DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR ZERSTÖRUNGSFREIE PRÜFUNG



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DGZfP-Berichtsband 66 CD Plakat 27 DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR ZERSTÖRUNGSFREIE PRÜFUNG Fachtagung Bauwerksdiagnose Praktische Anwendungen Zerstörungsfreier Prüfungen 21.-22. Januar 1999 in der Neuen Messe München Zerstörungsfreie permanente Überwachung der Korrosionsgefahr für die Bewehrung von Stahlbetonbauwerken - Sensorsysteme für direkten und nachträglichen Einbau P. Schießl, München; M. Raupach, Aachen Zusammenfassung Korrosionsschäden an Betonbauwerken verursachen alleine in Deutschland jährliche Kosten in Milliardenhöhe. Um das Schadensrisiko zu reduzieren, wurden in den letzten Jahren Sensoren entwickelt, mit denen die Korrosionsgefahr für die Bewehrung kontinuierlich überwacht werden kann. In diesem Beitrag werden das Anoden-Leiter-System für den Einbau vor dem Betonieren und das Spreizring-Anoden-System für den nachträglichen Einbau in Betonbauwerke vorgestellt. Mit Hilfe dieser Sensorsysteme ist es möglich, den Zeitraum bis zum Einsetzen der Korrosion zu bestimmen, so daß die Eigentümer von Betonbauwerken in die Lage versetzt werden, rechtzeitig kostengünstige Schutzmaßnahmen zu ergreifen, bevor größere Schäden wie Rißbildungen, Abplatzungen oder nennenswerte Zerstörungen der Bewehrung aufgetreten sind. 1. Einleitung Das Problem der Bewehrungskorrosion hat in den letzten Jahren weltweit ein beträchtliches Ausmaß angenommen, speziell bei Bauwerken in aggressiver Umgebung, wie z.b. bei Brücken, Parkhäusern, Tunnels, Offshore-Bauwerken oder andere Stahlbetonbauten, die chloridhaltigem Meerwasser oder Tausalzen ausgesetzt sind. Daher wurden zahlreiche neue Instandsetzungssysteme sowie Schutzsysteme und Materialien für den Neubaubereich entwickelt, um die Dauerhaftigkeit zu verbessern, wie z.b. spezielle Hochleistungsbetone mit hohem Widerstand gegen das Eindringen von Schadstoffen sowie eventuell mögliche Korrosionsvorgänge. Erfahrungen mit dem Langzeitverhalten dieser neuen Systeme sind jedoch nur in begrenztem Umfang vorhanden. DGZfP-Berichtsband 66-CD: Plakat 27 341

Mit Hilfe moderner Sensorsysteme ist es heute möglich, die Korrosionsgefährdung für die Bewehrung kontinuierlich zu überwachen und erforderliche Schutzmaßnahmen einzuleiten, bevor nennenswerte Bauwerksschädigungen eingetreten sind. Die grundsätzlichen Zusammenhänge zwischen Nutzungsdauer und Schädigungsgrad eines Bauwerkes sind schematisch in Bild 1 dargestellt. Hinsichtlich der Korrosion der Bewehrung muß grundsätzlich zwischen zwei Phasen entschieden werden: Zunächst laufen im Beton Reaktionen ab, die im Laufe der Zeit die Korrosion der Bewehrung überhaupt ermöglichen, d.h. Karbonatisierung des Betons bzw. Eindringen von Chloriden (Einleitungsphase). Üblicherweise erst nach vielen Jahren setzt die sogenannte Schädigungsphase ein, bei der die Bewehrung korrodiert, was im Laufe der Zeit zur Bildung von Rissen, Abplatzungen und kritischen Querschnittsschwächungen der Bewehrung führt. Auf die theoretischen Grundlagen wird im nächsten Abschnitt dieses Beitrags genauer eingegangen. Bild 1: Zusammenhang zwischen Schädigungsgrad und Nutzungsdauer (schematisch) DGZfP-Berichtsband 66-CD: Plakat 27 342

