BEZIEHUNGSGEWALT ALS AUSDRUCK VON RATLOSIGKEIT UND OHNMACHT Fehlschlag Gewalt in Beziehungen ist ein Problem, das alle gesellschaftlichen Schichten betrifft. Und die Gewalt ist in mindestens 80 Prozent der Fälle männlich. Meist ist sie Ausdruck von Ratlosigkeit, Verzweiflung und Ohnmacht. Gegen Beziehungsgewalt gibt es Erste-Hilfe- Maßnahmen. Meist ist aber eine langwierige Therapie notwendig, um die Spirale der Gewalt zu durchbrechen. MÄNNER Eine der Hauptursachen für männliche Beziehungsgewalt liegt wahrscheinlich in der Kindheit. Die meisten Männer wurden schon als Buben dazu erzogen, Verletzungen, Enttäuschungen und Kränkungen einfach auszuhalten und wegzustecken. Der Linzer Psychotherapeut Robert Karbiner: Viele Männer haben nie gelernt, ihre Gefühle zuzulassen und ihre Ideen und Wünsche gewaltfrei durchzusetzen. Im Konfliktfall entstehe deshalb Ratlosigkeit, Verzweiflung und Ohnmacht. Robert Karbiner: Diese Situation glaubt der Betroffene nur durch Zuschlagen auflösen zu können. Dabei wird Gewalt gerade gegen die Menschen gerichtet, die dem Täter am nächsten stehen. Gefühle zulassen Viele der schlagenden Männer sind aggressionsgehemmt, aber gewalttätig. Karbiner: Das ist nur ein scheinbarer Widerspruch. Aggression muss nicht immer destruktiv sein. Im Sinn von Tatkraft und Durchsetzungsvermögen kann sie auch Positives bewirken, wenn man gelernt hat, damit umzugehen. Doch der richtige Umgang mit den eigenen Gefühlen fehlt Beziehungstätern, die immer wieder in die gleichen Muster fallen. Robert Karbiner: In den meisten Fällen sind Gewalttaten in Beziehungen sind meist Ausdruck von Ratlosigkeit, Verzweiflung und Ohnmacht. In der Therapie sollen die Täter lernen, ihre eigenen Gefühle und Bedürfnisse zuzulassen und zu artikulieren. es Wiederholungstäter. Die Gewalthandlungen werden meist brutaler, die Intervalle verkürzen sich. Die Spirale aus Gewalt, schlechtem Gewissen, Verzweiflung, Hilflosigkeit und wieder Gewalt lässt sich meist nur mit professioneller Hilfe durchbrechen. Ist Alkohol im Spiel, muss vordringlich erst dieses Problem beseitigt werden. Die eigentliche Therapie dauert dann mindes tens ein halbes, meist aber ein ganzes Jahr. Psychotherapeut Robert Karbiner: Dabei wird der schlagende Mann mit seinen Taten konfrontiert und lernt, für sein Tun und Verhalten die Verantwortung zu übernehmen. Er lernt aber auch, sich selbst besser wahrzunehmen und Gefühle und Bedürfnisse zuzulassen, zu artikulieren und gewaltfrei durchzusetzen. Es ist oft eine sehr anstrengende und aufwändige Arbeit, den Zugang zu den eigenen Gefühlen wieder freizulegen und so die emotionale Robert Karbiner Psychotherapeut in Linz K O M M E N T A R Leistungsfähigkeit herzustellen. Ziel der oft sehr anstrengenden Therapie bleibt es, dass der betroffene Mann auch dann nicht in Gefahr kommt zuzuschlagen, wenn er in einer emotionalen Extremsituation ist. Robert Karbiner hat auch einen Erste-Hilfe- Tipp, der in gefährlichen Situationen helfen kann: Wenn ein Mann merkt, dass die Situation eskaliert und die Gefahr droht, dass er zuschlagen könnte, dann soll er den Schauplatz möglichst rasch verlassen. Damit sei keinesfalls eine Flucht mit quietschenden Reifen