Manuskript Beitrag: Teuer gebettet Die Matratzen-Abzocke Sendung vom 22. Januar 2013 von Andreas Baum und Markus Böhle Anmoderation: Die Preise stürzen, dass Schnäppchenjägern Hören und Sehen vergeht! Matratzen werden überall geradezu reißerisch vermarktet. Die dauernden Kampfpreise aber machen stutzig. Denn tatsächlich sind sie frei erfunden: von Matratzen-Herstellern und großen Händlern. So sichern die sich bis zu 300 Prozent Gewinn! Kartelle funktionieren so - mit verbotenen Absprachen. Wer sich als Händler daran nicht hält, kriegt einfach keine Ware mehr geliefert. Und wer bezahlt für den lohnenden Deal? Matratzen-Käufer. Also so gut wie jeder berichtet Andreas Baum. Text: Matratzen ein gigantischer Markt: Rund 1,5 Milliarden Euro geben die Deutschen jedes Jahr für Matratzen aus. Doch die sind viel zu teuer, behaupten Fachleute. Ihr Vorwurf: Matratzen- Hersteller und Händler sprechen sich bei den Preisen ab. Es herrsche ein Kartell mit dem Ziel, weit überhöhte Gewinne zu machen. Der Hersteller nimmt 100 bis 300 Prozent. Und die Händler nehmen 300 Prozent. Und das ist einfach wirklich zu viel! Also Beispiel: Sie haben 33 Euro, das ist der Produktionspreis, der Materialwert. Das wird verkauft, ja zu 100 Euro an den Händler, und der Händler gibt das dann ab zu 400 Euro an den Kunden. Adam Szpyt wollte die illegalen Preisvorgaben der Hersteller nicht mitmachen. Er bietet seine Matratzen im Internet an, kann deshalb billiger verkaufen. Für die Branche ist er ein Nestbeschmutzer, ein Verräter, und sie setzt Szpyt unter massiven Druck:
Vernichtung mit rechtlichen Mitteln. Die haben sich fast alle abgesprochen. Die drohen: Wir killen euch, wir vernichten euch. Die sagen: killen, vernichten. Solche Worte sagen die. Und man fragt dann erst mal: Wie? Und dann heißt es: Ja, das werdet ihr schon sehen. Er wird mit E-Mails, Briefen und Faxen bombardiert. Er solle sich endlich den Preisvorgaben der Hersteller beugen. Doch Szpyt weigert sich: Ja, dann hat man Lieferungen gestoppt. Und zwar alle zusammen. Die haben sich alle abgesprochen. Preisabsprachen und Preisvorgaben sind illegal. Deshalb wurde das Bundeskartellamt tätig, veranlasste Razzien bei Herstellern und Händlern. O-Ton Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamt: Wir gehen hier ganz konkret dem Verdacht nach, dass möglicherweise Hersteller und Händler sich über Endverkaufspreise verständigt haben. Wir gehen auch dem Verdacht nach, dass Hersteller Druck auf die Händler ausgeübt haben, bestimmte Endverkaufspreise zu nehmen. Das wäre ein verbotener Tatbestand, erlaubt sind nur unverbindliche Preisempfehlungen. Verbraucherschützer hoffen auf eine baldige Entscheidung. Die Leidtragenden sind eindeutig die Verbraucher. Sie zahlen einen zu hohen Preis für die Matratzen und da es dann auch keinen Qualitätswettbewerb gibt, haben sie auch schlechtere Matratzen als es die möglicherweise sonst auf dem Markt geben könnte. Frontal21 fragt bei Herstellern nach. Die streiten Preisvorgaben ab. Tempur zum Beispiel teilt mit, Zitat: ( ) wir weisen ( ) jegliche Anschuldigungen eines Fehlverhaltens entschieden zurück. Und Metzeler schreibt, Zitat: Metzeler gibt seinen Vertriebspartnern keine Abgabepreise vor. Frontal21 aber liegen Preislisten von zahlreichen Herstellern vor, bestimmt für die Händler. Bei Metzeler, zum Beispiel, ist darin
