Artikel Einsatz von höherfesten unlegierten Gusseisensorten in Windenergie-Getrieben verfasst von Dipl.-Ing. Steffen Schreiber und Dipl.-Ing. Fabio Pollicino Germanischer Lloyd WindEnergie GmbH Abteilung Maschinenbau und Sicherheitstechnik / Machinery Components and Safety Department Steinhoeft 9 20459 Hamburg Germany Tel.: +49 (0) 40-31106-7057 Fax: +49 (0) 40-31106-1720 Email: fabio.pollicino@gl-group.com WWW: www.gl-group.com/glwind Hamburg, Juli 2005 Inhaltsverzeichnis Einleitung... 2 Wann ist ein Werkstoff spröde?... 3 Gusseisen mit Kugelgraphit (GJS)... 4 Bewertung der Werkstoffzähigkeit... 8 Kerbschlagbiegeversuch... 8 Bruchmechanische Betrachtung... 8 Zusammenfassung... 10 Literaturverzeichnis... 11
Einleitung Für Betreiber von Windenergieanlagen (WEA) und besonders im Hinblick auf den anstehenden Offshore-Einsatz ist ein störungs- und wartungsarmer Betrieb entscheidend. Immer wieder kommt es allerdings zu Stillstandszeiten, die in der Vergangenheit oft durch Schäden am Triebstrang hervorgerufen wurden. Das zeigt, dass die Auslegung der Triebstrangkomponenten aufgrund der Komplexität der auftretenden Belastungen nach wie vor keine triviale Angelegenheit ist. Dem gegenüber steht die Entwicklung von WEA mit immer größeren Nennleistungen, die eine noch höhere Auslastung von Konstruktion und Werkstoff erfordern, um eine wirtschaftliche Auslegung zu ermöglichen [1]. Beispielhaft für diese Bemühungen ist die Auslegung von Planetenträgern einiger WEA-Getriebe unter Verwendung von höherfestem unlegierten Gusseisen, die im Folgenden kritisch betrachtet wird. Bei diesem Bauteil handelt es sich aufgrund der komplexen Geometrie um ein Gussstück, das im Allgemeinen aus Gusseisen mit Kugelgraphit (GJS) hergestellt wird. Einen doppelwangigen Planetenträger, wie er beispielsweise in Getrieben der 1,5 MW-Klasse vorkommt, zeigt Bild 1 im Rohzustand. Bild 1 Doppelwangiger Planetenträger [2] Für viele Gussbauteile von WEA, z. B. Rotornabe und Maschinenträger, wird bevorzugt die Werkstoffsorte EN-GJS-400-18U-LT verwendet. Diese besitzt neben einer ausreichenden Festigkeit und Zähigkeit auch bei -20 C noch eine gewährleistete Kerbschlagarbeit, womit ein Einsatz bis zu diesen Temperaturen sichergestellt ist. Für den Planetenträger von WEA-Getrieben werden dagegen vermehrt die unlegierten hochfesten Gusseisensorten EN-GJS-700-2 und EN-GJS-800-2 (vereinzelt sogar auf 900er Qualität vergütet) verwendet. Die Werkstoffauswahl erfolgt dabei rein aus Festigkeitsgründen, scheinbar ungeachtet des mit der Festigkeitssteigerung einhergehenden Verlustes an Duktilität und Zähigkeit. Germanischer Lloyd WindEnergie GmbH 2 / 11
Duktilität ist die Fähigkeit eines Werkstoffes sich zu verformen, ohne dass eine Werkstofftrennung auftritt. Als Maß für die Duktilität gelten Bruchdehnung und Brucheinschnürung. Zähigkeit dagegen ist der Widerstand gegen die Ausbreitung eines vorhandenen Risses bzw. die Fähigkeit eine Rissausbreitung durch örtliche (mikro-)plastische Verformungen zu stoppen. Zähigkeit ist das Gegenteil von Sprödigkeit, d. h. je zäher ein Material desto unempfindlicher ist es gegen Auftreten eines Sprödbruches. Der Sprödbruch ist ein makroskopisch verformungsarmer Bruch. Dabei kommt es ohne erkennbare Anzeichen zu einem plötzlichen Versagen des betreffenden Bauteiles. Aus diesem Grund sind nach der Richtlinie für die Zertifizierung von