INDIVIDUELLE KONSUMREDUKTION UND KONTROLLIERTES TRINKEN DURCH DRINK-LESS-PROGRAMME



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Transkript:

Betriebliche Sozial- und Suchtberatung (BSSB) der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg und des Studentenwerks Oldenburg BERICHT ZUM WORKSHOP INDIVIDUELLE KONSUMREDUKTION UND KONTROLLIERTES TRINKEN DURCH DRINK-LESS-PROGRAMME Betriebliche Sozial- und Suchtberatung der Carl von Ossietzky Universität und des Studentenwerks Oldenburg Postfach, Ammerländer Heerstr. 114-118, 26111 Oldenburg, Tel. 0441/798-3019 www.admin.uni-oldenburg.de/bssb e-mail: guenter.schumann@uni-oldenburg.de

BSS SSB Workshop Drink-Less-Programme Seite 2 Der Workshop wurde eröffnet mit einer Vorstellungsrunde der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Die Gruppe wurde sodann in zwei Arbeitsgruppen geteilt. Die eine Arbeitsgruppe sollte Pro-Argumente, die andere Arbeitsgruppe Contra-Argumente zu folgender Frage sammeln: Können Drink-Less-Programme eine wertvolle Ergänzung in der betrieblichen Suchtprävention sein? Die Arbeitsgruppen hatten zehn Minuten, um die jeweiligen Argumente mit Stichworten auf Moderationskarten festzuhalten. Anschließend wurden die Argumente von den Arbeitsgruppen vorgestellt und an einer vorbereiteten Moderationswand veröffentlicht (siehe Anlage). Um noch etwas tiefer in die Pro- und Contra-Diskussion einzusteigen, wurde zusätzlich eine Fernsehdiskussion in Szene gesetzt, in der die Arbeitsgruppen nach einem Eingangsstatement ihre Argumente vertreten sollten. Bereits in der Sammlung der Argumente und darüber hinaus in der Fernsehdiskussion machte sich deutlich, dass die Contra-Seite etwas gehemmt war, sich mit voller Energie auf die Contra- Argumente zu stürzen, da die Teilnehmerinnen und Teilnehmer überwiegend dem Drink-Less- Ansatz eher offen bis befürwortend gegenüber standen. Dadurch verlief die Diskussion sehr sachlich und nicht, wie häufig bei diesem Thema, emotional aufgeladen. Der theoretische Hintergrund mit den wichtigsten Begrifflichkeiten zum Ansatz des kontrollierten Trinkens wurde vom Moderator anhand einer Folienpräsentation (siehe beigefügte pdf-datei Datei) erläutert. Kontrovers wurde abschließend die Frage diskutiert, inwieweit diese Programme im betrieblichen Bereich umgesetzt werden können und inwieweit betriebliche Akzeptanz zu erreichen ist, speziell nach betrieblichen Interventionsschritten durch Führungskräfte. Die überwiegende Meinung hierzu war, dass aus Gründen der Wahrung der Anonymität Drinkless-Angebote wohl eher betriebsextern wahrgenommen werden, solange noch keine betrieblichen Auffälligkeiten vorliegen. Betriebsintern könnten eher individuelle Angebote zum Tragen kommen, wobei im Interventionsverfahren der Ansatz nur schwer vermittelbar sein wird.

Können Drinkless-Programme eine wertvolle Ergänzung in der Betrieblichen Suchtprävention sein? PRO trinkende Gesellschaft Abrutschen in die Abhängigkeit verhindern CONTRA Arbeitsleistung gemindert Programm schwer vermittelbar Abstinenz nicht für jeden möglich Möglichkeit den Arbeitsplatz zu erhalten Verharmlosung Streit um Mengen Verunsicherung durch Abstinenzler mangelnde Konsequenz Möglichkeit das soziale Umfeld zu erhalten keine Kontrollmöglichkeit gegen Arbeitsschutz

1

Übersicht 1. Die Adressaten und Zielgruppen der Suchthilfe 2. Riskanter, missbräuchlicher und abhängiger Alkoholkonsum 3. Suchthilfe und Ethik 4. Suchtmittelbezogenes Zielespektrum 5. Vom normalem, sozialem, moderatem und kontrolliertem Trinken 6. Programm zum kontrollierten Trinken 2

