Kosmetika oder Medizinprodukte zur Hautpflege? Dr. Wolfgang Meyer-Ingold Hamburg, Deutschland



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Transkript:

Kosmetika oder Medizinprodukte zur Hautpflege? Dr. Wolfgang Meyer-Ingold Hamburg, Deutschland

Antike ägyptische Dame beim Schminken - Royal Ontario Museum, Toronto, Canada Auch wenn unsere Geschichtsschreibung immerhin sechs Jahrtausende zurückreicht, so ist das Schmücken und Pflegen unserer Haut wahrscheinlich deutlich älter, möglicherweise so alt wie die Menschheit selbst.

Gesichtsbemalung zur Erlangung von Aufmerksamkeit oder zur Einschüchterung von Feinden im Kampf bildet eine Konstante über unsere gesamte Geschichte. Ebenso scheint es ein zeitloses Bemühen zu sein, so gut wie nur möglich auszusehen, um den sozialen Status zu verbessern, einen höheren gesellschaftlichen Rang auszudrücken oder die Aussicht zu erhöhen, sich mit den attraktivsten Angehörigen des anderen Geschlechts zu verbinden. Worum es sich dabei auch handelt, um ein erlerntes Verhalten oder um einen Teil unseres genetischen Codes, es gibt ausreichende Belege dafür, dass Hautpflege und Kosmetik die Menschheit bereits sehr, sehr lange begleiten.

Im alten Ägypten existierten zahlreiche Zubereitungen für Make-ups. So wurden zur Herstellung von Lidschatten Erz, Kupfer und Halbedelsteine gemahlen. Die Zugabe von Wasser, Öl oder tierischem Fett zu diesem Pulver machte es besser auftragbar und ließ die Farbe dunkler erscheinen, so dass das Auge noch effektvoller zur Geltung kam. Kajal, der dunkle Lidstrich, der sich auf altägyptischen Statuetten, Gemälden oder Mumien-Särgen findet, ist eine Mischung von Blei, Kupfer, gebrannten Mandeln, Ruß und weiteren Bestandteilen. Für Lippen, Wangen und Nägel kam ein als roter Ocker bezeichneter gemahlener und mit Wasser vermischter Lehm zur Anwendung.

Zur Zeit der Griechen waren wertvolle Öle, Duftstoffe, kosmetische Puder, Lidschatten, Schminke, Schönheitssalben und Haarfarben in allgemeinem Gebrauch. Der Export und Verkauf dieser Produkte bildete einen erheblichen Teil des Handels im Mittelmeerraum. Im alten Rom wurden Kosmetika üblicherweise von weiblichen Sklaven hergestellt, die Cosmetae genannt wurden und damit zu Namensgebung Kosmetik führten. Im 12. Jahrhundert war der Gebrauch von Kosmetik in ganz Europa üblich, wobei Herstellung und Vertrieb in Händen von Apothekern und Ärzten lag. Reine Haut wurde besonders deshalb hoch geschätzt, da häufige Pockenepidemien große Bevölkerungsschichten unter unattraktiven Narben leiden ließen.

Zur Zeit der französischen Restauration standen Rouge und Lippenstift für einen gesunden und lebenshungrigen Geist. Im Laufe des 19. Jahrhunderts änderte sich die Produktion von Kosmetika erheblich. Neue Herstellungsmethoden wurden entwickelt und sicherere Chemikalien sowie natürliche Inhaltsstoffe wurden eingesetzt, Zinkoxid löste Blei und Kupfer als kosmetische Grundlage ab. Ende des 19. Jahrhunderts eröffneten die ersten Kosmetik-Salons. Nach dem 2. Weltkrieg wuchs die kosmetische Industrie sehr schnell, da mehr und mehr Frauen begannen, Kosmetika zu benutzen. Kosmetika wurden bald - und dann auch für immer - Teil des Lebens jeder Frau.

Über einen sehr langen Zeitraum mussten unsere Vorfahren ohne Regulierungen zur Gewährleistung der Verbrauchersicherheit durch die FDA oder die EU auskommen!