Die Kosten für Schutz- bzw. Instandsetzungsmaßnahmen sind grundsätzlich noch vergleichsweise niedrig, bevor die eigentliche Schädigungsphase beginnt. Sind erst einmal Risse und Abplatzungen aufgetreten, so sind extrem aufwendige und entsprechend teure Instandsetzungsmaßnahmen erforderlich. Während mit visuellen Inspektionen oder z.b. Potentialmessungen Korrosionsprobleme erst dann erkannt werden, wenn die Schädigungsphase bereits eingesetzt hat, ist es mit Hilfe der in diesem Beitrag beschriebenen Sensoren möglich, den Fortschritt der Einleitungsphase kontinuierlich zu überwachen. Der Einsatz solcher Sensoren ist insbesondere dann sinnvoll, wenn sich Bauwerke in aggressiver Umgebung befinden, außerordentlich hohe Nutzungsdauern angestrebt werden oder wenn die Korrosionsgefährdung für die Bewehrung an unzugänglichen Stellen ermittelt werden muß. 2. Theoretische Grundlagen Stahl im Beton ist zunächst durch die Passivierung der Stahloberfläche im hochalkalischen Beton (ph-werte etwa zwischen 12,5 und 13,5) grundsätzlich vor Korrosion geschützt. Dieser Schutz kann unter baupraktischen Bedingungen jedoch durch zwei unterschiedliche Mechanismen verlorengehen: Karbonatisierung des Betons, d.h. chemische Reaktion der alkalischen Bestandteile mit dem CO 2 der Luft, was mit einer ph-wert-absenkung auf Werte < 9 verbunden ist. Überschreiten eines kritischen, korrosionsauslösenden Chloridgehaltes an der Stahloberfläche, z.b. aus Tausalzen, Meerwasser oder PVC-Bränden. Beide depassivierenden Substanzen (CO 2 und Cl - ) dringen normalerweise von der Betonoberfläche her durch die Betonüberdeckung zur Bewehrung vor (Einleitungsphase). Wenn in Höhe der Bewehrung schädliche Konzentrationen erreicht sind, kann Korrosion an der Bewehrung einsetzen, sofern ausreichend Sauerstoff und Feuchtigkeit vorhanden ist, was bei Außenbauteilen in der Regel der Fall ist (Schädigungsphase). Die Übergangszone vom nicht karbonatisierten zum karbonatisierten Beton bzw. vom Beton, in dem der kritische Chloridgehalt unterhalb bzw. oberhalb der korrosionsauslösenden Konzentration liegt, kann auch als Depassivierungsfront bezeichnet werden. Unmittelbar nach dem Betonieren befindet sich die Depassivierungsfront an der Betonoberfläche. Im Laufe der Nutzungszeit eines Bauteils dringt diese Front in Abhängigkeit von betontechnologischen und umgebungsbedingten Parametern immer weiter in den Beton ein. Während bei älteren Bauwerken die Betondeckung häufig erheblich zu klein ist, wird bei der Bemessung von Neubauten die Betondeckung heute in der Regel so dimensioniert, daß die Depassivierungsfront die Bewehrung nicht innerhalb der planmäßigen Nutzungsdauer erreicht, so daß Korrosionsprobleme ausgeschlossen werden können. Bei Bauwerken in extrem aggressiver Umgebung ist dies jedoch häufig schwierig, so daß zusätzliche Korrosionsschutzmaßnahmen erforderlich sein können, die wiederum eine entsprechende Dauerhaftigkeit aufweisen müssen. 3. Funktionsprinzip der Korrosionsüberwachungssysteme Die Entwicklung der Korrosionssensoren basiert auf umfangreichen Forschungsarbeiten zu den Mechanismen und Einflußgrößen bei der chloridinduzierten Korrosion von Stahl in Beton (siehe z.b. /1-3/). Die Korrosionssensoren bestehen jeweils aus mehreren Einzelsensoren, die innerhalb der Betonüberdeckung zwischen Betonoberfläche und Bewehrung in die zu überwachenden Bauteile eingebaut werden (s. Bild 2). Auf diese Weise kann kontinuierlich DGZfP-Berichtsband 66-CD: Plakat 27 343

verfolgt werden, bis zu welcher Tiefe die Depassivierungsfront vorgedrungen ist. Dies geschieht durch Messung elektrischer Größen (s. Abschnitt 6). Die Einzelsensoren werden üblicherweise in gleichmäßig zunehmenden Abständen, etwa in 10 mm Stufen bezogen auf die Betonoberfläche eingebaut. Hat die Depassivierungsfront zwei oder mehrere Einzelsensoren erreicht, so kann der weitere Verlauf des Eindringens der Depassivierungsfront unter bestimmten Annahmen rechnerisch extrapoliert werden. Somit ist es möglich, den Zeitpunkt abzuschätzen, zu dem die Depassivierungsfront