Die Adressaten der Suchthilfe "Ziel einer rationalen, am öffentlichen Gemeinwohl orientierten Gesundheits- und Sozialpolitik muss es sein, möglichst viele Menschen mit problematischem (riskantem, missbräuchlichem, abhängigem) Alkoholkonsum 'frühzeitig zu erreichen und qualifiziert dabei zu unterstützen, ihr Trinkverhalten zu ändern'. (G.Wienberg. 2000) Das hat das vorhandene Suchthilfesystem trotz seiner Verdienste bislang nicht erreicht." Joachim Körkel (2001). In: 'Sucht aktuell' 1/2001 Laut Feststellung der British Medical Association (1995) entstehen "... die für das öffentliche Gemeinwohl größten Probleme (Verkehrsunfälle, Gewaltdelikte, Arbeitsausfallzeiten, körperliche Selbstschädigungen usw.) nicht durch die Gruppe der Alkoholabhängigen, sondern durch die große Masse der 'Durchschnittstrinker', deren Alkoholkonsum riskant ist oder bereits schädliche Ausmaße, aber noch nicht das Stadium der schweren körperlichen Abhängigkeit (mit Entzugssymptomatik etc.) erreicht hat." Joachim Körkel (2001). In: 'Sucht aktuell' 1/2001 3

Zielgruppe derzeitiger Suchthilfe Riskanter Konsum = ca. 3,9 Mio. Menschen 100% Vom Alkoholkonsum bis zur Alkoholabhängigkeit der 18-59jährigen Deutschen 3% 6% Abhängiger Konsum = ca.1,5 Mio. Menschen 5% Missbräuchlicher Konsum = ca. 2,4 Mio. Menschen 90% 80% 70% 60% 50% 82% 'Normaler' Konsum Zielgruppe heutiger Suchthilfe 40% 30% 20% 10% 0% 1 4% Abstinenz Quelle: Alkoholkonsum und alkoholbezogene Störungen ind Deutschland Schriftenreihe des BMG, Band 128. Nomos Verlag 2000 4

Riskanter, missbräuchlicher und abhängiger Alkoholkonsum Riskanter Konsum 11 % 3,9 Mio. Menschen Als riskanter, d.h. gesundheitsschädigender, Konsum gilt ein täglicher Konsum von mehr als 20 g reiner Alkohol bei Frauen und mehr als 30 g reiner Alkohol bei Männern Missbräuchlicher Konsum Anteil bei den 18-59jährigen Deutschen nach Jahrbuch 'Sucht 2001' der DHS 5 % 2,4 Mio. Menschen Diagnostische Kriterien lt. DSM-III-R Unangepasstes Konsummuster mit mind. einem Kriterium: Fortgesetzter Gebrauch trotz sozialem, beruflichem, psychischem oder körperlichem Problem durch Alkoholkonsum. Wiederholter Gebrauch in Situationen, in denen der Gebrauch eine körperliche Gefährdung darstellt (z.b. Alkohol am Steuer). Abhängiger Konsum 3 % 1,5 Mio. Menschen Diagnostische Kriterien lt. ICD-10 Drei oder mehr Kriterien: starker Wunsch bzw. Zwang Verminderte Kontrollfähigkeit Körperliches Entzugssyndrom Toleranzentwicklung Vernachlässigung anderer Vergnügen und Interessen anhaltender Konsum trotz schädlicher Folgen u.a. A.Holz/J.Leune (1999). Versorgung Suchtkranker in Deutschland in: Jahrbuch 'Sucht 2000'. Geesthacht: Verlag Neuland. S.139ff 5

Die Erreichbarkeit der Adressaten der Suchthilfe Die vergessene Mehrheit die Erreichungsquote von Menschen mit Alkoholproblemen ist sehr gering nach G.Wienberg werden erreicht: durch Fachberatungsstellen 7 %, Fachkliniken 1,7 %, sozialpsychiatrische Dienste 5,1 %, psychiatrische Krankenhäuser/Abteilungen 3,7 % Allgemeinkrankenhäuser 34,5 % niedergelassene Ärzte 80 %. Das Hilfeangebot 'für Personen im Vorfeld (riskanter Konsum, Missbrauch) oder im Frühstadium einer Abhängigkeit... ist quantitativ und qualitativ unzureichend' (Wienberg). Joachim Körkel (2001). In: 'Sucht aktuell' 1/2001 6

