Matthias W. Birkwald Mitglied des Deutschen Bundestages Parlamentarischer Geschäftsführer Rentenpolitischer Sprecher Bundestagsfraktion DIE LINKE



Ähnliche Dokumente
Nachhaltigkeitsfaktor Riester-+Beitragssatzfaktor Insgesamt -2,98-4,21-4,

Alterssicherung. Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Meinungen zur Altersvorsorge

Weniger Rente und mehr arme und minijobbende Alte Vorboten der heran rauschenden Welle von Altersarmut

Wir machen neue Politik für Baden-Württemberg

Mustervortrag zum Foliensatz Rente ab 67 stoppen Soziale Alternativen durchsetzen!

Vorstand Sozialpolitik. Anerkennung von Erziehungszeiten. Mütterrente.

Mütter-Rente Gleichstellung mit Nebenwirkungen Stellungnahme

Für 2,60 Euro mehr im Monat: sichern gute Renten. Rentenniveau sichern. Erwerbsminderungsrente verbessern. Rente mit 67 aussetzen. ichwillrente.

Ab 2012 wird das Rentenalter schrittweise von 65 auf 67 Jahre steigen. Die Deutsche Rentenversicherung erklärt, was Ruheständler erwartet.

Lineargleichungssysteme: Additions-/ Subtraktionsverfahren

Dem Hungerlohn folgt oftmals die Hungerrente. Sehr geehrte Damen und Herren,

Riester-Rente: rentenpolitischer Blindflug mit Absturzgarantie. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage

Rentensicherheit. Rente? Aber sicher!

Arbeitskraftabsicherung. Zwei Fliegen mit einer Klappe. Arbeitskraftabsicherung über den Betrieb.

Das Rentenpaket der Bundesregierung. Fragen und Antworten

Wichtiges Thema: Ihre private Rente und der viel zu wenig beachtete - Rentenfaktor

Was ist das Budget für Arbeit?

Meinungen zu Volksbegehren und Volksentscheiden

Deutschland-Check Nr. 35

Die Parteien und ihre Anhänger

Erfahrungen mit Hartz IV- Empfängern

Referentenentwurf Alterssicherungsstärkungsgesetz

Edda Schliepack Bundesfrauensprecherin und Präsidiumsmitglied des SoVD

DIA Ausgewählte Trends Juni Klaus Morgenstern, Deutsches Institut für Altersvorsorge, Berlin Bettina Schneiderhan, YouGov Deutschland, Köln

Der Dreiklang der Altersvorsorge

Was ist Sozial-Raum-Orientierung?

Rentenzuschuss statt Zuschussrente ein Alternativmodell von ver.di und SoVD

Statuten in leichter Sprache

Kinderarmut. 1. Kapitel: Kinderarmut in der Welt

1. Weniger Steuern zahlen

Vebrauchererwartungen zum Gelingen der Energiewende

Avenue Oldtimer Liebhaber- und Sammlerfahrzeuge. Ihre Leidenschaft, gut versichert

Rentenbesteuerung: Wen betrifft es?

Der Europäische Sozialfonds in der Wahrnehmung der Bürger

Das neue Rentenpaket. Alles, was Sie wissen müssen. Nicht geschenkt. Sondern verdient.

Soziale Sicherung der Pflegeperson

Persönliche Zukunftsplanung mit Menschen, denen nicht zugetraut wird, dass sie für sich selbst sprechen können Von Susanne Göbel und Josef Ströbl

Hautkrebsscreening. 49 Prozent meinen, Hautkrebs sei kein Thema, das sie besorgt. Thema Hautkrebs. Ist Hautkrebs für Sie ein Thema, das Sie besorgt?

Grüne Rente. Köln, Wolfgang Strengmann-Kuhn.

