GRENZÜBERSCHREITENDE ZUSAMMENARBEIT IN DER REGIO BODENSEE



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Transkript:

GRENZÜBERSCHREITENDE ZUSAMMENARBEIT IN DER REGIO BODENSEE Meike Wollni 1. Grenzüberschreitende Zusammenarbeit 1.1 Integration 1.2 Kooperation 1.3 Euregios oder Euroregionen 2. Grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der Bodenseeregion 2.1 Die Bodenseekonferenz 2.2 Bodenseerat 3. Grenzüberschreitende Zusammenarbeit am Beispiel des Verkehrs 3.1 Geschichtliche Entwicklung der Bodenseeregion im europäischen Verkehrswegenetz 3.2 Bestandsanalyse 3.3 Leitbild Verkehr 3.4 Bisherige Umsetzung 4. Fazit Literaturverzeichnis Anhang 53

1. Grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Europa Grenzüberschreitende Zusammenarbeit hat im Rahmen der Bildung und Weiterentwicklung der EU einen besonderen Stellenwert bekommen. Die EU fördert diese Art von Kooperation sowohl an Grenzen innerhalb der Gemeinschaft, als auch an Außengrenzen der Gemeinschaft. Dafür wurde im Jahr 1991 das INTERREG-Programm verabschiedet, das grenzübergreifende Programme teilfinanziert, die durch regionale und lokale Körperschaften entwickelt und umgesetzt werden. Ziel dieser Gemeinschaftsinitiative ist es, Regionen, die von je her aus Sicht des Staates eine periphere Lage hatten, einen neuen Anstoß zur Entwicklung zu geben, zumal sie im Rahmen der Grenzöffnung eine neue Bedeutung gewonnen haben. Somit soll die Integration Europas gefördert werden. Zum anderen sollen, im Sinne einer Entwicklung von unten regionale Körperschaften gestärkt werden. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaft hat am 28.04.2000 die dritte Auflage des INTERREG- Programmes für den Zeitraum 2000-2006 beschlossen. Der Unterschied zu den beiden Programmen vorher besteht darin, dass sich die Zusammenarbeit des INTERREG III -Programms auch auf die interregionale (bspw. Region Genfer See und Bodensee) oder die transnationale Zusammenarbeit von Institutionen (durch andere Länder hindurch, bspw. aus Baden-Württemberg und Ungarn) beziehten kann. 1.1 Integration Da Staatsgrenzen fast nie mit denen kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Handelns identisch sind, haben übernationale und überregionale Zusammenschlüsse in diesen Bereichen eine große Bedeutung. Dieser Sachverhalt ist Kerninhalt der von den EU-Mitgliedsstaaten angestrebten Europäischen Integration. Integration kann hier als Zusammenkommen definiert werden, wobei sich zwei oder mehrere soziale Akteure [...] zu einem neuen Akteur vereinigen. Dabei bleibt zu berücksichtigen, dass es verschiedene Ausprägungen der Integration gibt. Ein erster Schritt ist der Abbau gegenseitiger Unkenntnis und Berührungsängste, der zu einer gemeinsamen Interessenvertretung und Außendarstellung der Region und letztendlich zur Umsetzung und dem Vollzug von politischen Entscheidungen durch eine regionale Verwaltung führen kann (MÜLLER-SCHNEGG 1994: 6-7). 1.2 Kooperation Grenzübergreifende Kooperation kann aus unterschiedlicher Motivation heraus erfolgen. Mit ausschlaggebend ist auf jeden Fall, dass hinsichtlich vieler Entscheidungen eine Interdependenz zwischen den beiderseits der Grenzen liegenden Gebieten herrscht. Das heißt, das Handeln und die Entscheidungen der Regionen beeinflussen sich wechselseitig. Als Beispiel möchte ich den Verkehr nennen, da ich im Folgenden noch weiter auf diesen Aspekt eingehen werde. So ist der Ausbau des Verkehrs in einer Grenzregion nur sinnvoll, wenn dieser in Absprache mit der/n benachbarten Grenzregion/en bzw. in Absprache zwischen den betroffenen Ländern (im Verkehrsbereich liegen noch viele