Von Timbuktu nach Kalamazoo



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Transkript:

Von Timbuktu nach Kalamazoo Chancen aufspüren und nutzen dazu weilte eine steirische Wirtschaftsdelegation auf Kurztrip in den USA und Kanada Hey, Freunde! Hat schon einmal einer von Euch was von Kalamazoo gehört? Nein, nicht von Tiramisu. Wir sind auch nicht in Afrika unterwegs, sondern eine Woche in Nordamerika. Ja, ich weiß schon, die klassischen Wirtschaftsmetropolen Toronto, Detroit, Chicago kennt jeder. Doch darüber und von erfolgreichen Österreichern und Steirern dort später in diesem Klipp-Spezial. Genug gescherzt. Jetzt geht s vorerst einmal um Kalamazoo. Wer einmal in dieser Region in Southwest Michigan war, wenn auch nur auf Kurzbesuch, wie wir, der vergisst Kalamazoo County nicht mehr. Ein Lob den Detektiven im ICS (Internationalisierungscenter Steiermark) mit Geschäftsführer Claus Tüchler, die diesen Geheimtipp aufgespürt haben. Nicht nur ein Platz zum Arbeiten da gibt es unzählige in den Staaten. Kalamazoo ist viel mehr a Place to live, wie die Amerikaner schwärmen. Gleiches erzählen wir ja draußen in der Welt auch von unserer Steiermark. Und Kalamazoo County ist so gesehen wirklich vergleichbar. Davon konnten wir uns überzeugen und auch davon, warum Amerika immer zu Recht immer noch als Land der unbegrenzten Möglichkeiten gilt. Früher, da gehörte das Land dem Volk des Pottawatomie-Häuptlings Match-E-Be-Nash-She-Wish. Kalamazoo ist nach dem gleichnamigen Fluss benannt, was so viel wie kochendes Wasser bedeutet. Das soll davon herrühren, dass die Indianer den Nebel über dem Fluss mit kochendem Wasser verglichen. Der Kalamazoo River mündet übrigens in den riesigen Lake Michigan mit eine Fläche von 57.800 Quadratkilometern mehr als halb so groß wie Österreich. Ja, es gibt wirklich Die in den USA allgemein gebräuchliche Redewendung from Timbuktu to Kalamazoo entspricht im Deutschen sinngemäß etwa: von Weißder-Kuckuck nach Hab-ich-vergessen. Heutzutage werden in Kalamazoo T-Shirts verkauft mit dem Auf- Nach einer langen Nacht Toronto um 4:30 Uhr. LR Christian Buchmann auf der Waren- und Terminbörse in Chicago (CME Chicago Mercantile Exchange): Es war ein guter Handelstag für die Steiermark. 20 KLIPP Oktober/November 2012

Kanada USA druck: Yes, there really is a Kalamazoo. Die Stadt Kalamazoo ist mit rund 77.000 Einwohnern die größte Stadt im südwestlichen Teil Michigans und konnte in den letzten Jahren einen starken Aufschwung verzeichnen. In den 90er Jahren gab es in Southwest Michigan eine Serie von Abwanderungen industrieller Betriebe, so wurde z.b. die General Motors Kalamazoo Stamping Plant geschlossen, wodurch 3500 Menschen arbeitslos wurden. Die First of America Bank und Upjohn (Pharmaunternehmen) verlegten ihre Headquarters und zu guter Letzt kollabierte die lokale Papierindustrie. In diesen wirtschaftlich angespannten Zeiten wurde die Organisation Southwest Michigan First gegründet und brachte mit ihrer Vision wieder neue Hoffnung. Bis heute hat sie bereits 120 Organisationen bei ihrer Expansion, Ansiedelung und Weiterentwicklung geholfen, wodurch mehr als 33.000 Arbeitsplätze geschaffen werden konnten. Alleine über 26 Start-ups im Bereich Life- Science konnten mit der Unterstützung von Förderungen gegründet werden. 25.000 Studierende Die Organisation entwickelte einen langfristigen Plan zur nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung der Region, der bereits nach 5 Jahren merkliche Verbesserungen einbrachte. In Zusammenarbeit mit der Western Michigan University und dem Kalamazoo Valley Community College wurde an der Entstehung von zwei Industrieparks mitgewirkt, die heute zu den besten im Bereich Life-Science gehören. In Kalamazoo sind heute internationale Konzerne wie die Stryker Corporation (künstliche Gelenke usw.), der Pharma-Riese Pfizer, Parker Hannifin Hydraulics, Perrigo, Whirlpool, Kellogg ansässig, informierte man uns beim Workshop im noblen County Golf Club. John Dunn, Präsident der Western Michigan University: Unsere 25.000 Studenten garantieren auch einen qualifizierten Nachwuchs. In der Stadt sind rund 700 Unternehmen ansässig, durch die Nähe zu Detroit nur zwei Autostunden entfernt ist Kalamazoo für Teilehersteller der Automobilbranche ein gefragter Standort. Wer hart arbeitet, soll auch gut essen. Präsident Greg Ayers vom Visitor-Center: Die Region ist bekannt für ihren vielfältigen Obst- und Gemüseanbau. Hier werden die meisten Beetpflanzen der Welt angebaut. Bekannte Hersteller von Chips, Zerealien und Getränken stammen aus der Region und beschäftigen in der Lebensmittelbranche über 19.000 Menschen. Kalamazoo City hat drei regional ansässige Brauereien, darunter auch die bekannte Bell s Brewery. Des Weiteren sind zwei der bekanntesten Aromaproduzenten in Kalamazoo angesiedelt. In Kalamazoo wurde einer der heute weltgrößten Hersteller für Gitarren, die Gibson Guitar Corporation, gegründet. Als die Firma 1985 nach Nashville verlegt wurde, führten einige ehemalige Mitarbeiter im alten Gibson-Werk die Produktion in Handarbeit unter dem Namen Heritage Guitar fort. In der gleichen Liga wie die Steiermark Bei uns undenkbar, in Nordamerika aber üblich: Während wir, die Gäste, unsren Lunch einnehmen, referieren am Podium Spitzenmanager über die Vorzüge der Region und fühlen sich durch das Klimpern von Gabel und Messer nicht gestört. Alles ist einem Ziel untergeordnet: Die Zeit 10 Das I am from Austria auf amerikanisch. Bruce Springsteen und sein Klassiker Born in the USA. möglichst effektiv zu nutzen. Können Sie sich vorstellen, dass ein Bürgermeister Siegfried Nagl von Graz spricht und sich die Zuhörer währenddessen unüberhörbar stärken, es auch Smalltalk gibt? Apropos Essen. Das wird ja in einer Küche zubereitet. Vor dem Besuch in Kalamazoo hatte die Delegation einen Tag zuvor noch einen Stopp in Kitchener, im kanadischen Ontario, eingelegt. Früher hieß die Stadt Berlin. Handelt