113.01 SAS. Motion Catherine Keller-Studer



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Transkript:

Motion Catherine Keller-Studer zur Wiedereinführung der Möglichkeit für die Gemeinden, den Arbeitgeber anzuhalten, die geschuldeten laufenden Krankenversicherungsprämien vom Lohn abzuziehen 113.01 SAS Zusammenfassung der Motion Mit ihrer am 9. Februar 2001 eingereichten und begründeten Motion legt Grossrätin Catherine Keller-Studer zusammen mit 21 Mitunterzeichnern dar, dass die unter dem alten System geltenden Bestimmungen den Gemeinden die Möglichkeit gaben, bei Nichtzahlung der Krankenkassenprämien durch die versicherte Person deren Arbeitgeber anzuhalten, die geschuldeten laufenden Prämien vom Lohn abzuziehen (s. Art. 15 Abs. 2 des Ausführungsreglements vom 28. Februar 1983 zum Gesetz vom 11. Mai 1982 über die Krankenversicherung, in Kraft bis zum 31. Dezember 1996). Nach Auffassung der Motionärin beraubt das Fehlen einer solchen Bestimmung in der heutigen kantonalen Gesetzgebung über die Krankenversicherung (Ausführungsgesetz vom 24. November 1995 zum Bundesgesetz über die Krankenversicherung, KVGG) die Gemeinden eines wirksamen Eintreibungsinstruments, mit dem es möglich wäre, das Verantwortungsbewusstsein der Bürgerinnen und Bürger zu schärfen. Diese Situation hindert die Gemeinden an der Gleichbehandlung ihrer Bürgerschaft, denn sie sehen sich manchmal offensichtlichem Missbrauch gegenüber gestellt, gibt es doch Bürgerinnen und Bürger, die unbedenklich Ausgaben namentlich für ihre Freizeit tätigen und es dem Gemeinwesen überlassen, ihre Krankenversicherungsprämien zu zahlen. Catherine Keller-Studer verlangt deshalb, in das KVGG wieder eine Bestimmung aufzunehmen, nach der die Gemeinden den Arbeitgeber einer versicherten Person, die mit der Zahlung ihrer Prämien im Verzug ist, anhalten können, die entsprechenden Beträge vom Lohn einzubehalten. Antwort des Staatsrats Was die Übernahme der Prämien und Kostenbeteiligungen angeht, so ist zunächst an die Entwicklung der kantonalen Gesetzgebung über die Krankenversicherung zu erinnern (1). Ferner ist zu prüfen, welchen Einfluss die Rechtsprechung betreffend die Beziehungen zwischen Krankenversicherern und Versicherten einerseits (2) und zwischen Versicherern und Gemeinden andererseits (3) hat. Eine Regelung der Fragen betreffend die Nichtzahlung von Prämien und Kostenbeteiligungen muss auch die laufende Teilrevision des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung berücksichtigen (4). Abschliessend soll geprüft werden, welche Folge der Motion zu leisten ist (5).

