Das Dolmetschernetzwerk im Landkreis Rastatt Ausgangssituation Bisher bringen jene Eltern, die ungenügend oder kein Deutsch sprechen, zu wichtigen Gesprächen in Bildungseinrichtungen, bei Behörden oder in Beratungsstellen Bekannte, Verwandte oder sogar die eigenen Kinder als Dolmetscher mit. Diese Situation ist für die professionellen Einrichtungen unbefriedigend und verhindert eine professionelle und zügige Erledigung ihrer Angelegenheiten. Es gibt jedoch auch ernste Folgen, die sich sehr problematisch auf die Bildungssituation und auf die psychische Situation der Betroffenen und deren Kinder auswirken können. Die bisherige Situation führt oft dazu, dass die Eltern sich in Abhängigkeitsverhältnisse gegenüber Dritten begeben müssen. Manchmal trauen sie sich nicht, vor dem Dolmetscher, der sie persönlich kennt, alles zu sagen, was sie zu sagen haben. Oft wissen sie auch nicht, dass es das Gebot der Schweigepflicht gibt oder ob der Dolmetscher sich daran hält. Manchmal kommt es zu Grenzverletzungen sowohl von Seiten der Dolmetscher als auch von Seiten der Hilfesuchenden. Ehrenamtliche Dolmetscher, die privat für Einrichtungen dolmetschen, werden oft nach ihrer privaten Telefonnummer gefragt. Dies ist bereits eine Grenzverletzung, der die dolmetschende Person allein gegenüber steht. Es gibt auch Dolmetscher, die das schnell entstehende Vertrauen für eigene Vorteile oder sogar geschäftliche Verbindungen nutzen. Besonders kritisch ist die Situation jedoch, wenn Kinder dolmetschen müssen. Sie befinden sich oft in Loyalitätskonflikten. Sie glauben vielleicht, dass sie sich für ihre Eltern schämen müssten. Es kann passieren, dass sie Dinge hören, die für ihr Alter nicht geeignet sind. Oft wird ihnen auch in ihrer Rolle als Dolmetscher von beiden Seiten ungewollt zu viel Verantwortung aufgebürdet. Sie können Schuldgefühle entwickeln. Diese Faktoren können Kinder so sehr belasten, dass sie im schulischen Alltag nicht mehr mitkommen oder für die Schule den Kopf nicht mehr frei haben. Im November 2010 wurden Elternmentoren in der Stadt Rastatt ausgebildet. Es gibt regelmäßige Treffen. Die Elternmentoren sind jedoch noch nicht zentral organisiert. Außerdem gibt es in Rastatt einen von drei Kindertageseinrichtungen selbst organisierten Sprachmittlerpool. Allerdings wurden die Sprachmittler nicht geschult. Es sind lediglich Eltern, die für andere Eltern aus ihrer Einrichtung, die sie auch persönlich kennen, dolmetschen. Dieser Pool ist gekennzeichnet durch eine hohe Fluktuation und dadurch weniger nachhaltig. Die Maßnahme Ein geschulter ehrenamtlicher Dolmetscherpool steht im Landkreis Rastatt unentgeltlich Eltern zur Verfügung für wichtige Gespräche in Bildungseinrichtungen, bei Behörden oder Beratungsstellen. Die Dolmetscher können sowohl von den Eltern selbst als auch von den Institutionen bestellt werden. Die ehrenamtlichen Dolmetscher erhalten eine Aufwandsentschädigung im Rahmen der Ehrenamtspauschale und sind kraft Amtes unfall- und haftpflichtversichert. Die 1
Terminvergabe, die Auszahlung der Pauschalen, die Statistik, die Öffentlichkeitsarbeit und das Fundraising werden von einer zentralen Koordinierungsstelle im Diakonischen Werk durchgeführt. Die Entwicklung der Maßnahme begann im März 2011 mit einem Beratungsgespräch zweier Bildungsberaterinnen und der Geschäftsführerin des Diakonischen Werks Baden-Baden/ Rastatt. Es wurde entschieden, mithilfe der Beraterinnen alle relevanten Partner im Landkreis Rastatt zusammen zu bringen und mit diesen gemeinsam ein starkes und hauptamtliches Netzwerk zu gründen, das über die Konzeption und Finanzierung