, ein Holocaust-Verbrecher, der ehemalige SS-Offizier und spätere deutsche Diplomat Erich Thaler, ist mit Jacobi befreundet. Gegen die Strömung überlebt diese Freundschaft, die bis in den Tiefen des Unterbewussten dringt. Das Leben des Autors Eduardo Goldman selbst scheint nicht weniger interessant. Etliche Jahre war er für die Telenovelas mit Andrea del Boca als Drehbuchautor tätig und arbeitete gleichzeitig als Psychotherapeut. Er genießt in seiner argentinischen Heimat einen guten Ruf sowohl als Schriftsteller und Drehbuchautor als auch als Journalist und Therapeut. Journalistisch war er für La Nación, Diario Popular, El Gráfico, La Gaceta de Hoy, Humor und andere wichtige Zeitschriften und Zeitungen tätig. Als Buchautor veröffentlichte er Breve diccionario de psicología cotidiana (Perfil, 2001), Ni loco vuel-vo a ser presidente (Puntosur, 1987) und El cine: una terapia al alcance de todos (La Campana, 1984). Seine Komödie El patio de mi vecino wurde 1994 mit dem Preis der Fundación Banco Caseros ausgezeichnet. Nach der Veröffentlichung in Argentinien (Ed. Del Nuevo Extremo) im November 2008 soll Der Große Jacobi nun in Deutschland erscheinen. Auf der Frankfurter Buchmesse (13. bis 18. Oktober 2009) wird der Roman am argentinischen Stand präsentiert. Das Sekretariat für Menschenrechte der Provinz Neuquén hat das Buch zum Objekt öffentlichen Interessses erklärt. Wir haben den Autor interviewt. AT: Wie ist die Idee zu Ihrem Roman entstanden? Eduardo Goldman: Ich schrieb damals über politischen Humor, ein Genre, das mir sehr gefällt. Außerdem hat mich der Zweite Weltkrieg immer interessiert. Und so ist die Idee entstanden: Ich fragte mich, wie Humor in der Weimarer Republik und im Dritten Reich gewesen sein könnte. AT: Was denken Sie über die Deutschen während der Nazizeit? Eduardo Goldman: Meine Recherche hat mir vor Augen geführt, dass man dem deutschen Volk den Holocaust nicht zur Last legen kann. Die Nazis haben aus politischen Gründen verheimlicht, was sie im Osten getan haben. Natürlich gab es Gerüchte um das Verschwinden von Menschen, wie es auch in Argentinien während der Militärdiktatur der Fall war, und man erinnert sich daran, wie man davon zutiefst entsetzt war, wie man sich aber gleichzeitig vom offiziellen Diskurs einlullen ließ. Menschen neigen dazu, sich vor dem Greuel zu verstekken, ihn zu verneinen, bis er sich nicht mehr leugnen lässt. Auch haben sehr viele Deutsche ihre Solidarität mit den Juden manifestiert, so viele, dass die Juden sich zunächst in den Glauben flüchteten, ihnen würde nichts geschehen. AT: Inwieweit haben die Filme Das Leben ist schön und Cabaret auf ihren Roman Einfluss gehabt? Eduardo Goldman: Das Leben ist schön hat, obwohl ich den Film sehr mochte, keinen Anspruch auf Glaubwürdigkeit. Cabaret ist viel realitätsnäher, ein wunderbarer Film, der eine wichtige Erfahrung für mich war. In Kultur-Notizen 10 Cabaret werden Horror und Humor miteinander verwoben, es wird gezeigt, wie Humor manchmal notwendig ist, um mit dem Horror fertigzuwerden. Man sollte aber die Wirksamkeit des Humors auch nicht überschätzen. Er kann vielleicht eine gewisse Distanz schaffen. AT: Ihr Roman ist reich an stilistischen Ressourcen: Sie mischen innere Monologe, wechseln zwischen Sprachebenen und Perspektiven, Sie verwenden Songtexte, Presse-Schlagzeilen, geschichtliche Fakten, Gedichte, Tagebucheintragungen und ein Theaterskript sowie zwei fiktive Interviews mit Erich von Thaler. Das erinnert an Döblins Berlin Alexanderplatz, das stark auf Dokumente aller Art gestützt ist. Eduardo Goldman: Das war für mich in der Tat ein sehr wichtiger Roman. Ich wollte in meinem Buch teils auch eine freudige Atmosphäre erzeugen, Kapitel 3 ist zum Beispiel eine Sitcom mit humoristischer