die Bewehrungslage erreichen wird (s. Bild 2). Zeigen die Sensoren an, daß mit einer Depassivierung der Bewehrung noch vor Beendigung der geplanten Nutzungsdauer eines Bauwerkes zu rechnen ist, so können Korrosionschutzmaßnahmen rechtzeitig geplant und ergriffen werden, noch bevor Schäden aufgetreten sind. Bild 2: Schematische Darstellung des Meßprinzips zur Beurteilung der verbleibenden Zeit bis zum Korrosionsbeginn (Depassivierungsfront) 4. Anoden-Leiter-System Das Prinzip des Einzelsensors nutzt die elektrochemische Natur des Korrosionsvorganges von Stahl in Beton. Er besteht aus einem Betonstahlstück, das über eine nach außen geführte Kabelverbindung mit einem ebenfalls einbetonierten Edelmetall verbunden ist, das auch in chloridhaltigem oder karbonatisierten Beton nicht korrodiert. Nach Depassivierung des Betonstahlstückes entsteht ein galvanisches Element zwischen Betonstahl und Edelmetall, dessen Stromfluß als Signal über nach außen geführte Kabelverbindungen gemessen werden kann. In einem leiterförmigen Sensorelement werden mehrere Einzelsensoren über seitlich angebrachte Edelmetallholme verbunden, die von den Sensoren elektrisch isoliert sind. Die Kabel sind in den Holmen mit Kunstharz eingebettet und werden über die Holme nach außen geführt (s. Bild 3). Die Leiterelemente werden gegen die Betonoberfläche geneigt auf die Bewehrung aufgesetzt, so daß die Einzelsensoren unterschiedliche, durch die Leiterneigung vorgegebene Betondeckungen aufweisen. DGZfP-Berichtsband 66-CD: Plakat 27 344

Bild 4 zeigt die Anoden-Leitern während des Betonierens. Als Gegenelektroden (Kathoden) für die Strommessung gegen die Betonstahlstücke (Anoden) werden platinoxyd-beschichtete Titanstäbe verwendet, die ein sehr positives Potential aufweisen, d.h. elektrochemisch edler sind und daher im Falle der Depassivierung der Anoden große galvanische Ströme auslösen. Bilder 3 und 4: Aufnahmen des Anoden-Leiter-Systems Seit 1990 wurde dieses sogenannte Anoden-Leiter-System weltweit in verschiedenen Bauwerken eingesetzt, um die Korrosionsgefahr für die Bewehrung von Neubauten in aggressiven Umgebungen zu überwachen. Mehr als 600 Anoden-Leitern wurden bereits in Tunnels, Brücken, Gründungen und anderen Bauwerken in Deutschland, Österreich, Dänemark, Hong Kong, Japan, Kroatien, Ägypten, der Schweiz, den Niederlanden, Schweden, Taiwan und Australien installiert (s. Internet-Homepage: www.sensortec.de). Die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, daß das System hinsichtlich des Einbaus ausreichend robust ist, was durch Kurzschlußmessungen über die jeweils doppelten Kabelverbindungen nachgewiesen werden konnte (Redundanz). Als Weiterentwicklung der Anoden-Leiter für den Einbau in bestehende Bauwerke wird im folgenden das Spreizring- Anoden-System beschrieben. 5. Spreizring-Anoden-System Das Spreizring-Anoden-System besteht aus jeweils einer Spreizring-Anode und einem zugehörigen Kathodenstab. Beide Sensoren werden in gebohrte Löcher eingesetzt und über spezielle Spreizmechanismen befestigt. Bild 5 zeigt die Vorgehensweise bei der Installation und Messung des Spreizring-Anoden-Systems. DGZfP-Berichtsband 66-CD: Plakat 27 345