auch ein verbindlicher Verkaufspreis vorgegeben ebenso in der vorgefertigten Werbung. Und auch Tempur druckt für Händler die Werbung mit Verkaufspreisen vor allerdings mit dem Hinweis, es handele sich um unverbindliche Preisempfehlungen. Tatsächlich? Wir machen Stichproben mit versteckter Kamera: O-Ton Frontal21: Kosten die Matratzen denn überall das gleiche? O-Ton Verkäufer, Gedächtnisprotokoll nachgesprochen: Ja, genau! Die Preise werden von Tempur vorgegeben. Wenn einer günstiger verkauft und der Hersteller kriegt das mit, dann bekommt er keine Matratzen mehr von Tempur. Und so finden wir überall die gleichen Preise, in verschiedenen Städten, in kleineren und größeren Geschäften. O-Ton Verkäuferin, Gedächtnisprotokoll nachgesprochen: Das ist eine Festpreisbindung durch Tempur. Es ist deutschlandweit der gleiche Preis vorgeschrieben, damit es keine Rabattschlachten gibt. Das wäre illegal. Sind also die allerorts bekannten Rabattschlachten nur Täuschung? Ja, sagt Händler Szpyt, genauso wie die sogenannten Streichpreise. Es wird ein Verkaufspreis vereinbart. Sagen wir mal 499. Dann überlegt man sich einen Mondpreis, den es nie gegeben hat. Also, 899. Und der wird einfach durchgestrichen. Und so werden dann die Plakate vorgedruckt. Das prüfen wir nach, wieder mit versteckter Kamera. Verkäufer bestätigen den Verdacht: O-Ton Verkäufer, Gedächtnisprotokoll nachgesprochen: Den durchgestrichenen Preis hat es hier nie gegeben. Das machen alle so. Da sind wir Verkäufer machtlos. Die Mondpreise werden uns von den Herstellern so vorgegeben. Weiterer Vorwurf: Um Produktvielfalt vorzutäuschen, bieten die Hersteller bekannte Modelle besonders hochpreisig in großen Möbelhäusern an. Billiger bei Discountern oder im Internethandel - mit kleinen Änderungen unter anderem Namen. Wieder eine Stichprobe. Wir fragen nach einer bekannten Schlaraffia-Matratze: O-Ton Frontal21: Gibt es die bei verschiedenen Händlern unter anderem
Namen? O-Ton Verkäuferin, Gedächtnisprotokoll nachgesprochen: Ehrlich gesagt, ja! Im Kern sind die alle gleich, nur der Bezug ist mal ein bisschen anders oder die Matratzen-Höhe. Bei Schlaraffia ist das generell so. So gibt es die Silverline Geltex 1200 in Möbelhäusern als angebliches Sonderangebot für 1.299 Euro, beim Discouter die Geltex Aero 7000 für 899 Euro und im Internet-Handel die Physiogel 1200 für 849 Euro. Wir fragen nach beim Hersteller Recticel. Keine Antwort. Verbraucherschützer wundert das nicht. Es soll eine Produktvielfalt vorgetäuscht werden. Für den Verbraucher wird es schwerer bis unmöglich diese Produkte tatsächlich noch zu vergleichen. Es ist oftmals ja auch wirklich in kleinen Abweichungen nur erkennbar, ob es sich um das gleiche Produkt noch handelt. Das heißt, hier wird der Preis- und Qualitätsvergleich deutlich erschwert. Nach geltendem Recht sogar erlaubt. Und wenn wegen illegaler Preisvorgaben ermittelt wird, schrecken mögliche Strafen niemanden ab. Kartellrechtsverstöße werden lediglich mit Bußgeldern geahndet. Und die seien im Verhältnis zu den unrechtmäßigen Gewinnen viel zu gering, sagen Kritiker und fordern Konsequenzen: Man könnte sich orientieren an Ländern wie beispielsweise den USA, wo in besonders gravierenden Fällen eben Verstöße durchaus auch mit Haftstrafen geahndet werden können. Wir fragen nach beim Bundeswirtschaftsministerium. Für härtere Strafen sieht man hier keine Notwendigkeit. Adam Szpyt wehrt sich gegen die Matratzen-Hersteller mit Klagen, Abmahnungen, Schadensersatzprozessen. Er kann nur auf das Kartellamt hoffen. Wie lange er seinen Kampf noch finanziell durchhält, weiß er nicht. Dann ginge es ihm wie so vielen kleinen Händlern vor ihm: Dann kann man den Laden zumachen. Dann ist Schluss, aus! Abmoderation: So haben Käufer bislang kaum Chancen, eine Matratze zu so etwas wie einem Marktpreis zu erstehen.
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