2 1. Entwicklung des kantonalen gesetzlichen Rahmens Bis zum 31. Dezember 1996 galten das kantonale Gesetz vom 11. Mai 1982 über die Krankenversicherung (GKV) sowie dessen Ausführungsreglement (ARGKV). Artikel 15 Abs. 2 GKV verpflichtete die Gemeinde, die Prämien oder Kostenanteile zu zahlen, die bei den obligatorisch Versicherten nicht einkassiert werden konnten. Nach Artikel 15 ARGKV war das Gemeindebüro bei Verzug in der Prämienzahlung berechtigt, den Arbeitgeber anzuhalten, die vom Arbeitnehmer geschuldeten laufenden Prämien vom Lohn in Abzug zu bringen. Dies galt auch bei Lohnpfändung durch das Betreibungsamt im Rahmen des Existenzminimums (Abs. 2). Die Gemeinden hatten nicht einbringliche Prämien oder Kostenanteile zu übernehmen, sobald die Krankenkasse einen Verlustschein gegen einen ihrer Versicherten vorlegte (Abs. 3). Die Verpflichtung der Gemeinde zur Übernahme der Prämien oder Kostenanteile erlosch, sofern die Krankenkasse das Verfahren zur Erhältlichmachung ihres Guthabens nicht innerhalb eines Jahres eingeleitet hatte (Abs. 4). Das am 1. Januar 1996 in Kraft getretene Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG) bedingte den Erlass neuer kantonaler Ausführungsbestimmungen. Was die Nichtzahlung der Versicherungsprämien und Kostenbeteiligungen angeht, so enthält das Ausführungsgesetz vom 24. November 1995 zum Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVGG, seit dem 1. Januar 1997 in Kraft), Bestimmungen, die wie folgt zusammengefasst werden können: Bezahlt eine versicherte Person trotz Zahlungsaufforderung ihre Prämien nicht, weil ihre wirtschaftlich bescheidenen Verhältnisse sie an der Zahlung hindern, so leitet der Versicherer beim Gemeinderat ein Gesuch um Prämienverbilligung ein (Art. 6 KVGG). Die Gemeinde bezahlt anstelle der versicherten Person die Prämien oder Kostenbeteiligungen, wenn die Verfahren zur Einziehung der Prämien und zur Prämienverbilligung abgeschlossen sind und ein Verlustschein auf Kosten des Versicherers vorgelegt wurde (Art. 7 Abs. 1 KVGG). Die Verpflichtung der Gemeinde erlischt, wenn der Versicherer die Verfahren zur Einziehung der Prämien und zur Prämienverbilligung nicht innert vier Monaten seit Fälligkeit der Prämien oder Kostenbeteiligungen eingeleitet oder wenn er den Verlustschein nicht innert einem Jahr seit dessen Ausstellung vorgelegt hat (Art. 8 KVGG). Eine Gemeinde oder eine Organisation von Gemeinden einerseits und ein Versicherer oder eine Organisation von Versicherern andererseits können für den Vollzug von Artikel 6-8 eine Vereinbarung abschliessen, nach Bedingungen, die vom Staatsrat festgesetzt werden. Die Vereinbarung regelt insbesondere die Fälle von offensichtlicher Zahlungsunfähigkeit (Art. 9 KVGG). Im Übrigen präzisiert der Beschluss vom 17. Februar 1997 über die Kontrolle der Krankenversicherung und die Zahlung der Prämien in Artikel 3 Abs. 2, dass die Gemeinde die Prämien oder die Kostenbeteiligungen innert 30 Tagen seit der Vorlegung des Verlustscheins durch den Versicherer zahlt. Bestreitet sie die Ansprüche des Versicherers ganz oder teilweise, so fällt sie innert derselben Frist einen Entscheid unter Angabe der Gründe, der Rechtsmittel und der Beschwerdefrist.