Struktur, die glückliche Erinnerungen aus der Weimarer Republik evoziert. Indem ich mich in dem Buch auf verschiedene Formate gestützt habe, konnte ich unterschiedliche Lebensanschauungen darstellen. AT: Welche menschlichen Eigenschaften wollten Sie durch die Personen des Romans darstellen? Eduardo Goldman: Verletzlichkeit, sie sind alle irgendwie verletzlich, und den Widerspruch oder die fließende Grenze zwischen Feigheit und Mut. AT: Argentinien ist nächstes Jahr Gastland auf der Frankfurter Buchmesse. Werden Sie auch nächstes Jahr einen Roman präsentieren? Eduardo Goldman: Mein erster Roman Adiós Héroe Americano (Abschied vom amerikanischen Helden), der in Argentinien schon vor Jahren erschienen ist, kommt nächstes Jahr in Deutschland heraus. Es ist ein Krimi. Norman di Giovanni, der Übersetzer von Borges, hat ihn auch ins Englische übersetzt, was für mich eine große Ehre ist. (Internet: www.elgranjacobi.com) Internationales Musikfestival Llao Llao Bariloche (AT/meb) - Eine perfekte Verbindung von Kunst und Musik, so wird das internationale Festival Semana Musical Llao Llao beschrieben, das zugleich eines der bedeutendsten künstlerischen Events Lateinamerikas ist. Musiker höchsten Niveaus treten vor dem Hintergrund atemberaubend schöner Natur auf. Die diesjährige 17. Ausgabe wartet unter anderem mit einem großen Abendkonzert sowie mit zwei Symphonieorchestern auf. Mit dabei ist auch das Streichquartett Sarastro aus der Schweiz (Foto), das gemeinsam mit der Pianistin Agustina Herrera auftritt. Das Festival findet vom 10.-18.10. 2009 im Llao Llao Hotel & Resort von San Carlos de Bariloche statt. Weitere Informationen sind auf der Webseite www.barinoticias.com.ar zu finden, oder Sie senden Ihre Fragen oder Reservierungen direkt an semanamusical.bariloche@gmail.com.

Stimme Argentiniens ist verstummt Mit Mercedes Sosa starb eine Botschafterin der Gerechtigkeit Von Maria Exner Buenos Aires (AT) - Gracias a la vida - Dank an das Leben war das Stück, das Mercedes Sosa am liebsten sang. In ihren Texten drückte sie aus, was sie dachte und fühlte. Das gerade jene chilenische Hymne ihr so am Herzen lag, zeigt, dass sie bis zu ihrem plötzlichen Tod am Sonntag ein erfülltes, glückliches Leben gelebt hat. Dabei hat es sich die kleine Künstlerin mit der unverwechselbaren Stimme nie einfach gemacht. Geboren 1935 in ärmlichen Verhältnissen in San Miguel de Tucumán bahnte sich Mercedes Sosa mit ihrem Gesang den Weg nach oben. Mit 15 begleitete sie die Eltern zur einer Ortsversammlung, bei der auch ein Gesangswettbewerb stattfand Sosa gewann und erhielt für zwei Monate einen festen Sendeplatz im Lokalradio. So begann die Erfolgsgeschichte der dunkelhaarigen Sängerin, die später aufgrund ihrer halb-indigenen Abstammung und ihres rabenschwarzen Haars den Spitznamen La Negra bekam. 1965 nahm sie mit dem Komponisten und Sänger Manuel Oscar Mathus, ihr erster Ehemann, die Platte Canciones con fundamento auf, der Durchbruch in Argentinien. Ab diesem Moment prägt Mercedes Sosa die Stilrichtung Nueva Canción, in der sich Folklore-Klänge mit den politischen, agitierenden Texten sozialkritischer Dichter und Liedermacher aus ganz Lateinamerika verbanden. Die Nuevos Cancioneros wollten nicht nur traditionelle Liedformen bewahren, sondern gesellschaftliche Missstände anprangern. Sosas Lieder stemmten sich gegen Krieg und Diktatur und forderten mehr Rechte für die unterdrückten Indigenas und Campesinos. Tränen zum Abschied von Mercedes Sosa Buenos Aires (dpa) - Argentinien hat mit Tränen und Musik von der im Alter von 74 Jahren verstorbenen Sängerin Mercedes Sosa Abschied genommen. Am Montag wurde sie zur Einäscherung gebracht, während Passanten vor dem Friedhof in Tränen ausbrachen und andere spontan zu