Warum die Leber manchmal Kopfschmerzen bereitet



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Transkript:

Warum die Leber manchmal Kopfschmerzen bereitet Sometimes a liver can cause you headaches Niklas F. Müller 1, Ulrich M. Lauer 1, Marius Horger 2, Nisar P. Malek 1, Christoph P. Berg 1 1 Medizinische Klinik, Universitätsklinikum Tübingen 2 Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Universitätsklinikum Tübingen Fall 4/2014 20.6.2014 Gastroenterologie Seite 1 von 38

Einleitung > Kopfschmerzen gehören zu den am häufigsten beklagten Symptomen > Häufige Ursachen sind: Spannungskopfschmerz, Migräne, Cluster-Kopfschmerz Begleitsymptomatik im Rahmen diverser Infektionserkrankungen wie zum Beispiel bakterielle oder virale Atemwegsinfektionen Weitere Ursachen: Meningitis, Enzephalitis, Blutungen, Arteriitis temporalis u.v.m. > Nachfolgend berichten wir über einen 41-jährigen Patienten, der seit 3 Wochen über neu aufgetretene Cephalgien zunehmender Intensität, Schweißausbrüche und Polydipsie klagte. Seite 2 von 38

Kasuistik Aktuelle Anamnese > Übernahme des Patienten aus einem auswärtigen Krankenhaus an die Medizinische Universitätsklinik, dort wurde er am Vortag aufgenommen > 3 Wochen zuvor 1-2x/Woche heftige (Stärke 4/10), stechende Kopfschmerzen frontotemporal links, die bisher noch nie in dieser Art erlebt wurden > Seit 7 Tagen vermehrte, weiterhin stechende Kopfschmerzen links frontotemporal, besonders bei Lagewechsel (Stärke 7/10) > Begleitend starke Schweißausbrüche mit häufigem T-Shirt-Wechsel > Polydypsie (Trinkmenge von bis zu 5 Litern/Tag) > Ausgeprägter Herpes labialis und Candidose der Mundhöhle > Fieber bis 38,6 C seit 3 Tagen > Symptome wie Husten, Auswurf, Dysurie, Bauch- oder Gelenkschmerzen wurden verneint. Seite 3 von 38

Kasuistik Vorgeschichte > Morphin-Abusus im Rahmen eines Burn-Out-Syndroms vor 4 Jahren > Nur orale Tabletteneinnahme, kein i.v.-abusus > Nikotinabusus (15 Packyears) > Unterkieferabszess links vor einem Jahr > Abszessspaltung sowie antibiotische Therapie Seite 4 von 38

Kasuistik Körperlicher Untersuchungsbefund > RR 134/79 mmhg, HF 80/min, SpO 2 98% bei Raumluft, Temperatur: 38,6 C > Stark geschwächter Allgemeinzustand, adipöser Ernährungszustand 109 kg,184 cm (BMI 32 kg/m²) > Kopf/Hals: Ausgeprägter Herpes labialis, weiße Beläge in der Mundhöhle, Schleimhäute feucht, rosig, keine zervikale Lymphadenopathie > Lunge/Thorax: Vesikuläres Atemgeräusch seitengleich, keine Rasselgeräusche, sonorer Klopfschall seitengleich > Herz/Kreislauf: Herztöne rein, rhythmisch, keine Herzgeräusche, Pulse seitengleich tastbar > Abdomen: weich, diskreter Druckschmerz epigastrisch und rechter Oberbauch, kein Klopfschmerz über den Nierenlagern, Darmgeräusche lebhaft über allen 4 Quadranten > Orientierende neurologische Untersuchung: wach, orientiert, kein Meningismus, keine fokalen neurologischen Defizite Seite 5 von 38