Windenergieanlagen, Ausgabe 2003 mit Ergänzung 2004 der Germanischer Lloyd WindEnergie GmbH [3] spröde Werkstoffe für Komponenten, die maßgeblich an der Integrität und Sicherheit der WEA beteiligt sind, nicht ohne weitere Nachweise oder unter bestimmten Annahmen zugelassen. Wann ist ein Werkstoff spröde? Einen ersten Hinweis auf diese Frage liefert der quasistatische Zugversuch. Die Fläche unter der Spannungs-Dehnungs-Kurve entspricht der verrichteten Formänderungsarbeit. Diese steigt tendenziell mit den Werten für die Bruchdehnung, also bei hoher Duktilität. Bei spröden Zugproben ist die Formänderungsarbeit eher gering. D. h. aber nicht, dass Werkstoffe die im quasistatischen Zugversuch also unter einachsiger Belastung sich entsprechend duktil verhalten, nicht unter bestimmten Bedingungen spröde versagen können. Bedingungen, die einen Sprödbruch fördern, sind in Tabelle 1 aufgelistet. Konstruktive Gestaltung Fertigung Beanspruchungsbedingungen Umgebungsbedingungen Gefüge Dehnungsbehinderungen durch Kerben oder dickwandige Bauteile Oberflächenfehler infolge Schweißen, Härten, Schleifen; Ausbildung komplexer Eigenspannungszustände, speziell beim Schweißen schlagartige Krafteinwirkung, mehrachsiger Spannungszustand niedrige Temperaturen, Spannungsrisskorrosion, Neutronenversprödung grobkörniges Gefüge, Korngrenzenausscheidungen, nichtmetallische Einschlüsse Tabelle 1: Sprödbruchfördernde Bedingungen [4] Beim Vorhandensein einer oder mehrerer sprödbruchfördernder Bedingungen, insbesondere bei niedrigen Temperaturen, dem Vorliegen von Rissen und Eigenspannungen sowie einer schlagartigen Beanspruchung kann die Bruchspannung erheblich unter der durch den Zugversuch ermittelten und genormten Streckgrenze des Werkstoffs liegen. Es wird dann von einem Niedrigspannungsbruch gesprochen [4]. Germanischer Lloyd WindEnergie GmbH 3 / 11
Bei dem hier betrachteten Planetenträger begünstigen Dehnungsbehinderungen aufgrund von großen Wanddicken, nichtmetallische Einschlüsse (Graphit), mehrachsige Spannungszustände und ggf. ein Einsatz bei tiefen Temperaturen ein sprödes Bauteilversagen. Größere Probleme oder Schadensfälle bei dieser Triebstrangkomponente sind bislang ausgeblieben. Allerdings hat auch noch keine der WEA mit einem Planetenträger aus unlegiertem höherfesten GJS eine Lebensdauer von 20 Jahren erreicht bzw. nachweislich die lastseitig angenommenen Höchstbelastungen ertragen. Gusseisen mit Kugelgraphit (GJS) Allgemein haben Guss- gegenüber Knetwerkstoffen den Vorteil der fast völligen Freiheit bei der Formgebung. So kann mit dem Gießen die Bauteilgeometrie optimal an die individuelle Belastung angepasst und gleichzeitig Gewicht eingespart werden. Gegenüber Schweißkonstruktionen entfallen die Spannungsspitzen in den Schweißnähten und die Gefügeänderungen in den Wärmeeinflusszonen. GJS besitzt zudem weitere günstige Eigenschaften für die Anwendung in WEA. Hierzu gehören gute Dämpfungseigenschaften gegenüber mechanischen und akustischen Schwingungen, ein günstiges Preis-/Leistungsverhältnis sowie ein geringeres spezifisches Gewicht. Im Vergleich zu Stahlguss überzeugt GJS durch gute Gießeigenschaften, wie z. B. niedrige Schmelztemperatur, gutes Formfüllungsvermögen und ein geringeres Schwindmaß. GJS, auch Sphäroguss genannt, ist eine Eisen-Kohlenstoff-Legierung mit eutektischer bzw. naheutektischer Zusammensetzung. Sie besitzt einen Kohlenstoffgehalt