Zielgruppe primär-, sekundär- und tertiärpräventiver Suchthilfe unter gesundheitspolitischen Aspekten Riskanter Konsum = ca. 3,9 Mio. Menschen 100% Vom Alkoholkonsum bis zur Alkoholabhängigkeit der 18-59jährigen Deutschen 3% 6% Abhängiger Konsum = ca.1,5 Mio. Menschen 5% Missbräuchlicher Konsum = ca. 2,4 Mio. Menschen 90% 80% 70% Zielgruppen der 30% Suchthilfe unter 20% gesundheitspolitischen 10% Aspekten 0% 60% 50% 40% 1 4% 82% 'Normaler' Konsum Abstinenz Quelle: Alkoholkonsum und alkoholbezogene Störungen ind Deutschland Schriftenreihe des BMG, Band 128. Nomos Verlag 2000 7

Suchthilfe und Ethik I Die Suchthilfe in der Bundesrepublik ist sehr weitgehend von der Maxime geprägt - und zwar sowohl im professionellen als auch im Selbsthilfe-Bereich - zu wissen, was für die Menschen (Betroffene / Klienten / Patienten / Co-Abhängige) gut ist. Uchtenhagen (1995) hat dieses bezogen auf die therapeutischen Angebote als die "monopolistische Therapiediktatur" bezeichnet. Er erhoffte in diesem Zusammenhang einen Wandel von der Einseitigkeit zu einem pluralistischen System vielfältiger, differenzierter Angebote. Ambros Uchtenhagen (1995). Wertewandel in der Drogentherapie. In: Jürgen Rink (Hrsg.). Zur Wirklichkeit der Abstinenzabhängigkeit. Geesthachst: Neuland Verlag. S.11ff. 8

Suchthilfe und Ethik II C.Kottje-Birnbacher & D.Birnbacher (1999) - Ethik der Psychotherapie basierend auf dem Vier-Prinzipien-Modell der amerikanischen Medizinethiker T.L.Beauchamp & J.F.Childress Prinzip der Nichtschädigung als zentrales Prinzip jeder Ethik Prinzip der Fürsorge im Sinne der Minimierung eingetretener Schäden und der Verbesserung der als negativ bewerteten Situation Prinzip der Gleichheit mit dem Verbot sachfremder Differenzierungen Prinzip der Autonomie mit der Forderung ".. die Wünsche, Ziele und Lebenspläne anderer zu respektieren, und zwar auch und gerade dann, wenn diese dem Akteur wenig nachvollziehbar erscheinen. Dass der Wille anderer... geachtet statt einer Fremdbestimmung unterworfen wird, ist eine Bedingung dafür, dass jeder Herr seines eigenen Lebens bleibt." L.Kottje-Birnbacher & Dieter Birnbacher (1999). Ethik in der Psychotherapie. In: W.Tress/M.Langenbach (Hrsg.). Ethik in der Psychotherapie. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht. S.36ff. 9

Suchthilfe und Ethik III ETHISCHE MAXIMEN UND PRINZIPIEN S U C H T B E R A T U N G BEHANDLUNGSFORMEN Ziele in der BEHANDLUNGSANGEBOTE Verhaltenstherapie ambulant Tiefenpsychologie Substitution stationär Campral Abstinenz Kontrolliertes Trinken usw. usw. BEHANDLUNGSINSTITUTIONEN und IN DER SUCHTHILFE BEHANDLUNGSINHALTE S U C H T T H E R A P I E 10

Ethische Maxime der Suchthilfe I Übergeordnete Maxime:» Die Würde des Menschen ist unantastbar «(Art.1 des Grundgesetzes) bedeutet:» Es soll nicht über einen Menschen verfügt werden «Daraus abgeleitete Maxime: 1.» Jeder Mensch soll ein unverfügbares Lebensrecht besitzen «sprich: das Leben eines Menschen steht nicht zur Disposition, sondern es ist zu sichern und zu erhalten. 2.» Es soll nichts gegen den Willen eines Menschen geschehen «sprich: die Selbstverantwortung und Autonomie des Menschen ist zu achten. Aus Satz 2 wiederum lassen sich als Folgerung ableiten: 2.1.» Es sollen nur Ziele verfolgt werden, die mit dem Klienten explizit vereinbart worden sind. «2.2.» Die durch Sucht und andere Bedingungen eingeschränkte Autonomie soll gefördert werden. «11

Ethische Maxime der Suchthilfe II Ergänzender ethischer Grundsatz:» Von einem Menschen soll nichts gefordert werden, was zu erbringen er im Moment nicht in der Lage ist (>Sollen setzt Können voraus<). «Kruse, Körkel & Schmalz (2000). Alkoholabhängigkeit erkennen und behandeln. 12

