Alleinerziehende arm und krank? Prof. Dr. Angela Gosch & Prof. Dr. Christian Janßen, Hochschule München 9. Juli 2013, München



Ähnliche Dokumente
Online Befragung Familienfreundliche Region Mitte Februar Ende April 2008

Schuldenbarometer 1. Q. 2009

1. Kinder deren Eltern nie zusammengelebt haben: ungeplante Schwangerschaften (z.b. bei Minderjährigen) Lebenskonzepte 2. Kinder deren Eltern sich

Presse-Information

FAMILIENSTAND ALLEINERZIEHENDE MÜTTER

Wie geht s den Mädchen?

Was bedeutet Inklusion für Geschwisterkinder? Ein Meinungsbild. Irene von Drigalski Geschäftsführerin Novartis Stiftung FamilienBande.

Statistisches Bundesamt

Die Gesundheit von Kindern alleinerziehender Mütter

Personal der Frankfurter Pflegeeinrichtungen 2005

Pflegende Angehörige Gemeinsam gute Versorgung sichern

Fernausbildung Fachberater/in für holistische Gesundheit. Modul 6

Die Zahl der Kinder mit Förderbedarf an Regelschulen hat sich in den letzten vier Jahren verdoppelt

Presseerklärung. Sparen an der Gesundheit für Eltern und Kinder gefährdet Deutschlands Zukunft. Berlin,

Fragebogen zur Erhebung der Situation altgewordener psychisch erkrankter Menschen in den Angeboten der Sozialpsychiatrie in Mecklenburg-Vorpommern

Lebenserwartung nach Sterbetafel 2003/2005

Pflege ein großes Thema...

I N F O R M A T I O N

Anleitung. Empowerment-Fragebogen VrijBaan / AEIOU

Psychologische Gesprächsführung HS 2012

Selbstauskunftsbogen zum Antrag auf stationäre Leistungen zur Vorsorge / Rehabilitation für Mütter / Väter und Kind / Kinder nach 24, 41 SGB V

Modellprojekt Familienstützpunkte am Beispiel des Landkreises Regensburg -Karl Mooser- Informationsveranstaltung

Anleitung für die Online-Bewerbung über LSF auf Lehrveranstaltungen aller Lehramtsstudiengänge

Glaube an die Existenz von Regeln für Vergleiche und Kenntnis der Regeln

Forderungsausfälle - Ergebnisse einer repräsentativen Studie von Forsa - September 2009

Studie zur Situation von Alleinerziehenden im SGB-II-Bezug

Darum geht es in diesem Heft

Vorsorgeverhalten und Pensionskonto Neu Steiermark

Pflegerisiko und Pflegeversicherung Status und Potenziale aus Sicht von Versicherungsmaklern und Verbrauchern

Aktuelle gesundheitliche Lage der Kinder, insbesondere bezogen auf das Handlungsfeld Ernährung

2. Satzung zur Änderung der Gebührenordnung zur Satzung über die Benutzung der Kindertagesstätten der Gemeinde Schöneck

Sehr geehrte Damen und Herren

I N S T I T U T F Ü R D E M O S K O P I E A L L E N S B A C H

kkk Begleitete Elternschaft in NRW: Zahlen und Befragungsergebnisse

BEVÖLKERUNGS- UND UNTERNEHMERBEFRAGUNG»VERMÖGENSTEUER UND EIGENTUM«

Assoziierte Plätze Geben Sie ein Zuhause auf Zeit. Werden Sie Gastfamilie.

allensbacher berichte

Arbeitslosengeld II II

Erziehung, Bildung und Betreuung. Ergebnisse einer repräsentativen Befragung junger Eltern

Test: Sind Sie ein Unternehmertyp?

Pädagogik. Melanie Schewtschenko. Eingewöhnung und Übergang in die Kinderkrippe. Warum ist die Beteiligung der Eltern so wichtig?

KinderPlus. Mit KinderPlus wird Ihr Kind zum Privatpatienten im Krankenhaus.

