Aus Norwegen erfahren wir, dass im Januar 2017 der UKW-Stecker gezogen wird. Dänemark denkt ebenso darüber nach; in Grossbritannien ringt man seit einiger Zeit mit der Bekanntgabe eines Abschaltdatums. Und wie steht's damit in der Schweiz? 1
Auch wir gehen davon aus, dass die UKW-Verbreitung in der Schweiz eines Tages ihren letzten Tag haben wird. Doch über einen konkreten Switch-Off -Termin haben wir noch nicht entschieden. Denn viel wichtiger für uns ist gegenwärtig, jenen Prozess in Gang zu setzen, der die Radiolandschaft für diesen Termin vorbereitet. Die Schweiz ist gut gerüstet für die digitale Migration. Wie wir uns den Übergang von der analogen zur digitalen i Radioverbreitung i vorstellen, und wer daran beteiligt ist, das möchten ich Ihnen nun vorstellen. 2
Doch blicken wir zuerst zurück: Schon um die Jahrtausendwende beklagten die privaten Radioveranstalter chronische Frequenzknappheit im UKW-Spektrum, die eine weitere Entwicklung der Radiolandschaft insbesondere in den sprachregionalen Raum verunmöglichte. Die Expertengruppe UKW 2001 sollte deshalb Lösungen finden und Strategien für eine mögliche Radiozukunft entwerfen. Die Expertengruppe kam zum Schluss, dass eine Neuplanung des UKW-Bandes wirtschaftlich unrealistisch ist. Und das Fazit: 3
Die UKW-Versorgung g ist ein Auslaufmodell. Sie wird regional zwar noch eine Weile der wichtigste Verbreitungsvektor bleiben, doch die Zukunft wird digital sein. 4
Dies ist auch die Kernaussage der Digitalisierungsstrategie g g für die Radioverbreitung, die der Bundesrat im Jahr 2006 verabschiedete. 5
Damals, 2006, gab es DAB in der Schweiz schon seit sieben Jahren. Der Bundesrat hatte mit der Konzessionserteilung 1999 klar signalisiert, dass die SRG die Lokomotivfunktion bei DAB übernehmen soll. Die SRG deckte das Land denn auch zügig mit DAB-Sendern ein. 6
Richtig durchgestartet ist DAB aber erst ab 2008, als die SRG ihre bei der älteren Bevölkerung äusserst beliebte Musikwelle vom Mittelwelle-Sender Beromünster auf ihre DAB-Plattform zügelte. Mit diesem Schritt löste die SRG einen wahren Boom beim Verkauf von DAB-Geräten aus. 7
Wenn wir heute Podestplätze verteilen würden, in welchen Ländern sich die digitale Radioverbreitung bisher am meisten durchgesetzt hat, so finden wir Grossbritannien unangefochten auf Platz eins, gefolgt von Dänemark und Norwegen. Und bereits auf dem ehrenvollen vierten Platz darf sich die Schweiz einreihen. 8
Doch wie sieht es mit der Versorgung g mit Programmen aus? Heute sind zehn DAB+-Multiplexe in Betrieb. Der SRG-Layer, der in vier sprachregionale Allotments aufgeteilt ist, erreicht nahezu 100 Prozent der Bevölkerung. Doch nicht nur die SRG verbreitet ihre Radioprogramme digital: 9
Seit 2009 ist die erste private Plattform in Betrieb. Dieses Netz betreibt die SwissMediaCast AG (SMC), ein Joint Venture, das praktisch alle Akteure im elektronischen Medien- und Technologiemarkt vereint: private Radioveranstalter, Verleger, die SRG und die Swisscom. Damit erhielten auch private Programme eine digitale Plattform, und zwar nicht nur wie bei UKW in ihrem Versorgungsgebiet, sondern in der ganzen Deutschschweiz. Und das alles ohne zusätzliche Konzession. 10
Seit Ende 2012 sind auch regionale Allotments der SMC in Betrieb, so in den Grossräumen Basel/Zürich/Innerschweiz, in Bern und in der Ostschweiz. Zwei weitere Plattformen sind im Wallis und in Graubünden geplant. 11
Erfreuliches ereignete sich am 16. April 2014 auch in der Romandie. Hier wurden auf einer sprachregionalen DAB+-Plattform elf von insgesamt dreizehn UKW-Programmen aufgeschaltet. Die Plattform wird von der Romandie Médias SA betrieben, einem gemeinsame Projekt der privaten Radioveranstalter aus der Westschweiz, der SRG und der Swisscom. 12