der Entscheidungskompetenzen auf staatlicher Ebene und die Regionen können lediglich Vorschläge für ein Konzept unterbreiten) geschieht. Kooperation bedeutet also, dass sich die Partner hinsichtlich Entscheidungen die den/die anderen betreffen, vorher austauschen. Bei Müller-Schnegg wird Kooperation demnach als Verhaltenskoordinierung zum Zwecke besserer Zielerreichung definiert. Gerade die Kooperation über Grenzen hinweg ist dabei nicht immer einfach, da die Akteure unterschiedlichen staatlichen Strukturen unterworfen sind. Es muss daher entweder ein institutionalisierter Rahmen geschaffen werden, in dem ein Zusammenkommen stattfinden kann oder die Kooperation wird über eine gemeinsame inhaltliche Arbeit initiiert und damit die Grundlage für eine breitere Integration geschaffen (MÜLLER-SCHNEGG 1994: 8). 1.3 Euregios oder Euroregionen Unter [einer Euregio oder] einer Euroregion wird eine grenzüberschreitende Region verstanden, die sich aus der Summe der Grenzregionen benachbarter Staaten zusammensetzt und sich damit als eigenständiges transnationales Gebilde im europäischen Kontext etabliert und institutionalisiert (LEUENBERGER 1992 b: 74). Die Euregio soll integrierend wirken und in dem Sinne Kooperation zwischen den betroffenen Grenzregionen fördern und erleichtern. Es haben sich mittlerweile über 15 solcher Regionen herausgebildet, (ebd.: 74) die von der EU im Rahmen des INTERREG-Programmes Förderung beantragen können. Die Entstehung solcher Regionen steht ganz im Sinne des wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Handlungsgefüges der lokalen Bevölkerung, die zur Lösung ihrer Probleme auf Kooperation und 54

Integration mit ihren Nachbarn angewiesen ist. Dabei ist die Euregio allerdings keine Körperschaft, sondern als eine Art Netzwerk zu verstehen, das innerhalb eines definierten Raumes zwischen verschiedensten öffentlich-rechtlichen und privaten Akteuren besteht (MÜLLER-SCHNEGG 1994: 9). 2. Grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der Bodenseeregion In der Regio Bodensee gibt es eine Vielzahl formeller und informeller Kontakte auf sowohl der politischadministrativen als auch auf der privaten Ebene. Diese Kontakte verfügen teilweise schon über eine sehr lange Tradition. Ein wichtiger Auslöser für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit war die 1959 gegründete Internationale Gewässerschutzkommission für den Bodensee (IGKB). Sie entstand aus der Notwendigkeit heraus, etwas gegen die beträchtliche Verschmutzung des Sees zu unternehmen, was nur unter Beteiligung aller an den Bodensee grenzenden Gebiete gelöst werden konnte. Durch die Zusammenarbeit konnte die Wasserqualität sichtlich verbessert werden.. Der See fungiert also als verbindendes Element der Region. Die genaue Abgrenzung der Region wird in der Literatur je nach Perspektive und Inhalt der Kooperation verschieden definiert. Orientiert man sich an den politischadministrativen Strukturen, wie dies z.b. der Bodenseerat tut, zählen zur Euregio Bodensee folgende Gebiete: das Fürstentum Liechtenstein, das Bundesland Vorarlberg, vom Freistaat Bayern die Landkreise Oberallgäu (inklusive Kreisfreie Stadt Kempten) und Lindau, vom Bundesland Baden-Württemberg die Landkreise Ravensburg, der Bodenseekreis (Friedrichshafen), Sigmaringen und Konstanz, die Schweizer Kantone Schaffhausen, Thurgau, beide Appenzell und St. Gallen (MÜLLER-SCHNEGG 1994: 77-78) Aufgrund der vielfältigen Probleme und Herausforderungen im Bodenseegebiet wäre eine variable Raumabgrenzung je nach Aufgabenstellung ideal. Jedoch bedarf es für die politische Vertretung der Region einer einheitlichen