Psychologie des Vertrauens Institut für Sozial- und Wirtschaftspsychologie Universität München, Leopoldstr. 13, 80802 München Tel. 089/2180-5181, Fax: 089/2180-5238 E-mail: frey@psy.uni-muenchen.de Seite 1
Psychologie des Vertrauens thematische Übersicht Konzeptionelle Klärungen Warum ist Vertrauen wichtig? Die Entstehung von Vertrauen und Misstrauen Wie unterscheiden sich vertrauensvolle und misstrauische Menschen? Vertrauen und Fairness neue Forschungsbefunde Wie erreiche ich Vertrauen z.b. am Arbeitsplatz oder in der Kindererziehung Seite 2
Psychologie: Erleben, Verhalten = Funktion von Person und Umwelt E, V = f (P, U) Vertrauen = Funktion von Sender- und Empfängervariablen Vertrauen = f (E, S) Seite 3
Was bedeutet Vertrauen und was bedeutet Vertrauen nicht? Es bedeutet Berechenbarkeit Verlässlichkeit Glaube an den anderen Glaube an sich selbst Perspektivenwechsel Win-win-Orientierung Es bedeutet nicht Naives Vertrauen, blindes Vertrauen Jedem Menschen in jeder Situation vertrauen Seite 4
Vertrauen: Sender-Empfänger-Austausch Empfänger Sender Wahrnehmung ist immer abhängig von Hypothesen, Erwartungen, Interessen des Empfängers sowie vom Image des Senders a) positive Assoziation positiver Affekt: Handeln = Annäherung (Vertrauen) b) negative Assoziation negativer Affekt: Handeln = Vermeidung / Flucht (Misstrauen) Ein Urteil sagt über den Urteiler genauso viel wie über den Beurteilten. Seite 5
Vertrauen In sich In andere Menschen, Institutionen, Gruppen, Organisatoren, Tiere, Objekte (Kernkraftwerke), Marken, Produkte, usw. Zukunft Gegenwart Dimensionen: global spezifisch differenziert labil - stabil Seite 6
Vertrauen ist das Ergebnis eines Prozesses, der auf Basis langer Erfahrung mit anderen entsteht Positive Selbst- und Fremderfahrung, vor allem in komplexen, schwierigen, undurchschaubaren Situationen Berechenbarkeit, Verlässlichkeit Modell des gelernten Vertrauens Personenmerkmale des Empfängers: Optimismus Selbstvertrauen Zuversicht Monopolhypothese Ich kann mich auf den anderen verlassen. (Vertrauenshypothese) Eine Monopolhypothese erzeugt eine self fulfilling prophecy im Sinne einer Positivspirale Personenmerkmale des Senders: Integrität, Authentizität Berechenbarkeit Positivfokussierung Vertrauensvorschuss Unterstützende soziale Faktoren: Normen, die Vertrauen fördern Modellernen Vertrauenssymptome Angstfreiheit Sicherheit Zuversicht Vertrauenskonsequenzen: Vertrauen gibt dem Handelnden Handlungsorientierung statt Lageorientierung Seite 7
Konsequenzen und Symptome von Vertrauen beim Empfänger (Beispiel Arbeitsplatz) Konsequenzen von Vertrauen beim Empfänger Bessere Leistung und Motivation Akzeptanz auch von nachteiligen Entscheidungen Bessere Streit- und Konfliktkultur Höhere Innovationsbereitschaft Bessere Kooperation und Kommunikation Konsequenzen von Vertrauen beim Sender Weniger Zeitaufwand für Erklärungen Verminderung der Kontrollkosten Symptome von Vertrauen (Empfänger) Angstfreiheit Sicherheit damit Chance für Offenheit und Neugierde Intrinsische Motivation / Identifikation Verantwortungsübernahme Reziprozität Engagement Potentielle Gefahren Sorglosigkeit gegenüber schwarzen Schafen Blindes naives Vertrauen Missbrauchsmöglichkeiten Risiko enttäuscht zu werden Seite 8
