Progressives Diabetes-Management: Wo passen GLP-1-Rezeptoragonisten in den Behandlungsalgorithmus?



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Transkript:

Progressives Diabetes-Management: Wo passen GLP-1-Rezeptoragonisten in den Behandlungsalgorithmus? Michael A. Nauck, MD, PhD: Hallo und Willkommen zum Progressiven Diabetes-Management: Wo passen GLP-1-Rezeptoragonisten in den Behandlungsalgorithmus? Ich bin Dr. Michael A. Nauck, Professor für Innere Medizin und Leiter des Diabeteszentrum in Bad Lauterberg im Harz, Deutschland. Bei diesem Programm erhalte ich Unterstützung von Dr. Tina Vilsbøll, (MD, DMSc), Leiterin der Diabetesforschung an der Universität Kopenhagen in Kopenhagen, Dänemark, Dr. Eleuterio Ferrannini, (MD), Professor und Leiter des Bereichs für Stoffwechselkrankheiten in der Abteilung für Innere Medizin an der Universität von Pisa in Pisa, Italien, sowie Dr. Stephen C. Bain, (MA, MBBS, MD, FRCP), Professor für Medizin (Diabetes) am Swansea University College of Medicine in Swansea, Großbritannien. Dr. Nauck: In diesem Programm besprechen wir einige der klinischen Unterschiede zwischen Glucagon-like-Peptid-1 Rezeptoragonisten (GLP-1 RAs) und alternativen antihyperglykämischen Wirkstoffen als Therapieoptionen nach dem Versagen von Metformin, die aktuellsten Daten über die klinischen Vorteile von GLP-1 RAs über die Glukosekontrolle hinaus, einschließlich der Effekte auf das Körpergewicht und die kardiovaskulären (CV) Risikomarker, klinische Daten und verschiedene Profile von derzeit erhältlichen GLP-1 RAs, sowie die geeigneten Patientengruppen, die von einer Diabetesbehandlung mit den GLP-1 RAs profitieren würden. Eleuterio, die European Association for the Study of Diabetes (EASD) und die American Diabetes Association (ADA) haben 2012 eine Stellungnahme über das Hyperglykämie- Management bei Patienten mit Typ-2-Diabetes mellitus (T2DM) veröffentlicht. Was bedeutet ein patientenzentrierter Behandlungsansatz für Sie? Dr. Eleuterio Ferrannini: Die Kommission, die sich zur Veröffentlichung dieser Stellungnahme getroffen hat, war einstimmig der Meinung, dass die Zeiten, in der ein preskriptiver oder algorithmischer Ansatz bei der Behandlung der Hyperglykämie bei T2DM-Patienten gewählt werden sollte, vorüber sind. Es gibt derzeit zu viele verfügbare antihyperglykämische Mittel, und nicht ausreichend Daten über auf den Wert einer Kombination von Therapien im Vergleich zu einer anderen. Die Stellungnahme hat einen patientenzentrierten Ansatz in der Behandlung der Hyperglykämie gewählt: Dies bedeutet, dass der Patient im Zentrum der Interaktion mit dem Gesundheitsdienstleister steht, und die Behandlung die individuellen Präferenzen, Bedürfnisse und Werte des Patienten berücksichtigt. Dieser Ansatz stellt sicher, dass der Patient im Mittelpunkt aller klinischen Entscheidungen steht. Die größten Hindernisse beim Erzielen eines therapeutischen Ziels sind die Patientencompliance und die klinische Trägheit des Arztes: Nach der ersten Interaktion verzeichnet man eine exponentielle Abnahme der Patientencompliance und zugleich eine rapide zunehmende klinische Trägheit seitens des Arztes. Es geht darum, dass durch das Absprechen von Präferenzen, Bedürfnissen und Werten mit dem Patienten zusätzlich zu den klinischen Erwägungen des Arztes eine Verbesserung des Gesamtmanagements der T2DM-Erkrankungen erzielt werden könnte. Dr. Nauck: Welcher allgemeine Ansatz im Hinblick auf das Hyperglykämie-Management wird in dieser Stellungnahme beschrieben?

