Interview zur Bilanz der Kampagne zum Wechsel des Stromanbieters mit Susanne Herrmann, Koordinatorin / Pressestelle vzbv Welche Botschaft hat die Kampagne? Wie ist sie beim Verbraucher angekommen? Wir haben eine klare und kurze Botschaft: Wechseln ist einfach und ohne Probleme möglich. Diese Botschaft ist auch beim Verbraucher angekommen. Wir hatten eine riesige Resonanz auf die Stromkampagne sehr viele Verbraucher haben unsere Informationsmaterialien und Beratungsangebote zum Thema genutzt. Unser Ziel von einer Million Haushalte, die ihren Stromanbieter oder -tarif wechseln, haben wir nach der neuesten Hochrechnung des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft erreicht: Demnach haben sich 2007 insgesamt zwei Millionen Kunden einen neuen Anbieter oder Tarif gesucht. Was waren die größten Barrieren der Verbraucher beim Wechsel? Es gibt natürlich ein paar Angstschwellen : Ältere Verbraucher befürchten, dass der Strom ausfällt, wenn der Wechsel nicht korrekt abläuft. Hier konnten die Verbraucherzentralen schnell beruhigen, denn im Fall der Fälle springt immer der alte Grundversorger ein das ist gesetzlich so geregelt. Oder es gibt es die Befürchtung, die man auch aus der Telekommunikationsbranche kennt, dass der Wechsel nicht reibungslos verläuft: Man zahlt, aber es wird kein Strom geliefert. Auch hier kann die Verbraucherzentrale vermitteln. Am besten ist es aber, wenn man sich schon vor dem Wechsel beraten lässt, damit gar nicht erst Ärgernisse durch Vorauskasse oder andere Vorleistungen der Verbraucher entstehen. 1
Anfang August 2007 startete die Kampagne. Wann haben Sie denn mit der Planung der Kampagne begonnen? Die ersten Planungen gab es im Frühjahr 2007, denn das Thema brodelte schon länger und so eine Kampagne muss langfristig vorbereitet werden. Zunächst mussten wir klären: Was ist überhaupt unsere Zielsetzung, welche Zielgruppen möchten wir ansprechen und welche Mittel Werbemittel, PR-Mittel möchten wir einsetzen? Die konkrete Planung setzte im Sommer ein. Die Zielgruppe ist breit gefasst: Wir wollen die Masse der Verbraucher erreichen jeder Haushalt, der Strom verbraucht, gehört automatisch zum Publikum unserer Kampagne. Dabei haben wir darauf geachtet, dass Jüngere zum Beispiel über das Internet erreicht werden und dass Menschen, die keinen Internetzugang haben, die Materialien in Form von Faltblättern und Infozetteln bekommen können und bei den Verbraucherzentralen eine Anlaufstelle haben. Welche Ziele haben Sie damals festgelegt? Wir hatten mehrere Ziele. Wir wollten einmal deutlich machen: Der Wechsel ist einfach und ohne Probleme möglich. Gleichzeitig sollte klar werden: Der Stromanbieterwechsel ist nur der erste Schritt, der zweite Schritt ist Strom zu sparen also zum Beispiel auf Stand-by verzichten und Energiesparlampen nutzen. Das heißt, wir wollten den Stromanbieterwechsel verknüpfen mit der Aufforderung, Energie und Strom zu sparen. Die Kampagne ist ein Projekt der Verbraucherzentralen und der Mitgliedsverbände des Verbraucherzentrale Bundesverbandes. Wie haben Sie die Koordinierungsarbeit bewältigt? Der Verbraucherzentrale Bundesverband als Dachverband musste sich zunächst mit den Verbraucherzentralen und seinen Mitgliedern abstimmen, wie die verschiedenen Schritte der Kampagne ablaufen sollen. Es wurden Meinungen und Vorschläge eingeholt, danach haben wir einen zentralen Workshop im Juni 2007 zu diesen Fragen veranstaltet. Dabei haben wir Absprachen getroffen, welche lokalen Aktionen die Verbraucherzentralen durchführen können zum Beispiel Pressekonferenzen oder Aktionsstände. Der Abstimmungsprozess war von vorneherein breit angelegt und wurde nach dem Workshop über weitere Kommunikationswege fortgeführt per Telefon, E-Mails und über unser Intranet. 2
