Grußwort MinDir Dr. Seegers bei dem Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft Es gilt das gesprochene Wort! Sehr geehrte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, liebe Auszubildenden und Schüler, sehr geehrter Herr Präsident Meyer zu Wehdel, sehr geehrte Damen und Herren! Vielen Dank für die Einladung zum 8. Arbeitnehmertag der Agrarwirtschaft hier auf der EuroTier 2014. Zunächst möchte ich Ihnen allen die herzlichen Grüße des Schirmherrn der heutigen Veranstaltung, Herrn Bundesminister Christian Schmidt, übermitteln. Motivation von Fach- und Führungskräften im Agrarbereich Ich habe die Einladung zu dem Arbeitnehmertag aus zwei Gründen gerne angenommen. Zum einen ist die Thematik Fach- und Führungskräfte der Agrarwirtschaft - und deren Motivation - wichtig für das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, insbesondere mit dem Blick auf die demografische Entwicklung in
Deutschland. Zum anderen interessiert mich die Thematik der heutigen Veranstaltung natürlich auch aus der Sicht einer Politikerin, da ich schon lange der Überzeugung bin, dass die Sicherung des Berufsnachwuchses eines der wichtigsten aber auch anspruchsvollsten Zukunftsthemen für jedes Unternehmen ist. Die heutige Veranstaltung ist als 8. Arbeitnehmertag deklariert. Allerdings weiß ich, dass sich diese Veranstaltung traditionell ausdrücklich an Fachkräfte und Unternehmer moderner Unternehmen in der Agrarwirtschaft richtet. Außerdem sehe ich hier in der Runde viele Gesichter, die sicher eher der Gruppe der Auszubildenden oder Schüler zuzuordnen sind. Vielfalt der Beschäftigungsstruktur im Agrarbereich Der scheinbare Widerspruch, dass die Einladung für einen Arbeitnehmertag ausdrücklich auch an die Führungskräfte und Unternehmer des Agrarbereichs gerichtet ist, macht in meinen Augen deutlich, dass der Agrarbereich eine Sonderstellung in Bezug auf die übliche Einteilung Arbeitnehmer/Arbeitgeber im Vergleich zu anderen Wirtschaftsbereichen einnimmt. Während diese klassische Einteilung sich z. B. im Bereich des Gartenbaus meist nachvollziehen lässt, stellt sich die Situation im Bereich Landwirtschaft wesentlich vielfältiger dar.
Vor nicht allzu langer Zeit wurde prognostiziert, dass es bald keine Arbeitnehmer mehr in der Landwirtschaft geben würde. Heute hat sich diese Einschätzung überholt. Technisierung, betriebliche Spezialisierungen und Anpassungen an neue nationale und internationale Rahmenbedingungen haben die grüne Branche in den vergangenen Jahren stark verändert. Die professionellen Anforderungen in allen Bereichen und auf allen Ebenen haben sich stark erhöht. Die deutsche Agrarwirtschaft hat nur dann gute Zukunftschancen, wenn sie sich unternehmerisch aufstellt. Immer mehr Betriebe können im Zuge des Strukturwandels ihre Anforderungen im Produktions- und/oder Dienstleistungsbereich nicht mehr allein mit Familienarbeitskräften bewältigen und müssen deshalb Mitarbeiter/innen einstellen. Hinzu kommen veränderte Arbeits- und Freizeitbedürfnisse von Erwerbstätigen in den Betrieben. Wandel in den Familienbetrieben Familienbetriebe entwickeln sich zu familiengeführten Unternehmen mit Arbeitnehmern/innen. Oft arbeiten Betriebe mit mehreren Betriebsstätten und binden sich in Kooperationsverbünde in den Bereichen Beschaffung, Produktion und Absatz ein. Dies wirkt sich unmittelbar auf die Beschäftigungsstrukturen und den Arbeitsmarkt aus. Gleichzeitig erhöht sich die Vielfalt von