Dr. Ferrannini: Die Stellungnahme nimmt in gewisser Weise Abstand von glykolysiertem Hämoglobin (HbA1c) als dem einzigen Entscheidungselement für die Behandlungswahl und nimmt multiple Dimensionen in die Erwägungen mit auf. Zu den Faktoren, die außer dem HbA1c für das Management der Hyperglykämie von Bedeutung sind, gehören u.a. der klinische Phänotyp, die Krankheitsdauer, der Grad des Funktionsverlustes der Betazellen, das Vorhandensein von Komplikationen, die Umgebung, in der der Patient lebt, die dem Patienten zur Verfügung stehenden Ressourcen, das Hypoglykämierisiko oder andere unerwünschte Ereignisse, und schließlich die Präferenzen des Patienten. Dr. Nauck: Einschließlich des Motivationsgrades des Patienten? Dr. Ferrannini: Ja, einschließlich des Motivationsgrades, der im Allgemeinen gleich beim ersten Kontakt mit dem Arzt ermittelt werden sollte. Eine weitere Erwägung sind die Arzneimittelkosten, weil neuere Arzneimittel teurer als ältere sind; natürlich sollten die Arzneimittelkosten nicht das einzige Leitkriterium sein, sie sollten jedoch auch nicht vernachlässigt werden. Dr. Nauck: Gibt es wissenschaftliche Beweise, um diese Empfehlungen zu stützen? Dr. Ferrannini: Es gibt gewisse wissenschaftliche Beweise, aber da ist auch die Hoffnung, dass die Versorgung des Patienten weniger algorithmisch sein und mehr in den Händen des Arztes liegen wird. Dr. Nauck: Manchmal müssen Ärzte eine Behandlung empfehlen, die sie nur ungern anwenden, und das ist schwierig. Dr. Ferrannini: Ja, das ist schwierig für die Ärzte, jedoch können Ärzte abhängig von den individuellen Patienteneigenschaften durch die Art der Formulierung der Stellungnahme individuelle Wege und Wahlmöglichkeiten finden, die für sie akzeptabel sind Dr. Nauck: Die Palette von Behandlungsmöglichkeiten beim Hyperglykämie-Management ist groß. Wie wählen Sie die richtige Medikation für jeden Patienten aus? Dr. Ferrannini: Zusätzlich zu den von mir vorstehend genannten Faktoren gibt es andere Erwägungen, hierzu gehören Alter des Patienten, Dauer der Diabetes-Erkrankung und ethnische und Geschlechtsunterschiede. Das Körpergewicht ist ein wichtiger Punkt, weil die große Mehrzahl der T2DM-Patienten adipös oder übergewichtig ist und sie weiter an Gewicht zunehmen, insbesondere wenn einige bestimmte Behandlungen anderen vorgezogen werden. Außerdem müssen das Vorhandensein einer chronischen Nierenerkrankung und das CV-Risiko ebenfalls untersucht werden. Dr. Nauck: Ich möchte Ihnen gern einen Patientenfall vorstellen. Es handelt sich um eine tatsächliche Patientin unserer Ambulanzabteilung. Als sie sich das erste Mal vorstellte, war sie 47 Jahre alt und litt seit etwa 13 Jahren unter T2DM. Ihre Größe betrug 158 cm und ihr Körpergewicht 100 kg, was einem BMI von 40,1 kg/m 2 entspricht. Sie war lange Zeit mit Metformin behandelt worden. Es gab Gründe, die Behandlung zu intensivieren, und ihr Arzt versuchte, zusätzlich Basalinsulin zwischen den Mahlzeiten zu geben, aber nach wenigen Injektionen hatte sie lokale Reaktionen an der Einstichstelle und das Basalinsulin wurde