Und es gibt noch mehr: Seit 1. Mai 2014 sendet in der Stadt Genf eine weitere Plattform digital. Die Digris AG, welche diese Plattform betreibt, setzt auf sogenannte DAB-Inseln in grösseren Agglomerationen. Dabei kommt eine neue, softwaregestützte Technologie zum Einsatz, die mit wesentlich tieferen Kosten auskommen will, als dies bei grossräumigen DAB-Sendegebieten der Fall ist. Mit der Digris-Plattform erhalten auch Veranstalter ohne grosses Budget einen kostengünstigen Zugang zur digitalen Radioverbreitung. Aus diesem Grund haben sich die nichtkommerziellen Radios und auch die Web-Radios am Aktienkapital der Digris beteiligt. Der Genfer Layer ist ausgebucht, ebenso jener in Zürich, den die Digris in wenigen Wochen in Betrieb nehmen will. 13
Sie sehen, die digitale Radioverbreitung hat in der Schweiz den Durchbruch geschafft. Eine Umkehr ist nicht mehr möglich. Und damit stellt sich nicht mehr die Frage, ob sich DAB in der Schweiz durchsetzen wird, sondern vielmehr, wann dies der Fall sein wird. 14
Bevor ich die nächsten Schritte im Prozess näher beleuchte, möchte ich aber noch auf eine Frage eingehen, die Sie vielleicht auch beschäftigt: Was ist, wenn DAB wider Erwarten nicht durchstartet? Haben wir einen Plan B? 15
Die Antwort ist einfach: Die Migration auf DAB ist bereits Plan B, denn wir sind überzeugt: Wenn wir die Digitalisierung der Radioverbreitung nicht schaffen, wird das Medium Radio keine Zukunft mehr haben. Dann werden andere Dienste bzw. eine Kombination von Diensten aus dem Internet die Funktion des Mediums Radio ersetzen. Wenn wir also nach Argumenten für das digitale i Radio suchen, steht nicht der glasklare Klang in beinaher CD-Qualität im Vordergrund. Es geht vielmehr um das Medium als solches, das es zu erhalten gilt. 16
Zwei wichtige Daten bilden den Rahmen, innerhalb dessen wir uns in den nächsten Jahren bewegen werden: 1. Die UKW-Konzessionen laufen per Ende 2019 aus. Nach Gesetz müssten sie neu ausgeschrieben und auf eine Dauer von 10 Jahren erteilt werden. 2. Wie bereits erwähnt, sind die UKW-Konzessionen an ein klar definiertes Versorgungsgebiet geknüpft. Diese 32 Versorgungsgebiete muss der Bundesrat alle 10 Jahre überprüfen. Die nächste Überprüfung muss Mitte 2017 abgeschlossen sein. 17
Somit müssen wir bis spätestens 2017 entschieden haben, wie es mit UKW und DAB weitergehen soll. Und wenn ich von "wir" spreche, so meine ich damit nicht in erster Linie das Bakom. Damit der Prozess erfolgreich durchgeführt werden kann, braucht es alle Akteure, die in den Prozess eingebunden bzw. von diesem betroffen sind: die privaten Radiostationen ebenso wie die Automobilimporteure, die SRG ebenso wie die Radiogerätehändler. Marketingorganisationen ebenso wie auch die Programmmacher. 18
Sie alle handeln nach dem Grundsatz, dass der Aufbruch zu neuen Radiohorizonten nur dann erfolgreich sein kann, wenn alle dasselbe Ziel verfolgen. Deshalb entstand die Arbeitsgruppe DigiMig, Digital Migration. Sie ist seit März 2013 operativ. DigiMig ist aber kein Projekt des Bakom, sondern der gesamten Radiobranche. 19
Die Arbeitsgruppe beschäftigt sich gegenwärtig g g mit folgenden Fragen: Konkretes Vorgehen bis zur Umstellung von UKW auf DAB+ Soll ein Abschaltdatum für UKW festgelegt werden? Marketingmassnahmen zur Förderung der Geräteverkäufe. Wie insbesondere mit welchen rechtlichen und finanziellen Mitteln kann der Bund unterstützend tüt mithelfen, damit die Branche ihr Ziel erreichen kann? 20
Dabei gilt es, ein paar Knacknüsse zu lösen: Finanziell: Schon heute sind mehr als die Hälfte aller UKW- Programme auch über DAB empfangbar. Damit erhöhen sich die Verbreitungskosten aber um rund 50 Prozent. Doch ob die Veranstalter diesen teuren Simulcast-Betrieb über längere Zeit finanzieren können und wollen, ist fraglich. Ziel der Migration ist es deshalb, diese Phase so kurz wie möglich zu hl halten. Gleichzeitig sieht unser Gesetz vor, dass die Investitionen und der Betrieb von neuen Technologien während einer bestimmten Dauer aus den Gebühreneinnahmen finanziert werden können. Gegenwärtig erhalten konzessionierte Veranstalter 25 Prozent an die Kosten, die sie den Betreibern von DAB-Plattformen entrichten müssen bzw. 75 Prozent an die Investitionskosten, wenn sie selber Netze bauen. In der laufenden Gesetzesrevision wird zudem vorgeschlagen, diesen Anteil deutlich zu erhöhen. 21