gemeint, sondern ein geordneter Rückzug, der die Situation etwas abkühlen lässt. Dazu gehöre etwa auch, dass man der Frau noch sagt, wohin man geht und wann man wieder zurückkommen werde. Die Auszeit kann zu einem Gespräch mit einem Freund oder einer sportlichen Aktivität genützt werden. Von Alkohol ist in solchen Situationen dringend abzuraten. Manchmal scheitert die deeskalierende Auszeit jedoch gerade am späteren Gewaltopfer. Robert Karbiner: Manche Frauen wollen ihren Mann in so einer Konfliktsituation nicht gehen lassen und bestehen darauf, das Problem sofort hier und jetzt zu klären. Häufig mit fatalen Folgen. Denn wenn der Point of no Return überschritten werde, lasse sich eine Gewalttat nicht mehr verhindern. Psychotherapeut Karbiner: Lieber um eine Minute zu früh gehen als eine Gewalttat riskieren. Heinz Macher FORUM Gesundheit 5/2009 23
Rundschau am Sonntag Sonntag, 21. Juni 2009, Nr. 25 LIEBE & BEZIEHUNG 11 Nach dem Zuschlagen schämen sie sich Psychotherapeut Robert Karbiner weiß, warum Männer gewalttätig werden und wie man Verzweiflungstaten verhindert. Daniela Majer OBERÖSTERREICH Gewalttätige Handlungen kommen in den besten Familien vor. Es gibt jedoch Wege und Möglichkeiten, um diese nicht bis zum Äußersten kommen zu lassen, sagt Robert Karbiner. Der Psychotherapeut und Anti-Gewalt-Pädagoge zeigt sich bestürzt über den Fall in Schwertberg. Ein 24-Jähriger soll dort seine 21-jährige Freundin mit einem 18 Zentimeter langen Küchenmesser erstochen haben. Beide seien laut Polizei äußerst gewaltbereit gewesen und hatten in der Vergangenheit immer wieder heftige Streitereien. Frauen sind Einzelfälle In 80 bis 90 Prozent der Fälle geht die Gewalt von Männern aus. Frauen, die ihre Partner schlagen, sind Einzelfälle, betont der Therapeut. Gewalt rühre daher, dass Männer sich bei Streitereien mit Frauen oft unterlegen fühlen. Sie können ihre Emotionen nicht ausdrücken. Bei einem Konflikt staut sich laut dem Experten alles zusammen und der scheinbar einzige Weg, um seinem Ärger Luft zu machen, ist die Gewalt. Kurzfristig sind die Männer erleichtert. Dann kommt aber der große Gefühlseinbruch und nach dem Zuschlagen schämen sie sich. Oft hilft nur eine Therapie Bereits kleinen Buben werde eingetrichtert Gefühle zu verdrängen. Sie dürfen emotionalen Schmerz nicht zeigen und können im späteren Leben dann schwer darüber sprechen. Bei Männern, die langfristig gewalttätig sind, hilft nur eine Therapie, betont Karbiner. Für den akuten Notfall hat der Anti-Gewalt-Pädagoge allerdings Tipps, um einer Eskalation entgegenzuwirken. Sobald ein Mann merkt, dass Wut in ihm aufsteigt, rät Karbiner dazu, so schnell wie möglich die Wohnung zu verlassen. Einige Regeln sollten dabei beachtet werden: Nicht mit quietschenden Reifen davonrasen, sondern kurz Bescheid geben, wohin man fährt. Wo Mann am ZUR PERSON Robert Karbiner ist Psychotherapeut, Supervisor und Anti-Gewalt- Pädagoge. Er therapiert unter anderem Männer, die Gewalt gegen ihre Frauen richten. www.besthelp.at/ karbiner schnellsten wieder einen kühlen Kopf bekommt, ist eine individuelle Entscheidung. Auf keinen Fall solle man sich aber betrinken gehen. Frauen dürfen ihre Männer nicht