Behandlung und Beratung von Alkoholabhängigen

Wir machen neue Politik für Baden-Württemberg

Studienplatzbeschaffung

Der Entwurf eines Pflegeberufsgesetzes aus Sicht der hessischen Aufsichts- und Prüfungsbehörde

Die Gestaltung der Eingewöhnung nach dem Berliner Modell

Eltern investieren viel Arbeit und Geld in ihre Kinder

1.015 Personen, die diesen Sommer schon Urlaub hatten Erhebungszeitraum: 12. bis 15. August 2014 statistische Fehlertoleranz: +/- 3 Prozentpunkte

Private Altersvorsorge

Energieeffizienz 2012

Familie und Studium 2009: Analysebericht zur sozialen Lage der Studierenden

Crowdfunding Umfrage Bekanntheit & Beteiligung

SCHWERE KRANKHEITEN VORSORGE RISIKOSCHUTZ FÜR KINDER

das neue Kindergeld Mama und Papa tragen mich jetzt leichter durchs Leben. mehr Geld für die Eltern Zeit fürs Baby Das Kinderbetreuungsgeld

Bürger legen Wert auf selbstbestimmtes Leben

Helga Dill, LMU München

Ambulant betreutes Wohnen eine Chance!

Fact Sheet. Hören und Schwerhörigkeit Daten, Fakten und Zahlen

Pflegedossier für die kreisfreie Stadt Frankfurt (Oder)

Verband alleinerziehender Mütter und Väter, OV-Frankfurt. Auftaktveranstaltung PAKKO-Passgenau in Arbeit mit Kind im Kreis Offenbach,

Ergebnisse: Online- Fundraising Studie 2011 von Thomas Seidl & Altruja GmbH

Alleinerziehend in M-V Ergebnisse der Mütterstudie des Kompetenzzentrums Vereinbarkeit Leben in MV

Vermögensbildung: Sparen und Wertsteigerung bei Immobilien liegen vorn

INSA-Meinungstrend Befragte Befragungszeitraum: INSA-CONSULERE GmbH

HOTEL BÄREN. Familie Sauter Beobachtungen & Problembereiche. Interview mit Stefan Sauter (Miteigentümer)

Fragebogen Alleinerziehende

Die Bedeutung der Kinder für ihre alkoholabhängigen Mütter

Sandra Fendrich/Agathe Tabel. Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik

Die Pflegeleistungen. Das ändert sich ab 1. Januar Quelle: Bundesministerium für Gesundheit

Rentenreform ab 1. Januar Am 16. November 2000 hat der Deutsche. Bundestag die Streichung der bisherigen Berufsund

denk. deutsche entwicklungsförderung deutsche entwicklungsförderung nepalesischer kinder e.v. e.v.

Wir wollten schon immer ruhig schlafen. Rundum versichert mit der Kompakt-Police.

Es gibt nur eine Bilanz die zählt: Ihre Zufriedenheit.

Ergebniszusammenfassung TU Clausthal

Leistungen für Demenzpatienten

mehrmals mehrmals mehrmals alle seltener nie mindestens **) in der im Monat im Jahr 1 bis 2 alle 1 bis 2 Woche Jahre Jahre % % % % % % %

Studie Autorisierungsverfahren Online-Banking n = 433, Befragungszeitraum: Februar bis März 2014

Zukunft. Seminarreihe Unternehmensnachfolge leicht gemacht

HIER: SEMINAR 1. WOCHE

Erfolgreich starten. -vom Kindergarten zur Grundschule-

Das Institut für berufliche Aus- und Fortbildung stellt sich vor

Mein Leitbild. Dr. Christian Husek

AGROPLUS Buchhaltung. Daten-Server und Sicherheitskopie. Version vom b

Der BeB und die Diakonie Deutschland fordern: Gesundheit und Reha müssen besser werden. So ist es jetzt:

für Urlaub und defekte Waschmaschinen

Gesundheitsberichterstattung und Monitoring

Leistungen der Pflegeversicherung im Überblick (Stand 2016)

Prinzip: Vorbeugen ist besser als Heilen. Ziel: Verhütung von Krankheit bzw. Erhaltung der Gesundheit.

Konzeption & Umsetzung eines länderübergreifenden IKZM - Prozesses

Richtlinien zum Familienpass ab

Jeder zweite Selbstständige in Vollzeit mit überlanger Arbeitszeit

Fachtag Gesundheit und Pflege 2011 an der Evangelischen Hochschule Nürnberg

Fragebogen zur Erhebung der Zufriedenheit und Kooperation der Ausbildungsbetriebe mit unserer Schule

Umfrage Mitarbeiterkapazitäten für das BCM 2010 der bcm news Mai 2010 Ergebnisse der bcm news Umfrage Mitarbeiterkapazitäten für das BCM 2010

DIA Ausgewählte Trends August Klaus Morgenstern, Deutsches Institut für Altersvorsorge, Berlin Bettina Schneiderhan, YouGov Deutschland, Köln

Transkript:

Alleinerziehende arm und krank? Prof. Dr. Angela Gosch & Prof. Dr. Christian Janßen, Hochschule München 9. Juli 2013, München