3 2. Einfluss der Rechtsprechung betreffend die Beziehungen zwischen Versicherten und Krankenversicherern Nach der Rechtsprechung auf dem Gebiet der sozialen Krankenversicherung ist der Krankenversicherer berechtigt, die von ihm geschuldeten Leistungen mit den vom Versicherten und dessen Familie geschuldeten Prämien und Kostenbeteiligungen zu verrechnen. Die Kostenverrechnung ist ein allgemeines Rechtsprinzip im Verwaltungsrecht, einschliesslich des Sozialversicherungsrechts, unter Vorbehalt von dessen Besonderheiten. Der Krankenversicherer muss jedoch prüfen, ob die persönliche finanzielle Situation des Versicherten und dessen Familie gegen eine Verrechnung spricht. Diese darf nämlich die Existenzmittel des Versicherten und seiner Familie nicht gefährden. Somit darf die Massnahme den Familienhaushalt nicht des Existenzminimums berauben, das vom Schuldbetreibungs- und Konkursrecht vorgesehen ist (s. Artikel 93 des Bundesgesetzes vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs, SchKG). 3. Einfluss der Rechtsprechung betreffend die Beziehungen zwischen Gemeinden und Krankenversicherern In zwei Entscheiden vom 22. Februar 2001 über die Verpflichtung der Gemeinden zur Übernahme nicht bezahlter Mindestprämien kam das Verwaltungsgericht erstens zum Schluss, die Verpflichtung der Krankenversicherer, für ihre Versicherte, die ihre Prämien trotz Zahlungsaufforderung nicht zahlen, weil ihre wirtschaftlich bescheidene Situation sie daran hindert, ein Gesuch um Prämienverbilligung einzureichen, sei nicht KVG-konform. Zweitens erachtete es die viermonatige Frist ab der Fälligkeit der Prämien oder Kostenbeteiligungen, innert der die Krankenversicherer das Inkassoverfahren einleiten müssen, als ungenügend. Was den letzten Punkt angeht, so haben die betroffenen Gemeinden beim eidgenössischen Versicherungsgericht Beschwerde eingelegt. 4. Teilrevision des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung Mit einer Botschaft vom 18. September 2000 (s. Bundesblatt 2001, S. 741 ff. und 817 ff.) überwies der Bundesrat dem Parlament einen Entwurf für die Teilrevision des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung. Der Entwurf, der zur Zeit geprüft wird, enthält namentlich einen neuen Artikel 61a (neu) mit der Überschrift Nichtzahlung von Prämien und Kostenbeteiligungen. Dieser lautet wie folgt : 1 Werden fällige Prämien oder Kostenbeteiligungen nicht bezahlt, hat der Versicherer die versicherte Person schriftlich zu mahnen und räumt ihr eine Nachfrist von dreissig Tagen ein. Der Versicherer weist auf die Folgen des Zahlungsverzuges hin. 2 Hat die Mahnung keine Zahlung zur Folge, schiebt der Versicherer nach Ablauf der Nachfrist die Übernahme der Kosten für die Leistungen auf, bis die ausstehenden Prämien oder Kostenbeteiligungen vollständig bezahlt sind. Gleichzeitig benachrichtigt der Versicherer die zuständige Sozialhilfebehörde am Wohnort der versicherten Person über den Leistungsaufschub. Vorbehalten bleiben kantonale Vorschriften, namentlich solche, welche eine vorhergehende Meldung an die für die Prämienverbilligung zuständige Behörde vorsehen. 3 Sind die ausstehenden Prämien oder Kostenbeteiligungen vollständig bezahlt, so hat der Versicherer die Kosten für die Leistungen während der Zeit des Aufschubs zu übernehmen.

4 4 Wechseln säumige Versicherte den Versicherer, informiert der bisherige Versicherer den neuen Versicherer über die ergangenen Mahnungen und eingeleiteten Betreibungen. Vom bisherigen Versicherer gemahnte oder betriebene Forderungen haben auch beim neuen Versicherer einen Leistungsaufschub zur Folge. Der bisherige Versicherer informiert den neuen Versicherer, sobald die bei ihm ausstehenden Prämien und Kostenbeteiligungen vollständig bezahlt sind. 5 Der Bundesrat regelt die Einzelheiten des Prämieninkassos, des Mahnverfahrens und hinsichtlich der Folgen des Zahlungsverzugs. Gemäss dem Bundesrat (s. Botschaft vom 18. September 2000, Bundesblatt, S. 796 f.) zeigen die Erfahrungen der Krankenversicherer, dass