Beschäftigungsverhältnissen. Diese veränderten Arbeits- und Beschäftigungsstrukturen haben weitreichende Konsequenzen für das Rollenverständnis und die Anforderungen sowohl bei Arbeitgebern als auch bei Arbeitnehmern. Familienklima wird zum Betriebsklima. Bildung ist der Schlüssel für die Zukunft Ein wesentlicher Faktor zur Bewältigung der vor dem Agrarbereich stehenden Herausforderungen ist die Bildung. Und hierbei meine ich die Gesamtheit von Aus-, Fort- und Weiterbildung. Ich freue mich besonders darüber, dass so viele Schülerinnen und Schüler die heutige Veranstaltung besuchen. Eine Ausbildung in einem der 14 grünen Berufe kann für viele von euch einen guten Einstieg in das Berufs- und Arbeitsleben bieten. Der Agrarbereich bietet mit diesen Berufen in der Bandbreite von Gärtner über Landwirt und Tierwirt bis hin zum Forstwirt und Winzer viele Möglichkeiten für Jugendliche, die sich ihre Zukunft in einer naturverbundenen Tätigkeit vorstellen können, die allerdings auch das Beherrschen vielfältiger Technik und vor allem ein hohes Maß an Eigenverantwortung fordert. Eine besondere Herausforderung und auch Stärke im Agrarbereich ist dabei die Tatsache, dass die duale Ausbildung in diesen Berufen nicht an einer goldenen Werkbank erfolgt. Die Auszubildenden
werden von Anfang an in die betrieblichen Prozesse eingebunden und müssen daher auch frühzeitig Verantwortung übernehmen. Außerdem gibt es auf Grund der durch kleine Unternehmen geprägten Struktur im Agrarbereich immer einen sehr engen Kontakt zwischen den Ausbildern und den Auszubildenden. Die besondere Stärke der dualen Berufsausbildung in Deutschland wird auch immer wieder in der geringen Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland deutlich. Dies führt dazu, dass sich in den letzten Jahren eine steigende Zahl von internationalen Delegationen mit diesem System beschäftigt hat. Von besonderem Interesse ist für diese Delegationen die Frage: Warum engagieren sich die deutschen Arbeitgeber so stark in der Ausbildung? Warum sehen sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber in Fragen der Berufsausbildung in einer gemeinsamen Verantwortung? Die Antwort lautet vereinfacht ausgedrückt, weil dieses System sowohl dem Unternehmer als auch den zukünftigen Fachkräften eine den Anforderungen des Arbeitsmarktes entsprechende Ausbildung garantiert. Ich will hier nicht auf alle Details eingehen. Aber bei meinen internationalen Kontakten habe ich in der letzten Zeit immer wieder das deutliche Signal erhalten, dass weltweit an vielen Stellen daran gearbeitet wird, Elemente des dualen Systems in die nationalen Bildungssysteme einzuführen. Dies gilt insbesondere für die agrarische Berufsausbildung und auch für das Handwerk.