von etwa 2 bis 5 %. Der Kohlenstoff wird bei der Erstarrung ausgeschieden und bildet zumeist eine lamellenförmige Graphitphase im Gefüge. Durch eine Behandlung der Schmelze mit Zer oder Magnesium kann das Graphitwachstum derart beeinflusst werden, dass sich kugelförmige Graphiteinschlüsse bilden. Mindestwerte für mechanische Eigenschaften von unlegiertem GJS sind in DIN EN 1563 genormt. Sie werden von der Graphitmorphologie sowie der Ausbildung des Grundgefüges bestimmt. Unter Zugbeanspruchung tragen die Graphitbereiche wegen ihrer geringen Eigenfestigkeit und geringen Haftung zum umgebenden Grundgefüge nicht zur Festigkeit des Gusseisens bei und können daher als querschnittsmindernde Hohlräume betrachtet werden. Zusätzlich treten an den Einschlüssen innere Kerbwirkungen auf, siehe Bild 2, die je nach Ausbildungsform mehr oder weniger stark ausgeprägt sind. Germanischer Lloyd WindEnergie GmbH 4 / 11
Bild 2: Spannungsverteilung an Graphiteinschlüssen [5] Lamellenförmige Graphitausbildungen rufen bei Zugbeanspruchung sehr hohe Kerbwirkung hervor, so dass schon aus einer niedrigen Beanspruchung ein mikroplastisches Fließen des Gefüges resultiert. Bei entsprechend hoher Beanspruchung reißen selbst zäheste Grundgefüge. Die inneren Kerbspannungen sinken, je mehr die Graphiteinschlüsse die Form einer Kugel annehmen, siehe Bild 2. Allgemein gilt, dass sich die besten Festigkeits- und Zähigkeitseigenschaften mit einer gleichmäßig verteilten Menge an möglichst kugelförmigen Graphitteilchen ergeben. Die Teilchengröße und damit auch der Abstand zwischen den Graphitkugeln beeinflusst ebenfalls die mechanischen Eigenschaften von GJS. In welcher Art und Weise ist dabei aber vom Grundgefüge abhängig [6]. Die Ausbildung des Grundgefüges korrespondiert mit der Ausbildung der Graphiteinschlüsse. Je nach Legierungsbestandteilen und Abkühlgeschwindigkeit bilden sich Ferrit, Perlit oder ein Kombination aus beiden Gefügearten. Es kann demnach als stahlähnlich bezeichnet werden. Bei den geringer festen Sorten ist Ferrit die vorherrschende Gefügeart. Eine Erhöhung des Perlitanteils führt zur Steigerung von Festigkeit und Härte. Gleichzeitig verliert der Werkstoff aber auch an Duktilität und Zähigkeit, wobei das Niveau von einer lamellaren oder globularen Ausbildung des Perlits beeinflusst wird [6]. Des Weiteren steigen mit dem Perlitanteil die Wanddickenempfindlichkeit der mechanischen Eigenschaften und die Übergangstemperatur, bei der ein überwiegend zähes Versagen zu einem spröden Versagen des Werkstoffes wechselt. Das Grundgefüge von GJS besitzt ein kubisch-raumzentriertes (krz) Gitter. Metalle mit krz-gitter sind durch eine Tieftemperaturversprödung gekennzeichnet. Daraus resultiert u.a. eine zunehmende Festigkeit bei sinkender Temperatur. Diese Aussage trifft bei GJS in vollem Umfang allerdings nur auf die ferritischen Sorten zu, wie in Bild 3 zu sehen ist. Bei hohem Perlitanteil steigt nur die Dehngrenze mit abnehmenden Temperaturen, siehe Bild 4. Die Zugfestigkeit fällt dagegen mit sinkender Temperatur ab. Dadurch verringert sich der Abstand zwischen der Dehngrenze und der Zugfestigkeit bedeutend. Germanischer Lloyd WindEnergie GmbH 5 / 11