es sich doch auch um eine Gegend, wo viele deutschstämmige Auswanderer leben. Nicht zufällig ist das kürzlich zu Ende gegangene Oktoberfest eine der größten Veranstaltungen in Ostkanada. Es handelt sich um eine äußerst innovative Region. Auch die spielt, wie Kalamazoo, quasi in unserer Liga, ist ausgesprochen auf Forschung und Entwicklung ausgerichtet. Die Städte Waterloo, Cambridge und Kitchener bilden Kanadas CTT, das Technologie-Dreieck, nennt Carl Zehr, Kitcheners Bürgermeister, einige Eckdaten. Das Gebiet umfasst über eine halbe Million Einwohner und ist das zehntgrößte Ballungsgebiet innerhalb Kanadas. Die wirtschaftliche Bedeutung verdeutlichen ein BIP von USD 19,5 Milliarden (5,8 % Zuwachs von 2009 auf 2010) und ein Exportvolumen von ca. USD 12 Milliarden im Jahr 2007. Die wichtigsten Exportgüter waren Kraftfahrzeuge, Elektronik sowie elektronische Maschinen und Ausrüstung. Das CTT (Canadas Tech- 9 8 7 6 7 6 5 4 3 2 1 nologie Triangle) ist strategisch günstig gelegen; durch die geographische Nähe zu den USA und drei Grenzübergängen erhält man innerhalb von nur einer Tagesfahrt Zugang zu 135 Millionen note styria Menschen. 103 Schlüsselindustrien Unsere mehr als 400 Unternehmen in der Hightech-Industrie beschäftigen über 18.000 Mitarbeiter, so Carl Zehr ergänzend. Zahlreiche Spitzenunternehmen befinden sich im CTT, unter anderem RIM Research in Motion (Hersteller von Black-Berry), Open Text, Google und McAfee. Zudem gilt das CTT als einer der diversifiziertesten und dynamischsten Räume der Produktionstechnik in Kanada. In den über 1.200 Fertigungsbetrieben (mit mehr als 61.000 Beschäftigten) sind etwa 26,3 % der erwerbstätigen Bevölkerung der Region angestellt. Automobilindustrie Weiters produzieren im CTT mehr als 450 Unternehmen aus der Automobilbranche. Das CTT ist damit eine der rangersten Regionen der Automobilherstellung. Zu den größten Unternehmen gehören: A.G. Simpson, Automation Tooling Systems (ATS) und Toyota Motor Manufactoring Canada. In der Region finden sich 14 große Montagefabriken und etwa 500 Zulieferbetriebe. Schätzungsweise 140.000 Menschen sind in diesem Industriezweig 5 KLIPP SPEZIAL KLIPP Oktober/November 2012 21

tätig. Zu den herausragenden Forschungseinrichtungen gehört das Centre for Automotive Research (WatCAR) der Universität Waterloo mit den Schwerpunkten: Alternative Energien und Kraftstoffe; Dynamische Stabilität, elektronische Kontrolle und Software; Produktion; Werkstoffe; Besatzungsschutz und Ergonomie; Telematik und Informatik sowie Sensoren und Aktorik. In die Universitäten der Region büffeln, so Waterloos Bürgermeisterin Brenda Hellorun, ca. 50.000 Studenten eingeschrieben, die Universitäten, allen voran die University of Waterloo und die University of Guelph zählen zu den besten Kanadas. Biotechnologie und Life-Science sind die Schwerpunkte. Inzwischen sind mehr als 140 Unternehmen und 150 Forschungsinstitute in den Bereichen Biotechnologie und Umweltwissenschaften tätig. Viel geliebtes Österreich Ich komme aus der Breitenau. Ich stamme aus Bad Mitterndorf. Mein Zuhause ist in Waltersdorf. tönt es im vertrauten Dialekt. Wenn du im Delta Chelsea Hotel in Toronto derart begrüßt und betreut wirst, dann fühlt man sich doch gleich wohler, obwohl tausende Kilometer von zu Hause entfernt. So geschehen beim Empfan der Great- Lakes -Fokus-Reise unserer Delegation. Der Kurzbefund für die Reise: Für Kanadas Wirtschaft gab es während der großen Weltwirtschaftskrise nur einen Streifschuss. Und die USA für sie zeigen die Zeichen der Wirtschaft wieder nach oben. Der nächste Präsident wer immer es sein wird wird davon profitieren. Mit seiner Aussprache und von der Seite her erinnert Josef Ebner ein wenig an Frank Stronach. Ich komme aus der Breitenau bei Bruck. Meine ganze Familie lebt noch dort, begrüßt der Managing Director des 1.600 Betten großen Delta Hotels in Downtown Toronto seine Gäste aus Österreich. Doch ungewöhnlich: Seit 20 Jahren führt er das Hotel, betrieben von der größten kanadischen Hotelgruppe, im Eigentum von Hongkong-Chinesen. Auf Bitte und über Vermittlung eines einflussreichen Freundes er war der Chairman der Hotelgruppe wechselte er von Washington nach Toronto. Und hier bin ich dann mit Frau und Tochter sie arbeitet zur Zeit in London sozusagen picken geblieben, sagt er, der zuvor weltweit unterwegs war. Jedes Jahr komme ich zumindest ein Mal in die Steiermark, fühlt er sich noch immer stark mit seinem Geburtsland stark verwurzelt. Klar, dass sich in einer solchen Umgebung auch Sophie Kottulinsky wohlfühlt eine Tochter der Familie Kottulinsky, die das Schlosshotel (Hochzeitshotel) in Obermayerhofen bei Waltersdorf führt. Ich mache hier ein Praktikum und fahre schon bald wieder nach Hause, freut sie sich über den Besuch der Landsleute. Später will Sophie studieren, bevor sie ins elterliche Tourismusunternehmen einsteigt. Von Jakarta nach Toronto Das Studium hat Herwig Neuper schon hinter sich. Er ist der stellvertretende Wirtschaftsdelegierte Österreichs in Toronto. Sein Zuhause ist Bad Mitterndorf im Salzkammergut. Ich bin erst seit acht Wochen in Barack Obama vor Studenten: Wir haben in den letzten Jahren fünf Millionen neue Jobs geschaffen. Ein Student steht auf und meldet sich: Ja, das stimmt. Ich habe drei davon. Was er damit sagen wollte: Es sind Mini-Jobs, von einem allein kann man nicht überleben. Im GM-Heritage-Center in Detroit wird 100-jährige amerikanische Auto-Geschichte sichtbar. Beginnend mit dem Cadillac aus dem Jahre 1902. Toronto, war vorher in Wien in der Zentrale, fühlt sich Neuper aber bereits wohl in Kanada. Seine erste Station war die Außenhandelsstelle in Jakarta, wo er drei Jahre war. Der Handelsdelegierte dort hat per Inserat jemanden gesucht. Ich habe das gesehen, mich beworben und es hat geklappt, beschreibt er den Einstieg in die Außenwirtschaft. Neuper hat in Graz Jus studiert, war bereits Richter-Anwärter, aber spürte, dass das