An dieser Stelle noch einmal an alle Schülerinnen und Schüler hier im Saal die Aufforderung, schaut euch die Möglichkeiten einer Ausbildung im Agrarbereich an, lasst euch dazu beraten und vor allem geht auch mal in die Unternehmen dieser Branche. Ihr werdet feststellen, Grüne Berufe sind Zukunftsberufe, die wenig mit den Klischees zu tun haben, die durch die Medien gerne gepflegt werden. Und glauben Sie mir, die große Überschrift Karriere dieser Veranstaltung lässt sich in der heutigen Agrarbranche in einer vielfältigeren Art und Weise verwirklichen, als in vielen anderen Wirtschaftsbereichen. Fachkräftesicherung durch gute Ausbildung Die demografische Entwicklung in Deutschland, aber auch in Europa, ist in den nächsten 20 Jahren deutlich vorgezeichnet. Die Zahl von Schulabgängern geht aktuell insbesondere in den neuen Ländern deutlich zurück. Motivierte, ausbildungsfähige Schulabgänger werden ein kostbares Gut. Der Agrarsektor muss sich bereits aktuell - und vermutlich in Zukunft verstärkt als attraktiver Ausbildungsanbieter in Konkurrenz mit anderen Wirtschaftszweigen präsentieren. Imagekampagnen der Berufsverbände, der zuständigen Stellen, der Ministerien oder des BMEL werden ohne das Engagement der Unternehmen, der Ausbildungsbetriebe vor Ort, ins Leere laufen. Daher ist es wichtig, dass sich die Unternehmen für die Zukunftsaufgabe - Sicherung
des Fachkräftebedarfs im Agrarbereich motivieren und ihre Verantwortung bewusst wahrnehmen. Nach meiner Einschätzung gibt es im Agrarsektor viele hervorragende Ausbildungsbetriebe. Diese Unternehmen sind durch die hohe Motivation der Arbeitgeber für die Ausbildung geprägt. Hier wird nicht auf die Jugendlichen gewartet, sondern auf diese zugegangen. Diese Unternehmen präsentieren sich an Schulen und auf Ausbildungsmessen. Sie bieten interessante Praktikumsplätze an oder eröffnen Schülern auch die Möglichkeit der Ferienarbeit. Aber es gibt sicher noch zu viele Unternehmen, die sich bisher auf die Ausbildung von Betriebsnachfolgern konzentriert haben und sich vor der Vollausbildung von Branchenfremden scheuen. Ich kann den Unternehmern des Agrarbereichs nur empfehlen, motivieren sie sich gegenseitig, die Fachkräftesicherung durch ein gutes Ausbildungsangebot selber in die Hand zu nehmen. Gute Ausbildung bedeutet vor allem, die Auszubildenden so zu motivieren, dass sie in den drei Jahren der Ausbildung die notwendige berufliche Handlungsfähigkeit erwerben, um in dem gewählten Beruf bestehen zu können. Dabei geht es vor allem um das ausgewogene Verhältnis von Fördern und Fordern, um das entsprechende Ausbildungsklima. Dass dies leider noch nicht an jedem Ausbildungsplatz vorhanden ist, wird auch in der Zahl der Ausbildungsabbrüche (teilweise noch im dritten Ausbildungsjahr) deutlich.
Veränderte Betriebs- und Beschäftigungsstrukturen in den Unternehmen des Agrarbereichs haben auch Auswirkungen auf die Unternehmenskultur. Unternehmer, die erstmals mit angestellten Arbeitnehmern arbeiten, haben sich nicht nur mit rechtlichen Fragen auseinanderzusetzen, sondern auch mit der Frage, wie ein leistungsförderndes Betriebsklima gestaltet werden kann. Die Beschäftigung von Arbeitnehmern/innen verändert Abläufe, Arbeitsorganisation und Rollenanforderungen in landwirtschaftlichen Betrieben. Hierfür sind das unternehmerische Bewusstsein zu schärfen und bei Bedarf rechtzeitig entsprechende Anpassungen im betrieblichen Gesamtgefüge einzuleiten. Betriebsinhaber bzw. betriebliche Führungskräfte sollten spezielle Informations- und Weiterbildungsmaßnahmen nutzen. Die Mitarbeiterführung spielt einschließlich der innerbetrieblichen Kommunikation eine entscheidende Rolle für jedes Beschäftigungsverhältnis. Eine konstruktive und zielgerichtete Kommunikation, ein gutes Konfliktmanagement und die Sicherung einer nachhaltigen Motivation aller Akteure sind unbedingte Voraussetzung für Betriebs- bzw. Berufserfolg. Herausforderung Lebenslanges Lernen Auch der Agrarbereich muss sich auf eine systematische
einzelbetriebliche Personalplanung einstellen. Dazu gehört auch ein Qualifizierungskonzept einschließlich der dafür erforderlichen Zeit-, Sach- und Finanzplanung. Wichtig ist eine ausreichende zeitliche Freistellung von Arbeitnehmern für berufliche Qualifizierung. Der Begriff des lebenslangen Lernens wird leider oft leichtfertig als Floskel missbraucht. Dieser Begriff beinhaltet aber eine der größten Herausforderungen der heutigen Arbeitswelt. Die zunehmend komplexeren Herausforderungen des Marktes und der Gesellschaft erfordern eine permanente Anpassung der Kompetenzen der Unternehmen aber auch jedes Einzelnen. Man kann auch sagen: Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit!. Daher ist lebenslanges Lernen eine Verantwortung, der sich sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer stellen muss. Der Arbeitgeber steht dabei vor der doppelten Herausforderung einer Sicherstellung der eigenen lebenslangen Fort- und Weiterbildung genauso wie vor der Verantwortung für ein bildungsfreundliches Klima im Unternehmen. Dieses bildungsfreundliche Klima kann nicht nur an der Bereitschaft zur Kostenübernahme für externe Fortund Weiterbildungsmaßnahmen festgemacht werden, sondern auch an dem Wissens- und Meinungsaustausch im Unternehmen selbst. Kurz, es ist eine wichtige Frage der Unternehmenskultur.