Seit 1976 besteht eine Europäische Regulierung für Kosmetika: Richtlinie des Rates vom 27. Juli 1976 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über kosmetische Mittel (76/768/EEC)

RICHTLINIE DES RATES 76/768/EEC Die Richtlinie ist die entscheidende Rechtsvorschrift der EU zur Sicherheit von kosmetischen Produkten. Die nationalen Rechtsvorschriften für kosmetische Mittel werden auf europäischer Ebene angeglichen, um den freien Warenverkehr mit diesen Erzeugnissen im Binnenmarkt der Europäischen Union (EU) zu gewährleisten. In der vorliegenden Richtlinie wurden Rechtsvorschriften über die Zusammensetzung, Etikettierung und Verpackung kosmetischer Mittel festgelegt. Ferner verbietet die Richtlinie Tierversuche und das Inverkehrbringen von Erzeugnissen, die anhand von Tierversuchen getestet wurden.

RICHTLINIE DES RATES 76/768/EEC Die Richtlinie definiert ein kosmetisches Produkt" als eine Substanz oder Zubereitung, die dazu bestimmt ist, äußerlich mit den verschiedenen Teilen des menschlichen Körpers (Epidermis, Haare, Nägel, Lippen und externe Genitalorgane) oder mit den Zähnen und den Schleimhäuten der Mundhöhle in Berührung zu kommen, und zwar zu dem ausschließlichen oder überwiegenden Zweck, diese zu reinigen, zu parfümieren oder zu schützen, um sie in gutem Zustand zu halten, ihr Aussehen zu verändern oder den Körpergeruch zu beeinflussen. (Art. 1.1)

RICHTLINIE DES RATES 76/768/EEC Den Hauptteil der Richtlinie bilden die verschiedenen Auflistungen von Substanzen in den Annices: Stoffe, die in der Zusammensetzung der kosmetischen Mittel nicht enthalten sein dürfen (Annex II) Stoffe, für deren Einsatz Einschränkungen gelten (Annex III): Solche Stoffe sind nur für bestimmte kosmetische Mittel oder in bestimmten Konzentrationen oder mit einem Warnhinweis versehen erlaubt Erlaubte Farbstoffe (Annex IV) Erlaubte Konservierungsstoffe (Annex VI) Erlaubte UV-Filter (Annex VII) (Die Annices werden regelmäßig ergänzt, um neuen Daten zur Sicherheit einzelner Stoffe Rechnung zu tragen)

Zur Zeit gilt die 7. Revision der Richtlinie (beschlossen in 2009 und gültig seit dem 11. Juli 2013): VERORDNUNG (EG) Nr. 1223/2009 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 30. November 2009 über kosmetische Mittel (Neufassung)

VERORDNUNG (EG) Nr. 1223/2009 Die wichtigsten Ergänzungen der aktuellen Fassung sind: Strengere Sicherheitsanforderungen für kosmetische Mittel Einführung des Konzeptes der verantwortlichen Person Zentralisierte Notifizierung aller kosmetischen Mittel auf dem EU-Markt über das EU Cosmetic Products Notification Portal (CPNP) Einführung eines Meldesystems für ernste unerwünschte Wirkungen Neue Vorschriften für die Verwendung von Nanomaterialien in kosmetischen Mitteln Gemeinsame Kriterien für Werbeaussagen im Zusammenhang mit kosmetischen Mitteln http://europa.eu/rapid/press-release_ip-13-677_en.htm

Kosmetika in Österreich In Österreich ist die EU-Richtlinie über kosmetische Mittel im Lebensmittelgesetz verankert.