Definition des Raumes, wofür sich bisher die politisch-administrative Abgrenzung anbietet, da hier Zuständigkeiten bereits klar zugewiesen und die Vertreter demokratisch legitimiert sind (LEUENBERGER 1992 a: 7-8). Die überregionalen Kontakte haben sich in einer Reihe von Organisationen institutionalisiert, einige auf politisch-administrativer andere auf privater Ebene, einige zu spezifischen Themen andere themenübergreifend den Bodensee betreffend. In Folge sollen lediglich zwei Kooperationen genannt werden, die allerdings von grosser Bedeutung für die Region sind. 2.1 Die Bodenseekonferenz Die Bodenseekonferenz wurde auf Initiierung des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Hans Filbinger 1972 ins Leben gerufen, in erster Linie um eine Plattform zur Diskussion von Umwelt- aber auch Raumordnungsfragen zu schaffen. 1979 wurde die Konferenz neu organisiert zu einer Konferenz der Regierungschefs und in Internationale Bodenseekonferenz (IBK) umbenannt. 1990 wurde erstmals die grenzüberschreitende Zusammenarbeit genannt, als Mittel um gemeinsame Probleme zu lösen, und von da an erfolgte die Zusammenarbeit der Bodensee-Anrainerländer in fast allen Bereichen staatlicher Tätigkeit (IBK 1998: 9). Die organisatorische Basis war schon seit der Gründung gelegt. Dazu zählen ein Ständiger Ausschuß aus führenden Beamten, die als ausführendes Organ agieren und Projektgruppen einsetzen können, sowie jährliche Treffen von Regierungsvertretern und die jährliche Tagung eines Bodenseekonferenz-Plenums. Mitglieder der IBK sind alle Bodenseegebiete, sowie der Kanton Zürich. Der Ständige Ausschuß unterbreitete den Regierungschefs 1993 den Vorschlag für die Schaffung eines Regio- Büros, das daraufhin für erst einmal zwei Jahre auf Probe eingerichtet wurde und heute der Präsentation der Region nach außen und der Identitätsschaffung innerhalb der Region dient (MÜLLER-SCHNEGG 1994: 96-100). Bisher kann der Bodenseeradwanderweg, Abgasvorschriften für Motorboote, die Renovierung des Raddampfers Hohentwiel, die Organisation kultureller Aktivitäten und Förderpreise u.a. zu den Erfolgen der IBK gezählt werden. Eine weitere wichtige Leistung besteht in der Entwicklung des Bodenseeleitbildes, an dem sich die zukünftige Entwicklung der Bodenseeregion orientieren soll (IBK 1998: 9). 55

2.2 Bodenseerat Seit 1991 gibt es von privater Seite ein Gegenstück zur IBK: den Bodenseerat, ein internationaler Gesprächskreis aus Führungskräften von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Dieser versteht sich als beratende Institution auf der Grundlage des persönlichen Engagements seiner Mitglieder und behandelt alle Fragen, die von allgemeinem Interesse für die Euregio Bodensee sind (MÜLLER-SCHNEGG 1994: 215). Die Frage, ob die Vertreter, die im Bodenseerat tätig werden, dazu legitimiert sind, stößt auf Widerspruch, v.a. da der Rat auf externe Finanzierung angewiesen ist (ebd.: 215). Letztendlich arbeiten IBK und der Bodenseerat aber zusammen, wobei letzterer der Konferenz Ideen liefern, also als eine Art ideenliefernde Legislative fungieren soll (ebd.: 100). Beide angeführten Einrichtungen sind themenübergreifend tätig. So hat beispielsweise die IBK in ihrem Leitbild sechs Handlungsfelder identifiziert, in denen grenzüberschreitende Kooperation stattfinden soll: Arbeit und Wirtschaft, Umwelt, Natur und Erholung, Verkehr und Telekommunikation, Bildung, Wissenschaft und Kultur sowie Gesundheit und Soziales (IBK 1998: 8). Des weiteren finden grenzüberschreitende Kontakte und Zusammenarbeit in der Raumplanung sowie im Justiz- und Polizeibereich statt (MÜLLER-SCHNEGG 1994:96). Ich möchte im Folgenden am Beispiel des Verkehrs die Kooperation in der Bodenseeregion darstellen. 