abgesetzt. Sie versuchte für einen sehr kurzen Zeitraum andere orale Wirkstoffe zusätzlich zu nehmen, hierzu gehörten ein Sulfonylharnstoff (SU) und ein Dipeptidylpeptidase-4-(DPP-4)- Inhibitor. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie keine diabetischen Komplikationen. Ihre Anamnese weist eine Thyreoidektomie auf, aufgrund derer sie jetzt als Ersatz L-Thyroxin erhielt. Sie hat arterielle Hypertonie. Ihr in der Praxis gemessener Blutdruck betrug 170/100 mmhg. Zu diesem Zeitpunkt betrug ihr HbA1c 9,2 % mit hohen Triglyceridwerten (309 mg/dl) und einem relativ normalem HDL-Cholesterinwert (HDL-C) von 55 mg/dl. Ihre geschätzte glomeruläre Filtrationsrate betrug über 60 ml/min, Serum-Creatinin war 0,8 mg/dl. Ihre C-Peptid- Konzentration betrug 0,67 nmol/l und ihre Thyreoidea-stimulierendes Hormon-Konzentration 5,5 mu/l. Seinerzeit nahm sie 1.000 mg Metformin zweimal täglich, einen Angiotensin-konvertierenden Enzymhemmer, Lisinopril, 10 mg einmal täglich, gegen ihren Bluthochdruck, sowie L-Thyroxin 125 mcg einmal täglich. Stephen, was können sie uns zu den antihyperglykämischen Effekten von GLP-1 RAs sagen? Wären GLP-1 RAs bei dieser speziellen Patientin eine Therapieoption? Dr. Stephen C. Bain: Ich glaube, dass GLP-1 RAs bei diesem Patiententyp wirklich eine Option wären. Außerdem sprechen auch die neuesten Consensus-Leitlinien der ADA/EASD für die Wahl eines GLP-1 RA für diese Patientin. Was die antihyperglykämische Wirksamkeit angeht, so bieten GLP-1 RAs eine signifikante Verringerung des HbA1c-Wertes, etwa 0,7 % - 1,0 % bei einer Exenatid-Behandlung. In den klinischen LEAD-Studien (Liraglutide Effect and Action in Diabetes) führte die Behandlung mit Liraglutid auch zu signifikanten Verringerungen des HbA1c. Signifikantere Verbesserungen des HbA1c-Wertes wurden tatsächlich mit Liraglutid im Vergleich zu SUs, Thiazolidinedionen (TZDs) oder Insulin erzielt. GLP-1 RAs sind hochwirksam bei der Blutzuckersenkung und haben noch andere Effekte, bei denen es sich um definitive Vorteile handelt. Dr. Nauck: Das ist sehr bemerkenswert. GLP-1 RAs können die Glykämie genauso gut kontrollieren wie Insulin. Dr. Bain: Vor kurzem wurde die Wirksamkeit von GLP-1 RAs mit der von DPP-4-Inhibitoren verglichen. Der GLP-1 RA Liraglutid führte zu einer höheren HbA1c-Verringerung als ein häufig verschriebener DPP-4-Inhibitor, Sitagliptin. GLP-1 RAs liefern eine Blutzuckersenkung unabhängig vom Baseline-HbA1c. Dr. Nauck: Dieser Vergleich wurde auch mit Exenatid einmal wöchentlich durchgeführt. Wir haben auch hier wieder einen sehr deutlichen Vorteil gegenüber der Behandlung mit Sitagliptin festgestellt, hierzu gehörte auch ein gewisser Gewichtsverlust. Dr. Bain: GLP-1 RAs werden auch mit einer niedrigen Hypoglykämierate assoziiert. Studien lassen tatsächlich darauf schließen, dass GLP-1 RAs mit nahezu placeboähnlichen Hypoglykämieraten verbunden sind, die viel niedriger als die mit SUs oder Insulin assoziierten