Modell des gelernten Misstrauens Selbst- und Fremderfahrung: Erwartungen treten nicht ein. Versprechungen werden nicht eingehalten. Negatives Verhalten. Personenmerkmale des Empfängers: Pessimismus Ängstlichkeit Unsicherheit Monopolhypothese Verlasse dich auf nichts (Misstrauenshypothese) Eine Monopolhypothese erzeugt ein self fulfilling prophecy im Sinne einer Negativspirale Merkmale des Senders: Unzuverlässigkeit Unberechenbarkeit Drohungen Ungerechtfertigte Drohungen übermäßige Kontrolle Freiheitseinschränkungen unterstützende Faktoren: Normen, die Misstrauen fördern Modellernen Misstrauenssymptome: Angst Unsicherheit Misstrauenskonsequenzen: innere Kündigung Seite 9
Konsequenzen und Symptome von Misstrauen (Beispiel Arbeitsplatz) Symptome von Misstrauen Konsequenzen von Misstrauen beim Empfänger Mobbing innere Kündigung Burn-out Trennung / Fluktuation Dienst nach Vorschrift Sabotage negative Kreativität Konsequenzen von Misstrauen beim Sender Hohe Investitionen an Zeit und Energie zur Überprüfung und Kontrolle Angst Unsicherheit Potentielle Vorteile von Misstrauen Grenzüberschreitungen früh erkannt schwarze Schafe (Abweichler identifiziert) Misstrauen ist positiv, dort wo Gefahr droht. Seite 10
Vertrauenskonto / Beziehungskonto positive Episoden + + + + + + negative Episoden - - - Quantität, Qualität und Gewichtung von Positiv- und Negativepisoden, die ein Empfänger von einem Sender erhalten hat, entscheiden darüber, aus welchem Blickwinkel er den Sender sieht: Sieht er ihn mit einem Vertrauensfilter oder mit einem Misstrauensfilter? Negativepisoden werden stärker gewichtet! Seite 11
Kennzeichen vertrauensvoller Menschen Kennzeichen misstrauischer Menschen Seite 12
Wie bei den zehn Geboten stimmen auch alle einer Vertrauenskultur zu. Doch wird sie gelebt? Forschung zeigt: 70% machen Dienst nach Vorschrift. Nur 15% sind am Arbeitsplatz emotional engagiert. 50% haben innerlich gekündigt. 30-80% Prozent haben kein Vertrauen zum direkten Vorgesetzten und/oder zur Führungsspitze. Erklärung: Es wird nicht im Sinne einer Vertrauenskultur geführt. Seite 13
Fairness Ergebnisfairness (Input, Output) Was? Prozedurale Fairness, Verfahrensfairness (+ voice) Wie? Informationale Fairness (zeitliches und inhaltliches Drehbuch, ehrlich, rechtzeitig, umfassend - bad news genau so wie good news) Interaktionale Fairness (Wertschätzung und Respekt auf gleicher Augenhöhe) Fairness erhöht Identifikation, intrinsische Motivation, Vertrauen, Commitment Persistenz, Kreativität, Innovation. Seite 14
Der Bezug von allgemeinen Lernerfahrungen und Vertrauen zu sich und anderen (siehe auch Kindererziehung, Partnerschaft, Arbeitsplatz) Soziale Wärme Konsistenz Gebotsorientierung Fairness Kontrollierbarkeit Soziale Kälte Inkonsistenz Verbotsorientierung Unfairness Unkontrollierbarkeit Seite 15
Was ist zu tun, um Vertrauen am Arbeitsplatz zu erhöhen? Umsetzung des Prinzipienmodells der Führung von Frey Sinn- und Visionsvermittlung Transparenz Handlungsspielräume Klarheit in den Zielen, Standards, Erwartungen und Spielregeln Wertschätzung durch Feedback (Lob und konstruktive Korrektur) Positivfokussierung: Ressourcenansatz statt Defizitansatz gutes Betriebsklima Vorbildverhalten Fairness Seite 16
Verlust von Vertrauen durch mangelnde Synchronisation von Erwartungen Seite 17