3. Grenzüberschreitende Zusammenarbeit am Beispiel des Verkehrs Im Heft Grenzübergreifende kooperative Aktivitäten in der REGIO BODENSEE herausgegeben von der IBK (1999) sind 27 grenzübergreifende Vereinigungen aufgelistet, die sich mit dem Thema Verkehr / Raumordnung in der Bodenseeregion auseinandersetzen. Dabei sind sehr spezielle Themenbezüge festzustellen (Hegau-Bodensee-Bahn Seehas ) oder die Behandlung eines gesamten Themenkomplexes (Grenzkommission öffentlicher Nahverkehr). Kooperation auf administrativer Ebene (Deutsch- Österreichische Raumordnungskommission) findet ebenso statt wie auf privater Ebene (Vereinigte Schiffahrtsunternehmen für den Bodensee und Rhein). Auch die IBK hat eine Kommission eingerichtet, die sich aus Verkehrs- und Raumplanungsfachleuten zusammensetzt. Diese beschäftigt sich mit Verkehrsfragen, untersucht die Auswirkungen, Förderung bzw. Umlagerung des Verkehrs. Die Kommission hat einen hohen Stellenwert für den Erfahrungs- und Informationsaustausch auf grenzüberschreitender Ebene, hat aber keine Kompetenzen grundsätzliche Entscheidungen im Verkehrsbereich zu treffen, da dies auf staatlicher Ebene geschieht (MÜLLER-SCHNEGG 1994: 104). Ich möchte im folgenden erst auf die historische Entwicklung der Bodenseeregion innerhalb Europas bezüglich seiner Verkehrslage eingehen, anschließend eine Bestandsaufnahme der heutigen Verkehrssituation der Region vornehmen und schließlich die angestrebte Situation, die im Leitbild der Region zum Ausdruck kommt, sowie die bisherigen Erfolge bezüglich der Erreichung dieser Situation darstellen. 3.1 Geschichtliche Entwicklung der Bodenseeregion im europäischen Verkehrswegenetz Die Bodenseeregion war lange Zeit Knotenpunkt wichtiger Europäischer Verkehrswege die schon allein durch die großen Flüsse, die zum Bodensee führen, vorgegeben waren. Während der Römerzeit führte beispielsweise die Verbindung Basel - Winterthur - Arbon - Bregenz - Kempten - Regensburg - Passau am östlichen Ufer des Sees entlang. Die kürzeste Strecke über die Alpen führte vom Bodensee zum Comersee. Auch noch im Mittelalter gab es wichtige Verkehrswege, die den Bodensee passierten, so die Ostwestverbindung von Polen nach Genf und Lyon und die Nordsüdverbindung von den Donauländern ins Schweizer Mittelland und nach Spanien, sowie der Pilgerweg über die Alpen. Begünstigt wurde die Entwicklung des Bodenseegebietes, das es bis ins Hochmittelalter zu dem selben Staatsgebilde gehörte. Um 1220 nahm die Bedeutung des Bodensees als Verkehrsknotenpunkt zu Gunsten von Zürich und der Innerschweiz ab, da der Gotthardpass über die Alpen entdeckt wurde, und verlor bis 1550 seine europäische Bedeutung. Die Wege nutzten aber auch dem Handel innerhalb der Region. Dieser wurde vielfach über das Schiff abgewickelt, so dass der Bodensee als bindendes Element fungierte. Aber mit der Eisenbahn verlor der Bodensee diese Funktion und stellte vielmehr ein Hindernis dar. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erlangte die Region noch einmal eine größere Bedeutung als Reiseziel der Fürsten, zumal man bis 1914 in 56