Suchtmittelbezogenes Zielespektrum dauerhafte Abstinenz Reduzierung der Trinkmenge und der Trinkexzesse Sicherung des möglichst gesunden Überlebens SICHERUNG DES ÜBERLEBENS Kruse, Körkel & Schmalz (2000). Alkoholabhängigkeit erkennen und behandeln. 13

Normales, soziales und moderates Trinken Von normalem Trinken kann gesprochen werden, wenn jemand ohne vorherigen Trinkplan aus der Situation heraus entscheidet, ob er Alkohol (weiter) trinken will oder nicht. Von sozialem Trinken kann gesprochen werden, wenn der Alkoholkonsum sich im Rahmen der von einer Gesellschaft für akzeptabel befundenen Trinkgepflogenheiten bewegt. Von moderatem oder mäßigem Trinken kann gesprochen werden, wenn der Alkoholkonsum weder auf körperlicher, psychischer, familiärer, sozialer, arbeitsbezogener, finanzieller noch juristischer Ebene Probleme oder Schäden nach sich zieht. 14

Kontrolliertes Trinken I Reinert & Bowen haben 1968 den Begriff des kontrollierten Trinkens geprägt. Nach diesen Autoren muss derjenige, der kontrolliert trinkt, "sorgfältig und sogar zwanghaft die Zeit, den Ort und die Umstände seines Trinkens vorbestimmen, und er muss rigide die Trinkmenge begrenzen". Danach läßt sich "kontrolliertes Trinken" wie folgt definieren: Von kontrolliertem Trinken ist dann zu sprechen, wenn jemand sein Trinkverhalten an einem zuvor festgelegten Trinkplan bzw. Trinkregeln ausrichtet. die Menge an Alkohol, die man trinken möchte. die Rahmenbedingungen des Trinkens (Ort, Zeit..). 15

Kontrolliertes Trinken II Das Muss: Festlegung der Konsummenge Zielgrößen: Wie viel Alkohol möchte ich höchstens pro Tag trinken? Wie viel Alkohol möchte ich höchstens in der Woche trinken? An wie vielen Tagen pro Woche möchte ich keinen Alkohol trinken? Bezugsgrößen: Bisherige eigene Trinkmenge: man reduziert seine bisher konsumierte Alkoholmenge auf ein persönlich erreichbares, realistisches Maß. Internationale medizinische Standards: man reduziert seine bisher konsumierte Alkoholmenge auf ein Niveau, das nach medizinischen Erwägungen keine körperliche Abhängigkeit und keine körperlichen Folgeerkrankungen nach sich zieht. 16

Kontrolliertes Trinken III Das Kann: Festlegung der Umstände des Trinkens Zeit: z.b. erst nach der Arbeit ab 18 Uhr Ort: z.b. nicht in dem Raum, in dem man bisher bevorzugt getrunken hat soziales Umfeld: z.b. nicht alleine; nicht zusammen mit "Vieltrinkern" eigenes Befinden: z.b. nicht wenn gestresst oder deprimiert Getränkevariation: z.b. vor jedem alkoholischen ein großes nichtalkoholisches Getränk als Durstlöscher Trinkgeschwindigkeit: z.b. nicht mehr als ein halbes Standardgetränkpro Stunde (d.h. nicht mehr als 10 Gramm Alkohol = 0,25 Liter Bier oder 0,1 Liter Wein); in kleinen Schlucken trinken Folgen einer Mengenüberschreitung: z.b. Einschieben einer eintägigen Alkoholpause bei Überschreiten der festgelegten Alkoholmenge am Vortag. 17

Kontrolliertes Trinken IV Die KONTRAINDIKATION ABSTINENZ sollte als Ziel erster Wahl in folgenden Fällen gelten: Sie leben bereits zufrieden abstinent. Bei Ihnen ist eine körperliche Vorschädigung vorhanden, die Sie durch weiteren Alkoholkonsum verschlimmern würden. Sie haben bereits schwere körperliche Entzugserscheinungen erlebt, nachdem Sie den Alkohol abgesetzt oder reduziert haben (z.b. Zittern, Schwitzen, Übelkeit, Herzrasen, Halluzinationen, Krampfanfälle). Sie planen eine Schwangerschaft bzw. sind bereits schwanger. Sie stillen Ihr Kind. Bei Ihnen ist es durch Alkoholkonsum immer wieder zu unbedachten Handlungen gekommen (z.b. Gesetzesverstößen, Gewalttätigkeiten usw.) Sie nehmen Medikamente, die nicht zusammen mit Alkohol eingenommen werden sollten 18