Gliederung 1. Alleinerziehende und ihre soziale Lage 2. Gesundheitliche Situation der Kinder, Mütter & Väter 3. Unterstützungsbedarfe von Alleinerziehenden und Regelangebote von KiTas aus Sicht der pädagogischen Fachkräfte 4. Take-Home-Message

Anzahl der Alleinerziehenden Jede fünfte Familie in Deutschland ist alleinerziehend, Tendenz steigend (Statistisches Bundesamt, 2010) 2009: 8,2 Millionen Familien mit minderjährigen Kindern, davon im Schnitt 19 % Einelternfamilien Bayern steht an vorletzter Stelle, nur 16,3 % Alleinerziehende aber in Großstädten sind 26 % Einelternfamilien 90 % der Kinder leben bei ihren Müttern, erst im Jugendalter betreuen alleinerziehende Väter (relativ betrachtet) häufiger

Alleinerziehende nach monatlichem Familiennettoeinkommen 2009 in % 100 % 80 60 62,1 61 40 20 0 31,2 22,2 16,7 6,8 < 1100 1100-2600 > 2600 Euro Mütter Väter (Statistisches Bundesamt, 2010)

Alleinerziehende und erzieherische Hilfen bis Ende 2008: 343 000 erzieherische Hilfen vom Jugendamt gewährt knapp die Hälfte davon (46 %) erreichten alleinerziehende Elternteile jede 10. Einelternfamilie, aber nur 2 % der zusammenlebenden Eltern nahmen erzieherische Hilfen in Anspruch 37 % Erziehungsberatung, 56 % stationäre Unterbringung in Vollzeitpflege, 52 % ambulante Unterstützung durch Sozialpädagogische Familienhilfe (Statistisches Bundesamt, 2010)

Lebenssituation von Alleinerziehenden Unterschiede ergeben sich im Wesentlichen aus den Aspekten: Allzuständigkeit des allein erziehenden Elternteils Zeitmangel erhöhtes Risiko sozialer Isolation internalisiertes normativ-traditionelles Familienbild von Eltern und Kindern häufiges Gefühl, den aktuell geäußerten kindlichen Bedürfnissen nicht im vollem Umfang gerecht zu werden. (Wernberger & Dill, 2010)

Psychische und Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen je nach Familienform 20 % Jungen Mädchen 15 10 5 0 3-10 11-17 3-10 11-17 Kernfamilie Einelternfamilie Stieffamilie Kinder- und Jugendgesundheitsstudie (KiGGS) der Robert Koch Instituts (RKI, 2008; Lampert, Hagen & Heizmann, 2010)

gesundheitliche Situation der Kinder Neben diesen psychischen und Verhaltensauffälligkeiten gilt, dass der allgemeine Gesundheitszustand von Kindern und Jugendlichen der verschiedenen Familienformen vergleichbar ist, aber signifikant mehr Jungen von Alleinerziehenden adipös sind und signifikant mehr Jungen (38 vs. 27 %) und noch mehr Mädchen (42 vs. 27%) in Einelternfamilien rauchen. Alleinerziehende verfügen über signifikant weniger Ressourcen (z.b. bezogen auf den familiären Zusammenhalt und aktive Freizeitgestaltung)

Gesundheitliche Lage von Müttern (in %) ausgewählte Krankheiten alleinerziehende Mütter verheiratete Mütter Nierenbeckenentzündung 23,6 14,2 Nierensteine, -kolik 15,7 5,2 chronische Bronchitis 9,0 3,9 Leberentzündung 10,2 4,1 psychische Erkrankung 24,7 10,9 Robert Koch-Institut (2003)

Gesundheitliche Lage von Müttern (in %) Emotionale Grundstimmung alleinerziehende Mütter verheiratete Mütter glücklich sehr nervös 50,5 68,7 29,5 17,8 Robert Koch-Institut (2003)

Gesundheitliche Situation der Väter I 1. Für fast ein Viertel (23,7 %) bedeutet die Trennung von der Partnerin den Abbruch des Kontaktes zu den Kindern. 2. Bei Scheidungsvätern ohne Kontakt wirkt sich die Trennung vergleichsweise häufig auch nachteilig auf Beruf und gesundheitliche Risiken aus. 3. Sie leiden überdurchschnittlich häufig unter ständigen seelischen und gesundheitlichen Beschwerden. 4. Vor allem bei Scheidungsvätern, die keinen Kontakt zu den Kindern haben, bestehen häufig noch heftige Emotionen gegenüber der Expartnerin. Quelle: Amendt, 2006: Scheidungsväter: Wie Männer die Trennung von ihren Kindern erleben. New York: Campus