Kasuistik Diagnostik auswärts Laboruntersuchungen Parameter Wert Referenzbereich Parameter Wert Referenzbereich Leukozyten [1/µl] 14.000 4000-9500 C-reaktives Protein (CRP) [mg/dl] 3,81 < 0,5 Hämoglobin [g/dl] 13,8 12,0-16,0 Mittleres korpuskuläres Hämoglobin (MCH) [pg] Mittleres korpuskuläres Volumen (MCV)[fl] 30 27-34 89 80-93 Thrombozyten [Tausd/µl] 131 150-450 Glutamat-Oxalacetat- Transaminase (GOT) [U/l] Glutamat-Pyruvat-Transaminase (GPT) [U/l] Gamma-Glutamyl-Transferase (GGT) [U/l] Alkalische Phsophatase (AP) [U/l] 109 < 35 14 < 34 195 < 40 209 35-105 International Normalized Ration (INR) 1,1 < 1,2 Bilirubin gesamt [mg/dl] 1,8 < 1,1 Partielle Thrombin-Zeit (PTT) [sec.] 27,6 < 40 Bilirubin direkt [mg/dl] 1,1 < 0,3 Kreatinin [mg/dl] 1,6 0,6-1,1 Lipase [U/l] 43 < 60 Natrium [mmol/l] 134 136-148 Laktatdehydrogenase (LDH) [U/l] 716 < 250 Kalium [mmol/l] 4,0 3,5-4,8 > Ihre Interpretation? Seite 6 von 38

Kasuistik Diagnostik auswärts Laboruntersuchungen Parameter Wert Referenzbereich Parameter Wert Referenzbereich Leukozyten [1/µl] 14.000 4000-9500 C-reaktives Protein (CRP) [mg/dl] 3,81 < 0,5 Hämoglobin [g/dl] 13,8 12,0-16,0 Mittleres korpuskuläres Hämoglobin (MCH) [pg] Mittleres korpuskuläres Volumen (MCV)[fl] 30 27-34 89 80-93 Thrombozyten [Tausd/µl] 131 150-450 Glutamat-Oxalacetat- Transaminase (GOT) [U/l] Glutamat-Pyruvat-Transaminase (GPT) [U/l] Gamma-Glutamyl-Transferase (GGT) [U/l] Alkalische Phsophatase (AP) [U/l] 109 < 35 14 < 34 195 < 40 209 35-105 International Normalized Ration (INR) 1,1 < 1,2 Bilirubin gesamt [mg/dl] 1,8 < 1,1 Partielle Thrombin-Zeit (PTT) [sec.] 27,6 < 40 Bilirubin direkt [mg/dl] 1,1 < 0,3 Kreatinin [mg/dl] 1,6 0,6-1,1 Lipase [U/l] 43 < 60 Natrium [mmol/l] 134 136-148 Laktatdehydrogenase (LDH) [U/l] 716 < 250 Kalium [mmol/l] 4,0 3,5-4,8 > Infektkonstellation > LDH-Erhöhung als Zeichen einer Zelldestruktion > Dezent erhöhte Leberparameter: > De-Ritis Quotient >1 Seite 7 von 38

Kasuistik Diagnostik auswärts Infektfokussuche > Sonographie Abdomen (nur schriftlich vorliegend) > Leber: Steatosis hepatis > Keine freie Flüssigkeit im Abdomen > Keine Pleuraergüsse > Nieren: nicht gestaut > Blutkultur > Bei Verlegung nach einem Tag, noch kein Wachstum im weiteren Verlauf kein Ergebnis vorliegend > Röntgen-Thorax > Keine Infiltrate Seite 8 von 38

Kasuistik Diagnostik intern Laboruntersuchungen > Laborchemische Untersuchung am Aufnahmetag Parameter Wert Referenzbereich Parameter Wert Referenzbereich Leukozyten [1/µl] 32000 4000-9500 Natrium [mmol/l] 135 136-148 Hämoglobin [g/dl] 13,2 12,0-16,0 Kalium [mmol/l] 4,3 3,5-4,8 MCH [pg] 30,3 27-34 CRP [mg/dl] 20,82 < 0,5 MCV [fl] 89,3 80-93 GOT [U/l] 80 < 35 Thrombozyten [Tausd/µl] 101 150-450 GPT [U/l] 97 < 34 INR 1,2 < 1,2 GGT [U/l] 173 < 40 PTT [sec.] 24 < 40 AP [U/l] 114 35-105 Kreatinin [mg/dl] 1,1 0,6-1,1 LDH [U/l] 431 < 250 > Ihre Interpretation? Seite 9 von 38