Und diese Frage hat wieder entscheidend mit Fragen der eigenen Motivation und der der Mitarbeiter zu tun. Die eigene und die Qualifikation der Mitarbeiter als eine wichtige Zukunftsinvestition zu begreifen und bewusst als einen Aspekt der Unternehmensentwicklung zu nutzen ist eine Aufgabe, der sich die Unternehmen des Agrarbereichs stellen müssen. Für Arbeitnehmer/innen gibt es aber auch eine weitgehende Eigenverantwortung für die Teilnahme am lebenslangen Lernen. Qualifikation, permanente Weiterbildung, Interesse an Anpassungsund Aufstiegsfortbildung sind unabdingbare Voraussetzungen, um als wertvolle Fach- und Führungskraft am Arbeitsmarkt zu bestehen. Gerade der Agrarsektor hat in den letzten Jahren enorme Weiterentwicklungen in Bezug auf die erforderlichen Kompetenzen (ich will hier nur das Beispiel Biogas nennen) vollzogen, die notwendige Anpassungen der Qualifikation, des Wissens und Könnens erfordern. Lebenslanges Lernen bewusst zu gestalten, ist meiner Auffassung nach abhängig von der Motivation des Einzelnen, des Unternehmens und sicher auch der Gesellschaft insgesamt. Bildung und Motivation bilden in gewisser Hinsicht auch eine Einheit. Motivation heißt auch, sich mit den eigenen Widerständen oder der Trägheit auseinander zu setzen. Der von allen mit dem Erwerb von Wissen verbundene Begriff studieren lässt sich von seinem lateinischen Ursprung her auch mit sich(um etwas)
bemühen übersetzen. Lebenslanges Lernen beinhaltet also auch das lebenslange Mühen um mehr Wissen und Können. Um dies zu bewältigen, muss auch die entsprechende Motivation vorhanden sein. Und ich meine dies alles findet sich in dem Thema der Veranstaltung KARIERRE MIT WISSEN, LEIDENSCHAFT UND NETZWERK ZUM ERFOLG wieder. Zum Schluss meines Grußwortes möchte ich der Landwirtschaftskammer Niedersachsen als Veranstalter zu der Idee für diese Veranstaltungsreihe gratulieren. Mit der nun achten Arbeitnehmertagung für den Agrarbereich - und ich glaube, das Thema Qualifizierung, Bildung ist für diese Reihe ein roter Faden - haben Sie nachgewiesen, dass der Arbeitnehmerbereich für die Agrarwirtschaft ein wichtiger Sektor ist. Und ich habe den Eindruck, dass es den Verantwortlichen der Landwirtschaftskammer gelungen ist, hier eine Marke zu etablieren. Ich wünsche der weiteren Veranstaltung einen guten Verlauf und allen Anwesenden eine Zunahme an Wissen und Motivation als Ergebnis der heutigen Teilnahme. Danke.