Verlust von Vertrauen durch mangelnde Synchronisation von Erwartungen Erfolgreiche Techniken um vorzubeugen sind folgende Fragen: Welche Erwartungen / Wünsche haben Sie an Ihre Führungskraft? Wie sieht eine ideale Führungskraft aus? Wenn Sie in meiner Position wären, was würden Sie genauso machen, was anders? Was ist an meinem Führungsverhalten gut? Was ist noch nicht gut genug? Was läuft in unserer Abteilung gut? Was kann man verbessern? Wo ist Wort und Tat bei mir nicht in Übereinstimmung? Wo fühlen Sie sich in Ihrer Motivation und Kreativität blockiert? Was muss im Rahmen von veränderbaren Welten passieren, dass Arbeit noch mehr Freude und Spaß macht? Mitarbeiter: Was kann ich tun, damit meine Führungskraft gut führen kann? Seite 18
Arroganz von Macht als Killer von Vertrauen? Arroganz von Ohnmacht als Killer von Vertrauen? Seite 19
Arroganz von Macht als Killer von Vertrauen? Wie zeigt sich Arroganz von Macht? Kein Kontakt zur Basis von Mitarbeitern und Kunden kein Perspektivenwechsel duldet keine Kritik und keinen Widerspruch ist im Besitze der Wahrheit führt durch Angst und Druck ist unerreichbar, unberechenbar hoher Grad an Narzissmus, Eitelkeit, Machtgier, Profilierungssucht, Statusdenken Ein solches Milieu erzeugt kein Vertrauen, sondern - oberflächliche Angepasstheit und Verneigungen vor dem Kaiser ohne Kleider - Misstrauen Arroganz von Ohnmacht als Killer von Vertrauen? Opferhaltung Zuschauerhaltung, Beobachter Aus Angst und Opportunismus wird nicht gegengesteuert und nicht gespiegelt. Ziel: Zivilcourage und Verantwortung fordern und fördern Was ist mein Beitrag für eine Vertrauenskultur? Seite 20
Was ist zu tun, um zwischenmenschliches Vertrauen langfristig zu wahren? Führung ist oft Management von Enttäuschungen Gegenstrategien 1. Professionelle Führung 2. Mit realistischen Erwartungen arbeiten 3. Fairnessforschung (Tom Taylor) Ergebnisfairness, prozedurale Fairness mit voice, informationale Fairness, interaktionale Fairness 4. Impftheorie / Inokkulationstheorie mit Negativem impfen und widerlegen 5. Actor-Observer-Bias Akteur Beobachter situational dispositional 6. False-Consensus Bias Eigene Welt Fremde Welt Seite 21
Weisheit, Reife und Persönlichkeitsentwicklung als kontinuierlicher Prozess für differenziertes Vertrauen zu sich und anderen All dies wird möglich nur durch permanente Selbstreflexion (Was lief gut, was lief nicht gut, und warum? - Paul Baltes, MPI, Berlin) - Was und wie kann ich zur Vertrauenserhöhung beitragen? - Wo/wann/bei wem vertraue ich nicht und aus welchem Grund? - Was habe ich unternommen, dass der andere mir mehr Vertrauen entgegenbringen kann? Teamreflexion (Was lief gut? Was lief nicht gut? Und warum? - Michael West, Birmingham) Erfahrung allein macht nicht klüger; es ist die Reflexion / Elaboration von Erfahrungen. Seite 22
Die psychologischen Grundlagen des Vertrauens führen zu folgender Führungsphilosophie People-Management: Tough on the issue, soft on the person (klar und hartnäckig in den Standards, Spielregeln, Erwartungen und Zielen, fair und human im Umgang) Wertschöpfung durch Wertschätzung Die Umsetzung humanitärer Prinzipien geht Hand in Hand mit ökonomischem Erfolg Man muss Menschen mögen Die Soft-Faktoren bringen die hard facts Geben und Nehmen auf hohem Niveau Man sieht sich im Leben immer zweimal Generosität in Kleinigkeiten Verbinde Popper s kritischen Rationalismus mit dem Menschenherz von Albert Schweitzer Vertrauen ist wichtiger als die modernste Produktionsanlage letztere kann man sich jederzeit kaufen, nicht aber Vertrauen Wo keine Vertrauensgrundlage da ist, lässt sich nichts aufbauen Eine Kultur des Vertrauens zeigt sich vor allem in den Schlechtwetterperioden Gegenseitiges Vertrauen ist das beste Grundkapital. Vertrauen ist der Anfang von allem. Seite 23