Dipl.-Ing. Herbert Werner Sicherheit aus einem Guß: Hochwertiger Sphäroguß für Windkraftanlagen
Herbert Werner, Meuselwitz Sicherheit aus einem Guß: Hochwertiger Sphäroguß Bauteile von Windkraftanlagen In der dichtbesiedelten Bundesrepublik Deutschland wird wegen des immer bleibenden Restrisikos und der Problematik der Endlagerung von anfallendem Atommüll der Nutzung von Kernenergie zur Stromerzeugung keine Zukunft prognostiziert. Braun- und Steinkohlekraftwerke müssen dagegen enorme Summen investieren, um den Forderungen der TA-Luft zu genügen. Außerdem produzieren sie außerordentlich große Mengen von Abfall und tragen - vor allem der Braunkohletagebau - erheblich zur Umweltzerstörung bei. Vor diesem Hintergrund stellt die umweltfreundliche Energieerzeugung durch Windkraftwerke eine hervorragende Alternative dar. Das im Jahre 1990 von der Bundesregierung verabschiedete Energieeinspeisungsgesetz hat der sauberen und erneuerbaren Windenergie Auftrieb gegeben und zum Durchbruch verholten. Nach dem zwischenzeitlichen Gerangel um die Novellierung dieses Gesetzes, was Investoren und Betreiber verunsichert hatte, besteht seit Herbst 1997 für diese Branche wieder Klarheit. Aufatmen daher nicht nur bei den Anlagenbauern, sondern auch bei den Zulieferern. Hierzu leisten die Gießer einen wichtigen Beitrag, bestehen doch wesentliche, tragende Bauteile von Wind- kraftwerken der verschiedensten Bauarten aus Gußeisenwerkstoffen. Sind schon seit Jahrhunderten Windmühlen und seit einigen Jahren moderne Windkraftwerke in windreichen Küstenregionen ein gewohntes Bild, erobern sie inzwischen auch das Binnenland in klimatisch günstigen Lagen. So stehen bereits jetzt im Bundesland Sachsen 206 Windkraftanlagen, die jährlich 100 MWh in das öffentliche Stromnetz einspeisen. Mit bereits 5200 Windkraftwerken und einer installierten Gesamtleistung von 2100 MW im Jahre 1997 hat Deutschland seine Führungsposition gegenüber den USA (mit 1650 MW) deutlich ausbauen können. Unter Beachtung des harmonischen Einfügens in die Landschaft und Berücksichtigung wirtschaftlicher Aspekte - von der Baugenehmigung bis zur Einspeisungsanbindung in das Netz eines EVU (Energieversorgungsunternehmen) - geht der Trend zu immer größeren, ertragreicheren Anlagen, die zudem wirtschaftlicher arbeiten. So haben zum Beispiel die Windkraftwerks- Bild 1: Gondel des 1000-kW-Windkraftwerks N-54 der Firma Nordex mit Angabe der wichtigsten Bauteile aus Sphäroguß GGG-40.3 (neue Bezeichnung nach DIN EN 1563: EN-GJS-400-18U-LT); das Gesamtgewicht beträgt rund 60 Tonnen, die Funktionshöhe 60 Meter.
Bild 4: Ausführungsformen von Rotornaben für Windkraftwerke, Werkstoff jeweils GGG-40.3; links: für die 1000-kW-Anlage N-54, Gewicht: 6460 kg, Abmessungen: 0 2500 1800 mm, rechts: für die 1500-kW-Anlage E-66, Gewicht: 8100 kg, Abmessungen: 0 2170 2720 mm auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten als optimal erwiesen. Gewählt wurde die ferritische Sorte EN-GJS- 400-18U-LTnach DIN EN1563 (alte Bezeichnung nach DIN 1693: GGG-40.3), deren Kerbschlagarbeit auch bei niedrigen Temperaturen gewährleistet ist; hier müssen die Eigenschaften im antypen N-54 und N-60 der Firma Nordex Leistungen von 1000 kw beziehungsweise 1300 kw, die Anlage E-66 der Firma Enercon eine Leistung von 1500 kw. Jahrein, jahraus reicht der Energieertrag einer 1000-kW-Anlage zur Versorgung von rund 500 Haushalten. Auf diese Weise wird nicht nur unwiederbringliche Primärenergie wie Kohle, Erdöl oder Erdgas eingespart, auch die Umwelt wird spürbar entlastet: 1700 Tonnen Kohlendioxid (CO 2 ), 11 Tonnen Schwefeldioxid (SO 2 ), 4,3 Tonnen Stickoxide (NO X ), 100 Tonnen Flugasche oder 5,3 Kilogramm Atommüll - um nur die wichtigsten Stoffe zu nennen - werden gar nicht erst produziert". Gußkomponenten für Windkraftanlagen Anlagen der genannten Größenordnung im Leistungsbereich > 1 MW stellen aufgrund der großen mechanischen Beanspruchungen durch die Windkräfte außergewöhnlich hohe Anforderungen an Konstruktion und Qualität der eingesetzten Bauteile. Damit sich solche Anlagen