zum Bleiben zwingen, nur damit sie den Streit weiter diskutieren können. Um schlimme Beziehungstaten zu verhindern, sei laut Karbiner schnelles Handeln oberstes Prinzip. SILVIA DIRNBERGER- PUCHNER Bezieh u n gen beziehungen@rundschau.co.at Leben genießen O ft brauchen Menschen einen schweren Schicksalsschlag, um die wahre Bedeutung ihres Lebens zu erkennen. Negative Geschehnisse beeindrucken offensichtlich tiefgehender, bringen uns mehr zum Nachdenken. Plötzlich reflektieren wir über das, was war, darüber, was wir versäumt haben und was uns wirklich wichtig ist. Was hindert uns eigentlich daran, das Gleiche bei schönen, glücklichen Erlebnissen zu tun? Sie genauso in uns hineinzulassen und als Anlass zu nehmen, um unser Dasein zu reflektieren. Könnte nicht ein wichtiger Lebenssinn in der Kunst, die schönen Augenblicke unseres Lebens in vollen Zügen zu genießen, liegen? Könnten wir nicht Genuss und die schönen Erlebnisse zum Sinn statuieren? Ganz unter dem Motto: Ein sinnvolles Leben ergibt sich aus der Summe der bedeutungsvollen Tage, die von positiven Gefühlen geprägt sind. Dafür müssen wir natürlich auch etwas tun. Bewusster und mit voller Aufmerksamkeit leben und die Dinge tun, die uns wirklich wichtig sind. Kommen Sie auch nur drauf, Ihr Leben bewusster zu leben und zu genießen, wenn sich etwas Schlimmes ereignet hat? Ihr Leben ist einzigartig fangen Sie an, sich das bewusst zu machen.
GEWALT Tritte und Schläge statt Liebe LINZ. Rat- und Hilflosigkeit löst bei manchen Männern Wut und Aggression aus. Liebe verwandelt sich in Hass, Schläge und Tritte. Psychotherapeut Robert Karbiner aus Linz kennt die Problematik und gibt Tipps zur Vermeidung. von JULIA HAGINGER Burschen lernen in der Kindheit Verletzungen und Enttäuschungen zurückzustecken. Im Erwachsenenalter kommen sie dann mit diesen Gefühlen nicht zurecht und werden oft gewalttätig, weiß Karbiner. Bricht in der Beziehung ein Streit aus, können sich viele Männer nicht mehr ausdrücken und werden handgreiflich. Diese Probleme sind jedoch vermeidbar. Es gibt eine Regel, die ein Mann, der weiß, dass er gewalttätig werden kann, einhalten sollte, sagt der Linzer Psychotherapeut: Er muss den Ort der Aggression verlassen. Dabei sollte er jedoch beachten, dass er seine Frau oder Freundin nicht im Ungewissen zurücklässt. Wichtig ist, dass er kurz Bescheid gibt wohin er geht und wann er vorhat zurückzukommen. Wenn der Mann den Ort des Konlikts verlässt, darf sich ihm die Frau jedoch nicht in den Weg stellen oder ihm nachlaufen. Zieht sich der Ge- Psychotherapeut Robert Karbiner Frauen lieben ihre Männer und hoffen immer wieder, dass es in der Beziehung nicht noch einmal zu einer Eskalation kommt. Symbolfoto: Wodicka walteinluss jedoch schon länger dahin, sollte sich der Mann an einen Therapeuten wenden. Ich hatte noch nie einen Patienten, der stolz auf seine Tat war. Sie bereuen alle - doch für viele ist es schwer die Verantwortung zu übernehmen, sagt Karbiner. In 80 von 100 Fällen sind die Männer die Gewalttäter in der Beziehung. Ob jung oder alt, ob arm oder reich, das zieht sich durch alle Schichten, so Karbiner GEWALT IN BEZIEHUNG Gewaltschutzzentrum: Stockhofstraße 40, 4020 Linz Tel.: 0732/60 77 60, ooe@gewaltschutzzentrum.at www.gewaltschutzzentrum.at