Frequenztechnisch: Heute ist ein UKW-Veranstalter verpflichtet, sein Versorgungsgebiet technisch flächendeckend zu versorgen. Wir prüfen gegenwärtig, ob wir diese Pflicht teilweise lockern können, wenn der Veranstalter sein Sendegebiet via DAB versorgt. UKW- Veranstalter sollen also schon bald die Möglichkeit erhalten, die UKW-Versorgung abzubauen. 22
Konzessionsrechtlich: Wie bereits erwähnt, laufen die UKW- Konzessionen bis Ende 2019. Wir gehen davon aus, dass bis dann der Migrationsprozess soweit fortgeschritten ist, dass alle UKW- Programme auch über DAB+-Plattformen verbreitet werden. Eine erneute Ausschreibung von UKW-Konzessionen würde aber dem Migrationsprozess zuwiderlaufen. Folglich macht es mehr Sinn, die bestehenden Konzessionen lediglich für eine kurze Dauer zu verlängern. 23
DigiMig g nennt als zeitlichen Rahmen die Periode zwischen 2020 und 2024, in der sich die meisten UKW-Veranstalter aus der analogen Programmverbreitung verabschieden werden. 24
Noch sind wir aber nicht im Jahr 2020. Der nächste Schritt ist der Schlussbericht der Arbeitsgruppe DigiMig, der bis Ende 2014 Bundesrätin Leuthard vorgelegt werden soll, und der auch publiziert wird. 25
Wie ich bereits erwähnt habe; die Migration auf DAB ist ein Prozess. Zu Beginn dieses Prozesses sollen alle Radioveranstalter mit Hilfe von Anreizen und finanzieller Unterstützung dazu motiviert werden, ihre Programme auch digital zu verbreiten. DAB soll zu einem Must, UKW hingegen so unattraktiv wie möglich werden. Dieser Prozess ist bereits angelaufen. Den Zeitpunkt der UKW-Abschaltung will die Arbeitsgruppe hingegen erst in einer späteren Phase definitiv festlegen. Wann effektiv der Stecker gezogen wird, hängt vom Erfolg des Prozesses ab und natürlich von der digitalen Nutzung der Radioprogramme bzw. der Durchdringung der Haushalte und Autos mit digitalen Empfangsgeräten. 26
Wo stehen wir heute? Obwohl noch kein formeller Entscheid gefasst wurde, ist sich die Digimig-Arbeitsgruppe einig, wie die Migration in der Schweiz angegangen werden soll: Jene konzessionierten UKW-Veranstalter, die den Schritt auf eine DAB-Plattform wagen, sollen im Rahmen der Technologie-förderung wirkungsvoll unterstützt werden. Gleichzeitig wird die UKW- Versorgungspflicht gelockert: Wer einen UKW-Sender nicht mehr ersetzen will, kann dies unterlassen. Die aufgegebenen UKW- Frequenzen werden allerdings nicht mehr neu vergeben. Die UKW-Konzessionen werden nicht mehr ausgeschrieben, sondern nur verlängert und nur, sofern parallel l über DAB+ verbreitet wird. 27
Ich habe es bereits gesagt: g Die Migration ist unser Plan B; Ziel ist die Erhaltung des Mediums Radio als solches. Zu Ende gehen wird mit UKW aber die Epoche der Programm- Verbreitung über einen einzigen Vektor. Vielmehr wird die Verbreitung über IP-Netze künftig eine bedeutende Rolle spielen, beispielsweise als Ergänzung dort, wo das DAB-Signal zu schwach ist oder im Zusammenhang mit hybriden Diensten und din Kombination Online und Rundfunk. Skeptisch beurteile ich jedoch Thesen, die von einer ausschliesslichen Programmverbreitung via Internet ausgehen. 28
Die Kosten für die Veranstalter und das Publikum sind heute noch kaum abschätzbar. Ungewiss ist auch, wie gross die erforderlichen Netzkapazitäten sein müssten, um eine vergleichbare Versorgung sicherzustellen. Doch die Diskussion enthält auch eine ernst zu nehmende medienpolitische Komponente: Mit der vollständigen Versorgung via IP-Streaming würde das Prinzip des kostenlosen, abofreien, überall und jederzeit verfügbaren Radioempfangs aufgegeben. Radio ist ein Massenmedium, und wir müssen dafür sorgen, dass die dafür konzipierten Technologien auch in Zukunft Hauptverbreitungsmittel für dieses Medium bleiben. 29
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