Seit 1993 besteht eine Europäische Regulierung für Medizinprodukte: RICHTLINIE 93/42/EWG DES RATES vom 14. Juni 1993 über Medizinprodukte

RICHTLINIE 93/42/EEC Mit seiner großen Produktpalette, von einfachem Verbandsmaterial bis hin zu hochentwickelten lebensunterstützenden Produkten, spielt der Sektor für Medizinprodukte eine entscheidende Rolle bei der Diagnose, Prävention, Überwachung und Behandlung von Krankheiten sowie für die Verbesserung der Lebensqualität von Menschen mit Behinderungen. Die Rolle der EU betrifft in erster Linie den rechtlichen Rahmen für den Marktzugang sowie die Handelsbeziehungen und die regulatorische Konvergenz auf internationaler Ebene. Sie alle zielen darauf ab, das höchstmögliche Niveau an Patientensicherheit bei gleichzeitiger Förderung von Innovation und Wettbewerbsfähigkeit sicherzustellen.

RICHTLINIE 93/42/EEC Die Richtlinie definiert ein Medizinprodukt als Instrument, Apparat, Implantat, in vitro Reagenz oder ähnlichen oder zugehörigen Gegenstand. Ein Medizinprodukt ist bestimmt zur Diagnose, zur Prävention oder zur Behandlung einer Krankheit oder anderer Zustände und erfüllt dabei seine Zweckbestimmung mittels einer physikalischen, mechanischen oder thermischen Wirkung. Ein Medizinprodukt erreicht seine bestimmungsgemäße Hauptwirkung im oder am menschlichen Körper also weder durch pharmakologische oder immunologische Mittel noch metabolisch, seine bestimmungsgemäße Hauptwirkung kann aber durch solche Mittel unterstützt werden.

Zur Zeit gilt die 4. Revision der Richtlinie, gültig seit September 2007: RICHTLINIE 2007/47/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 5. September 2007 zur Änderung der Richtlinien 90/385/EWG des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über aktive implantierbare medizinische Geräte und 93/42/EWG des Rates über Medizinprodukte sowie der Richtlinie 98/8/EG über das Inverkehrbringen von Biozid-Produkten

RICHTLINIE 2007/47/EC Die wichtigsten Ergänzungen der aktuellen Fassung sind: Änderungen in den Klassifizierungsregeln der MDD 93/42/EEC Änderungen in den grundlegenden Anforderungen Änderungen der Anforderungen an den Inhalt einer technischen Dokumentation 2007/47/EC gestattet Herstellern nur einen European Representative pro Medizinprodukt

Medizinprodukte in Österreich In Österreich wurde die Richtlinie in das Bundesgesetz betreffend Medizinprodukte (Medizinproduktegesetz - MPG) überführt.

Klassifizierung von Medizinprodukten Die Klasse eines Medizinprodukts orientiert sich rechtlich an der "Verletzbarkeit des menschlichen Körpers" durch das jeweilige Produkt. Diese wiederum definiert sich über die Zweckbestimmung des Herstellers hinsichtlich des Anwendungsorts und der Anwendungsdauer seines Produkts. Geringes Risiko: Mäßiges Risiko: Erhöhtes Risiko: Hohes Risiko: Klasse I (inklusive Is und Im) Klasse IIa Klasse IIb Klasse III

Klassifizierung von Medizinprodukten Die Zulassung eines Medizinproduktes erfolgt über die sog. Konformitätserklärung. Diese Erklärung erfolgt durch den Hersteller selbst, muss jedoch bei Produkten der Klassen Is, Im, IIa, IIb und III durch ein Konformitätszertifikat bestätigt werden, das eine sog. benannte Stelle erstellt. Eine benannte Stelle ist eine öffentliche oder private Organisation, die akkreditiert ist, die Einhaltung der Europäischen Richtlinie durch das Medizinproduktes zu bestätigen. Nur Medizinprodukte der Klasse I (es sei denn, sie erfordern eine Sterilisation oder messen eine Funktion) können eigenzertifiziert werden. Zertifizierte Medizinprodukte tragen das CE-Zeichen auf der Verpackung.

