Fallkonferenzen aus Anlass von Ermittlungsverfahren gegen jugendliche und. heranwachsende Mehrfach- und Intensivtäter



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Transkript:

I Fallkonferenzen aus Anlass von Ermittlungsverfahren gegen jugendliche und. heranwachsende Mehrfach- und Intensivtäter I. Bisherige Reaktionen auf Taten jugendlicher und heranwachsender Mehrfach- und Intensivtäter Bestandsaufnahme: 1) Reaktionen von Polizei/Staatsanwaltschaft auf kriminogenes Verhaltenvon jugendlichen und heranwachsenden Mehrfach- und Intensivtätern Einzelfallbearbeitung entsprechend der Strafprozessordnung und des Jugendgerichtsgesetzes: a) Diversion Festzustellen ist in diesem Zusammenhang, dass die Diversionsmaßnahmen grundsätzlich nicht geeignet sind, jugendliche und heranwachsende Mehrfachund Intensivtäter zu einer künftigen Verhaltensänderung zu bewegen. Derlei staatliche Reaktionen bleiben vielmehr jugendlichen und heranwachsenden Straftätern vorbehalten, die Delikte der einfachen bis mittleren Kriminalität begangen haben oder noch nicht (mehrfach und ggf, einschlägig) in Erscheinung getreten sind. b) Vereinfachtes Jugendverfahren ( 76 ff. JGG) und beschleunigtes Verfahren ( 417 ff. StPO) Ein Mittel der (ggf.) beschleunigten justiziellen Abarbeitung kriminogener Sachverhalte gegen Jugendliche ist das vereinfachte Jügendverfahren gemäß 76 ff. JGG und im Falle von (Erwachsenen und) Heranwachsenden das beschleunigte Verfahren gemäß 417 ff. StPO. Voraussetzungen sind jedoch im Wesentlichen das Vorliegen eines einfachen Sachverhaltes und/ oder das 1

Vorliegen einer klaren Beweislage ( 417 StPO), wobei eine höhere Freiheitsstrafe als Freiheitsstrafe von einem Jahr nicht verhängt Werden darf ( 419 StPO), womit bereits die entscheidende Einschränkung für viele Verfahren gemacht wird, die Intensiv- und Mehrfachtäter betreffen. Das ebenfalls auf eine mögliche Beschleunigung abzielende vereinfachte Jugendverfahren gemäß 76 ff. JGG scheidet bereits dann aus, wenn die Verhängung von Jugendstrafe in Betracht kommt. Weder das beschleunigte Verfahren noch das vereinfachte Jugendverfahren sind damit wirksame Instrumente der nachhaltigen Begegnung gegenüber kriminellen Verhaltensweisen jugendlicher und heranwachsender Mehrfach- und Intensivtäter. Erschwerend.zeichnet sich.das vereinfachte Jugendverfahren dadurch aus, dass das Gericht im Falle des Ausbleibens der Delinquenten keine Möglichkeit hat, ein zwangsweises Erscheinen herbeizuführen. Gleiches gilt für das beschleunigte Verfahren in Bezug auf den Erlass eines Haftbefehls nach 230 Abs. 2 StPO. c) Anklage (1) Bei der Mehrzahl der von Intensiv- und Mehrfachtätern im engeren Sinne begangenen Straftaten, bietet sich aus staatsanwaltlicher Sicht in Ansehung der dargestellten Grenzen des beschleunigten Verfahrens und des vereinfachten Jugendverfahrens nur die Anklage als justizielles Instrument zur Abarbeitung der kriminogenen Sachverhalte an. Das der Anklage nachfolgende Zwischen- und Hauptverfahren ist, bekanntermaßen stark formalisiert, was immer wieder dazu geführt hat, dass Verfahren mehr Zeit in Anspruch genommen haben, als es im Sinne zeitnahen Reagierens wünschenswert erschien. Festzustellen ist in diesem Zusammenhang, dass die Verfahrensdauer in derartigen Fällen auf eine nicht optimierte Koordination der Arbeitsabläufe unter den Verfahrensbeteiligten zurückzuführen war (und teilweise ist). (2) Der Notwendigkeit effizienterer Strafverfolgung ist - im Rahmen der bisher bestehenden Ressourcen und Möglichkeiten der Beteiligten - durch das vorrangige Jugendverfahren - Rechnung getragen worden. Insoweit werden Arbeitsabläufe zwischen Polizei, Staatsanwaltschaften, Jugendgerichtshilfen und Gerichten optimiert, was zu einer schnelleren Aufarbeitung der kriminogenen Sachverhalte beiträgt. Die Implementierung und Durchführung vorrangiger Jugendverfahren. hat sich uneingeschränkt bewährt. 2