Hypoglykämieraten sind. Hypoglykämie kann nur dann zu einem Problem bei GLP-1 RAs werden, wenn diese in Kombination mit einem SU angewendet werden. Dr. Nauck: GLP-1 RAs sind für die Anwendung in Kombination mit SUs zugelassen, wenn es eine höhere Rate von hypoglykämischen Ereignissen gibt. Soviel ich weiß verhindern GLP-1 RAs die Hypoglykämie nicht, sie lösen sie nur nicht aus. Ärzte und Patienten müssen vorsichtig sein, wenn eine Kombination von Wirkstoffen angewendet wird, die möglicherweise hyperglykämische Episoden hervorrufen können (SUs plus GLP-1 RAs). Stephen, wenden Sie GLP-1 RAs zusätzlich zu SUs an? Dr. Bain: Ich wende GLP-1 RAs zusätzlich zu SUs an. Die in Großbritannien vorherrschende klinische Leitlinie, also dort, wo meine klinische Praxis basiert, führt den Arzt stark in die Richtung, GLP-1 RAs als Third-Line-Therapieoption zusätzlich zu Metformin und einem SU anzuwenden. Wenn ein GLP-1 RA zusätzlich zu Metformin und einem SU verabreicht wird, verringern wir die SU-Dosis bei Einleitung und hoffen, dass wir den SU komplett absetzen können. Es ist interessant, dass Sie die Möglichkeit erwähnt haben, Patienten vor Hypoglykämie zu schützen. Aus einigen kürzlich durchgeführten Insulin-Kombinationsstudien mit GLP-1 RAs zeichnet sich ab, dass GLP-1 RAs die Patienten potenziell vor Hypoglykämie zu schützen scheinen. Die unter GLP-1 RAs plus Insulin beobachteten Hypoglykämieraten waren angesichts des Grades der glykämischen Kontrolle tatsächlich niedriger als das, was wir erwartet hatten. Dies ist ein Konzept, das in Zukunft umfangreicher untersucht werden sollte. Dr. Nauck: Tina, welche Daten haben wir über die Effekte von GLP-1 RAs, die über die glykämische Kontrolle hinausgehen? Dr. Tina Vilsbøll: Umfangreiches Datenmaterial über die Effekte von GLP-1 RAs über die glykämische Kontrolle hinaus ist gerade in der Entwicklung. Wir wissen, dass GLP-1- Rezeptoren im ganzen Körper weit verbreitet sind und dass der Phänotyp des T2DM sehr viel mehr als hoher Blutzucker ist. Patienten mit T2DM leiden unter Adipositas. Wenn GLP-1- Rezeptoren im Zentralnervensystem stimuliert werden, fühlen sich die Patienten satt und der Appetit wird verringert. Daher können Patienten, die GLP-1 RAs erhalten, zusätzlich zur glykämischen Kontrolle auch ihr Körpergewicht reduzieren. Bei SUs, TZDs und Insulin steigt das Körpergewicht um 1-4 kg, wenn der HBA1c um 1 % verringert wird. Bei der Verabreichung von GLP-1 RAs wird der HbA1c jedoch ohne einen gleichzeitigen Anstieg des Gewichts oder des Hypoglykämierisikos verringert. Die Gewichtsreduzierungen scheinen bei kontinuierlich wirkenden GLP-1 RAs höher zu sein. Die Gewichtsreduzierung bleibt nach der GLP-1 RA-Behandlung bestehen. Derzeitige Evidenz weist darauf hin, dass die Reduzierungen des Körpergewichts etwa ein bis zwei Jahre nach der Behandlungseinleitung aufrechterhalten werden können. Dr. Nauck: Werden diese günstigen Effekte von GLP-1 RAs bei allen T2DM-Patienten beobachtet, die mit diesen Mitteln behandelt werden? Dr. Vilsbøll: Leider nein. Die Effekte, die wir bei GLP-1 RAs beobachten, sind dosisabhängig, je höher die Dosis, desto größer die Wirkung.