Kasuistik Diagnostik intern Laboruntersuchungen Parameter Wert Referenzbereich Parameter Wert Referenzbereich Leukozyten [1/µl] 32000 4000-9500 Natrium [mmol/l] 135 136-148 Hämoglobin [g/dl] 13,2 12,0-16,0 Kalium [mmol/l] 4,3 3,5-4,8 MCH [pg] 30,3 27-34 CRP [mg/dl] 20,82 < 0,5 MCV [fl] 89,3 80-93 GOT [U/l] 80 < 35 Thrombozyten [Tausd/µl] 101 150-450 GPT [U/l] 97 < 34 INR 1,2 < 1,2 GGT [U/l] 173 < 40 PTT [sec.] 24 < 40 AP [U/l] 114 35-105 Kreatinin [mg/dl] 1,1 0,6-1,1 LDH [U/l] 431 < 250 > Zunehmende Infektkonstellation > Neu aufgetretene Thrombozytopenie > LDH-Erhöhung rückläufig > Dezent erhöhte Leberparameter: > De-Riitis Quotient >1 Seite 10 von 38

Kasuistik Diagnostik intern Liquor und Virusserologie Parameter Wert Referenzbereich Parameter Wert Aussehen Klar Klar HSV-1/2 IgG Positiv Erythrozyten [/µl] 2 0-1 HSV-1/2 IgM Negativ Leukozyten [/µl] 7 0-5 CMV-IgG Negativ Laktat [mmol/l] 3,0 0-2,2 CMV-IgM Negativ Glukose Liquor/Serum Quotient 0,7 > 0,5 EBNA-IgG Positiv Protein im Liqour [mg/dl] 35 0-45 HIV Ag/Ak Negativ Albumin Liquor/Serum Quotient 8,2 > 6,67 HAV IgG Negativ IgG Liquor/Serum Quotient 3,1 HBs-Ag Negativ IgG Index 0,38 0,38-0,7 Anti-HBs Negativ Anti-HBc Negativ Anti-HCV Negativ > Ihre Interpretation? Seite 11 von 38

Kasuistik Diagnostik intern Liquor und Virusserologie Parameter Wert Referenzbereich Parameter Wert Aussehen Klar Klar HSV-1/2 IgG Positiv Erythrozyten [/µl] 2 0-1 HSV-1/2 IgM Negativ Leukozyten [/µl] 7 0-5 CMV-IgG Negativ Laktat [mmol/l] 3,0 0-2,2 CMV-IgM Negativ Glukose Liquor/Serum Quotient 0,7 > 0,5 EBNA-IgG Positiv Protein im Liqour [mg/dl] 35 0-45 HIV Ag/Ak Negativ Albumin Liquor/Serum Quotient 8,2 > 6,67 HAV IgG Negativ IgG Liquor/Serum Quotient 3,1 HBs-Ag Negativ IgG Index 0,38 0,38-0,7 Anti-HBs Negativ Anti-HBc Negativ Anti-HCV Negativ > Kein pathologischer Liquorbefund > Unauffällige Serologie Seite 12 von 38

Kasuistik Diagnostik Röntgen-Thorax > Ihr Befund? Seite 13 von 38

Kasuistik Diagnostik Röntgen-Thorax > Kein pathologischer Befund im Röntgen-Thorax Seite 14 von 38

Kasuistik Diagnostik EKG > Ihr Befund? Seite 15 von 38

Kasuistik Diagnostik EKG > Sinusrhythmus, Herzfrequenz 91/min, Steiltyp, regelrechte Leitungszeiten, regelrechte R-Progredienz, keine Erregungsrückbildungsstörungen Seite 16 von 38

Kasuistik Diagnostik Kraniale CT (CCT) > Ihr Befund? Seite 17 von 38

Kasuistik Diagnostik CCT > Altersentsprechendes natives CCT. Kein Hinweis auf Hirndruck. Kein Nachweis von größeren raumfordernden Prozessen. Seite 18 von 38

Kasuistik Diagnostik intern Infektfokussuche > Transösophageale Echokardiographie > Blutkultur > Keine Klappenvegetationen > Nachweis von Klebsiella pneumoniae > Gute Pumpfunktion Antibiogramm > Keine Wandbewegungsstörungen Gentamicin S Tobramycin S > Keine Klappenvitien Ampicillin/Sulbactam S > Persistierendes Foramen Ovale Piperacillin S Piperacillin/Tazobactam S Cefuroxim S Cefpodoxim S Cefotaxim S Cotrimoxazol S Levofloxacin S Ciprofloxacin S Meropenem S Bei weiterhin unklarem Infektfokus: Durchführung eines Ganzkörper-CT Seite 19 von 38