nicht ganz das Seine war. Im vergangenen Jahr holte er in Wien die nötigen Aufnahmeprüfungen für die weitere Karriere als Vertreter der österreichischen Wirtschaft im Ausland nach. Die Erfahrungen in Jakarta, in einem streng moslemischen Land, waren für ihn ganz, ganz wichtig. Weil es jeden Tag eine Überraschung gegeben hat, die man bewältigen musste. Im Vergleich dazu ist Toronto natürlich ganz anders. Hinzu kommt, dass sein Bruder für die RHI als Techniker ebenfalls in Toronto arbeitet. Damit schläft die Mutter zu Hause in Bad Mitterndorf natürlich auch ruhiger. Wir haben einen Bauernhof, die Eltern sind zwar stolz, wenn du beruflich erfolgreich bist, aber so weit weg da sorgt sich die Familie halt. Herwig Neuper ist beeindruckt von Kanada und seinem Job dort, doch privat ist das allemal eine Herausforderung. Sein Glück: Er hat noch keine eigene Familie. Und die kritische Seite seines Berufes: Die Trennungs- und Scheidungsraten bei den Auf dieser Reise werden nicht die Big Deals unterzeichnet, sondern dutzende Kontakte geknüpft und bestehende vertieft. Es handelt sich also um echte Knochenarbeit. Wenn Urlauber die Attraktionen im Großraum vom kanadischen Toronto über Detroit bis hin nach Chicago in fünf Tagen erkunden wollen, dann klingt das nach einem dichten Programm. Wenn Vertreter der steirischen Wirtschaft, Manager und Unternehmer das im gleichen Zeitraum, verdichtet durch dutzende Gespräche mit potentiellen Kunden tun, dann hat das schon mit intensiver Arbeit zu tun. Das ist der Fokus solcher Reisen. Sie sind nützlich, weil wir unseren Firmen helfen können, leichter Kontakte zu knüpfen oder diese zu verbessern. Ein offizieller Auftritt des Landes zeigt immer seine Wirkung. Wenn aufgrund unserer Einladung etwa, wie bei General Motors, die Chefeinkäufer der einzelnen Departments zu einem Treffen kommen und es damit gute Voraussetzungen gibt für weitergehende Gespräche. Wir wollen bestehende Kooperationen intensivieren und weitere Unternehmen motivieren, den Sprung auf den amerikanischen und den kanadischen Markt zu wagen, begründet Wirtschaftslandesrat Christian Buchmann die Fokus-Reise nach Kanada und in die USA. Diplomaten und in unserem Tätigkeitsbereich sind schon sehr hoch. Abgesehen davon, dass in vielen asiatischen Ländern es protokollarisch nicht erlaubt ist, dass der Ehe- oder Lebenspartner ebenfalls beruflich aktiv sein darf. Die Chinesen sind da eine Ausnahme. Noch immer gute Chancen für Einwanderer 22 KLIPP Oktober/November 2012

Christoph Klotz 2.v.l LR Buchmann, Ernst Wustinger und Co. beim Enthüllungsakt. Concept Tech übernahm den Airbag-Spezialisten Microsys vom kanadischen Eigentümer. men. Kanada ist eben wirklich anders vom Lebensgefühl her als die USA, so Marija Bozic. Duo Christof/Wustinger investiert in Airbags Sie gehören vor allem in der Autoindustrie zu den wichtigsten lebensrettenden Entwicklungen in den letzten 20 Jahren. Bis zu 20 Airbags sollten die Insassen zum Beispiel in einem Luxusfahrzeug schützen. Ihr Funktionieren entscheidet bei einem Unfall, ob Crash oder Überschlag, über Leben und Tod. Hans Christof und Ernst Wustinger haben die kanadische Kleinfirma Microsys mit Sitz in Toronto gekauft. Wir sind ein Nischenplayer, allerdings mit großem Know-how, was Airbags anbelangt, so Geschäftsführer Christof Knotz. Microsys ist Ein Beispiel ist da auch Marija Bozic, die seit knapp einem Jahr für die österreichische Wirtschaftsdelegation jobbt. Die gebürtige Serbin ist vor sieben Jahren mit ihrem Freund (er ist Architekt) nach Kanada ausgewandert. Die beiden sind bereits kanadische Staatsbürger. Heute ist das doch schon schwieriger, denn die Kanadier bevorzugen nur jene Berufsgruppen, die sie benötigen. Was die Neo-Kanadierin als angenehm empfindet: Die Mentalität und die Offenheit der Kanadier gegenüber praktisch allen Nationalitäten. Die Grenze zu den USA ist ja nur 120 Kilometer entfernt. Wenn du dort nur jenseits der Grenze die USA besuchst, dann spürst du einfach: Es ist alles anders. Die Leute wirken oft frustriert, abweisend, die Wirtschaftskrise ist dort greifbar. Kanada hat praktisch nichts davon abbekommen. Keine der kanadischen Banken ist in Bedrängnis gekomsogar Weltmarktführer bei bestimmten Patenten und die großen Autohersteller lassen ihre Probleme von Microsys lösen. Man braucht sich ja nur vorzustellen, was da an Technologie und Wissen nötig ist: Innerhalb von 15 Millisekunden muss der Airbag im Anlassfall auslösen. Aber nur dann, wenn das Auto und die Insassen wirklich gefährdet sind und nicht, wenn man beispielsweise nur im schwierigen Gelände unterwegs ist. Berücksichtigt werden müssen zahllose Faktoren ob ein Fahrgast 120 oder 140 Kilogramm wiegt, ob Kinder im Fahrzeug sind, und, und. In der Simulation aller möglichen Vorfälle und in den abschließenden Echt- Versuchen liegt die Qualität von Microsys. Der Nischenplayer passt exzellent zur Firma Concept Tech in Gratkorn gehört auch zur Christof- Group und ihre 70 Beschäftigten arbeiten ebenfalls im Bereich der Fahrsicherheitssysteme für die Marken Bentley, BMW, Daimler, Porsche, VW. Magna hat uns die Chance geboten Wir wollten logischerweise weiter wachsen, spricht M&R-Automation-Gesellschafter Herbert Ritter die Notwendigkeit und Zwänge in seiner Branche an. Daher haben wir vor zehn Jahren in Toronto eine Niederlassung gegründet und sind seit damals erfolgreich am Markt. Begonnen und gedacht war der Standort ursprünglich nur als Service- und Support-Stützpunkt. Doch sehr rasch erkannte Herbert Ritter, dass das so nicht funktionieren wird. Daher haben wir einen eigenen Produktionsstandort aufgebaut. Denn die Maschinen, die hier gebaut werden, die Standards, die Vorgaben und, und sind andere als bei uns in Europa. Geführt wird die 40 Mann starke Niederlassung in Mississauga bei Toronto vom Steirer Christian Sterner, der im Stammwerk in Graz- Grambach die nötigen Erfahrungen gesammelt hat. Das Erfordernis an Qualität und Flexibilität in Kanada stellte M&R Automation vor große Herausforderungen. Weil wir das nötige Fachpersonal nicht bekamen, aber die Aufträge termingerecht abzuwickeln waren, bin ich über Mona- Flugzeuge sind das beliebteste Reisefortbewegungsmittel in Nordamerika. Mit dem Bus von einem B-to-B-Termin zum anderen. KLIPP Oktober / November 2012 23