Grenzfälle Derzeit laufende Revision der Richtlinie: Safe, effective and innovative medical devices and in vitro diagnostic medical devices for the benefit of patients, consumers and healthcare professionals (Proposal of the EC, targeted for 2015) Die Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 Des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über kosmetische Mittel wird ergänzt, um die Kommission zu ermächtigen zu bestimmen, ob ein Produkt unter die Definition eines kosmetischen Produkts fällt oder nicht. Dieses soll die Verabschiedung EU-weiter Entscheidungen bezüglich von Grenzfällen ermöglichen, in denen der regulatorische Status eines Produktes geklärt werden muss.

Grenzfälle Derzeitige Handhabung in Österreich: Eine gutachterliche Meinung kann von einem Abgrenzungsbeirat erhalten werden, der gemäß 49a AMG beim Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend (BMGFJ) eingerichtet ist.

Grundlegende Anforderungen Die Produkte müssen so ausgelegt und hergestellt sein, dass ihre Anwendung unter den vorgesehenen Bedingungen und zu den vorgesehenen Zwecken weder den klinischen Zustand und die Sicherheit der Patienten noch die Sicherheit und die Gesundheit der Anwender oder gegebenenfalls Dritter gefährdet, wobei etwaige Risiken im Zusammenhang mit der vorgesehenen Anwendung gemessen am Nutzen für den Patienten vertretbar und mit einem hohen Maß an Gesundheitsschutz und Sicherheit vereinbar sein müssen. Quelle: Richtlinie, Annex I

Sicherheit von Medizinprodukten Internationale Organisation für Standardisierung Standard 10993: Biologische Beurteilung von Medizinprodukten Anwendungsbereich: Standardisierung des Vorgehens bei einer biologischen Bewertung von medizinischen und zahnmedizinischen Materialien und Produkten sowie eine Standardisierung von biologischen Testmethoden, die für diese Materialien und Produkte anwendbar sind.

Teile von ISO 10993 - Teil 1: Beurteilung und Prüfung im Rahmen eines Risikomanagementverfahrens - Teil 2: Tierschutzbestimmungen - Teil 3: Prüfung auf Genotoxizität, Karcinogenität und Reproductionstoxizität - Teil 4: Auswahl von Prüfungen zur Wechselwirkung mit Blut - Teil 5: Prüfungen auf in vitro Zytotoxizität - Teil 6: Prüfungen auf lokale Effekte nach Implantationen - Teil 7: Ethylenoxid-Sterilisationsrückstände - Teil 9: Rahmen zur Identifizierung und Quantifizierung von möglichen Abbauprodukten - Teil 10: Prüfungen auf Irritation und Hautsensibilisierung - Teil 11: Prüfungen auf systemische Toxizität - Teil 12: Probenvorbereitung und Referenzmaterialien - Teil 13: Qualitativer und quantitativer Nachweis von Abbauprodukten in Medizinprodukten aus Polymeren - Teil 14: Qualitativer und quantitativer Nachweis von keramischen Abbauprodukten - Teil 15: Qualitativer und quantitativer Nachweis von Abbauprodukten aus Metallen und Legierungen - Teil 16: Entwurf und Auslegung toxikokinetischer Untersuchungen hinsichtlich Abbauprodukten und herauslösbaren Bestandteilen - Teil 17: Nachweis zulässiger Grenzwerte für herauslösbare Bestandteile - Teil 18: Chemische Characterisierung von Materialien - Teil 19: Physikalisch-chemische, mechanische und morphologische Charakterisierung - Teil 20: Prinzipien und Verfahren für die immunotoxikologische Prüfung von Medizinprodukten

Teil 1 von ISO 10993 beschreibt ISO 10993-1 a) die generellen Prinzipien, nach denen bei einer biologischen Bewertung von Medizinprodukten vorgegangen werden soll; b) die Kategorisierung von Medizinprodukten anhand der Art und Dauer ihres Kontaktes mit dem menschlichen Körper; c) Die Auswahl geeigneter Prüfmethoden. Dieser Teil of ISO 10993 deckt keine Prüfungen von Materialien oder Produkten ab, die nicht direkt oder indirekt mit dem Körper des Patienten in Berührung kommen, und er betrifft auch keine biologischen Risiken aufgrund mechanischen Versagens.