Kasuistik Diagnostik CT Abdomen > Ihr Befund? Seite 20 von 38

Kasuistik Diagnostik CT Abdomen > Leberabszess in den Segmenten VI / VII, multipel septiert, Ausdehnung 7,6 x 7,2 x 9,9 cm Seite 21 von 38

Kasuistik Diagnose > Kryptogener Leberabszess durch K. pneumoniae > Kultur aus der Drainageflüssigkeit: Nachweis von K. pneumoniae > Antibiogramm: Gentamicin Tobramycin Ampicillin/Sulbactam Piperacillin Piperacillin/Tazobactam Cefuroxim Cefpodoxim Cefotaxim Cotrimoxazol Levofloxacin Ciprofloxacin Meropenem S S S I S S S S S S S S S = Sensibel I = Intermediär Seite 22 von 38

Kasuistik Therapie > Initiale empirische Therapie > Meropenem (Gram negative Erreger) 1 g 1x/d i.v. > Linezolid (Gram positive Erreger) 600 mg 2x/d i.v. > Aciclovir (bei ausgeprägtem Herpes labialis) 500 mg 3x/d i.v. > Fluconazol (Mundsoor) 200 mg 1x/d p.o. > Anpassung der Therapie nach Erhalt des Antibiogramms > Ciprofloxacin 400 mg 2x/d i.v. Seite 23 von 38

Kasuistik Therapie > CT-gesteuerte Abszess-Drainage Seite 24 von 38

Kasuistik Verlauf > Nach antibiotischer Therapie und Abszessdrainage rascher Abfall der Entzündungsparameter und Normalisierung der Körpertemperatur sowie Abklingen der Kopfschmerzen > In der sonographischen Kontrolle Abszessgröße rückläufig > nach 7 Tagen Größe nur noch 6 x 5 cm > Der Patient konnte nach weiteren 18 Tagen entlassen werden. > Die antibiotische Therapie wurde für insgesamt 4 Wochen gegeben. > Zur Verlaufskontrolle erfolgte eine ambulante Wiedervorstellung nach 4 Wochen: > Entzündungsparameter und Transaminasen wieder normwertig > sonographisch ehemaliges Abszessareal lediglich noch als inhomogenes Parenchym abzugrenzen Seite 25 von 38

Kasuistik Verlaufssonographie 3 Tage nach Drainage 4 Wochen nach Entlassung Seite 26 von 38

Diskussion Ätiologie eines Leberabszesses > Biliäre Genese (52%) > Infektionen der Gallenwege (z.b. Cholangitis, Cholezystitis) > Gallengangsstenosen (maligne Genese, Choledocholithiasis) > Hämatogen (z.b. Divertikulitis, Appendizitis) (16%) > Iatrogen (7%) > z.b. nach Endoskopischer retrograder Cholangiopankreatikographie (ERCP), Papillotomie, transarterielle Chemoembolisation (TACE) > Trauma (5%) > Kryptogen (40%) > Eine genaue Kausalität kann nicht bestimmt werden. PubMed Gundling et al. Dtsch Med Wochenschr 2004;129:1685-1688 Seite 27 von 38

Diskussion Klinische Symptomatik > Fieber 94% > Oberbauchschmerzen 70% > Gewichtsverlust 38% > Pleuraergüsse 33% > Übelkeit/Erbrechen 28% > Hepatomegalie 22% > Ikterus 20% PubMed Gundling et al. Dtsch Med Wochenschr 2004;129:1685-1688 Seite 28 von 38

Diskussion Erregerspektrum I > Pyogene Leberabszesse (80%) > Inzidenz: 0,008-0,022% aller hospitalisierten Patienten > Letalität: 8-31% > Amöbenabszesse (10%) > Pilze und sonstige Parasiten (10%) PubMed Gundling et al. Dtsch Med Wochenschr 2004;129:1685-1688 Seite 29 von 38