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LINZ. Sexueller Missbrauch an Mädchen und Jungen ein Verbrechen im Verborgenen, noch immer ein Tabuthema. Psychotherapeut Robert Karbiner arbeitet als ehrenamtlicher Mitarbeiter des Weißen Rings mit den Opfern. VON GUDRUN WINTER Zwischen 700 und 1000 Fälle von sexuellem Missbrauch von Kindern werden jedes Jahr in Österreich bekannt jene die unbekannt bleiben, sind laut Experten um ein vielfaches höher. Sexueller Missbrauch löst bei Opfern eine Reihe verwirrender Gedanken aus wie etwa: Bin ich für das Geschehene verantwortlich? Wie soll ich mich n andere wenden? Kann man mir en Missbrauch ansehen? Wird Robert Karbiner Sexueller Missbrauch: Der erfahrene Psychotherapeut Robert Karbiner im Gespräch Wenn Kinderseelen leiden Foto : Karbiner Sexueller Missbrauch: Jeder Hinweis soll ernst genommen werden. Foto: Wodicka der Täter seine Drohungen verwirklichen?, kennt Psychotherapeut Robert Karbiner ihre Gefühle. Aus seiner Arbeit mit missbrauchten Opfern im Erwachsenenalter weiß er: Viele schämen sich, fühlen sich verunsichert und sind verzweifelt. Die Scheu, den Täter zu nennen, ist häufig sehr groß. Vor allem bei Missbrauch im sozialen Nahbereich, berichtet der Linzer weiter: Kinder brauchen durchschnittlich sieben Anläufe, um mit ihren Notsignalen Gehör zu finden. Leben Opfer und Täter auch noch unter dem selben Dach, wird den Schilderungen oftmals nicht Glaube geschenkt. Nicht zu verdrängen ROBERT KARBINER nen, so Robert Karbiner. Manchmal dauert es lange, bis Opfer sexuellen Missbrauchs den Mut fassen oder psychisch in der Lage sind, die Geschehnisse aufzuarbeiten. Einmal hat sich eine 70- jährige Frau bei mir gemeldet und erzählt, dass sie als Kind und Jugendliche über Jahre sexuell missbraucht wurde und noch Betroffene können die Erlebnisse zur Seite stellen, doch irgendwann machen sie sich dann doch wieder bemerkbar: in Panikattacken, Schlafstörungen, sexuellen Problemen oder etwa Depressio- Kinder sollten auch beim Bussi von Verwandten Nein! sagen dürfen. heute jeden einzelnen Tag daran denkt. Ich sei der erste Mensch, dem sie das sage. Berührend und erschütternd zugleich. Hilfe für Betroffene Der Psychotherapeut: Tiefe seelische Verletzungen können nicht ungeschehen gemacht werden. Umso wichtiger sei es, sexuelle Übergriffe nicht zu tabuisieren. Das Kind sollte vom Elternhaus die Bestärkung bekommen, dass es Nein sagen und auch mal Zärtlichkeiten vom Nahumfeld ablehnen darf. Kinder sollten etwa auch beim Bussi von Verwandten Nein! oder Das will ich nicht sagen dürfen. Verändert sich das Kind, reagiert es anders oder zieht sich zurück, ist Wachsamkeit gefragt. Es muss nicht immer gleich sexueller Missbrauch dahinter stecken, aber es gehört abgeklärt, rät der Experte. Eine Therapie, die zu einem selbstbestimmten Leben verhilft, kann laut Karbiner zwischen Wochen bis hin zu Jahren dauern. Der Weiße Ring und das Bundessozialamt übernehmen unter bestimmten Voraussetzungen teilweise oder zur Gänze die Kosten hierfür. Opfernotruf Weißer Ring 0800/11 21 12 Betreuung rund um die Uhr durch erfahrene Berater