des Dolmetscherpools entscheidet. Bis September 2011 wurden in mühsamer Überzeugungsarbeit in vielen Sondierungsgesprächen alle Kooperationspartner informiert und von der Wichtigkeit und Dringlichkeit des Projekts überzeugt. Anschließend wurde im September 2011 bei einem moderierten Runden Tisch im Landratsamt die von der Diakonie vorgeschlagene Konzeption diskutiert. Bei einem zweiten Runden Tisch im November 2011 wurde die von der Diakonie vorbereitete Zeitschiene bis September 2013 besprochen und beschlossen. Die Finanzierung in Höhe von 5.000,00 ist lediglich ein kleines Startkapital. Sie wird dafür eingesetzt, um bis September 2012 die erste Gruppe des Dolmetscherpools zu schulen, öffentlich professionell aufzutreten und in einer Pilotphase die Konzeption zu erproben und die Erfahrungen bis dahin zu evaluieren. Nach der endgültigen Überarbeitung der Konzeption und nach Vorweisen einiger Erfolge werden die Partner des Dolmetschernetzwerks versuchen, gemeinsam das Projekt in ein dauerhaft bestehendes Angebot zu überführen. Dafür wird ein Antrag bei sozialen Netzwerken wie z.b. bei den Rotariern oder beim Lions Club Rastatt gestellt. Der Finanzplan soll die Finanzierung einer Koordinierungsstelle, weitere Schulungsmaßnahmen und die Ehrenamtspauschalen der Dolmetscher für ein Jahr bzw. zwei Jahre beinhalten. Um das Projekt zu verstetigen, muss die Pilotphase erfolgreich sein. Dafür kann das Projekt jeden Euro gebrauchen. Der dotierte Diakoniepreis wäre eine große finanzielle Hilfe und Motivationsmotor für das Projekt bei seinen ersten Schritten. Durch das Angebot des Dolmetschernetzwerks können Eltern sich in der Aufnahmegesellschaft einfacher bewegen und sowohl die ihnen offen stehenden Chancen als auch die Grenzen selbst erfahren und eigenständige Entscheidungen treffen. Dadurch können sie als Experten ihrer eigenen Situation zu wertvollen Partnern auf Augenhöhe werden. Stand des Projekts im November 2011 Kooperationspartner: - Landratsamt Rastatt Jugendamt - Stadt Rastatt Stabstelle Frauen-, Gleichstellungs- und Integrationsbeauftragte - Staatliches Schulamt Rastatt - Caritasverband Rastatt - ab Dezember 2011 höchstwahrscheinlich auch die Volkshochschule Rastatt 2
Das Netzwerk steht auf drei Säulen: der Pool der Fonds die Schulung Das Zusammenspiel zwischen diesen drei Säulen wird zentral koordiniert. Die Aufgaben dieser Koordinierungsstelle sind im Einzelnen: Akquise der Dolmetscher für den Dolmetscherpool (Kooperation mit etablierten Einrichtungen, Erstgespräche, Pflege der Pool-Datenbank) Organisation der zweitägigen Dolmetscherschulung, des Coachingtages drei Monate nach der Schulung und des jährlichen Dolmetschertages (Ausflug) Termin-Koordination für Einsätze Vermittlung der Dolmetscher an die psychologische Beratung Öffentlichkeitsarbeit (Fundraising, Jahresbericht, Pressegespräche, Newsletter, Internetauftritt) Kontakt zur verwaltenden Stelle des Dolmetscherfonds Zwischenberichte für Fördergelder Auszahlung der Aufwandsentschädigungen Evaluation (Statistik, Fragebögen) Dolmetscherpool Dolmetscher ehrenamtlich und nicht professionell (keine schriftlichen Übersetzungen und keine Dolmetschereinsätze, wofür ein vereidigter Dolmetscher bestellt werden müsste) Verpflichtende Teilnahme an Schulung und Coachingtag Dolmetschertag 1x jährlich (Ausflug, Gruppengefühl, Information) Unterstützungsangebot durch psychologische Beratung bei schwierigen Dolmetschsituationen unfall- und haftpflichtversichert kraft Amtes Dolmetscherfonds Zur Bezahlung der Ehrenamtspauschalen an die Dolmetscher; zur Realisierung der Dolmetscherschulung und zur Finanzierung der Koordinierungsstelle. Dolmetscherschulung ethische Grundsätze (alles zu dolmetschen; alles nach bestem Wissen und Gewissen zu dolmetschen; alles Gesagte unparteiisch, ohne Zusätze zu dolmetschen; verschwiegen bleiben) Bewusstsein (Rolle des Sprach- und Kulturdolmetschens und dessen Grenzen) Regeln der Gesprächsführung Bedeutung einer professionellen Distanz 3