den von Sosa weltbekannt gemachten Klassikern tanzten. Schon seit dem Vortag hatten tausende Menschen der liebevoll Negra genannten Künstlerin die letzte Ehre erwiesen. Nach der Aufbahrung im Parlamentsgebäude wurde der Sarg in einem langen Autokorso zum Friedhof Chacarita gebracht. Unterwegs säumten zehntausende Menschen die Straßen und klatschten Beifall. Entsprechend des Wunsches von Sosa soll ihre Asche in ihrer Geburtsprovinz Tucumán und der Provinz Mendoza verstreut werden sowie ein Teil in Buenos Aires bleiben. Sosa war am frühen Sonntagmorgen nach längerer Krankheit an einem Leberleiden gestorben. Argentiniens Präsidentin Cristina Kirchner ordnete eine dreitägige Staatstrauer an und kam mit ihrem Mann, Ex-Präsident Néstor und einem Teil des Kabinetts an den Sarg, um sichtlich bewegt von Sosa Abschied zu nehmen. Auch der Fußball zollte Sosa eine letzte Ehre: alle Spiele begannen am Sonntag mit einer Schweigeminute. Foto: AP 11 Zehntausende Menschen säumten die Straßen, um einen Blick auf Sosas Sarg zu erhaschen. Nachdem Juan Perón - mit dem Sosa als Mitglied der kommunistischen Partei sympathisierte - 1976 die Macht in Argentinien an die Militärjunta verloren hatte, begann die schwierigste Zeit ihres Lebens. Trotz Repressalien blieb sie vorerst im Land, bis sie 1979 mitsamt ihres Publikums während eines Konzertes verhaftet wurde. Nach ihrer Freilassung ging Sosa ins Exil nach Madrid und etablierte sich dort als Mahnerin aus der Ferne. Unermüdlich tourt sie durch Europa, tritt viele Male auch in Deutschland auf - auf beiden Seiten der Mauer. Mercedes Sosa wird zur Institution in der Szene der politischen Liedermacher und der Weltmusik. Nach dem Krieg um die Malwinen und dem Abdanken der Generäle kehrt Mercedes Sosa 1982 triumphal nach Argentinien zurück. Sie gibt drei legendäre Konzerte, zwei im größten Stadion von Bue-nos Aires und eines im Opernhaus - Schlüsselmomente der politischen und musikalischen Erneuerung der argentinischen Kultur. Die größten kommerziellen Erfolge feierte Mercedes Sosa in den letzen zehn Jahren, für ihre Interpretation der Misa Criolla erhielt sie 2000 den ersten ihrer insgesamt drei Grammys. In diesem Jahr war sie gleich dreimal nominiert, für ihr letztes Album Cantora 1, auf dem sie mit Stars wie Shakira und Fito Páez zu hören ist. Auch politisch blieb Sosa bis zu ihrem Tod engagiert, sammelte Spenden, förderte Selbsthilfeprojekte in ganz Lateinamerika. Die Mutter Courage des Kontinents setzte auf das Ehepaar Kirchner als Streiter für ein gerechteres Argentinien, in dem jeder ein Leben in Würde führen kann. Mit Mercedes Sosa starb eine Botschafterin der Gerechtigkeit und eine Frau, deren Verbundenheit mit ihrem Volk weit über ihre Konzerte hinausreichte. Niemals geht man so ganz, heißt ein deutscher Liedtext. Erst recht nicht Mercedes Sosa. La Negra ist tot, doch ihre Stimme, die Stimme Argentiniens, ja ganz Lateinamerikas lebt weiter. In den Versionen von Klassikern wie Luna tucumana, Gracias a la vida oder Sólo le pido a Diós. Dem AT hat die Sängerin vor genau elf Jahren ein Interview gegeben, als sie nach mehrmonatiger Bühnenabstinenz wegen Krankheit gerade an ihrem Comeback bastelte. Hier der Abdruck vom Oktober 1998. Wenn die Liebe fehlt, hat alles Handeln keinen Sinn Vor genau zehn Jahren startete die nun verstorbene Mercedes Sosa nach erfolgreichem Comeback zu Konzerten in die USA Von Jörg Wolfrum Buenos Aires (AT) - Auf der kleinen Bühne des Foro Gandhi in der Corrientes sang Pepe Núñez seine Lieder und erzählte ihre Genese. Der Musiker aus Tucumán hatte am Freitag, den 2. Oktober, Publikum, Musiker und Freunde geladen, um in der Atmosphäre des kleinen Kulturzentrums Folklore zu preisen, so Núñez. Auch Lucho Hoyos sang, Juan Falú spielte Gitarre, das gebannte Publikum ließ sich von Musik pur begeistern. Keine Lichteffekte, keine Tänzer, ohne Chor oder andere Mätzchen stand einzig Folklore im Mittelpunkt des Konzertes der Tucumanos. Ein Treffen der Musiker aus Tucumán ohne die berühmteste Vertreterin? Das kann und darf nicht sein, sagte sich auch Pepe Núñez, und so war sie dann auch anwesend - ganz unscheinbar im Publikum. Wenn