Fragen und Antworten: zusätzlicher Beitragssatz

einfach. transparent. sicher. Das neue Pensionskonto Alle Informationen zum Service Ihres Pensionsversicherungsträgers

Die Post hat eine Umfrage gemacht

Das Glück wird mehr. Die Sicherheit bleibt. ELTERNZEIT. BVK Bayerische. V ersorgungskammer

Das Mackenroth-Theorem

Lebenserwartung nach Sterbetafel 2003/2005

Swiss Life Vorsorge-Know-how

Das sogenannte Beamen ist auch in EEP möglich ohne das Zusatzprogramm Beamer. Zwar etwas umständlicher aber es funktioniert

Online Bestellsystem Bedienungsanleitung

Argumente zum Rentenpaket der Bundesregierung

Prozentrechnung. Wir können nun eine Formel für die Berechnung des Prozentwertes aufstellen:

Bundesversicherungsamt

Pflege ein großes Thema...

einfach. transparent. sicher. Das neue Pensionskonto Alle Informationen zum Service Ihres Pensionsversicherungsträgers

)XQNWLRQVWDVWH8PEXFKHQ

einfach. transparent. sicher. Das neue Pensionskonto Alle Informationen zum Service Ihres Pensionsversicherungsträgers

Das Freiwillige Soziale Jahr. Der Bundes-Freiwilligen-Dienst

Gründe für fehlende Vorsorgemaßnahmen gegen Krankheit

ANLEITUNG - WIE UNTERSTÜTZE ICH AUF STARTNEXT?

Professionelle Seminare im Bereich MS-Office

Strategien der LINKEN gegen Altersarmut: Das Konzept von Partei und Bundestagsfraktion

Ihre Joker für eine entspannte Vorsorge

Private Rente. primos

Bewertung des Blattes

Rente mit 67 Anhebung der Altersgrenzen

Arbeitsblatt Verdienstabrechnung

KinderPlus. Mit KinderPlus wird Ihr Kind zum Privatpatienten im Krankenhaus.

78 Prozent der Deutschen wollen kein Genfood. Umfrage des Meinungsforschungsinstituts FORSA für SLOW FOOD Deutschland. 19.

Franz Thönnes Parlamentarischer Staatssekretär Mitglied des Deutschen Bundestages Wilhelmstraße 49, Berlin Berlin

Baufinanzierung mit Wohnriester

Informationsblatt Induktionsbeweis

Südbaden-Cup. Ausstieg Champions

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe. haben mit Ihren Anträgen wunderschöne Forderungen ins Schaufenster

ONLINE-AKADEMIE. "Diplomierter NLP Anwender für Schule und Unterricht" Ziele

Referentenentwurf eines Gesetzes über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz)

Wir schenken Freiheit - das Späterzahlungsmodell der praxishochschule. Der Umgekehrte Generationenvertrag - Erst studieren. Später zahlen.

Welche Bereiche gibt es auf der Internetseite vom Bundes-Aufsichtsamt für Flugsicherung?

Alter bei Rentenbeginn (RV*)

Hinweise in Leichter Sprache zum Vertrag über das Betreute Wohnen

Bezahlbare Beiträge PRIVATE KRANKENVOLLVERSICHERUNGEN AUCH IM ALTER. Beiträge im Alter kein Problem für privat Versicherte.

Themenschwerpunkt Sofortrente

Das NEUE Leistungspaket der Sozialversicherung. Mehr Zahngesundheit für Kinder und Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr. Fragen und Antworten

Einzelheiten zum Bundes-Teilhabe-Gesetz

Fakten zur geförderten Pflegezusatzversicherung.

Was meinen die Leute eigentlich mit: Grexit?

Übersicht der Refinanzierungsmöglichkeiten für die Reisen

Würfelt man dabei je genau 10 - mal eine 1, 2, 3, 4, 5 und 6, so beträgt die Anzahl. der verschiedenen Reihenfolgen, in denen man dies tun kann, 60!.

Wichtige Forderungen für ein Bundes-Teilhabe-Gesetz

Arbeitsmarkteffekte von Umschulungen im Bereich der Altenpflege

GEGENÜBERSTELLUNG PRODUKTINFORMATIONSBLATT

Rentenarten in der gesetzlichen Rentenversicherung + VBL-Rente

Leichte-Sprache-Bilder

Papa - was ist American Dream?