Diskussion Erregerspektrum II > Aerobier Gram negativ > Escherichia coli (> 10%) > Klebsiella pneumoniae (> 10%) > Enterobactericeae spp. > Aerobier Gram positiv > Enterococcus spp. (> 10%) > Streptococcus viridans (> 10%) Inkl. Subspezies > Staphylococcus aureus (> 10%) > Streptococcus pyogenes > Listeria monozytogenes > Anaerobier > Bacteroides spp. (> 10%) Fussobacterium spp. > Clostridium spp. > Peptostreptococcus > Andere > Candida albicans > Echinococcus spp. > Entamoeba histolytica PubMed PubMed PubMed 1 Gundling et al. Dtsch Med Wochenschr 2004;129:1685-1688 2 Huang et al. Ann Surg 1996;223:600-607; discussion 607-609 3 Johannsen et al. Infect Dis Clin North Am 2000;14:547-563 Seite 30 von 38

Diskussion Fokussuche > Der Nachweis bestimmter Erreger erlaubt eine spezifische Suche nach dem initialen Infektionsfokus. > Streptococcus viridans Odontogener Fokus [1] > Streptococcus bovis Pathologischer Kolonbefund [2] > Staphylococcus spp. Interventionsassoziiert (z.b. TACE) [3] PubMed PubMed PubMed 1 Patterson. Medical Microbiology. 4th edition. Galveston (TX): University of Texas Medical Branch at Galveston; 1996. Chapter 13. 2 Lezarovitch et al. Infection 2013;41:329-337 3 Chen et al. Am J Gastroenterol 1997;92:2257-2259 Seite 31 von 38

Diskussion Therapie: Drainage vs. OP-Indikation I > Die Therapie eines intrahepatischen Abszesses kann interventionell oder operativ durchgeführt werden > durch Punktion mit oder ohne einliegende Drainage > durch Leberresektionsverfahren > durch endoskopische retrograde Cholangiopankreatikographie > Die perkutane Punktion mit oder ohne Drainage ist die Methode der Wahl für Abszesse 5 cm [1-4]. PubMed PubMed PubMed PubMed 1 Rajak et al. Am J Roentgenol 1998;170:1035 2 Ch Yu et al. Clin Radiol 1997;52:912 3 Yu et al. Hepatology 2004;39:932-938 4 Zerem et al. Am J Roentgenol 2007;189:W138 Seite 32 von 38

Diskussion Therapie: Drainage vs. OP-Indikation II > Als relative OP-Indikationen [1] gelten: > ERCP > Abszessgröße > 5 cm Weniger Therapieversagen gegenüber perkutaner Drainage bei gleicher Morbidität, Mortalität und Therapiedauer [2] > Multiple Abszesse > Gekammerte Abszesse > Operation zur Behandlung der Grunderkrankung notwendig > Fehlfunktion der Perkutanen Drainage > Vormalige biliäre Intervention > Abszess kommuniziert mit Gallengängen PubMed PubMed 1 Liu et al. J Vasc Interv Radiol 2009;20:1059-1065 2 Tan et al. Ann Surg 2005;241:485-490 Seite 33 von 38

Fazit > Ein pyogener Leberabszess ist eine seltene aber schwerwiegende entzündliche Erkrankung. > Die Genese des Abszesses lässt sich häufig nicht genau eruieren. Je nach Befallsmuster ist eine konservative, eine operative oder eine Therapie durch gezielte Drainage notwendig. > In jedem Fall sollte durch Isolierung des Erregers eine angepasste antibiotische Therapie über einen längeren Zeitraum gegeben werden. > Mögliche Komplikationen: > Sepsis: Mögliche Begleitsymptome: Kopfschmerz, Schweißausbrüche, Schüttelfrost etc. > Perforation > Fistelungen (Entamoeba histolytica) [1] > Septische Embolien (Klebsiella pneumoniae bis zu 28% der Fälle) [2] PubMed PubMed 1 Kaur et al. Trop Doct 2014;44:110-111 2 Fang et al. Clin Infect Dis 2007;45:284-293 Seite 34 von 38