12 ein Besucher Pepe Núnez nicht gekannt haben sollte - die kleine Dame mit der großen Stimme hat er ganz bestimmt erkannt. Die Zuhörerin in Reihe eins, den Superstar der argentinischen Folklore: Mercedes Sosa. La Negra, die größte Stimme Argentiniens, genoss den Abend unter Freunden sichtlich, wie die Sängerin dem Argentinischen Tageblatt erklärte. Ihre Anwesenheit habe den Abend erst perfekt gemacht, gab Núñez die Komplimente zurück. Mercedes Sosa war da, um ihrer großen Liebe, der Musik, zu huldigen. Wir werden alle zusammenkommen, um die Folklore hochleben zu lassen, hatte die Sängerin am Vortag im Gespräch mit dem Argentinischen Tageblatt erklärt und mit Nachdruck zu dem Konzert eingeladen. Wenige Tagen nach ihren drei triumphalen Comeback-Auftritten im Luna Park Ende September und kurz vor der Abreise in die USA zu weiteren Konzerten in New York und Boston wollte sich die 63-Jährige das Treffen im Foro Gandhi in Buenos Aires nicht entgehen lassen. Sie liebe diese gemütliche Atmosphäre, gestand sie dem AT und auch, dass sie vor den Auftritten im riesigen Luna Park etwas unsicher gewesen sei - aber nur, was die Akustik betraf. Umso mehr freut sich Mercedes Sosa heute, rund zwei Wochen danach, über die gelungenen Abende in der gigantischen Sport- und Konzerthalle, wo sie ihre neue CD Al despertar vor jeweils 6000 Fans vorstellte. Ich liebe die Kunst und die Künstler, aber mehr noch liebe ich ehrliche, gerechte und reine Menschen, sagt sie und verweist auf ihre beiden Neffen Claudio und Coqui Sosa, beide selbst erfolgreiche Musiker - natürlich im Bereich Folklore. Mercedes Sosa mit Präsidentin Cristina Kirchner. Gespräch in entspannter Atmosphäre Die große Dame der argentinischen, der lateinamerikanischen Folklore, wohnhaft in der Calle Arroyo, präsentiert sich dem AT ganz privat, herzlich und machte aus ihrer mütterlichen Zuneigung zu den beiden Nachwuchsmusikern keinen Hehl. Ich bin unglaublich stolz auf die beiden, sagt Sosa, und daher habe sie sich ganz spontan entschlossen, ihre Auftritte im Luna Park zu einem großen Familientreffen werden zu lassen. Coqui und Claudio traten auf, Víctor Heredia, nicht nur musikalisch eine Art Adoptivsohn der Negra, und Abel Pintos gaben je ein Duett mit der am 9. Juli 1935 als Haydé Mercedes Sosa in San Miguel de Tucumán geborenen Sängerin. Auch Rockstar Charly García war mit dabei. Geplant war dies alles nicht, erklärt Neffe Claudio Sosa, aber seine Tante sei eben ausgesprochen spontan, habe erst zwei Tage vor dem Auftritt im Luna Park angefragt bei ihrer Heimkehr auf die Bühne, wie der Musiker die Konzert-Reihe verstanden wissen will. Sie feierte die Folklore und wir ihre Rückkehr. Die führt sie nun gar in die USA, zunächst steht ein Auftritt im Lincoln Center in New York an, dann geht es nach Boston. Nicht mit dem Flieger: Zugreisen machen mir viel mehr Spaß, freut sich Mercedes Sosa auf den Trip entlang der Ostküste. Ein Zwischenstopp samt Konzert in Puerto Rico musste wegen der Verwüstungen durch den Hurrikan George abgesagt werden. Wir konnten uns kaum telefonisch mit den Veranstaltern in Verbindung setzen, bedauert die Sängerin die Absage. Schlimmer trifft sie aber das Leid der Bevölkerung, die teilweise ihr gesamtes Hab und Gut verlor. Da erwacht das Kämpferische in ihr, der Verbündeten der einfachen Leute, der Campesinos, für die sie in so