Es ist nicht möglich, absolut vorherzusagen, wer auf eine GLP-1 RA-Therapie anspricht, es ist jedoch angebracht, bei den meisten Patienten einen Therapiezyklus zu versuchen. Im Allgemeinen sprechen Patienten, die die Therapie früher im Krankheitsverlauf einleiten und einen niedrigeren HbA1c-Wert haben, besser auf die Behandlung an. Bei den Patienten, die nicht auf die Therapie ansprechen, ist es wichtig, das Arzneimittel abzusetzen. Ein weiterer interessanter extrapankreatischer Effekt von GLP-1 RAs ist ihre potenzielle Wirkung auf das Herz-Kreislaufsystem. Günstige Effekte auf Marker der CV-Erkrankung, einschließlich natriuretisches Peptid Typ B, Plasminogenaktivator-Inhibitor Typ 1 und hochsensitives C-reaktives Protein sind nach der GLP-1 RA-Behandlung beobachtet worden. Diese Ergebnisse sagen nicht aus, dass die CV-Erkrankung verhindert wird, aber die Effekte gehen in die richtige Richtung. Wir haben vor kurzem eine Metaanalyse durchgeführt, in der eine Verringerung des systolischen Blutdrucks von 3-4 mmhg unter GLP-1 RA nachgewiesen wurde. Dr. Nauck: War die Blutdrucksenkung lediglich die Folge des Gewichtsverlusts? Dr. Vilsbøll: Nein, denn die Effekte auf den Blutdruck können bereits nach wenigen Behandlungswochen festgestellt werden, also viel früher als jeglicher Effekt durch den Gewichtsverlust. Forscher nehmen an, dass diese Wirkungen auf den Blutdruck das Ergebnis von Vasodilation und natriuretischem Effekt sein könnten, die durch Verringerungen des Körpergewichts unterstützt werden. T2DM-Patienten mit dem höchsten Blutdruck an Baseline scheinen am meisten von der GLP-1 RA-Behandlung zu profitieren. Dr. Nauck: Gibt es Bedenken, dass Patienten mit normalem oder niedrigem Blutdruck hypotensiv werden könnten? Dr. Vilsbøll: Wenn Sie sich die Daten aus den Metaanalysen ansehen, bleibt bei Patienten mit einem Blutdruck von 120/80 mmhg der BD unverändert oder es kann ein geringer Anstieg des BD beobachtet werden. Dr. Nauck: Was geschieht klinisch mit dem CV-Risiko bei mit GLP-1 RAs behandelten Patienten? Dr. Vilsbøll: Ich habe derzeit darauf keine Antwort. Mehrere sehr große Studien werden derzeit durchgeführt, um diese Frage beantworten zu können. Die ersten Daten dürften 2014 zur Verfügung stehen. Dr. Nauck: Stephen, ist die Anwendung von GLP-1 RAs sicher? Ist eine besondere Überwachung erforderlich? Dr. Bain: Die langfristige Effekte auf die CV-Sicherheit werden derzeit untersucht. Was das unmittelbare Nebenwirkungsprofil dieser Arzneimittel angeht, so wurde das geringe Hypoglykämierisiko bereits erwähnt. Gastrointestinale Nebenwirkungen, einschließlich Übelkeit, sind am häufigsten. Patienten sollten darauf hingewiesen werden, dass sie sich bei Behandlungsbeginn übel und/oder aufgebläht fühlen können; ein kleiner Teil der Patienten kann auch unter Erbrechen leiden. In meiner eigenen klinischen Praxis finde ich es wichtig, diese potenziellen Nebenwirkungen mit den Patienten zu besprechen, dadurch erhöht sich die Akzeptanz und Toleranz des Patienten. Die gastrointestinalen Nebenwirkungen sind meistens