Die Mehrheit der deutschen Erwerbstätigen sieht Defizite im Hinblick auf die soziale Gerechtigkeit

Gesetz zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung tritt am 1. August in Kraft

Sichere Anleitung Zertifikate / Schlüssel für Kunden der Sparkasse Germersheim-Kandel. Sichere . der

Im Folgenden werden einige typische Fallkonstellationen beschrieben, in denen das Gesetz den Betroffenen in der GKV hilft:

Änderungen in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung ab 1. Januar 2015.

Das Persönliche Budget in verständlicher Sprache

Autor: Michael Houben Kamera: Marc Voigt, Fabian Posern Schnitt: Julia Kraetzig Länge: 6:36 Letze Worte:... hat am Ende der Wähler

Transkript:

Matthias W. Birkwald Mitglied des Deutschen Bundestages Parlamentarischer Geschäftsführer Rentenpolitischer Sprecher Bundestagsfraktion DIE LINKE Viel Lärm um wenig Von der sogenannten Lebensleistungsrente würden zukünftig maximal 40.000 Zugangsrentnerinnen und -rentner profitieren. Sozialministerin Andrea Nahles Projekt ist nichts anderes als viel Lärm um wenig, kritisiert Matthias W. Birkwald, rentenpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. Birkwald wollte anhand der Aussagen im Koalitionsvertrag von der Bundesregierung wissen, wie groß der mögliche potentielle Berechtigtenkreis der sogenannten Lebensleistungsrente im Rentenzugangsjahr 2014 gewesen wäre. Die sogenannte Lebensleistungsrente honoriert weder die Lebensleistung, noch erspart sie den Rentnerinnen und Rentnern den Gang zum Sozialamt. Sie spricht ihrem Namen Hohn. Statt sinnlos 180 Millionen Euro für ein nicht tragfähiges Konzept zu verpulvern, muss das Rentenniveau wieder auf 53 Prozent angehoben werden, so Birkwald weiter. Man brauche eine gesunde Basis, sonst müsse bei weiter sinkendem Sicherungsniveau immer wieder Geld nachgeschossen werden. Zugleich müsse, wie von den Gewerkschaften gefordert, die Rente nach Mindestentgeltpunkten entfristet werden. Dazu bräuchte es aus Sicht Birkwalds keine Gesetzesentwürfe vom Umfang eines Brockhaus-Lexikons, die anschließend von der Union verwässert würden. Es reiche aus, lediglich einen Paragrafen zu ändern. Sollte die Rente dann immer noch unter der Grundsicherungsschwelle liegen, fordere DIE LINKE eine Solidarische Mindestrente, die ihren Namen verdiene: Niemand darf im Alter von weniger als 1050 Euro netto leben müssen, so Birkwald abschließend. Hintergrund: Laut Koalitionsvertrag sollen ab 2017 die Rentenansprüche von Versicherten, die langjährig Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt haben, bis zu einer bestimmten Höhe aufgestockt werden. Ginge es nach dem Willen der Großen Koalition, würden angeblich vor allem Geringverdienende und Menschen, die Angehörige gepflegt oder Kinder erzogen haben, profitieren. Zunächst sollen Versicherte, die bis 2023 insgesamt 35 Jahre Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt und weniger als 30 Entgeltpunkte erreicht haben, durch eine Aufwertung der erworbenen Rentenentgeltpunkte bessergestellt werden. Dabei sollen auch bis zu fünf Jahre Arbeitslosigkeit berücksichtigt werden. Nach 2023 sollen sich die Bedingungen verschärfen: Für die Zugangsvoraussetzung sollen dann grundsätzlich 40 Beitragsjahre sowie eine zusätzliche Altersvorsorge (z.b. Riester- Rente) notwendig sein. Da die Statistik nichts darüber sagt, ob die Beitragsjahre aus Erwerbstätigkeit oder beispielsweise aus Arbeitslosigkeit stammen und inwieweit diese Personen zusätzlich privat vorgesorgt haben, kann hier allenfalls das mögliche Potential abgeschätzt werden. Sicher ist: Durch die höheren Zugangshürden ab 2024 wird der Berechtigtenkreis weiter eingeschränkt werden. Betrachtet man allein die Zahl der Versicherten mit 40 Beitragsjahren und weniger als 30 Entgeltpunkten, sinkt das Potential gegenüber der Einstiegsvoraussetzung von 35 Beitragsjahren - gemessen am Rentenzugang 2014 - um ein Drittel. 20.04.2016 Platz der Republik 1, 11011 Berlin, Telefon: +49 30 227-71215, Fax: +49 30 227-76215, matthias-w.birkwald@bundestag.de