die Prämien- und anderen Zahlungsausstände seit Inkrafttreten des KVG stark zugenommen haben und dass die Regelung von Artikel 9 Absatz 2 KVV, welche eine Sistierungsmöglichkeit erst nach der Einleitung des Vollstreckungsverfahrens und nach dem Vorliegen eines Verlustscheines gegen den säumigen Versicherten ansetzt, in kausalem Zusammenhang zu den zunehmenden Zahlungsausständen steht. Die Zahlen der Versicherer untermauern, dass die Zahlungsausstände in einem problematischen Ausmass von Jahr zu Jahr zunehmen. «In einem ergänzenden Artikel 61a wird ein schriftliches Mahnverfahren vorgesehen, welches die Versicherer gegen säumige Versicherte einleiten müssen, bevor sie ihre Leistungen an diese Versicherten aufschieben. Hat das Mahnverfahren keine Zahlung zur Folge, genügt es als Voraussetzung für die Leistungssistierung.... Mit Absatz 2 zweiter Satz wird sichergestellt, dass die kantonalen Behörden frühzeitig über die Zahlungsausstände säumiger Versicherter informiert werden». 5. Schlussfolgerung Die Bestimmung des alten Ausführungsreglements zum kantonalen Gesetz über die Krankenversicherung (d. h. Artikel 15 Abs. 2 ARGKV), deren Verschwinden von der Motionärin bedauert wird, liess der Gemeinde lediglich die Möglichkeit, den Arbeitgeber anzuhalten, bei Zahlungsverzug die vom Arbeitnehmer geschuldeten laufenden Prämien vom Gehalt abzuziehen, auch bei Lohnpfändung durch das Betreibungsamt im Rahmen des Existenzminimums (s. oben, Ziffer 1). Diese in keiner Weise zwingende Bestimmung wurde nur selten angewendet, da ihre Anwendung darüber hinaus eine Koordination mit dem Betreibungsamt erforderte. Da eine solche Bestimmung die Übermittlung sensibler persönlicher Daten an den Arbeitgeber impliziert, wurde die kantonale Behörde für die Aufsicht über den Datenschutz um ihre Stellungnahme ersucht. In ihrer Antwort vom 11. September 2001 äusserte sich die Behörde wie folgt : 1. Die Kommission ist der Auffassung, dass der Nutzen eines solchen Systems gegenüber dem geltenden System beschränkt wäre. 2. Dieses System würde bedeuten, dass die heutige Möglichkeit, für jeden konkreten Fall eine geeignete Lösung zu finden (insbesondere seit die Sozialdienste von den Gemeinden mit der Prüfung möglicher Lösungen betraut wurden), dahin fiele. 3. Grundsätzlich bleibt die Krankenversicherung in der Schweiz eine private Angelegenheit. Es besteht kein Grund, den Arbeitgeber in die Beziehung zwischen Versicherer und versicherter Person einzuschalten. Die Kommission kommt zum Schluss, dass die Motion abzuweisen sei, und präzisiert, dass jede andere Lösung eine demokratische Debatte, das heisst den Erlass einer formellen gesetzlichen Grundlage erfordern würde. Wie oben ausgeführt, befindet sich der rechtliche Kontext für die Streitfälle auf dem Gebiet der sozialen Krankenversicherung in voller Entwicklung. Die jüngste Recht-

5 sprechung bedingt Anpassungen des KVGG. Ausserdem erfährt das KVG höchstwahrscheinlich Änderungen, die sich auf die kantonalen Ausführungsbestimmungen auswirken werden. Im Übrigen prüft die Westschweizer Vereinigung der Sozialversicherungen (groupement latin des assurances sociales), der die Westschweizer Kantone sowie die Kantone Bern und Tessin angehören, die Möglichkeit der Einführung eines Protokolls für die Harmonisierung auf dem Gebiet der Streitfälle in der Krankenversicherung. Der Dienst für Gesundheit stellt zur Zeit eine Arbeitsgruppe aus Vertreterinnen und Vertretern der betroffenen Kreise zusammen. Diese soll alle Fragen in Verbindung mit den Streitfällen auf dem Gebiet der sozialen Krankenversicherung prüfen und der Gesundheits- und Sozialfürsorgedirektion Änderungsvorschläge für das KVGG unterbreiten. Nach diesen Ausführungen beantragt der Staatsrat die Annahme der Motion in dem Sinne, dass die Einführung eines Systems, wie es die Motionärin verlangt, im Rahmen des Entwurfs für die Änderung des KVGG, der dem Grossen Rat im Lauf des Jahres 2002 unterbreitet werden soll, geprüft wird. Freiburg, den 2. Oktober 2001