vorübergehend und verschwinden mit der Zeit. Eine schrittweise Titration des Arzneimittels ist auch hilfreich. Was die anderen Risiken angeht, so ist Pankreatitis ein bedeutendes unerwünschtes Ereignis, über das bei einer geringen Anzahl von Patienten unter GLP-1 RAs berichtet wird. Wir wissen, dass T2DM-Patienten ein höheres Risiko haben, an Pankreatitis zu erkranken, es ist jedoch schwierig, eine direkte Verbindung zwischen GLP-1 RAs und Pankreatitis zu beweisen. Meine persönliche Meinung dazu ist, dass es kein Pankreatitisrisiko bei Patienten unter GLP-1 RAs gibt, aber es hat eine Änderung der Packungsbeilage gegeben, um darauf hinzuweisen, dass es Bedenken gibt. Interessanterweise sind GLP-1 RAs bei Patienten mit Pankreatitis in der Vorgeschichte nicht kontraindiziert, wenn der Patient jedoch potenzielle Symptome entwickelt, sollte das Arzneimittel abgesetzt und der Patient untersucht werden. Wenn eine Pankreatitis bestätigt wird, dann sollte dieses Mittel zukünftig nicht erneut verabreicht werden. Die Risiken im Hinblick auf C-Zell-Schilddüsenadenome sind auf Tierspezies beschränkt. Es ist nicht erforderlich, Calcitonin oder Amylase/Lipase bei mit GLP-1 RAs behandelten Patienten routinemäßig zu kontrollieren. Dr. Nauck: Würden Sie einen GLP-1 RA bei einem Patienten anwenden, der genetisch für die Entwicklung von Schilddrüsenkrebs prädisponiert ist? Dr. Bain: Ich glaube, dass man bei Patienten mit einem seltenen endokrinen Syndrom oder Schilddrüsenkrebs in der familiären Vorgeschichte beim Einleiten der GLP-1 RA-Therapie vorsichtig sein sollte. Ich würde jedoch trotzdem einen GLP-1 RA bei einem Patienten verschreiben, der eine Schilddrüsenhormon-Ersatztherapie erhält, wie das bei Ihrer Patientin der Fall ist. Dr. Nauck: Ele, wie würden Sie die antihyperglykämische Behandlung der Patientin einstellen? Dr. Ferrannini: Ihre Patientin ist eine relativ junge Frau, schwer adipös, hypertensiv und dyslipidämisch mit einer typischen T2DM-Dyslipidämie (hohe Triglyceride und relativ niedriges HDL-C). Bei ihr hat Metformin versagt und sie verträgt kein Insulin. Sie scheint eine ideale Patientin zu sein, der man einen GLP-1 RA anbieten kann. Ein GLP-1 RA kann ihren HbA1c- Wert reduzieren, ohne eine weitere Gewichtszunahme zu verursachen, und sogar einen gewissen Gewichtsverlust bewirken, ohne ungünstige Auswirkungen auf das Lipidprofil. Ein GLP-1 RA kann möglicherweise sogar helfen, ihren Blutdruck zu senken, der nicht gut kontrolliert war. Dr. Nauck: Ist es bei Patienten mit hohem HbA1c möglich, Insulin mit einem GLP-1 RA zu kombinieren? Dr. Ferrannini: Es ist möglich, Insulin auf zwei verschiedene Arten mit einem GLP-1 RA zu kombinieren. Zuerst einmal kann ein GLP-1 RA sequentiell der Insulin-beinhaltenden antihyperglykämischen Therapie eines Patienten hinzugefügt werden. Aus einer vor kurzem durchgeführten Studie geht hervor, dass durch das Hinzufügen von Exenatid zu Insulinglargin die glykämische Kontrolle ohne Hypoglykämie oder Gewichtszunahme verbessert wurde. Zweitens kann Insulin sequentiell einer antihyperglykämischen Therapie hinzugefügt werden, die einen GLP-1-RA enthält. Eine weitere neuere Studie berichtete, dass durch die zusätzliche Gabe von Insulindetemir zu Liraglutid eine gute glykämische Kontrolle, anhaltender