der gesamten Region ohne Pass reisen konnte. Die Weltkriege und die anschließende Bildung des Ostblocks führten dazu, dass die Bodenseeregion zu einem ökonomisch und verkehrsmäßig peripheren Standort wurde. Lediglich für Erholungssuchende bot sie noch einen Anziehungspunkt. Mit der Europäischen Union und der Auflösung des Ostblocks, und damit der Zunahme sowohl der Ostwest- als auch der Nordsüdverbindungen, ergibt sich für die Bodenseeregion eine neue Situation (MÖCKLI 1998: 47-49). 3.2 Bestandsanalyse Die verkehrsmäßige Erschließung der Bodenseeregion kann gesamthaft gesehen als ausreichend bis gut bezeichnet werden. Hierbei muß man allerdings zwischen den Verkehrsträgern Straße, Schiene, Luft und Wasser und zwischen innerregionalen und überregionalen Verbindungen differenzieren (LEUENBERGER 1992 a: 31). Das Straßennetz wurde in den letzten Jahrzehnten ausgebaut, vorhandene Lücken sind weitgehend geschlossen und der Anschluß an die Autobahnen geschaffen. Der motorisierte Individualverkehr droht allerdings eine Belastung für Wohnbevölkerung und Erholungssuchende zu sein und ist dies teilweise schon in starkem Masse. Große Mängel treten hingegen bei den Bahnverbindungen auf. Sowohl die überregionale als auch die innerregionale Verknüpfung ist unzureichend. Es fehlen direkte und attraktive Verbindungen zu den europäischen Zentren und der Anschluß an das europäische Hochgeschwindigkeitsnetz. Innerhalb der Bodenseeregion stellen die Städte oftmals Endbahnhöfe der nationalen Bahnstrecke dar und die Verbindung zwischen diesen Bahnhöfen ist ungenügend. So wurde am Umweltforum des Bodensee-Ostermarsches 1991 in Lindau festgestellt, dass man bei einer Fahrt rund um den Bodensee mit öffentlichen Verkehrsmitteln sich mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 20 Kilometern [kmh] fortbewegt (MÖCKLI 1998: 45). Problem sind die langen Wartezeiten und häufiges Umsteigen. Ein positives Beispiel für grenzüberschreitenden öffentlichen Regionalverkehr ist der Seehas der Mittelthurgaubahn, der im westlichen Bodenseeraum verkehrt (MÖCKLI 1998: 44-46). Das Fährangebot auf dem Bodensee wurde durch die dritte Fähre Friedrichshafen-Romanshorn Euregia deutlich verbessert. Es fehlen weiterhin v.a. Schnellverbindungen, wie sie auf dem Langensee bereits bestehen. Ein Schnellboot zwischen Konstanz und Friedrichshafen war für 1999 geplant. Als regionale Flughäfen fungieren Friedrichshafen und Altenrhein. Für den wirtschaftlichen Standortvorteil sind diese unabdingbar. Der Flugverkehr sollte sich allerdings in Grenzen halten und nicht mehr ausgeweitet werden (ebd.: 54). 3.2 Leitbild Verkehr Laut dem von der IBK für die Region erstellten Leitbild gilt es in Zukunft im wesentlichen drei Punkte bei der verkehrlichen Entwicklung zu beachten. Zum einen soll die Bodenseeregion in das europäische Verkehrsnetz eingebunden werden, d.h. es muss attraktive Verbindungen zu den Zentren und Verdichtungsräumen geben. Zum anderen gilt es auch, die innerregionalen Verbindungen unter umweltund ressourcenschonenden Gesichtspunkten leistungsfähig zu machen. Dadurch wird schon der letzte Punkt angesprochen, eine umwelt- und ressourcenschonende Entwicklung macht die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel unabdingbar. Daher soll ihre Benutzung attraktiver werden. Erstere beiden Punkte sind natürlich für die Bodenseeregion als Wirtschaftsstandort von grosser Wichtigkeit, letzterer Punkt ist eine Reaktion auf die zunehmende Belastung durch den motorisierten Individualverkehr, wodurch sowohl Wohn- als auch Erholungsfunktion in der Region eingeschränkt werden. Bezüglich des Schienenverkehrs ist ein konkretes Ziel, die Zulaufstrecken zu den Alpentransversalen rechtzeitig leistungsfähig auszubauen. Hierzu bedarf es Absprachen und Kooperation zwischen den Bodensee-Anrainerstaaten, da der Schienenausbau aufeinander abgestimmt werden muss und erst im Rahmen eines Gesamtkonzeptes für den Verkehr Sinn macht. Des weiteren möchte ich auf einen Aspekt des innerregionalen Schienenverkehrs Bezug nehmen. Dieser soll verbessert werden, indem neben dem Ausbau des Schienennetzes v.a. modernere Züge eingesetzt werden und der Takt verdichtet wird. Außerdem wird ein Tarif- und Verkehrsverbund für die Bodenseeregion angestrebt, der zur besseren grenzübergreifenden Abstimmung von Fahrplänen, Linien und Tarifen auf der Schiene und auch auf dem See führen soll (IBK 1995: 31-33). 57