Seite 2 In der ersten Phase der Lebensleistungsrente (2017 2023, Mindestvoraussetzung sind 35 Beitragsjahre) besteht ein Potential von 66.000 Männern und Frauen, die von der Lebensleistungsrente profitieren könnten (davon Frauen: 60,5 Prozent). Der Anteil der Frauen im Westen beträgt gut 62 Prozent (Ost: 56,4 Prozent). In der zweiten Phase (ab 2023, Mindestvoraussetzung 40 Beitragsjahre sowie zusätzliche Altersvorsorge) könnten maximal 40.000 Versicherte profitieren. Auch hier sind vor allem Frauen die Nutznießerinnen: Ihr Anteil beträgt 57 Prozent. Im Westen läge dieser bei 57,2 Prozent (Ost: 56,4 Prozent). Bei einem Vergleich der Mindestvoraussetzungen (40 Beitragsjahre vs. 35 Beitragsjahre) würde der Anteil der Männer dagegen leicht auf 43 Prozent gegenüber 39 Prozent steigen. Gemessen an allen Nichtvertragsrenten (also Renten ohne ausländische Versicherungszeiten oder mit Wohnsitz im Ausland) von Männern und Frauen im Rentenzugang 2014 (840.145 Versicherte) läge der Anteil bei 35 Beitragsjahren bei gerade einmal 7,9 Prozent. Bei 40 Beitragsjahren würden maximal 4,8 Prozent der Versicherten von der Lebensleistungsrente profitieren. Fazit: Sollte es bei dem vorliegenden Konzept der sogenannten "Lebensleistungsrente" bleiben, werden nur wenige Menschen mit niedrigen Renten von ihr profitieren. Altersarmut lässt sich damit nicht nennenswert bekämpfen. Menschen mit prekären Erwerbsbiographien bräuchten sie am nötigsten. Und die werden sie definitiv nicht erhalten. Im LINKEN Konzept der Solidarischen Mindestrente wäre auch dieses Problem gelöst. Anlage: Formulierung zur sogenannten Lebensleistungsrente im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD: Wir wollen, dass sich Lebensleistung und langjährige Beitragszahlung in der Sozialversicherung auszahlen. Wir werden daher eine solidarische Lebensleistungsrente einführen. Die Einführung wird voraussichtlich bis 2017 erfolgen. Grundsatz dabei ist: Wer langjährig in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert war, Beiträge gezahlt hat (40 Jahre) und dennoch im Alter weniger als 30 Rentenentgeltpunkte Alterseinkommen (Einkommensprüfung) erreicht, soll durch eine Aufwertung der erworbenen Rentenentgeltpunkte bessergestellt werden. Dies kommt vor allem Geringverdienern zugute und Menschen, die Angehörige gepflegt oder Kinder erzogen haben. Durch eine Übergangsregelung bis 2023 (in dieser Zeit reichen 35 Beitrags-jahre) stellen wir sicher, dass insbesondere die Erwerbsbiografien der Menschen in den neuen Ländern berücksichtigt werden. In allen Fällen werden bis zu fünf Jahre Arbeitslosigkeit wie Beitragsjahre behandelt. Danach soll zusätzliche Altersvorsorge als Zugangsvoraussetzung erforderlich sein. In einer zweiten Stufe sollen jene Menschen, die trotz dieser Aufwertung nicht auf eine Rente von 30 Entgeltpunkten kommen, jedoch bedürftig sind (Bedürftigkeitsprüfung), einen weiteren Zuschlag bis zu einer Gesamtsumme von 30 Entgeltpunkten erhalten. Die Finanzierung erfolgt aus Steuermitteln, u. a. dadurch, dass Minderausgaben in der Grundsicherung im Alter als Steuerzuschuss der Rentenversicherung zufließen, und durch die Ab-schmelzung des Wanderungsausgleichs.