Bei diesem ersten Workshop sind die Eckpfeiler der Kampagne gesetzt worden. Was genau haben sie abgestimmt und welche Unterstützung hat der Bundesverband angeboten? Der erste Workshop sollte vor allem Motive, Slogan und Botschaft festlegen. Mit welchen Motiven möchten wir rausgehen, mit welchen Werbemitteln? Die Materialien wurden vom Dachverband zur Verfügung gestellt. Dazu gehörte auch das Presse-Starterkit, das sind Basis-Informationen für die Pressestellen der Verbraucherzentralen: mit einer Pressemitteilung, einem Interview, Hintergrundinformationen, FAQ für Verbraucher also übliche Fragen inklusive Antworten zum Thema. Diese Basis-Pressematerialien konnten die Pressestellen selbst ergänzen und für Pressemappen und Pressekontakte nutzen. Zum Starterkit gehörten aber auch die Motive, die wir von der Agentur herstellen ließen für den Webauftritt und als DIN A1-Plakate. Wir haben angeboten, dass die Pressestellen Überzieher für Stromkästen mit dem Motiv bestellen konnten. Für lokale Aktionen konnte über den vzbv ein Plakatwagen angemietet werden. Von den Pressestellen aus lief die Koordination zu den einzelnen Beratungsstellen. Wer welche Aktion durchführte, war den Verbraucherzentralen freigestellt. Hatte sich eine Verbraucherzentrale oder eine einzelne Beratungsstelle für eine Aktion entschieden, lief der Kontakt auch über die vzbv-pressestelle, um Plakatwagen oder Materialien zu bestellen. Damit haben wir ein kleines Netzwerk aufgebaut. Was leistet die externe Werbeagentur bei so einer Kampagne? Zum einen kann die vzbv-pressestelle personell nicht alles übernehmen. Außerdem haben wir uns bewusst für eine Werbeagentur entschieden, weil wir jemanden brauchten, der unsere Botschaft in einen griffigen Slogan umsetzt und ein entsprechendes Motiv entwickelt und layoutet. Wir haben im Rahmen der Kampagne mehrere Slogans und Bild-Motive entwickeln lassen. Das Hauptmotiv hat den Slogan Ist Ihr Stromanbieter auch zu gierig?. Es zeigt eine plastische Steckdose mit Raffzähnen, die das Maul aufreißt und die Zunge herausstreckt. Dieses gierige Motiv, die Steckdose als dein Feind, symbolisiert den Stromanbieter. Zwei weitere Motive Ärgern Sie Ihren Stromanbieter. Verzichten Sie auf Standby und Stromfresser hassen Energiesparlampen behandeln den Aspekt des Stromsparens. Diese drei Motive haben wir als Großplakate produzieren lassen und in den Hauptstädten der 16 Bundesländer präsentiert. Das waren über 500 Plakate. 3
Wir haben dann in einer zweiten Aktion im Dezember 2007 zwei weitere Motive produzieren lassen. Eines mit dem Slogan Verlassen Sie Ihren Stromanbieter mit einer weinenden Steckdose vor einer Herzchen-Tapete als Hintergrund. Dieses Motiv haben wir auch als Großplakat umsetzen lassen, allerdings nicht in den Hauptstädten; wir haben das Motiv gezielt in Städten eingesetzt, wo uns Ankündigungen für Strompreiserhöhungen bekannt waren. Das zweite Motiv vom Dezember 2007 zeigt unser Steckdosenmonster im Dunkeln mit glühenden Augen und hat den Slogan Angst vor der nächsten Stromrechnung?. Beide Motive haben