Gesundheitliche Situation der Väter II 1. Getrennt lebende Väter geben einen schlechteren Gesundheitszustand an als Väter, die ihre Kinder sehen. 2. Getrennt lebende Väter weisen einen ungesünderen Lebensstil auf (Rauchen, Alkohol, Bewegung & Ernährung). 3. Bei getrennt lebenden Vätern wirken sich soziale Deprivation (geringe Bildung, berufliche Stellung & Einkommen) stärker negativ auf die Gesundheit aus. 4. Trennung der Väter von den Kindern sollte als ernstzunehmende Krisensituation erkannt werden, die i. d. R. mit negativen Auswirkungen auf allen Seiten verbunden ist. Quelle: Grill et al., 2001: Separation from children as a specific risk factor to fathers health and lifestyles. IJPH (46): 273-278

Welche Wünsche an KiTas bestehen bei Alleinerziehenden mehr als bei Zweielternfamilien (Gosch, 2013) 4 3 Mittelwert (0-4) 3,4 3,3 3 2,6 2,5 2 2,2 2,10 2 2 1,7 1 0 flexible Öffnungszeiten allg. Gesprächsbedarf finanz. Hilfen Beratung Einflussnahme Ausfüllen von Anträgen Mütter Väter Befragung von 49 Erzieherinnen

Für welche Wünsche sind Angebote im Regelangebot der KiTas vorhanden (Gosch, 2013) % Erziehungsberatung 78,3 Informat. zur kindl. Entwicklung 77,1 flexible Öffnungszeiten finanz. Hilfen Beratung indiv. Probleme Beratung Einflussnahme 50 46,5 44,4 38,6 0 20 40 60 80 100 Befragung von 49 Erzieherinnen

Take-Home-Message 1) Alleinerziehend ist ein Risiko für Einkommen und Gesundheit für ALLE Betroffenen 2) Der erhöhte Bedarf an KiTas wird von den pädagogischen Fachkräften bereits wahrgenommen 3) Traumatische Trennungserfahrungen werden immer noch unterschätzt 4) Alleinerziehend wird noch zu wenig als gleichwertige und -berechtigte Lebensform anerkannt

Literatur Amendt, G. (2006). Scheidungsväter: Wie Männer die Trennung von ihren Kindern erleben. New York: Campus. Gosch, A. (2013). Studie zur Einschätzung von Unterstützungsbedarfen Alleinerziehender an KiTas und Angebote der Einrichtungen. Unveröffentl. Manuskript, Hochschule München. Grill, E., Weitkunat, R. & Crispin, A. (2001). Separation from children as a specific risk factor to fathers health and lifestyles. Sozial und Präventivmedizin, 46: 273-278. Lampert, T., Hagen, C. & Heizmann, B. (2010). Gesundheitliche Ungleichheit bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Beiträge zur Gesundheitsberichterstattung. Berlin: Robert Koch-Institut (www.rki.de, letzter Abruf: 6.7.2013) Robert Koch-Institut (2008). Lebensphasenspezifische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Ergebnisse des Nationalen Kinder- und Jugendgesundheits-Surveys KiGGS). Beiträge zur Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Berlin: RKI (www.rki.de, letzter Abruf: 6.7.2013) Robert Koch Institut / Statistisches Bundesamt (2003). Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Heft 14: Gesundheit alleinerziehender Mütter und Väter. Berlin: RKI. (www.rki.de). Wernberger, A. & Dill, H. (2010). Qualitative Studie: Einelternfamilien im Landkreis Rosenheim. Institut für Praxisforschung und -beratung. [www.ppi.de, letzter Zugriff: 4.7.2013]

Lebenssituation von und Belastungsfaktoren für Alleinerziehende Belastungen/Beunruhigungen Unsicherheit wie eigene Zukunft weitergeht alleinerziehende Mütter verheiratete Mütter 48,8 % 26,4 % finanzielle Probleme 47,7 % 18,7 % Erziehung und Ausbildung der Kinder 34,5 % 27,1 % zu viele Aufgaben in der Familie 23,8 % 13,0 % Anforderungen nicht mehr gewachsen sein 22,7 % 11,4 % nicht genug Erfolg 20,3 % 7,5 % fehlende Harmonie in der Familie 17,9 % 4,1 % Probleme mit der Wohnsituation 16,6 % 6,2 % Gefühl, überflüssig zu sein 15,5 % 8,9 % Robert Koch-Institut (2003)