Bild 5: Einbau und Messung beim Spreizring-Anoden-System (schematisch) Der Hauptsensor ist die Spreizring-Anode. Vergleichbar zu den sechs Stufen der Anoden- Leiter besteht die Spreizring-Anode aus sechs Meßringen in gleichmäßigen Abständen von der Betonoberfläche, wobei als Standard 1 cm Stufen gewählt wurden (s. Bild 6). Über und zwischen diesen Metallringen sind insgesamt 7 Isolierringe angeordnet, die die Bereiche zwischen den Meßringen abdichten, so daß weder Wasser noch aggressive Flüssigkeiten entlang der Bohrlochwandung in Richtung des Betoninneren eindringen können. Bilder 6 und 7: Spreizring-Anoden-System und Aufnahme während der Messung Die Installation der Spreizring-Anode erfolgt mit vorgegebenem Drehmoment, wobei der Kontakt der Meßringe zum Beton durch Messungen des Elektrolytwiderstandes zwischen den Ringen kontrolliert werden kann. Der Sensor ist so konzipiert, daß bei Überschreiten des zulässigen Drehmomentes keine Risse im Beton erzeugt werden, da der Sensor bei einem bestimmten Drehmoment beginnt, sich im Bohrloch zu drehen, so daß keine weiteren Kräfte mehr in den Beton übertragen werden. Aus Sicherheitsgründen sollte jedoch zu den Rändern von Betonbauteilen ein gewisser Mindestabstand eingehalten werden. DGZfP-Berichtsband 66-CD: Plakat 27 346

Im Kopf der Spreizring-Anode ist eine Meßbuchse integriert, über die später das Meßkabel eingesteckt werden kann (s. Bild 7). Sie ist zwischen den Messungen durch eine auf dem Sensorkopf aufgeschraubte Schutzkappe geschützt, so daß der Sensor im Bereich der Betonoberfläche keine Störstelle darstellt, sondern in gleicher Höhe wie die Betonoberfläche eben abschließt. Sämtliche Hohlräume im Sensor werden mit Kunstharz (feste Teile) bzw. Korrosionsschutzfett (bewegliche Teile) verfüllt, so daß Chloride ebenfalls nicht über das Innere des Sensors tiefer in den Beton eindringen können. Auf diese Weise wird erreicht, daß das Eindringen der Depassivierungsfront nicht durch die Anwesenheit des Sensors beeinflußt wird, da die Chloride nur durch den vorhandenen Altbeton in den Beton eindringen können. Die Messungen erfolgen beim Spreizring-Anoden-System und Anoden-Leiter-System mit dem gleichen Gerät (s. Abschnitt 6). 6 Messungen und Interpretation der Meßdaten Um die Tiefe der Depassivierungsfront messen zu können, werden elektrische Ströme, Spannungen (Potentiale), elektrische Widerstände sowie Temperaturen mit Hilfe der in den Sensoren integrierten Temperatursensoren gemessen. Diese Messungen werden üblicherweise etwa 1 bis 4 mal pro Jahr mit einem Handgerät durchgeführt. Grundsätzlich ist es auch möglich, die Messungen computergesteuert kontinuierlich durchzuführen; dies ist jedoch i.d.r. nicht erforderlich, da es sich um Langzeitüberwachungen handelt, für die kurzzeitige Schwankungen der Meßdaten nur von untergeordneter Bedeutung sind. Für die Bestimmung der Tiefe der Depassivierungsfront reichen i.d.r. etwa jährliche Messungen aus. Durch die Bestimmung der Temperatur können temperaturbedingte Einflüsse auf Ströme und Spannungen eliminiert werden. Ferner wird der Wechselstromwiderstand zwischen den Sensoren mitgemessen, wodurch der Wassergehalt des Betons in der Randzone abgeschätzt werden kann. Hierdurch ist eine weitere Kontrolle der Ströme und Spannungen möglich; desweiteren kann die mögliche Korrosionsgeschwindigkeit im Falle der Depassivierung genauer abgeschätzt werden. Die Zusammenhänge zwischen Feuchtigkeit, Temperatur, Strömen und Spannungen werden beispielsweise in /1/ anhand umfangreicher Laboruntersuchungen erläutert. Für die Messungen der Korrosionsüberwachungssysteme wurde das Handmeßgerät CANIN- LTM entwickelt (s. Bild 7). Dieses batteriebetriebene Instrument erlaubt es, jeweils die elektrischen Ströme, Potentiale, Widerstände und Temperaturen auf Knopfdruck zu messen und zu speichern. Ferner kann mit Hilfe dieses Instrumentes der Kontakt zwischen den Ringen und dem Beton beim Spreizring-Anoden-System überprüft werden. Die kritischen Werte werden automatisch im großen Display markiert. Insgesamt können die Daten von 1.000 Sensoren gespeichert werden. Diese Daten können später über eine serielle Schnittstelle