2) Intensivtäterkonzeption der Polizei Des Weiteren praktiziert die. Polizei das im Frühjahr 2002 eingeführte polizeiliche Intensivtäterprogramm, das auf eine Erhöhung der Strafverfolgungsintensität bei jugendlichen Intensivtätern abzielt. Als solche gelten entsprechend einer bundesweit vereinbarten Definition Kinder, Jugendliche und Heranwachsende bis 21 Jahre, die eine besondere kriminelle Energie oder erhöhte Gewaltbereitschaft gezeigt haben; dies ist in der Regel der Fall, wenn in einem Zeitpunkt von zwölf Monaten fünf oder mehr Delikte insgesamt oder zwei oder mehr Gewaltdelikte begangen wurden. Insoweit wird zur Bekämpfung der Kriminalität jugendlicher Intensivtäter eine an der Person des jeweiligen Intensivtäters orientierte, konzentrierte polizeiliche Sachbearbeitung vorgesehen und vorgenommen. Die Bearbeitung aller Straftaten, die von einem als solchen erkannten jugendlichen Intensivtäter begangen werden, wird konzentriert einem einzigen Sachbearbeiter, in der Regel bestimmt nach dem Wohnort des Täters, zugewiesen oder einer Ermittlungsgruppe bei überregionaler krimineller Aktivität bzw. bestimmten Deliktsschwerpunkten der Intensivtäter. Das polizeiliche Intensivtäterprogramm ist also ein Konzept zur Bündelung von Zuständigkeiten für eine bessere und umfassendere Sachkenntnis in Bezug auf Personen der definierten Zielgruppe. 3) Präventives Handeln der Polizei Neben den dargestellten repressiven Verfahrensarten ist die Polizei maßgeblich in die Praxis präventiver Projekte eingebunden (z. B. PIT, AGGAS in Lübeck, Einsetzung bürgernaher Beamter etc). 4) Reaktionen der Schulen Nur vereinzelt kommt es zur Erstattung von Strafanzeigen durch Mitarbeiter von Schulen, obwohl festzustellen ist, dass eine Vielzahl von Straftaten, begangen durch Mehrfach- und Intensivtäter, an Schulen und im Umfeld von. Schulen begangen wird. Abgesehen von der Durchführung sog. Anti-Gewaltprojekte an einzelnen Schulen sowie der Beteiligung an den Präventivmaßnahmen im Rahmen von PIT und AGGAS findet eine 3

Kooperation mit Verfahrensbeteiligten im weiteren Sinne (z. B. der Staatsanwaltschaft oder den Gerichten) derzeit nicht statt. Das Projekt. AGGAS" stellt dagegen in erster Linie auf den massenweisen Anfall von Verfahren der kleineren und mittleren Kriminalität in und im Umfeld von Schulen ab. Gemäß dem von der StratK angenommenen Vorschlag der AG Gewaltdelikte soll es dem zuständigen AGGAS-Beamten" künftig lediglich möglich sein, Fälle, die sich für die Durchführung eines vorrangigen Jugendverfahrens eignen, aufzunehmen und direkt mit dem zuständigen Staatsanwalt Kontakt herzustellen, um die weitere Vorgehensweise abzusprechen. Die Konzeption der Fallkonferenzen stellt demgegenüber ab auf ein sehr geringes Fallaufkommen. In eine Konferenz sollen entsprechend den Kapazitäten und dem Ermessen der Staatsanwaltschaft einzelne, ausgesuchte Jugendliche und Heranwachsende aufgenommen werden, die mit dem normalen" Instrumentarium des Jugendstrafrechts kaum zu erreichen sind. Der Arbeitskreis KKV (Kriminelle Karrieren Verhindern) in Lübeck beschäftigt sich gegenüber der hier vorgeschlagenen Konzeption allein mit der Kooperation der Jugendgerichtshilfe, des Amtsgerichts, der Polizei, des Schulamtes der ARGE, der Kinder- und Jugendpsychiatrie, der Vorwerker Diakonie sowie der Staatsanwaltschaft in Lübeck selbst Wie die Bezeichnung des Arbeitskreises bereits offenbart, wird im. Gegensatz zur hier vorgeschlagenen Konzeption eine, rein präventive Zielsetzung verfolgt. Zudem werden landesweit einheitliche und verbindliche Regelungen nicht. genannt (BI. 151 d. BA). 5) Freie Träger Eine Kooperation im vorgenannten Sinne findet auch durch freie Träger nicht in nennenswertem Umfeld statt. Diese führen teilweise justiziell erteilte Auflagen und Weisungen durch, ohne dass es darüber hinaus zu einer Vernetzung käme. 6) Reaktionen des Jugendamtes Über Reaktionen des Jugendamtes falls solche vorgenommen werden - wird weiteren Verfahrensbeteiligten regelmäßig nichts bekannt. Eine weitergehende Kooperation im umfassenden Sinne findet nicht statt 4