Toronto-M&R-Niederlassung-GF: Arnold Fuchs und Christian Sterner mit ihrem Chef Herbert Ritter. Von Daniela Guß (3.v.l.) und Sabine Ilger (2.v.r.) wurde bis zum letzten Termin alles punktgenau organisiert: auch die Sondererlaubnis für ein Gruppenbild im heiligen Handelsraum der Warenbörse in Chicago. Der Neo-Politiker Stronach wiederholte dann auch recht locker und entspannt seine bekannten Positionen zu Bürokratie, Staatsverschuldung, Euro usw. und seine Sorgen für die Zukunft Österreichs. In der Folge war dann Small Talk an diesem Abend im Klubhaus angesagt. 120 Rinder im Stall te 14-tägig zwischen Toronto und Graz gependelt, zeigt Herbert Ritter auf, welcher Einsatz dahintersteckt. Wir haben auch wie überall unser Lehrgeld zahlen müssen, verweist er darauf, wie in Kanada mit Behörden und der dort herrschenden Arbeitskultur umzugehen ist. Akribische Vorarbeit nötig Es gibt genügend Scherzbolde auch in Nordamerika. Bevor eine knapp 50-köpfige Gruppe von Managern, Firmenchefs aus ganz unterschiedlichen Branchen zu einer Fact Finding Mission aufbricht, bedarf es monatelanger umfangreicher organisatorischer Vorbereitung. Denn der Grund der Reise ist ja nicht Sightseeing auch das gibt es nebenbei schon, sondern eben geschäftliche Kontakte und Gespräche. Wobei Vertreter des Automobilclusters ihre Ansprechpartner benötigen, jene aus der Medizintechnik, aus der Dienstleistungsbranche, den Hochschulen wieder ganz andere. Diese in detektivischer Kleinstarbeit ausfindig zu machen, das ist die Aufgabe des ICS Internationalisierungscenter Steiermark, einer 25 Köpfe starken gemeinsamen Plattform der Wirtschaftskammer, Industriellenvereinigung und des Landes Steiermark. Bei der logistischen Vorbereitung sind natürlich dann die Wirtschaftsdelegationen Österreichs vor Ort intensiv eingebunden. Selbst bei akribischer Planung ist es nicht leicht, eine Gruppe von 50 Individualisten nicht zu bevormunden, aber doch zu leiten. Frank Stronach trifft Steirer Nicht zuletzt aufgrund der politischen Ambitionen von Frank Stronach ist die Grazerin Kathrin Nachbaur ist zu einer gefragten Interview- Partnerin für die Öffentlichkeit geworden. Sie war vor zwölf Jahren für ein Praktikum zu Magna in Aurora bei Toronto gekommen und ist geblieben. Weil der Firmengründer Frank Stronach himself erkannt hatte, dass die junge, attraktive Steirerin mittlerweile 33 mit viel Power die ihr gestellten Aufgaben bewältigte. Heute ist sie seine rechte Hand und managt praktisch Frank Stronachs Terminplan und dessen Auftritte. Gemeinsam mit ihrem Chef pendelt sie zwischen Kanada und Österreich. Die 80-jährige In- dustrie-tycoon- Legende und Neo-Politiker Stronach vertraut voll auf Nachbauers Gespür in der Vorbereitung seiner Auftritte. Das Magna Headquarter in Aurora bei Toronto erinnert an ein Schloss in der Oststeiermark. Auch beim Empfang für Buchmann und Co. im Klubhaus des Golfclubs von Aurora hat Kathrin Nachbaur Regie geführt und den Abend für die rund 200 geladenen Gäste sorgfältig vorbereitet. LR Buchmann würdigte natürlich den Landsmann ob seines großen Wirkens, speziell für die Steiermark. Die knapp 50-köpfige steirische Gruppe nützte dabei natürlich auch die Chance für Smalltalk und Geschäftskontakte. Man hatte sich im Vorfeld geeinigt, nicht zu politisieren, sondern nur gesellschaftspolitische Themen anzusprechen. Dabei nahm Frank Stronach bei seinem Auftritt die steirischen Politiker quasi in Schutz. Er kenne die meisten. Die seien schon ordentlich, Korruption und Misswirtschaft gäbe es vor allem in Wien. Mit Frank Stronach: Buchmann, Roth, Niggas, Ludwig, Pilz. Als Ausgleich und Hobby zu seinem Job züchtet Max Amtmann er stammt aus der Oststeiermark nicht Rennpferde wie sein großer Förderer Frank Stronach, sondern betreibt eine Viehzucht. 120 Rinder hat er zurzeit auf den Weiden seiner Farm knapp außerhalb von Toronto stehen. Täglich kümmert sich der Nebenerwerbslandwirt um seine Kühe, bevor er ins Magna-Headquarter nach Aurora fährt. Ich züchte keine Milchkühe, sondern Fleischrinder, sagt Amtmann, der das Innovation Center in Aurora führt. Stronach selbst entdeckte den talentierten, bodenständigen Max Amtmann im Steyr-Werk in Graz und holte ihn als Mann für schwierige Aufgaben ich bin oft als Troubleshooter eingesetzt gewesen im Jahr 1985 nach Kanada. Natürlich bin ich mit der ganzen Familie herüber, sagt er. Von seinem Typ her passt Amtmann nicht in das Klischee eines Forschungsmanagers. In seinem Innovation Center laufen aber praktisch alle Innovationen zusammen, die es im 120.000 Mitarbeiter großen Magna-Konzern weltweit gibt. Amtmann passt in Stronachs Auswahlschema für Führungs- 24 KLIPP Oktober/November 2012

Prost auf den gelungenen Abend: Das Damen-Duo Jöbstl, Josef Niggas (mitte) und Wilhelm Maier (re). positionen. Auch er ist ein Mann der Praxis und diese Linie verfolgt Magna auch bei der Ausbildung seiner künftigen Führungsmannschaft. Neben dem Hochschulstudium muss jeder auch praktische Erfahrung in Produktionsvorgängen (z.b. Schweißen) haben. Im Bus an der Grenze: Werden die uns wohl alle reinlassen? Einreisen in die USA Die staatlichen Autoritäten der Vereinigten Staaten von Amerika sind eine eigene Spezies. Im Vergleich zu unseren Exekutivbeamten egal, ob in der Polizei oder an der Grenze treten diese Herrschaften als die wahren Damen und Herren auf. Sie, die Vertreter der Homeland Security des Landes mit den angeblich größten Freiheitsrechten für seine Bürger, signalisieren mit ihrem Tun und Handeln jedem Einreisenden: Wir sind die Guten. Du bist der (mögliche) Böse. Denn niemand