Gewichtsverlust und sehr wenige hypoglykämische Ereignisse erzielt wurden. Es gibt immer mehr Beweise dafür, dass durch das Vorhandensein eines GLP-1 RA die unerwünschten Effekte von Insulin (d.h. Gewichtszunahme und Hypoglykämie) gemäßigt oder abgeschwächt werden können, ohne auf die antihyperglykämische Wirksamkeit verzichten zu müssen. Bei jedem dieser Szenarien ist es vernünftig, bei Patienten, die eine intensivere Behandlung erfordern, Insulin mit einem GLP-1 RA zu kombinieren. Dr. Nauck: Tina, sind alle GLP-1 RAs gleich? Dr. Vilsbøll: Nein, sie sind nicht gleich. Es gibt zwei GLP-1 RAs, die auf dem Markt weit verbreitet sind, Exenatid und Liraglutid. Die Struktur von Exenatid basiert auf Exendin-4, dem Speichel der Gila-Krustenechse, und die Struktur von Liraglutid basiert auf humanem GLP-1. Exenatid ist mit einem höheren Grad an Immunogenizität assoziiert. Zusätzlich zu der chemischen Struktur unterscheidet sich auch das pharmakokinetische Profil dieser zwei Wirkstoffe. Exenatid ist ein kürzer wirkender Wirkstoff, seine Halbwertszeit beträgt etwa 2,4 Stunden. Liraglutid ist ein kontinuierlich wirkender GLP-1 RA, seine Halbwertszeit beträgt etwa 13 Stunden. Wirkstoffe mit einer längeren Halbwertszeit bieten ein gleich bleibenderes pharmakokinetisches Profil, so dass Schwankungen der GLP-1-Konzentrationen, und daher auch Nebenwirkungen, minimiert werden. Das Auftreten von Übelkeit und Erbrechen scheint bei länger wirkenden GLP- 1 RAs niedriger zu sein. Für die Zukunft können wir mit der Entwicklung von GLP-1 RAs rechnen, die sogar noch längere Halbwertszeiten und noch stärkere Auswirkungen auf den HbA1c mit potenziell weniger Nebenwirkungen haben. Dr. Nauck: Ele, wie von Ihnen vorgeschlagen, haben wir diese Patientin mit einem GLP-1 RA behandelt. Ihr HbA1c-Wert sank auf etwa 7,0 % und wurde etwa drei Jahre in diesem Bereich gehalten. Außerdem verringerte sich ihr Körpergewicht um 10 kg. Sie ist mit ihrer antihyperglykämischen Therapie sehr zufrieden. Zusammengefasst kann gesagt werden, dass aktuelle Leitlinien einen patientenzentrierten Ansatz beim Hyperglykämie-Management fordern. Dies trifft sowohl auf die Behandlungsziele als auch auf die Wahl der Wirkstoffe zu. GLP-1 RAs verringern nicht nur Glykämie, sondern führen auch zu Gewichtsverlust und sind nicht mit Hypoglykämierisiken verbunden. Außerdem hat Tina uns von weiteren günstigen Auswirkungen auf CV-Risikofaktoren berichtet, zu denen auch eine wesentliche Senkung des Blutdrucks gehört. Sowohl aus wissenschaftlicher Sicht als auch aus Sicht der Patienten sind GLP-1 RAs eine wirksame Klasse von Arzneimitteln, die eingesetzt werden können, wenn eine Eskalation der antithrombozytären Therapie erforderlich ist. CV-Ergebnisstudien werden derzeit durchgeführt, um die langfristige Sicherheit und einen potenziellen Nutzen für T2DM-Patienten unter Beweis zu stellen. Tina, Ele und Stephen, vielen Dank für dieses Gespräch.

Vielen Dank, dass Sie sich dieses Programm angesehen haben. Wir hoffen, dass Sie es interessant fanden, und dass die Informationen Ihnen helfen werden, das Diabetes- Management zu verbessern, wobei besonders GLP-1 RAs in Erwägung gezogen werden sollten.