700 0,1%-Dehngrenze 600 Zugfestigkeit Spannung in N/mm 2 500 400 300 200-200 -150-100 -50 0 50 Temperatur in C Bild 3 Festigkeitskennwerte einer ferritischen Sorte (Grade 400-18 / ISO1083:1987) Die verwendeten Festigkeitskennwerte entstammen einer Veröffentlichung von 1992 [7]. Zu prinzipiell gleichen Ergebnissen kommt Siefer in seinen Untersuchungen aus den 1980 er Jahren [8]. Germanischer Lloyd WindEnergie GmbH 6 / 11
800 0,1%-Dehngrenze 700 Zugfestigkeit Spannung in N/mm 2 600 500 400 300-200 -150-100 -50 0 50 Temperatur in C Bild 4 Festigkeitskennwerte einer perlitischen Sorte (Grade 700-2 / ISO1083:1987) Bei den perlitischen Sorten tritt ein zähigkeitskontrolliertes Versagen des Werkstoffes auf. Aufgrund der fortschreitenden Versprödung des Grundgefüges können örtliche Spannungskonzentrationen an Fehlstellen, wie z. B. den Graphiteinschlüssen, nicht mehr abgebaut werden. Es kommt zum lokalen Überschreiten des Plastifizierungsvermögens und zum Sprödbruch. Die Festigkeit wird nicht mehr voll ausgeschöpft [4]. Deswegen ist für sprödbruchgefährdete Konstruktionen zusätzlich zum Festigkeits- ein Zähigkeitsnachweis zur sicheren und optimierten Auslegung der Komponenten unabdingbar. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die in DIN EN 1563 genormten Mindestwerte für Zugfestigkeit und 0,2%-Dehngrenze mit dem Zugversuch nach DIN EN 10002-1 bei Raumtemperatur ermittelt werden und deshalb nur für den Temperaturbereich von 10 C bis 35 C gelten. Germanischer Lloyd WindEnergie GmbH 7 / 11
Bewertung der Werkstoffzähigkeit Kerbschlagbiegeversuch Um eine ausreichende Sicherheit gegenüber einem auftretenden Sprödbruch nachzuweisen, kommt in der Praxis wegen seiner einfachen Durchführung und der kostengünstigen Probenfertigung am häufigsten der Kerbschlagbiegeversuch zur Anwendung. Der Nachteil dieser Prüfmethode ist die Geometrieabhängigkeit der ermittelten Kerbschlagarbeit, die damit keinen Werkstoffkennwert darstellt. Ein Vergleich verschiedener Werkstoffe untereinander sowie das Festlegen einer Übergangstemperatur sind aber möglich. Für unlegierte hochfeste Werkstoffe fällt die Kerbschlagarbeit bei tiefen Temperaturen zwar nur moderat ab, dies sollte aber nicht als Beweis für einen unbedenklichen Tieftemperatureinsatz gelten. Vielmehr ist das ein Hinweis darauf, dass diese Werkstoffe schon bei Raumtemperatur sprödbruchempfindlich sind Bruchmechanische Betrachtung Eine genauere Bewertung der Werkstoffzähigkeit und damit der Sprödbruchunempfindlichkeit ist mit der Bruchmechanik möglich. Die bruchmechanischen Nachweiskonzepte beruhen auf der Bewertung von detektierten oder angenommenen Rissen bis zur Ausbreitung einer zulässigen Größe unter statischer oder zyklischer Belastung. Die Bruchmechanik geht davon aus, dass in einem Werkstoff immer Risse/Fehler vorhanden sind. Das gilt insbesondere für graphitisches Gusseisen, bilden doch bei einer Zugbeanspruchung die Graphiteinschlüsse selbst rissauslösende Fehlstellen. Des Weiteren können vor allem bei dickwandigen Bauteilen aus der Kleinserienfertigung Ungänzen, wie Gasblasen, Lunker, usw. nicht vermieden werden. Die bruchmechanischen Rechenmodelle wurden in den letzten Jahren bzgl. ihrer Anwendbarkeit und Ergebnisgenauigkeit bedeutend weiterentwickelt. So ist es z.b. möglich, schon während der Auslegungsphase der Komponenten entsprechende Sicherheiten und eventuell notwendige Inspektionsintervalle abzuschätzen. Befinden sich die kritischen Bauteilbereiche an nicht inspizierbaren Stellen, so ist vorzusehen, dass die maximal zulässigen Rissgrößen während der Entwurflebensdauer