will logischerweise von ihnen die Schuld auf sich laden, einen potentiellen Terroristen ins Land gelassen zu haben. Was bei uns leicht als Schikane eingestuft wird, gehört für die Homeland Security zum absoluten Muss. Regeln und Vorschriften sind dazu da, um strikt eingehalten zu werden. Ganz egal, ob das beim Anstellen in der U-Bahn, beim Bus, am Flughafen, im Restaurant ist Vorschwindeln gehört zu den Todsünden. Daher bleibt jeder in der Reihe, gibt s kein Drängeln. Vorschriften, die man nicht kennt, können aber auch verhängnisvolle Konsequenzen haben: Bei uns, aber auch in Kanada, sind Überraschungseier für Kinder ein oft gemachtes Geschenk. Deren Einfuhr in die USA ist jedoch strengstens verboten. Die Begründung dafür: Sie können, ungeöffnet gegessen, zum Erstickungstod führen. Wird man dabei erwischt, drohen Strafen von bis zu 10.000 Dollar. Sie ist ein Kind aus Detroit Kathryn List ist die Frau von AVL- Chef Helmut List und ist ein einem Vorort von Detroit groß geworden. Ehrensache für sie, dass sie uns während des Aufenthalts in Detroit begleitet. Wir konnten daher keinen besseren Guide finden, als es am Abend Downtown ging. Gelandet sind wir im Restaurant Pegasus im griechischen Viertel, das angenehm kleinstädtisch wirkt. In diesem Gebäude haben wir damals das Ethic Headquarter von General Motors in Detroit: die Beleuchtung der Wolkenkratzer ist gewöhnungsbedürftig. Theatre aufgebaut, wo sie Jahre mitgewirkt und durch die wilden Jahre viel für ihr späteres Leben gelernt hat. Möglicherweise hätte ich mich ohne diese Erfahrung gar nicht getraut, nach Europa zu gehen, sagt Kathryn List, die ihren Mann in Detroit kennengelernt hat. Aus der Not heraus Weltrekordhalterin im Pendeln Als Pendlerin ist sie wahrscheinlich eine Kandidatin für das Buch der Rekorde. Sabine Kollment- Scharl pendelt 14-tägig zwischen Detroit und Leeds in Großbritannien. Nicht ganz freiwillig, denn nur dort kann sie ihrem Beruf als Ärztin nachgehen. Ich habe in Graz Medizin studiert, treffen wir die gebürtige Mürztalerin am Rande eines Networking-Meetings in Detroit. Dort lebt sie mit ihrer Familie. Ihr Mann er hat Maschinenbau an der TU Graz studiert hat die US-Niederlassung einer aus Oberösterreich stammenden Unternehmensgruppe erfolgreich geleitet, bis diese ihn in der Krise gegen einen jüngeren und billigeren Manager austauschte. Er ist zurzeit dabei, sich als Consulter ein neues berufliches Umfeld zu schaffen, schildert Sabine Kollment-Scharl ohne Scheu ihre familiäre Situation. Mit ihrem Medizinstudium darf sie in den USA zwar in der Administration, aber nicht mit Patienten arbeiten. Aber wozu hätte ich sonst studiert, fragt sie sich. Ich will das. In den USA hätte ich das Studium aber praktisch noch einmal machen müssen, sagt sie. Jetzt allerdings aufgrund der Familiensituation ihr Medizinstudium mehr als gefragt. Ich pendle 14-tägig nach Leeds in Großbritannien, weil dort ständig Vertretungen für Ärzte, die in Urlaub oder Krankenstand sind, gesucht werden. Und kann sich so etwas auszahlen? Ja, mit einem Wochenend-Nachtdienst habe ich bereits den Flug verdient. Während ihres Aufenthalts in Großbritannien ist sie als Ärztin natürlich viel mit dem Auto unterwegs. Weil dort jeder Versicherte einen Anspruch auf einen Hausbesuch hat, erklärt sie. Mittlerweile ist ihre Arbeit so gefragt, dass sie mehrere Wochen bleibt, bis es wieder nach Hause geht. Wäre ich nicht Österreicherin und damit EU-Bürgerin, könnte ich dort gar nicht arbeiten. So gesehen ist das auch ein Glück für unsere gesamte Familie. Die Amerikaner: Statistik-Freaks und Tabellendenker Ganz wichtig in den USA ist für jede Gemeinde, jede Region, jede Schule, Universität, jedes Unternehmen, aber auch im Sport, an welcher Stelle man in der Siegertabelle steht. Das so genannte Ranking gehört einfach zum Einmaleins des Wer bist du in den USA. Im Leben jedes Nordamerikaners geht es nun mal zu einem nicht unerheblichen Teil um statistische Daten und Rekorde. Ob es sich nun um die älteste Verkehrsanlage in den Staaten handelt, den höchsten Turm oder die tiefste Kohlen- oder Goldmine, das höchste Einkommen in Amerika will man immer vorne dabei sein. Yes, we can klarerweise gerade im Sport. Da wird penibel Buch geführt, wie KLIPP SPEZIAL KLIPP Oktober / November 2012 Hält sicher den Weltrekord als Pendlerin: die Ärztin S. Kollment-Scharl. Sie pendelt 14-tägig zwischen Detroit und Leeds. Was tun damit? Der ehemalige, völlig desolate, aufgelassene Hauptbahnhof von Detroit. 25

Österreichische und amerikanische Journalisten verstehen sich oft auch ohne viele Worte. Kathrin Nachbaur mit Franz Kaufmann. Wirklichkeit und Vision viele Yards im American Football, Baseball, Basketball, und, und geschafft werden, wie oft ein Sportprofi in seiner Disziplin bei welchem Licht, an welchem Tag, bei welcher Windstärke gefehlt oder getroffen hat. Statistik ist nicht alles, aber ohne Statistik geht s auch nicht. Denn damit bekommt alles seine Struktur, lässt es sich versorgt mit Fakten leidenschaftlich und ernsthaft mit diskutieren. Immer positiv denken Nach meiner Rückkehr lasse ich unsere Werbeauftritte, die Homepage gleich neu gestalten, zeigt sich Herbert Ritter, Chef der Unternehmensgruppe M&R Automation nach einem B2B-Meeting von der Strategie amerikanischer Manager und Unternehmen angetan. Da wurde nicht über Budget-Defizite geklagt, sondern positiv von Budget-Ausgaben- Überschüssen geredet. Denen gelingt es, selbst Misserfolge oder Fast wie im Schulbus auf der Fahrt zum nächsten Termin: Kurt Steiner, Christoph Ludwig, Claus Tüchler, Franz Lückler, Karl P. Pfeiffer (FH Joanneum), Harald Kainz (TU-Rektor) und LR Buchmann Schwächen viel besser zu verkaufen. Mir ist bewusst geworden, dass wir da viel zu ängstlich, vorsichtig sind, sagt Herbert Ritter, der selbst für amerikanische Verhältnisse mit seiner Unternehmensgruppe eine Traum-Karriere hingelegt hat. Zu Hause im Wohnzimmer und in der Garage