vielen Liedern Stellung bezieht. Die USA-Reise dient aber nicht nur der Präsentation von Al despertar. Abgemacht werden soll auch die Aufführung von Ricardo Hegmans Elegía im kommenden Jahr. Mit Chor und Symphonie-Orchester soll das Werk über Argentinien in den 70er Jahren in Nordamerika aufgeführt werden - und bereits für Ende 1998 ist eine CD-Version der Misa Criolla geplant. Mercedes hat ihren Teil längst eingespielt, unter größten Anstrengungen, wie sie sagt. Nierenleiden, Depressionen, fünf Monate habe sie im Bett verbracht, dabei 32 Kilo abgenommen. Aber irgendwann besserte sich mein Zustand, und ich fing an, die CD einzuspielen, die Misa Criolla und Al despertar. No hay mal, que por bien no venga. Alles Schlechte habe eben auch sein Gutes. Die durch die Krankheit bedingte Pause gab mir die Stimme zurück, erinnert sich La Voz. Zuvor habe sie die Hälfte meiner Stimme verloren gehabt, erinnert sich Sosa. Nach der Krankheit war sie wieder da. An einem Tag hat sie dann sogar neun Lieder der CD Al despertar eingespielt. Woher sie die Kraft nimmt, nach Krankheit und Depressionen? Sie wisse es selbst nicht. Das Gehen fällt mir schwer, vor allem dann, wenn sie lange gesessen habe und die Gelenke kalt sind. Die Konzerte im Luna Park absolvierte sie daher fast ausschließlich im Sitzen. Nur ganz am Ende lief sie dann voller Schwung über die Bühne, wurde gefeiert und mit stehendem Applaus verabschiedet. Es ist fast schon Foto: AP-Archivbild ein Wunder, sagt Mercedes und dankt Gott für die Kraft, die er mir gegeben hat. Kraft durch Liebe und Leidenschaft, es sei die Liebe zur Musik im Allgemeinen und der Folklore im Besonderen, sagte die Sängerin. Deshalb sind die Ausflüge zu anderen Stilrichtungen auch immer nur von kurzer Dauer gewesen, die Rückkehr zu meiner Folklore, wie sie betont, zwangsläufig. Liebe zu Deutschland Mit viel Liebe denkt sie auch an ihre Zeit in Deutschland zurück, während des Exils in Europa zur Zeit der letzten Militärdiktatur in Argentinien. Deutsch, diese wunderbare Sprache - als wäre es gestern gewesen, spricht sie von ihren Auftritten in Deutschland. Von dem wunderbaren Tübingen, der Umlaut bereitet ihr keine Probleme. Und von Hamburg, wo sie ein tolles Konzert in der Musikhalle gab. Sie erinnert sich auch noch gut an einen Auftritt im Ulmer Zelt 1986 und selbst daran, dass damals von der Münsterstadt aus ein gescheiterter Ballonflug rund um die Welt gestartet wurde, wie zuletzt in Mendoza durch Steve Fossett. Mit großem Respekt blickt sie auf die deutsche Gemeinde in Argentinien, die nach so vielen Jahren und Generationen ihre Traditionen und vor allem auch ihre Sprache pflege - bis heute. Heute, wechselt die Stimme Argentiniens das Thema, sei die junge Generation leider sehr durchtrieben, es mangle am nötigen Ernst. Alles, was wir tun, sollten wir mit Liebe machen. Wenn die Liebe fehlt, hat alles Handeln keinen Sinn. Dies zeige sich auch an vielen jungen Musikern, die ihren Ruhm schnell ausleben, nicht auf ihre Gesundheit achten und mit 35 ihre Stimme ruiniert haben. La Negra redet sich in Rage, solches kann sie nicht verstehen, hat sie selbst doch immer auf ihre Stimme geachtet, entsprechend gelebt. Nur deshalb könne sie jetzt, nach Jahrzehnten der Karriere, weiterhin so aktiv sein, gibt sie zugleich einen Hinweis auf ihre kommenden Auftritte: 4. Dezember ein Auftritt in Mendoza, am 5. Dezember im Sheraton von Buenos Aires einer vor Unternehmern, neue Schichten erschließen. Doch wird sie erst dann anfangen, wenn kein Kaffeelöffel mehr klappert. Am 6. geht es dann nach Brasilien, dann weiter nach Peru. Mit 63 an vier Tagen vier Konzerte in drei Ländern. Mercedes Sosa hat nach schwerer Krankheit dafür die richtigen Worte gefunden: Es ist fast schon ein Wunder.