Aufkleber, die auf die Strompreiserhöhungen hinwiesen. Wir haben das Motiv der Steckdose auch für andere Medien genutzt, unter anderem für einen Aufkleber, mit dem man zeigen kann: Ich habe schon gewechselt! Das Motiv wurde außerdem für Edgar-Postkarten verwendet das sind Postkarten, die man kostenlos mitnehmen kann, meist liegen sie in der Gastronomie aus. Mit diesem Medium wollten wir eine jüngere Zielgruppe ansprechen, die seltener mit den Verbraucherzentralen in Kontakt kommt. Diese Postkarten waren sehr erfolgreich. Was gab es noch für Instrumente bei dieser Kampagne? Zum Hintergrundmaterial gehört auch ein Strompreischeck für die 100 größten Städte in Deutschland. Das ist eine riesige Tabelle, die den Grundversorgungstarif im Vergleich zu den zwei günstigsten Angeboten und einem Ökostromanbot für die 100 Städte listet. Diesen Vergleich gibt es jeweils für die typischen Stromverbrauchsmengen eines Singles, eines Zwei-Personen-Haushaltes und eines Vier-Personen-Haushaltes. Wir haben diese Daten für die erste Pressekonferenz im August 2007 selbst ermittelt auf Basis der Datenbank von Verivox, einem Online-Stromrechner. Das war eine sehr umfangreiche Arbeit, weil es zunächst nur die Idee gab, diese Daten zu ermitteln und es musste dann ein Raster für die Umsetzung entwickelt werden: Nach welchen Kriterien sollen die Daten gelistet werden? Denn wir wollten nicht einfach nur wiedergeben, was jeder selbst bei Verivox oder anderen Stromrechnern im Internet sofort hätte nachsehen können. Zu den Kriterien gehörte zum Beispiel die Voraussetzung, dass keine Vorauskasse verlangt wurde. Die BILD-Zeitung hat große Teile dieser Tabelle übernommen, so dass wir mit diesem großen Publikumsmedium einen guten Aufschlag machen konnten. Für die zweite große Pressekonferenz im Dezember 2007 haben wir diese Tabelle von Verivox anfertigen lassen allerdings nach unseren Vorgaben und Kriterien. 4
Außerdem hatten wir unser Faltblatt in einer ersten Auflage von rund 360.000 Stück und eine zweite Auflage von rund 150.000 Exemplaren. Ein wichtiger Baustein der Kampagne war die Website, eine Unterseite von www.verbraucherzentrale.de. Darauf haben alle Verbraucherzentralen von ihren eigenen Homepages verlinkt. Auf dieser Website bekommt man alle wichtigen Informationen zum Wechsel des Stromanbieters: Aktuelle Tipps und News, Wie wechsle ich? die wichtigsten Fragen und Antworten und jede Menge Hintergrundinfos. Man kann alle Publikationen, die wir in Papierform haben, wie die Plakate, das Faltblatt und die Extra-Seiten unserer Verbandszeitschrift vpk, herunterladen. Die Kampagne läuft jetzt seit einem halben Jahr wie soll es weitergehen? Die Kampagne geht nahtlos in den Schwerpunkt Strom/Energie sparen & Klimaschutz zum Weltverbrauchertag am 15. März 2008 über. Dazu werden wir die Motive der Kampagne zum Wechsel des Stromanbieters mit der Steckdose fortentwickeln und stärker auf den Stromspar-Effekt ausrichten. Die Energieberatung war immer Bestandteil der Kampagne und jetzt ist dieser Aspekt in den Mittelpunkt gerückt, denn der Wechsel des Stromanbieters ist nur der erste Schritt durch Strom sparen können Verbraucher sowohl etwas für das Klima tun als auch für den eigenen Geldbeutel. Berlin, 15. Februar 2008 Das Interview führte die Online-Redakteurin des vzbv, Vikki Schaefer, mit der Koordinatorin der Kampagne, Susanne Herrmann, Pressestelle Verbraucherzentrale Bundesverband 5