Klinische Daten Klinische Daten sind erforderlich für verschiedene Aspekte der Sicherheit und der Funktion von Medizinprodukten.

Bewertung klinischer Daten Eine Bewertung klinischer Daten ist der Prozess, mit dem klinische Daten aus allen benutzten Quellen (Literatur, Ergebnisse klinischer Untersuchungen und andere) begutachtet, analysiert und als geeignet und angemessen eingeschätzt werden, eine Konformität des Medizinproduktes mit den entsprechenden grundlegenden Anforderungen der Richtlinie hinsichtlich Sicherheit und Funktionsfähigkeit zu belegen, und nachzuweisen, dass das Medizinprodukt so wirkt, wie vom Hersteller geplant. Das Ergebnis dieses Prozesses ist ein Bericht, der die Schlussfolgerung enthält, dass Risiken und Nebenwirkungen akzeptabel sind, wenn sie gegen den beabsichtigten Nutzen des Medizinproduktes abgewogen werden. Quelle: Evaluation of Clinical Data: A Guide for Manufacturers and Notified Bodies

Klinische Bewertung Grundlage einer klinischen Bewertung ist die Abschätzung von Nutzen und Risiko bei der Anwendung des Medizinprodukts durch: (I) eine Zusammenstellung der relevanten wissenschaftlichen Literatur, die aktuell verfügbar ist, zusammen mit einem schriftlichen Bericht mit einer kritischen Bewertung dieser Literatur ( literature route ); oder (II) die Ergebnisse aller klinischen Untersuchungen, die für das infrage stehende Medizinprodukt relevant sind ( clinical investigation route ); oder (III) eine Kombination von (i) und (ii). Ist eine klinische Bewertung auf einem solchen Weg erfolgt, sollte sie eine gesamthafte Beurteilung enthalten. Diese Beurteilung sollte auch Markterfahrungen berücksichtigen, sofern das möglich ist. Es ist wichtig, dass der Hersteller die Daten auf das spezifische Medizinprodukt bezieht, für das das Risiko identifiziert wurde.

Notwendigkeit für klinische Untersuchung(en) Solange Sicherheit und Funktionsfähigkeit nicht auf anderen Wegen angemessen belegt werden können (z.b. überzeugende Erfahrungen bei einer vorhergehenden Anwendung) wird wahrscheinlich eine klinische Untersuchung für ein Medizinprodukt benötigt. Klinische Untersuchungen sollten in Übereinstimmung mit den relevanten Abschnitten des Annex X MDD oder des Annex 7 AIMD erfolgen. Eine Einhaltung von EN 540 ( Clinical investigation of medical devices for human subjects ) oder ISO 14155 ( Clinical investigation of medical devices ) lässt annehmen, dass Design, Durchführung und Monitoring klinischer Untersuchungen den Anforderungen dieser Annices entspricht.

Notwendigkeit für klinische Untersuchung(en): Beispiele (i) ein zertifiziertes Medizinprodukt wird modifiziert und diese Modifikation könnte die klinische Sicherheit oder Funktionsfähigkeit in signifikanter Weise verändern; oder (ii) ein völlig neues Medizinprodukt soll vermarktet werden, dessen Bestandteile, charakteristische Merkmale und/oder Wirkungsweise bislang unbekannt sind; oder (iii) (iv) ein bislang etabliertes Medizinprodukt soll für eine neue Indikation eingesetzt werden; oder ein Medizinprodukt enthält neue, bislang nicht untersuchte Materialien, die in Kontakt mit dem menschlichen Körper kommen, oder bekannte Materialien sollen an einer Körperregion angewandt werden, die bislang diesen Materialien noch nicht exponiert war und für die keine überzeugende frühere klinische Erfahrung vorliegt, oder ein Medizinprodukt soll für eine signifikant längere Zeit angewandt werden.

Zertifiziertes Medizinprodukt