II. Fallkonferenzen Die Reaktionsmöglichkeiten der einzelnen vorbezeichneten Institutionen oder auch der Erziehungsberechtigten des Elternhauses reichen für sich genommen nicht aus, der Entstehung oder Verfestigung krimineller Karrieren in nachhaltiger Weise wirksam zu begegnen: Vielmehr bedarf es aufgrund der Vielfältigkeit der Ursachen, die für Kriminalität jugendlicher und heranwachsender Mehrfach- und Intensivtäter verantwortlich sind, einer (optimierten) Kooperation zwischen Schulen, Polizei, Staatsanwaltschaften, ggf. Gerichten, dem Täter selbst und ggf. dessen Erziehungsberechtigten; freien Trägern sowie ggf. unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles weiteren Dritten, um eine Lösung im Sinne des : Wohles des Jugendlichen bzw. Heranwachsenden zu erarbeiten. Zur, Erreichung des vorbezeichneten Zwecks erscheinen Fallkonferenzen besonders geeignet: 1) Eine Fallkonferenz wird einberufen, wenn - unabhängig von der eigentlichen Implementierung des vorrangigen Jugendverfahrens in einzelnen Amtsgerichtsbezirken - die Voraussetzungen vorliegen, unter denen die Durchführung des vorrangigen Jugendverfahrens bejaht wird oder bejaht werden würde und eine Änderung des Lebensumfeldes des delinquenten Jugendlichen: oder Heranwachsenden als unabdingbare. Voraussetzung für dessen künftiges rechtstreues Verhalten erachtet wird. 2) Die Fallkonferenz wird von der Staatsanwaltschaft unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles, der vorhandenen Ressourcen und personellen Möglichkeiten nach ihrem freien Ermessen einberufen und organisiert. Die o. g. Institutionen haben ihrerseits die Möglichkeit, die Durchführung einer Fallkonferenz gegenüber der Staatsanwaltschaft anzuregen.. Die Einberufung der Konferenz liegt jedoch auch in diesen Fällen im Ermessen der Staatsanwaltschaft. Der oder die Beschuldigte wird zunächst von der Polizei nach von dort vorzunehmender Einstufung als Mehrfach- und/oder Intensivtäter schnellstmöglich nach der Tat zur verantwortlichen Vernehmung geladen. 5

Zugleich holt die Polizei die Einwilligung der oder des Beschuldigten und ggf. ihrer / ihres. Erziehungsberechtigten zur Datenweitergabe an und von den an der durchzuführenden Fallkonferenz Beteiligten ein. Die Einwilligung kann auch noch im Rahmen der verantwortlichen Vernehmung (ggf. auch vor der Staatsanwaltschaft) erteilt werden. Die vernehmende Beamtin oder der vernehmende Beamte weist die oder den Beschuldigten und ggf. die Erziehungsberechtigten im Rahmen der Vorladung und der Beschuldigtenvernehmung, darauf hin, dass eine Einstufung als Mehrfach- oder Intensivtäter mit ggf. evidenten Konsequenzen erfolgt ist. Erscheint die oder der Beschuldigte nicht zur verantwortlichen Vernehmung vor der Polizei, überprüft die Staatsanwaltschaft nach erstmaliger Vorlage der Ermittlungsakten anhand der Umstände des Einzelfalles, ob eine erneute Vorladung erfolgen soll. Ggf. wird die oder der Beschuldigte unter Hinweis auf 163a Abs. 3 Satz 1 StPO geladen und darauf aufmerksam gemacht, dass sie oder er im Falle des unentschuldigten Ausbleibens zwangsweise zur Vernehmung vorgeführt werden kann. 4) Unmittelbar nach erstmaliger Vorlage der Ermittlungsakten, Durchführung der verantwortlichen Vernehmung und Erteilung der Einwilligung lädt die Staatsanwaltschaft zur Fallkonferenz. Diese soll spätestens vier Wochen nach der letzten Straftat des jugendlichen oder heranwachsenden Beschuldigten durchgeführt werden. Unter Leitung der Staatsanwaltschaft werden zunächst die aktuelle Lebenssituation, das strafrechtlich relevante Vorleben, sonstige bestimmende Faktoren und Umstände sowie die möglichen strafrechtlichen Folgen des kriminellen Handelns des Beschuldigten dargestellt. Im Anschluss daran zeigen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Lösungsmöglichkeiten auf, wie sie sich aus ihrer Perspektive ergeben. Als Konferenzziel wird eine schriftliche Vereinbarung zwischen den Beteiligten, also auch unter Einschluss der oder des Beschuldigten und ggf. der gesetzlichen Vertreter, über die vorzunehmenden Maßnahmen, die künftiges rechtstreues Verhalten und eine nachhaltige Änderung der Lebenssituation des Delinquenten erforderlich machen, gefertigt. 6) Das Original der vorbezeichneten Vereinbarung verbleibt 'bei der Staatsanwaltschaft. Diese prüft je nach Entwicklung des Einzelfalles ggf. durch Rückfrage bei den Verfahrensbeteiligten oder in sonst geeignet erscheinender Weise, ob die 6

Vereinbarung eingehalten wurde. Ggf. beruft die Staatsanwaltschaft erneut eine Fallkonferenz ein, wenn erkennbar wird, dass die Vereinbarung nicht eingehalten wurde oder aufgrund veränderter Umstände. den tatsächlichen Verhältnissen angepasst werden muss und andere Maßnahmen zur Zielerreichung nicht geeignet erscheinen. 7