haben er und sein Partner Maitz in den 80er-Jahren die ersten Aufträge für Maschinen abgewickelt. Heute beschäftigt sein Hightech-Unternehmen mehr als 300 Eine Schutzkleidung für homeless people (Obdachlose), entworfen von einer jungen Absolventin der Design School. Ihr Business ist bereits gut angelaufen. Mitarbeiter und zählt weltweit namhafte Konzerne zu den Kunden. Raumanzug für Obdachlose Es ist irgendwo stimmig, passt ins Klischee, das es über die USA gibt: Nicht irgendwer, sondern eine junge Designerin des Kollegs in Detroit hat einen 24-Stunden-Allzweck-Anzug samt Schuhen für Obdachlose und Bettler entworfen. Aus einem strapazierfähigen, leichten Material, das auch in der Raumfahrt verwendet wird. Die Kleidung schützt vor Kälte, Regen und eignet sich auch gut als Schlafsack. Nicht zufällig kommt er aus Detroit, liegt doch dort die Arbeitslosenrate bei 20 Prozent und mehr, die Obdachlosenzahlen gehen in die zigtausend und einzelne völlig heruntergekommene Stadtteile sollte man auch am Tag meiden. Die junge Dame hat es mit ihrem Entwurf den Sprung die Gruppe der Small Business Entrepreneurs Fakten zur Great Lakes Region 35,7 % der Bevölkerung der USA und Kanadas leben in diesem Raum 41 % der ausgebildeten Akademiker der USA und Kanadas sind hier vertreten 11 % der Top-2000-Firmen der Welt haben ihre Firmenzentralen hier angesiedelt 20 der weltbesten 100 Universitäten mit hervorragender weltweiter Vernetzung sind in diesem Raum angesiedelt 38 % der Forschungsmittel der USA und Kanadas werden hier ausgegeben 39 % des Außenhandels der USA und Kanadas trägt diese Region Wirtschaftlich betrachtet spricht man in den USA nicht von der Great Lakes Region, sondern eher von der Midwest Region, miteingeschlossen die kanadische Provinz Ontario, zu der sehr enge wirtschaftliche Verflechtungen bestehen. Erfolgreich in Nordamerika (einige Beispiele): Andritz Hydro gewinnt einen US Army Corps of Engineers-Auftrag für die Renovierung eines Wasserkraftwerks in Oakridge, Oregon. Sattler AG aus Graz kauft US-Produktionsanlagen und -marke für Sonnenschutztextilien. Stahl Judenburg erwirbt Lenkstangen-Produktion in Indianapolis, IN. Austriamicrosystems kauft um 320 Mio. USD den Chiphersteller Texas Advanced Optoelectronic Solutions (Taos), einen Zulieferer für Smartphones und Tablets, in Texas. Andritz liefert die größte Pelletsproduktionsanlage Nordamerikas nach Atlanta, Georgia. AVL eröffnet das California Technology Center mit Schwerpunkt grüne Technologien für die Autoindustrie in Lake Forest, CA. Spedition Jerich (Gleisdorf) expandiert weiter in den USA, bereits 8 Niederlassungen, hat um 75 Mio. USD im Jahr 2009 ein neues Logistikcenter in Atlanta errichtet. Logicdata gründet Verkaufs- und Serviceniederlassung in North Carolina, zieht zwei Großaufträge in den USA an Land. VAE Nortrak North America Inc. übernimmt Leading Edge Enterprises Inc. in Decatur, Illinois (Anbieter von Spezialkomponenten für den Bahnfahrweg). 26 KLIPP Oktober/November 2012

Chicago gehört sicher zu den attraktivsten US-Metropolen. (Jungunternehmer) geschafft. Auch gibt es bereits Sponsoren für die überlebensfördernde Bekleidung. Hoch vom Dachstein an Seit den 30er-Jahren des vorigen Jahrhunderts gilt der Großraum Chicago als attraktives Ansiedlungsziel für Burgenländer und Steirer. Diese zeigten sich einmal mehr auch im traditionellen Knickebocker Hotel beim Empfang am Vorabend des Nationalfeiertags in Chicago. Unter den 300 Gästen, die sich von der eigenes eingeflogenen Live-Musiks- Gruppe Steirische Auslese unterhalten ließen, über Heimat und heimatliche Gefühle plauderten, waren auch die Steirer stark vertreten allen voran ihr Obmann Josef Wilfinger. Seit Jahrzehnten gibt es in Chicago auch eine eigene Steirer-Alm ein Grundstück mit einer Holzhütte, wo man sich oft zu diversen Feiern und Anlässen trifft. Der jüngste war ein Strudel-Tag, sagt Josef Wilfinger. Er kommt aus Das Knickerbocker Hotel, Chicago: Rastplatz für die steirische Delegation. Vor ihr residierte dort schon Al Capone. St. Johann bei Herberstein, wirkt ein wenig nachdenklich, wenn er davon spricht, dass nicht genügend Junge im Klub nachwachsen. Sehr wohl vertreten waren die Jungen dann aber beim Abfeiern in der Bar des Hancock Tower im 96. Stockwerk mit herrlichem Ausblick über Chicago. Gemeinsam mit der Steirischen Auslese sorgten die Steirer dort für einen Ausnahmezustand. Gehässige Wahlwerbung Wenn Sie diese Reportage lesen, dann sind die Amerikaner gerade zu den Wahlurnen unterwegs oder ist die Wahl bereits geschlagen. Sollte es Barack Obama wieder geschafft haben, dann ist das aus Sicht der Europäer sicher die vernünftigere Entscheidung. Bei uns sind in Vorwahlzeiten bekanntlich die Plakatflächen voll mit politischer Wahlwerbung. In den USA fehlt dieses Bild auf den Straßen, denn da gibt es kaum derartige Werbeflächen. Das meiste läuft über die unübersehbar vielen TV- Kanäle. Und mit einer Aggressivität Sponsoren, die dem College mehr als 15 Millionen Dollar spendeten und jene, die weniger spendabel waren. gegenüber dem politischen Mitbewerber, die bei uns gar nicht erlaubt sein würde. Da werden in der Werbung einzelne Kandidaten für den Senat als Kriminelle vorgeführt, denen Steuerbetrug und andere Grauslichkeiten vorgeworfen werden. Bezahlt wird diese Werbung von Personen-Komitees oder millionenschweren Geschäftsleuten bzw. Anhängern der einen oder anderen Partei. Mehr als zehn Milliarden Dollar wird dieser Wahlkampf gekostet haben. Die Entscheidung über Sieg und Niederlage fällt aber in den so genannten Swing-Staaten - allen voran Ohio und Florida, weiters Virginia, North Carolina, Iowa, Wisconsin, New Hampshire, Colorado und Nevada. Seit die beiden Bushs das Land regierten, hat sich Amerika praktisch in zwei Lager geteilt: Im Osten, im Westen und im Norden der USA da stellen die Demokraten zumeist in der Mehrheit. Im Süden, Südosten, Südwesten der USA regieren die