3.3 Bisherige Umsetzung Die Verwirklichung der Ziele geht teilweise sehr schleppend voran, was auf die schon erwähnten mangelnden Entscheidungskompetenzen zurückzuführen ist. So ist auf überregionaler Ebene das Schweizer Parlament dazu bewegt worden, die Zulaufstrecken zum Gotthart-Basistunnel festzuschreiben. Auf innerregionaler Ebene wurden die nationalen Bahnen aufgefordert, die Verbindungen in die und innerhalb der Region sowohl quantitativ als auch qualitativ zu verbessern. Letzteres umfaßt beispielsweise die Umsetzung der schon seit 1992 geforderten Elektrifizierung einiger Bahnstrecken. Dennoch konnten einige Erfolge erzielt werden. So existiert mittlerweile eine grenzüberquerende S-Bahn, der Seehas. Ferner wurde von der IBK ein Regio-Fahrplan Bodensee zusammengestellt, der alle Fahrpläne der größten öffentlichen Verkehrsmittel beinhaltet. Durch die IBK wurde ein Projekt eingerichtet, das zum Ziel hat, einheitliche Tarife für den grenzüberschreitenden Tagesverkehr im Bodenseeraum zu schaffen. Dieses Projekt, ein Schritt weiter in Richtung einheitlichem Tarif- und Verkehrsverbund, soll vom INTERREG-Programm teilfinanziert werden (IBK 1998: 12-13). 4. Fazit Abschließend kann zusammengefaßt werden, dass es, ganz im Sinne der Europäischen Integration, bereits eine Vielzahl grenzüberschreitender kooperativer Gruppierungen auf formeller und informeller Ebene im Bodenseegebiet gibt. Es gilt, die Zusammenarbeit weiter auszubauen, da nur dadurch eine Lösung verschiedener Konflikte, die sich nicht durch Staatsgrenzen abgrenzen lassen, möglich ist. Ich möchte hierzu auf ein Zitat verweisen, dass auf die Wichtigkeit der Kooperation im Verkehrssektor hinweist: Trotz der bekannten Schwierigkeiten, wie etwa den unterschiedlichen Zuständigkeiten bei den einzelnen Verkehrsträgern oder der Tatsache, dass wichtige Entscheide über Verkehrsinvestitionen außerhalb der Region fallen, besteht letztlich keine Alternative zu einer ganzheitlichen, grenzüberschreitenden Gesamtverkehrspolitik (LEUENBERGER 1992 a: 36). Literaturverzeichnis MÜLLER-SCHNEGG, H. (1994): Grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der Bodenseeregion. Bestandsaufnahme und Einschätzung der Verflechtung politisch-administrativer und organisierter privater Gruppierungen, Diss. St. Gallen. MÖCKLI, S. (1998): Bindung durch Verbindung in der Bodenseeregion. In: Euregio kontrovers: der Bodenseeraum - ein Standort im Spannungsfeld der Interessen. Tagungsbericht zum Jubiläums- Symposium 25 Jahre FWR, 5.9.1997, Univ. St. Gallen. S. 43-56. LEUENBERGER, T. (Projektleitung) (1992)a: Euroregion Bodensee. Grundlagen für ein grenzüberschreitendes Impulsprogramm. Bericht. St. Gallen, März 1992. LEUENBERGER, T. (Projektleitung) (1992)b: Euroregion Bodensee. Grundlagen für ein grenzüberschreitendes Impulsprogramm. Anhang. St. Gallen, März 1992. INTERNATIONALE BODENSEEKONFERENZ (1995): Bodenseeleitbild. INTERNATIONALE BODENSEEKONFERENZ (1998): Rund um See und Rhein 1997-1998. INTERNATIONALE BODENSEEKONFERENZ (1999): Grenzübergreifende kooperative Aktivitäten in der Regio Bodensee. Nach Sachgebieten gegliedert, mit Adressen. 58

Anhang Abb. Nr. 1: Arbeitskarte der internationalen Projektgruppe Statistikatlas REGIO Bodensee Quelle: Internationale Bodenseekonferenz: Bodenseeleitbild, 1995. 59