nicht erreicht werden. Die Bruchmechanik kann in die Linear-Elastische Bruchmechanik (LEBM) und in die Fließbruchmechanik unterteilt werden. Nachfolgend wird ausschließlich die LEBM betrachtet. Die Voraussetzung für ihre Anwendbarkeit ist, dass im Bereich der Rissspitze die auftretenden plastischen Verformungen klein bleiben gegenüber den Bauteilabmessungen. Deshalb wird sie vor allem bei höherfesten bzw. spröden Werkstoffen und bei Bauteilen unter sprödbruchfördernden Bedingungen angewendet. Die LEBM ermöglicht die quantitative Erfassung des Bauteilversagens infolge Rissausbreitung bei statischer Beanspruchung. Bei einer instabilen Rissausbreitung wird Energie freigesetzt. Sie verläuft mit hoher Geschwindigkeit und führt meistens zu einem makroskopischen Sprödbruch. Eine stabile Germanischer Lloyd WindEnergie GmbH 8 / 11
wird Einsatz von höherfesten unlegierten Gusseisensorten in Windenergie-Getrieben Rissausbreitung dagegen hat einen Zähbruch zur Folge. Für die plastischen Verformungen wird dabei ständig Energie verbraucht. Bei einem statischen Bruchsicherheitsnachweis ist an der Rissspitze ein Spannungsintensitätsfaktor (SIF) zu ermitteln und einem entsprechenden kritischen Werkstoffkennwert gegenüberzustellen. Der SIF ergibt sich aus den Beanspruchungen, der Bauteil- und der Rissgeometrie. Er kann analytisch oder mit Hilfe der Finite-Elemente-Methode numerisch berechnet werden. Letzteres ist besonders hilfreich bei komplizierten Bauteil- und Rissformen. Ab einem kritischen Wert des SIF, der unter den Bedingungen des ebenen Dehnungszustandes definiert wird, beginnt eine instabile Rissausbreitung. D. h., es kommt zum plötzlichen Versagen des Bauteiles. Dieser kritische SIF KBcB in Versuchen an Proben ermittelt und als Bruch- oder Risszähigkeit bezeichnet. Das hierfür zurzeit am häufigsten benutzte Prüfverfahren ist der Kompakt- Zugversuch. Die Bruchzähigkeit ist unabhängig von der Probengeometrie und stellt somit, wie z. B. die Zugfestigkeit, einen Werkstoffkennwert dar. Für GJS liegen jedoch keine genormten Mindestwerte vor. Nach den möglichen Relativbewegungen der Rissoberflächen werden die drei SIF KBIB, KBIIB und KBIIIB unterschieden, siehe Bild 5. Modus I hat in der Praxis vorrangige Bedeutung [4], da er aufgrund der senkrecht zur Risslage wirkenden Zugspannung häufig den ungünstigsten Fall darstellt und Bruchzähigkeitswerte zumeist in dieser Rissöffnungsart vorliegen. Von einer mixed-mode-beanspruchung wird gesprochen, wenn eine Überlagerung von Mode I bis III vorliegt. Diese kann in multiaxial beanspruchten Bereichen durchaus bemessungsrelevant werden. Allerdings setzt die Betrachtung einer mixed-mode-beanspruchung die Kenntnis der Bruchzähigkeiten K Ic, K IIc und KBIIIc sowie eine Aussage zur Rissausbreitungsrichtung voraus. Deshalb werden häufig komplizierte Belastungs- und Rissprobleme bei isotropen Werkstoffverhalten durch die Vereinfachung realer Rissgeometrien auf Mode I zurückgeführt [4]. Bild 5 Rissöffnungsmoden [4] Germanischer Lloyd WindEnergie GmbH 9 / 11