auf einen PC übertragen werden. Für weitere Auswertungen wie das Erstellen von Datenbanken für die Einzelsensoren sowie Auswertungen in Form von Zeitkurven steht eine spezielle Software zur Verfügung. Die bisherigen Messungen zeigen, daß die Ergebnisse der Messungen an den Bauwerken gut mit den aus den Laboruntersuchungen zu erwartenden Meßergebnissen übereinstimmen. Da es sich um ein Langzeitüberwachungssystem handelt, können die mit Hilfe der Korrosionssensoren bestimmten Eindringprofile der Depassivierungsfronten erst in den nächsten Jahren veröffentlicht werden. DGZfP-Berichtsband 66-CD: Plakat 27 347

7 Einsatzgebiete der Korrosionssensoren Bei konsequenter Umsetzung und Einhaltung der inzwischen verbesserten Vorschriften für Stahl- und Spannbetonbauwerke können Schäden in der Regel vermieden werden. Für übliche Bauwerke unter unkritischen Umweltbedingungen sind Korrosionssensoren daher entbehrlich und auch nicht gedacht. Es gibt aber eine Reihe von Bauwerken unter extremen Einwirkungen oder mit besonderer Empfindlichkeit, bei denen der Einbau von Sensoren äußerst sinnvoll sein kann. In solchen Fällen kann jedoch der Einbau der Sensoren eine besondere Sorgfalt bei der Planung und Ausführung nicht ersetzen. Im Gegenteil, der Einbau von Sensoren muß immer Bestandteil einer leider noch viel zu wenig ausgeprägten Bemessung auf Dauerhaftigkeit sein, z.b. als Bestandteil von Mehrbarrierenschutzsystemen (s. z.b. /6/). Solche Bemessungskonzepte beinhalten von vornherein Überlegungen zu möglichen späteren zusätzlichen Schutzmaßnahmen. Das Vorhandensein von Sensoren spielt dann eine wichtige Rolle. Der Einsatz von Sensoren eignet sich besonders für schwer zugängliche Bereiche von Stahlbeton- und Spannbetonkonstruktionen, wie z.b. im Bereich von Pfeilern, die sich im Meerwasser befinden, oder an Tunnelaußenseiten. Während mit dem Anoden-Leiter-System langjährige Erfahrungen vorliegen, wurde das Spreizring-Anoden-System erst in den letzten Jahren entwickelt. Erste Messungen zeigen, daß es prinzipiell die gleichen Ergebnisse liefert, wie das Anoden-Leiter-System. Derzeit werden im Rahmen des Brite-EURAM Projektes Smart Structures umfangreiche Kalibrierversuche durchgeführt, um für verschiedene Betonzusammensetzungen und Umgebungsbedingungen die zu erwartenden Meßgrößen genauer beurteilen zu können. Es ist geplant, die Ergebnisse dieser Untersuchungen sowie die weiteren Meßergebnisse an den bereits installierten Sensoren ebenfalls zu veröffentlichen, sobald neue Erkenntnisse vorliegen. 8 Literatur /1/ Raupach, M.: Zur chloridinduzierten Makroelementkorrosion von Stahl in Beton. Berlin: Beuth. - In: Schriftenreihe des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton (1992), Nr. 433 /2/ Schießl, P., Raupach, M.: Chloridinduzierte Korrosion von Stahl in Beton. In: Betoninformationen (1988), Nr. 3/4, S. 33-45 /3/ Schießl, P., Raupach, M.: Einfluß der Betonzusammensetzung und der Umgebungsbedingungen auf die chloridinduzierte Korrosion von Stahl in Beton: Ergebnisse von Untersuchungen mit Betonkorrosionszellen. In: Betoninformationen 30 (1990), Nr. 4, S. 43-54 /4/ Schießl, P., Breit, W., Raupach, M.: Sensortechnik: Schutz statt Instandsetzung - Überwachung von Betonbauwerken. In: Deutsches Ingenieurblatt, Nr. 1996, S. 40-46 /5/ Schießl, P., Raupach, M.: Monitoring System for the Corrosion Risk for Steel in Concrete. In: Concrete International (1992). Nr. 7, S. 52-55. /6/ Schießl, P.: New Approaches to Monitoring and Repair of Concrete Structures. In: IABSE Report Vol. 73/1 (1995), S. 35-52. IABSE Symposium San Francisco 1995: Extending the Life of Structures DGZfP-Berichtsband 66-CD: Plakat 27 348