Zusammenfassung Abstract Anamnese und klinischer Befund: Wir berichten über einen 41-jährigen Patienten mit Kopfschmerzen, Fieber, zunehmenden Schweißausbrüchen und Polydipsie unklarer Genese, der aus einem auswärtigem Krankenhaus zur weiteren Abklärung übernommen wurde. Untersuchungen: In der Blutkultur konnte Klebsiella pneumoniae isoliert werden. Im CT zeigte sich ein 7,6 x 7,2 x 9,9 cm großer Leberabszess in den Segmenten VI und VII. Diagnose, Therapie und Verlauf: Zunächst erfolgte eine empirische antibiotische Therapie mit Meropenem, Linezolid und Fluconazol. Nach Erhalt des Antibiogramms wurde resistenzgerecht auf Ciprofloxacin umgestellt. Diese Therapie wurde für 4 Wochen durchgeführt. Ebenso wurde CT-gesteuert die Abszesshöhle drainiert und gespült. Im weiteren Verlauf normalisierten sich die Entzündungsparameter. Sonographisch war die Abszessgröße im Verlauf regredient. Folgerung: Ein pyogener Leberabszess ist eine seltene aber schwerwiegende entzündliche Erkrankung. Die Genese des Abszesses lässt sich häufig nicht genau eruieren. Je nach Befallsmuster ist eine konservative, eine operative oder eine Therapie durch gezielte Drainage notwendig. In jedem Fall sollte durch Isolierung des Erregers eine angepasste antibiotische Therapie über einen längeren Zeitraum gegeben werden. Schlüsselwörter: pyogener Leberabszess, Klebsiella pneumoniae Seite 35 von 38

Zusammenfassung Abstract History and admission findings: We report on a 41-year-old patient who was taken over from an outside hospital with headache, fever, polydipsy and profound sweating. Investigations: Blood cultures revealed an infection due to Klebsiella pneumonia. CT exhibited a large liver abscess in segments VI and VII (7.6 x 7.2 x 9.9 cm). Diagnosis, treatment and course: We started an empiric antibiotic treatment with meropenem, linezolid and fluconazole. After susceptibility testing, the antibiotic treatment was adapted to ciprofloxacin and continued for 4 weeks. Furthermore, we placed a CT-guided drainage of the abscess. In follow-up visits, his lab values normalized and the size of the abscess decreased. Conclusions: A pyogenic liver abscess is a rare but severe inflammatory disease. The etiology is often unclear. Depending on localisation a conservative, a surgical or a treatment with a targeted drainage is necessary. However, an isolation of the pathogen for antibiotic testing should be achieved and long-term antibiotic treatment should be performed. Keywords: pyogenic liver abscess Klebsiella pneumoniae Seite 36 von 38

Glossar CRP C-reaktives Protein HSV Herpes-Simplex-Virus GOT Glutamat-Oxalacetat-Transaminase CMV Cytomegalovirus GPT Glutamat-Pyruvat Transaminase EBV Epstein-Barr-Virus AP Alkalische Phosphatase EBNA EBV-spezifisches nukleäres Antigen GGT γ-glutamyl-transferase HIV Human-Immunodeficiency-Virus LDH Laktatdehydrogenase HBs-Ag Hepatitis-B-Surface-Antigen MCH Mittleres korpuskuläres Hämoglobin Anti-HBc Hepatitis-B-Core Antikörper MCV Mittleres korpuskuläres Volumen HCV Hepatitis-C-Virus INR International Normalized Ratio IgG Immunglobulin G PTT Partielle Thrombin-Zeit IgM Immunglobulin M Seite 37 von 38

Diskussion zum Fall > Diskussionsbeitrag erstellen > Diskussion ansehen > Weitere E-Fälle finden Sie unter http://www.thieme.de/dmw/ Autorenerklärung Die Autoren erklären, dass sie keine finanzielle Verbindung mit einer Firma haben, deren Produkt in diesem Beitrag eine Rolle spielt (oder mit einer Firma, die ein Konkurrenzprodukt vertreibt). Korrespondenzadresse PD Dr. Christoph Berg Innere Medizin I Universitätsklinikum Tübingen Otfried-Müller-Str. 10 72076 Tübingen Tel.: 07071/29 82723 Fax: 07071/29 4423 E-Mail: christoph.berg@med.uni-tuebingen.de Bibliografie DOI 10.1055/s-0034-1370149 Georg Thieme Verlag KG Stuttgart New York Impressum Seite 38 von 38