Ablauf eines Einsatzes 1.- Kontaktaufnahme mit der Koordinierungsstelle und Klärung folgender Fragen: Sprache (Muttersprache des Klienten genau abklären. Manchmal eine Volkssprache und nicht die offizielle Landessprache) Anlass der Dolmetscheranforderung Mehrere Terminalternativen + Dauer des Termins Name des Klienten (da sich Dolmetscher und Klient möglichst nicht kennen sollten) Da die meisten anfordernden Stellen nicht täglich mit geschulten Dolmetschern zusammenarbeiten, herrscht auch bei ihnen Unkenntnis über den Umgang mit Dolmetschern während eines Beratungsgesprächs. Um das Gespräch selbst zügig und ohne Unterbrechungen führen zu können, erhält die anfordernde Stelle bei der ersten Kontaktaufnahme mit der Koordinierungsstelle ein Informationspapier Verständigung durch Dolmetscher mit Hinweisen und Verhaltensregeln. Dieses muss unterschrieben an die Koordinierungsstelle zurückgeschickt werden. 2.- Kontaktaufnahme mit dem Dolmetscher: Die Koordinierungsstelle teilt die Informationen einem geeigneten Dolmetscher mit. Dabei achtet sie darauf, dass nicht immer derselbe Dolmetscher für dieselbe Person oder Einrichtung dolmetscht. Dadurch kann Abhängigkeitsverhältnissen vorgebeugt werden. Dann erfolgt ein Anruf des Dolmetschers bei der anfordernden Stelle oder Person. 3.- Das Vorgespräch des Dolmetschers: Während der telefonischen Kontaktaufnahme findet ein Vorgespräch statt. Dieses Vorgespräch ist im professionellen Prozess sehr wichtig, denn auf diese Weise kann der Dolmetscher wichtige Einzelheiten (Vorgeschichte, Informationen über die Einrichtung und Ziel des Gesprächs) über seinen Einsatz klären. Zudem Klärung der rein praktischen Fragen (Termin, Einsatzort und Name des Klienten, da sich Dolmetscher und Klient möglichst nicht kennen sollten.) 4.- Beim Gesprächstermin: Der Klient unterschreibt eine Einverständniserklärung. Der Dolmetscher bringt den Vordruck dafür mit. Außerdem erhält der Klient ein Informationsblatt in seiner Muttersprache zum Thema Schweigepflicht Das Gespräch wird konsekutiv gedolmetscht, d.h. alle Beteiligten sprechen möglichst einfach strukturierte (ca. ein bis drei) Sätze, die danach vom Dolmetscher genau und wörtlich übersetzt werden, während die anderen Beteiligten zuhören. 5.- Nachgespräch anschließend an den Gesprächstermin: Dem Dolmetscher wird Gelegenheit gegeben, Gefühle anzusprechen, die während des Gespräches aufgetaucht sind. Auch die interkulturellen Hintergründe können von Bedeutung sein. Die anfordernde Stelle bestätigt dem Dolmetscher zudem die Dauer des Gesprächs auf einem vorgefertigten Formular. 4
Ziele Die verbale Kommunikation zwischen Eltern und Behörden, Bildungseinrichtungen und Beratungsstellen verbessert sich; Kommunikation auf gleicher Augenhöhe wird ermöglicht; Kinder der Eltern werden vor Dolmetschsituationen geschützt, denen sie nicht gewachsen sind, oder deren Inhalte nicht altersgerecht sind; Solche Dolmetschsituationen, in denen einer der Teilnehmer in ein Abhängigkeitsverhältnis gerät, werden vermieden; Eltern sind zu selbstständigen und selbstbewussten Entscheidungen im Bildungsgeschehen ihrer Kinder befähigt; Die Schweigepflicht seitens der Dolmetschenden ist gesichert; Der landkreisweite