Republikaner. Kaum, dass es bei den Präsidenten-Wahlen noch politische Erdbeben gibt. Amerika ist einfach konservativer geworden. Daher gibt es in den letzten Tagen vor der Wahl praktisch täglich Live-Berichte nur noch aus den Swing-Staaten, wie sich die Stimmung für Obama oder auch Romney entwickelt. Die fürchterliche Hochwasser-Katastrophe unterbrach aber selbst den US- Wahlkampf. Österreichischer in Illinois Derzeit sind dort über 30 österreichische Niederlassungen und Vertretungen ansässig: APF, Austromar Logistics, B&R Industrial Automation, Bachmann Electronic, Berndorf Belt Technology, Böhler-Uddeholm, B&R Industrial Automation, Constantia Colmar, DB Schenker, DELA- CON, Doka, GAW Paper Coating Systems, Helmold LCC, Julius Meinl Chicago, Landgarten, Mondi, Monfort Advertising, Panalpina, Pewag, Pollman North America, Red Bull, RB International Finance, Senoplast, Starlinger North America, Superfund, TAC IT America, Tiger Drylac, VAE NORTRAK NORTH AMERICA (Voestalpine), Weiss- Rohling. Treibstoff für wirtschaftlichen Aufschwung In Europa noch nicht wirklich angekommen ist die Nachricht, dass sich in den USA eine stille, aber äußerst wirksame Energiewende vollzieht. Und es war kein Zufall, dass wir sowohl in Detroit, Kalamazoo, aber auch in Chicago eingehend darüber informiert wurden. Der Treibstoff, der den wirtschaftlichen Aufschwung beschleunigt, heißt Natural Gas. Die USA verfügen neuerdings in Hülle und Fülle darüber. Die so genannte unkonventionelle Förderung von Gas aus Schiefergestein hat dazu geführt, dass die Vereinigten Staaten inzwischen zum Selbstversorger geworden sind. Mit einer für Europa nicht so positiven Folge: Gas ist in den USA inzwischen etwa vier Mal billiger als bei uns! Damit wird Amerika als Investitionsstandort weltweit wieder sehr, sehr interessant. Das positive Szenario für Europa: Dass auch bei uns der Gaspreis fallen wird oder zumindest kurzfristig fallen sollte. Natural Gas entlastet die Umwelt, damit können die Amerikaner auch den CO2-Ausstoß ganz gewaltig verringern, tun KLIPP SPEZIAL KLIPP Oktober / November 2012 27

Delta-Chef Josef Ebner und Sophie Kottulinsky. Mit dem Bus ist es oft bequemer, als rein ins Flugzeug, raus ins Flugzeug, rein ins Flugzeug, raus ins Flugzeug Franz Lückler bei Magna Closure einer der weltweit größten Hersteller von Türschließ- Systemen. Kathrin Nachbaur aus Graz: wird ihren Chef Frank auch im kommenden Nationalratswahlkampf begleiten. damit auch etwas für den Klimawandel. Die Projekte und Pläne zum Beispiel für die Umrüstung der riesigen Truck-Flotten auf Erdgas in den 320 Millionen Einwohner großen USA werden schon umgesetzt. Die Tankstellen-Struktur ist vorhanden, aber schon beginnt man auch mit Großprojekten für die Wärmeversorgung mit Natural Gas. Die USA werden damit in den nächsten Jahren, was ihre Wettbewerbsfähigkeit anlangt, ganz stark gegenüber anderen Industrieländern aufholen. Berücksichtigt man auch noch den Atomstrom, der in Amerika zur Verfügung steht, dann wird keine Industrienation der Welt mit billigerer Energie arbeiten als die Amerikaner. Die CME bestimmt unser Schicksal Unser Unternehmen hat einen enormen globalen Einfluss, stimmt der deutschsprachige Führer die Steirer gleich darauf ein, wo sie sich befinden. Die CME, die Waren- und Terminbörse in Chicago ist nach der Wallstreet in New York die wichtigste Finanzbörse weltweit. Sie handelt mit Waren aller Art Getreide, Vieh, Metalle, Bodenschätze, Aktien, Indizes, und, und. Die einen, die Hedger, Produzenten von Waren und Produkten, versuchen, ihre Preise mit so genannten Futures am Markt abzusichern. Ihre Kontrakte haben den Zweck, das Risiko zu vermindern. Auf der anderen Seite stehen die Spekulanten, die diese Kontrakte kaufen oder sich Optionen darauf holen und daraus Gewinne oder auch Verluste kreieren. Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis und je mehr Kontrakte auf einer Börse passieren, desto mehr Liquidität gibt es. Und dabei ist CME unübertroffen. 2.000 Milliarden Geschäftsabschlüsse pro Jahr. Jede 15.000stel Sekunde wird ein Kontrakt geschlossen. Und innerhalb einer Sekunde läuft das elektronische Signal praktisch vier Mal rund um die Erde. Logisch, dass der Handel weltweit abläuft und Hedger und Spekulanten deshalb nicht unbedingt in Chicago persönlich anwesend sein müssen. Wiewohl die Waren- und Terminbörse eine der letzten Börsen ist, wo noch genauso im Trading-Room gehandelt wird, wie das vor 160 Jahren bei der Gründung schon der Fall war. Die CME selbst produziert nichts, sondern fungiert praktisch als Sicherheitsnetz. Sie garantiert, dass die Kunden, die miteinander handeln und Geschäfte machen, auch entsprechend liquide sind, dass sie über die entsprechenden Cash-Mittel verfügen. An den Börsen entscheiden heute Hochleistungsrechner über Gewinne und Verluste. Wer schneller ist, der macht das Geschäft. Es ist daher ein Staatsgeheimnis, wo in den USA die CME (Chicago Mercantile Exchange) ihre Riesen-Rechner stehen hat. Milliarden-Klage gegen Bank of America Die Bundesstaatsanwaltschaft von Manhattan hat in den letzten Monaten große amerikanische Banken im Zusammenhang mit fragwürdigen Hypothekengeschäften verklagt. Nun gibt es auch eine Milliarden- Klage gegen die Bank of America. Man wirft dem Institut Betrug bei Hypothekengeschäften vor. Mit einem Hypotheken-Komplott habe die Bank of America für hohe Verluste bei den im Jahr 2008 verstaatlichten Immobilien-Finanzierern Fannie Mae und Freddie Mac gesorgt. Die Bank habe im Vorfeld der Krise die Kontrolle der Kreditqualitäten ausgesetzt und damit dem amerikanischen Steuerzahler die Rechnung überlassen. Erst vor wenigen Monaten hat die Deutsche Bank 202 Millionen Dollar in einem außergerichtlichen Vergleich für ihre Hypotheken-Tochtergesellschaft Mortgage IT bezahlt. Bis zu 76 Milliarden Dollar sollen die Banken nach Berechnungen bezahlen müssen. Kredit-Score entscheidet Datenschutz war gestern Jeder Bürger