harmonisch in die Landschaft einfügen, müssen sie trotz ihrer großen Leistung so schlank und kompakt wie möglich gebaut werden. Gedrosselte Rotorumlaufgeschwindigkeit, Schallschutzkapselung von Getriebe und Generator sowie An- und Absaugung der Kühlluft minimieren die Windund Betriebsgeräusche. Außerdem sind alle Bauteile vollständig akustisch entkoppelt, so daß Getriebe- und Generatorgeräusche sich nicht als Schall im Mast und Rotor fortpflanzen können. Nicht nur diesen Aspekten, sondern Bild 5: Grundrahmen aus GGG-40.3 für die Gondel nach Bild 1 (1000-kW-Anlage); Gewicht: 6940 kg, Abmessungen: 4140 2630 350 mm auch den hohen Anforderungen an Langlebigkeit und Dauerfestigkeit der Bauteile muß(te) bei Konstruktion und Fertigung Rechnung getragen werden. Als Werkstoff für die Gußteile hat sich Gußeisen mit Kugelgraphit (Sphäroguß ) sowohl unter technischen als
gegossenen Probestück (!) nachgewiesen werden, was durch den Buchstaben U" im Werkstoffkurzzeichen zum Ausdruck kommt. Eine Reihe kennzeichnender Eigenschaften machen EN-GJS-400-18U-LT für den Bau von Windkraftwerken besonders geeignet. Tabelle 1 nennt einige wichtige, anwendungstechnisch relevante mechanische Eigenschaften. Darüber hinaus sind von Bedeutung: geringe Eigenspannungen und da durch Verzugfreiheit der Bauteile, hohe Eigensteifigkeit auch im Dauereinsatz, ausgezeichnete Dämpfungseigenschaften gegenüber mechanischen und akustischen Schwingungen und gleichmäßige Eigenschaften auch bei großen Wanddickenunterschieden. Diese Eigenschaften sind Gewähr für Langlebigkeit, Dauerbelastbarkeit, Bearbeitungsfreundlichkeit sowie Schallund Schwingungsdämpfung selbst bei geringen Wanddicken. Dies ist vor allem von großer Bedeutung für die beiden hochbeanspruchten Naben in Bild 4 und besonders für das Verbindungsstück zwischen Nabe und Rotorblatt, wie in Bild 2 gezeigt. Optimieren der Tragkonstruktion für die Gondel Die Gondel in Bild 1 ist für die 1000-kW- Anlage N-54 bestimmt, angegeben sind die wichtigsten Bauteile aus Sphäroguß GGG-40.3(EN-GJS-400-18U-LT). Hiervon zeigt Bild 4, links, die zugehörige Nabe, Bild 3 das Abstützrohr und Bild 5 den Grundrahmen. In enger Zusammenarbeit mit der nach DIN EN ISO 9000 ff. zertifizierten Gießerei wurde der mehrteilige Grundrahmen in eine nur noch einteilige Ausführung für die 1300-kW-Anlage N-60 umkonstruiert, Bild 6. Wie zu erkennen, konnten weitere Funktionen beziehungsweise Bauteile, wie beide Getriebelagerböcke, in das neue Grundgestell integriert werden, das Abstützrohr ist entfallen. Das Grundgestell nach Bild 6 hat eine recht komplizierte geometrische Form. Dies in Verbindung mit einem Rohgußgewicht von rund 12,5 Tonnen war für die Gießerei eine enorme Herausforderung, verbot es sich doch aus Kostenund Zeitgründen von selbst, erst über Probeabgüsse die Gesamtkonstruktion und die gießtechnische Lösung zu optimieren und diese auf Herz und Nieren zu prüfen; dies alles erfolgte computergestützt im Vorfeld der Fertigung, zumal es auch galt, ein weiteres Problem zu lösen: die recht eng gehaltenen Terminforderungen. Umfangreiches gießereitechnisches Know-how, viel Erfahrung und ein ausgefeiltes Qualitätsmanagement der ausführenden Gießerei sind die notwendigen Voraussetzungen, ein solch anspruchsvolles Produkt herstellen zu können und den gesamten Fertigungsablauf von der Mitarbeit an der Konstruktion bis hin zum qualitativ einwandfreien Abguß sicher zu beherrschen. Wertvolle Hilfe leistete hier die eigene, im Jahre 1997 installierte Anlage zur computergestützten Erstarrungssimulation. Das Ergebnis bereits beim ersten Abguß: poren- und lunkerfreie Knotenpunkte und Gußquerschnitte, was mit Ultraschall- und Röntgenprüfung nachgewiesen und zertifiziert wurde. Im Zusammenwirken aller Beteiligten konnte mit dieser Neukonstruktion der Anlagenbauer einen wesentlichen Schritt in Richtung Verbesserung seiner Wettbewerbsfähigkeit machen, während der deutsche Gießer als Partner seine Innovationsfähigkeit beweisen konnte. Bildnachweis: Sämtlich Werkbilder Meuselwitz Guss Eisengießerei, Meuselwitz