Dolmetscherpool ermöglicht, dass für sehr vertrauliche Gespräche bewusst Dolmetschende beauftragt werden können, die die hilfesuchende Person nicht persönlich kennen. Elternteile, die anonym bleiben möchten (z.b. Mütter im Frauenhaus) haben mehr Vertrauen. Zeitschiene bis September 2013 November 2011: Antrag auf Fördergelder des Netzwerke für Bildungspartner e.v. Bewerbung für Diakoniepreis 2012 Dezember 2011 bis Februar 2012: Pressetermin zur Gründung des Dolmetschernetzwerks und gemeinsame Verabschiedung der Konzeption Akquise von geeigneten Dolmetschern Klären, wer die Schulung durchführt (Bewerbungsverfahren) Öffentlichkeitsarbeit, Flyer, Internetauftritt, Plakate Vorstellen der Maßnahme in Kita-Leitungsrunden Mitte Februar bzw. Anfang März 2012: Beginn der Dolmetscherschulung März September 2012 (Pilotphase des Projekts): Präsentation bei Schulratssitzung und Rektorenrunde Erste Aufträge für Dolmetscher (Umfrage mit Formularen zur Bewertung) Dolmetscherstammtische Führung der Statistik Juni Juli 2012: Coachingtag nachdem die Dolmetscher Einsätze hatten zur Vertiefung der Inhalte und Reflexion der gemachten Erfahrungen Auswertung der Umfrage über Erfolg des Projekts Evtl. Änderungen und Ergänzungen im Ablauf und in der Konzeption Erstellen eines Zwischenberichtes mit den bisherigen Erfahrungen Antrag bei einem großen sozialen Netzwerk, wie Rotarier oder Lions Club zur Finanzierung der Koordinierungsstelle und für Ehrenamtspauschalen für weitere ein oder zwei Jahre September - Dezember 2012: Errichtung der Koordinierungsstelle Akquise von weiteren Dolmetschern 5
Januar 2013: Landkreisweiter Dolmetschertag Schulungsmaßnahme für neue Dolmetscher Februar - September 2013: Weitere intensive Öffentlichkeitsarbeit, um den Fonds zu füllen und eine dauerhafte Selbstfinanzierung zu sichern Aufgaben der Kooperationspartner Akquise der Dolmetscher über: Schulen (Staatliches Schulamt), hauptamtlich Kindergärten (Fachberatung des Diak. Werks Baden, Fachberatung der Caritas der Erzdiöz. Freiburg und Stadt Rastatt Fachbereich Jugend, Familie und Senioren), hauptamtlich Arbeitskreise Schulsozialarbeit und Hauptamtliche Jugend- und Sozialarbeit (Landratsamt Rastatt), hauptamtlich Medien Migranten- und Sportvereine, ehrenamtlich Elternmentoren (Integrationsbeauftr. der Stadt Rastatt, evtl. Elternstiftung B.- W.) - Einrichtungen der freien Wohlfahrtsverbände (Diakonie + Caritas), hauptamtlich Erstellung der Flyer: Caritasverband Rastatt, hauptamtlich Auslegen der Flyer in Behörden in der Kommune und im Landkreis, in Beratungsstellen der Caritas und Diakonie, in Bildungseinrichtungen, bei Schulsozialarbeiterinnen und in Kultureinrichtungen, hauptamtlich Gezielte Ansprache von Personen durch alle Kooperationspartner, hauptamtlich Koordinierungsstelle beim Diakonischen Werk Baden-Baden/ Rastatt, hauptamtlich Ausschreibung für die Schulung ab Dez. 2011 durch Diak. Werk BAD/RA, hauptamtlich Dolmetscherfonds bis September 2012 angesiedelt beim Diakonischen Werk BAD/ RA, ehrenamtlich Psychologische Beratung der Dolmetscher durch Schulpsychologische Beratungsstelle des Staatlichen Schulamts, hauptamtlich Erreichen der Zielgruppe Präsentation bei Schulratssitzung und Rektorenrunde Präsentation bei Leitungsrunden der städtischen, evangelischen, katholischen und freien Kindertageseinrichtungen Pressegespräch Berichterstattung über Erfolgsgeschichten in der Tagespresse Interviews im Regionalfernsehen und Regionalhörfunk Flyer in Behörden, Beratungsstellen und Bildungseinrichtungen Internetauftritt Verlinkung auf der Homepage der Stadt Rastatt und des Landratsamts 6