in den USA, der das 18. Lebensjahr überschritten hat, benötigt solche Kredit-Scores. Das sind dreistellige Zahlen zur Bewertung der Kreditwürdigkeit. Das Prinzip des Kredit-Scores funktioniert wie ein Führerschein für die Konsumwelt. Er berechtigt die Amerikaner, am Wirtschaftsverkehr teilzunehmen, also am Handel mit Waren und Dienstleistungen. Ob beim Kauf eines Autos oder Eigenheims oder bei der Finanzierung der Ausbildung über einen Studien-Kredit Banken und andere Darlehensgeber, die all das finanzieren, verlassen sich auf diese eine Zahl, wie die deutsche Wochenzeitung Die Zeit berichtet. Der Punktestand bestimmt, wer einen Kredit bekommt und wie viel Zinsen er dafür bezahlen muss. Die Bewertungsspanne reicht von 300 bis 850 je höher die Zahl, desto hö- Interessiert an kreativen Geistern in der Design School in Detroit: Mario Müller, Bernhard Hammer und Kollegen. Kathryn List, Frau von AVL-Chef Helmut List und Donald W. Manvel, Freund der Familie und AVL-Präsident für Nordamerika Ecoworld-Geschäftsführer Bernhard Puttinger (li) in Kalamazoo: Natural Gas leitet in den USA eine Energiewende und Klimaverbesserung ein. Magna-Manager und Nebenerwerbslandwirt Max Amtmann. 28 KLIPP Oktober/November 2012

Florian Buchner (Binder Maschinenbau) und Thomas Lorber (Intact Consult) Harald Kainz, Stefan Pilz, Angelika Kresch und Gottfried Michael Vieltorf. Herwig Neuper, stellvertretender Wirtschaftsdelegierte in Toronto. Er kommt aus Bad Mitterndorf, wo seine Eltern einen Bauernhof führen. Wirtschaftskrise zwingt viele junge Menschen, ihr eigenes Small Business zu beginnen auch in Detroit, mit hausgemachten Mehlspeisen. Und die Dinge laufen bestens. her die Bonität. Berechnet wird der Kredit-Score durch spezielle Computerprogramme. Die Daten dafür liefern meist die drei großen Wirtschaftsauskunfteien Experian, Equifax oder TransUnion. Sie geben Daten weiter wie häufig wird ein Kredit in Anspruch genommen, wird das Limit ausgeschöpft, wie schnell wird das Darlehen zurückgezahlt. Die Auskunfteien sammeln alle Daten, die sie nur irgendwo herbekommen können. Diese Daten werden von der Auskunftei dann an die Kreditgeber-Banken oder Arbeitgeber verkauft. Data Mining Daten schürfen ist ein ungemein gutes und ertragreiches Geschäft in den USA. So sollen künftig auch Informationen über Zeitungsabos, Abrechnungen für Kabelfernsehen, für die Kinderbetreuung, Gesundheitsausgaben, Versicherungsansprüche in diesen Kredit-Score einfließen. Die meisten dieser Daten sind käuflich erhältlich. Je detaillierter die Angaben, desto genauer ist dann das Profil zum Ermitteln der Kreditwürdigkeit. Und die Kreditgeber verlassen sich zunehmend auf die Bewertungen. Es gibt praktisch keine Sensibilität für Datenschutz. Die ganze Sache kann sehr verhängnisvoll sein. Wer keine Kredit-Historie hat, der kommt nicht weiter, will er für sein Haus oder für sonst etwas einen Kredit aufnehmen. Besonders dann, wenn zum Beispiel junge Menschen keine Kreditkarte bekommen, weil sie eben einen schlechten Score aufweisen. Viele Antragsteller erfahren von ihrem möglicherweise fehlerhaften Kredit-Register erst, wenn ihnen ein Kredit verwehrt wird. Da passt die TV-Serie Die Bounty Hunters genau ins Bild eine martialisch wirkende, mit modernsten Waffen ausgestattete, private Einsatzgruppe, die Kreditschuldner aufspürt und an die Gläubiger ausliefert. Hab noch viel Gummi auf den Reifen Bald nach seiner Bäckerlehre wanderte Frank Polzler damals hieß er sicher Franz nach Kanada aus. Dort machte er sich auch im Bauund Immobiliengeschäft selbstständig. Doch mit wechselndem Erfolg. 1979 kam er schließlich mit den Remax-Eigentümern in Kontakt. Die schauten sich meine Bilanzen aus der Vergangenheit an und sagten:,was wollen Sie? Sie sind ja pleite. Dennoch haben wir die Lizenz für Ostkanada erhalten, blickt Frank Polzler zurück. Am Flughafen sagte der Eigentümer zu seiner Frau: Ich glaube, ich habe den größten Fehler meines Lebens gemacht. Sieben Jahre später war Frank Polzler mit Remax in Ostkanada die Nummer 1 und hatte einen Marktanteil von 35 Prozent. Sein Kontakt zu Europa und auch zu Österreich brach nie ab, lebten doch seine Verwandten hier. Als er im Jahr 1993 den Remax-Eigentümern vorschlug, auch auf den Markt nach Europa zu gehen, sagten die: Mach das halt! Denn die haben überhaupt keine Ahnung von Europa gehabt. Den ersten Remax-Brückenkopf gab es in Spanien. Dann folgten an- Frank Polzler: Er brachte Remax nach Europa. dere Länder, wie die Türkei und Israel. Da waren wir überall sehr erfolgreich. Heute liegt das Geschäft in diesen Ländern ziemlich am Boden. Von 150 Büros in Spanien sind jetzt nur noch 45 aktiv. In Griechenland ging die Zahl der Remax-Offices von 80 auf 25 zurück. Ich habe schon viele Krisen miterlebt. Es wird wieder aufwärtsgehen, zeigt Frank Polzler Optimismus. Ich bin immer Optimist gewesen. Und daher sieht er auch noch große Chancen in Europa, etwa in Deutschland, wo es nur 200 Remax-Büros gibt, aber 83 Millionen Einwohner. Da haben wir noch viele Möglichkeiten. Insgesamt verdient Remax in Europa noch immer Geld, auch nach der Krise. Im Alter von 50 Jahren überlebte Frank Polzler den Absturz eines Kleinflugzeuges. Es war wie ein Wink. Meine Zeit war noch nicht abgelaufen. Und ich habe auch heute noch viel Gummi auf den Reifen, spornt er Studenten bei einem Vortrag auf der Uni Graz an. Wenn ich irgendwo im Anflug auf eine Stadt bin, dann sehe ich unter mir nicht Häuser, sondern überall ein mögliches Geschäft. von Jürgen Lehner Empfang zum Nationalfeiertag in Chicago: Josef Wilfinger, Obmann des dortigen Steirer-Klubs. KLIPP Oktober/November 2012 Sorgten mit ihrer Polka für Stimmung im Knickebocker Hotel: Angelika Kresch und Bernhard Hammer. Da wird man leicht zu einem Ziel für Andersgläubige, wenn aus Styrian eine Syrian Delegation wird. Das neue Wahrzeichen von Chicago: The Bean, offiziell heißt es Cloud Gate und steht im Millennium-Park. 29