Aufgrund zufallsartiger Windlasten erfahren WEA neben den statischen überwiegend zyklischen Belastungen. Unter zyklischen Belastungen breiten sich Risse stabil aus, falls der maximal auftretende zyklische SIF K unterhalb der Bruchzähigkeit liegt. Die u.a. in Abhängigkeit der Schwingbreite des SIF ermittelte Rissfortschrittsrate ist dabei unter Ausschluss des unteren Grenzwertes für den Rissfortschrittbeginn ( K th =0) vereinfacht und konservativ durchzuführen. Die innerhalb der Entwurflebensdauer ermittelte Rissgröße muss dabei prinzipiell unterhalb der zulässigen liegen. Ist die Rissgröße der Ausgangspunkt des Nachweises, wird die ertragbare Bruchlastspielzahl berechnet. Sollte diese nicht der erwarteten Lebensdauer entsprechen, können für inspizierbare Bereiche mit einer entsprechend großen Sicherheit Inspektionsintervalle festgelegt werden. Anhand der bei den Inspektionen detektierten realen Risse, lässt sich dann eine Restlebensdauer abschätzen. Sowohl für den statischen als auch den zyklischen bruchmechanischen Nachweis sind im Vorfelde Sensitivitätsuntersuchungen durchzuführen, um mit den angewendeten analytischen und/oder numerischen Berechnungsverfahren und deren Annahmen eine zuverlässige Sicherheitsbetrachtung durchführen zu können. Zusammenfassung Bei einem Einsatz von Konstruktionen aus höherfesten unlegierten und somit perlitischem GJS unter sprödbruchfördernden Bedingungen, insbesondere bei tiefen Temperaturen, stellen Zähigkeitsnachweise eine wichtige zusätzliche Sicherheitsbewertung dar. Der Kerbschlagbiegeversuch ist wegen der Geometrieabhängigkeit der ermittelten Kerbschlagarbeit hierfür nur bedingt geeignet. Die Bruchmechanik dagegen hält Konzepte bereit, deren Kennwerte auf das Bauteil übertragen werden können. Allerdings bedarf es dazu verbindlicher (genormter) bruchmechanischer Werkstoffkennwerte, die dann möglichst auch für tiefe Temperaturen vorliegen sollten. Auch wenn die Produktionsanteile perlitischer Sorten, gemessen an der Gesamtproduktion von GJS, im einstelligen Prozentbereich liegen, ist eine zunehmende Verwendung in der Industrie allgemein zu verzeichnen. Aus diesem Grund ist es notwendig detaillierte Untersuchungen zu den mechanischen Eigenschaften vorzunehmen, um den Konstrukteuren, Herstellern und Zertifizierern eine einheitliche und fundierte Grundlage für die sichere Auslegung der Bauteile aus diesem Werkstoff zu ermöglichen. Germanischer Lloyd WindEnergie GmbH 10 / 11
Literaturverzeichnis [1] Dalhoff, P. et. al: Erweiterte Lebensdaueranalyse für Windenergieanlagen. Windtech Grevebroich 2001 [2] http://www.schonlau-werke.de/industrieguss/index.html, Stand 20.04.2005 [3] N. N.: Richtlinie für die Zertifizierung von Windenergieanlagen. Germanischer Lloyd, WindEnergie GmbH, Ausgabe 2003 mit Ergänzung 2004 [4] Blumenauer, H.; Pusch, G.: Technische Bruchmechanik. 3. Auflage, Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie, Leipzig: 1993 [5] Bergmann, W.: Werkstofftechnik Teil 1: Grundlagen. 4. Auflage, München: Hanser Verlag, 2002 [6] Frenz, H.: Eigenschaften von ferritischem und ferritisch-perlitischem Gusseisen mit Kugelgraphit unter besonderer Beachtung des Bruchverhaltens. Dissertation, TU Berlin, 1991 [7] N. N.: Use of Cast Irons at Subzero Temperatures. Foundry Trade Journal, 3-1992 [8] Siefer, W.: Mechanische Eigenschaften von unlegiertem Gusseisen mit Kugelgraphit und von Temperguss bei tiefen Temperaturen. Gießereiforschung 37 (1985) 1, S. 17 bis 28 [9] Schreiber, St.: Untersuchung zur Tragfähigkeit von Planetenträgern unter Berücksichtigung von elastischen Verformungen des angrenzenden Getriebegehäuses. Diplomarbeit, FH-Stralsund / Germanischer Lloyd WindEnergie GmbH, 2005 Germanischer Lloyd WindEnergie GmbH 11 / 11