Verleihung der Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland an Frau Birgit von Paris am Mittwoch, 13.08.2008, 10.30 Uhr Sehr verehrte Damen und Herren, liebe Gäste, liebe Frau von Paris, Der eine wartet, bis die Zeit sich wandelt, der andere packt sie kräftig an und handelt!" Dieser Leitspruch des italienischen Dichters Dante (1265 1321) ist Ihnen, sehr geehrte Frau von Paris, wie auf den Leib geschrieben. Sie hielten zu Recht den Faktor Zeit für nicht angebracht, als Sie begannen zu handeln und Kindern in Not schnell, unmittelbar und unbürokratisch mit der Idee der Kindertafel zu helfen. Ganz herzlich begrüße ich Sie zu dieser Feierstunde, die Ihnen und Ihren herausragenden Leistungen und Ihrem Engagement gilt. Auch wenn viele Personen zum großen Erfolg der Kindertafel beitragen, ist es doch vor allem Ihr Name, Frau von Paris, der stellvertretend für alle steht. Seit Jahren setzen Sie sich als Leiterin der Lüneburger Kindertafel auf vorbildliche Art und Weise für die Nöte und Belange von Kindern und Jugendlichen ein, versorgen Sie nicht nur mit einem täglichen Mittagessen, sondern sind für Sie auch Beichtmutter und gute Freundin.
Ihrem unermüdlichen und konsequenten Einsatz ist es zu verdanken, dass in der Kindertafel zahlreichen Kindern in uneigennütziger und unbürokratischer Weise bei der Bewältigung ihres Alltags geholfen werden kann und dass die Kindertafel mittlerweile zu einer festen Einrichtung im sozialen Leben der Stadt geworden ist. Für dieses Engagement bekommen Sie heute die Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen. Zu dieser Auszeichnung gratuliere ich Ihnen auch im Namen von Rat und Verwaltung ganz herzlich. Schon ihr Lebenslauf lässt erkennen, wie sehr Frau von Paris das Wohl von Kindern am Herzen liegt. Geboren ist Birgit von Paris in Hamm an der Sieg. Sie haben den Beruf der kaufmännischen Angestellten gelernt und damit vielleicht so etwas wie den Grundstein ihrer späteren Tätigkeit als Leiterin der Kindertafel gelegt. Denn ohne kaufmännisches Geschick lassen sich kaum diese Tonnen von Lebensmitteln logistisch bewegen und verteilen und der riesige Verwaltungsaufwand stemmen. Im Jahr 1969 haben Sie Ihren Mann Peter geheiratet und mit ihm eine Tochter bekommen. Sie sollen einmal gesagt haben, dass Sie nur aus purer Langeweile zur Kindertafel gekommen sind. Ihr Mann sei dienstlich nach Munster versetzt worden, Ihre Tochter ging nach London, da brauchten Sie etwas um die Ohren.
Gestatten Sie mir an dieser Stelle ein paar Zweifel. Pure Langeweile allein kann nicht Motor sein für solch ein herausragendes Engagement. Da braucht es schon etwas mehr, nämlich Überzeugung, Nächstenliebe und viel Herzblut, um tagtäglich seit nun 11 Jahren für Ihre Kinder da zu sein. Denn die ehrenamtliche Tätigkeit von Frau von Paris bei der Kindertafel in der Paul-Gerhard Gemeinde begann nach den Schulferien 1997. Angefangen hat sie damit, das Essen für das Kinderessen bei der Herberge zur Heimat abzuholen. Kurz darauf aber schon gab sie selbst das Essen aus, damals noch für 10 bis 15 Kinder an 1-2 Tagen in der Woche. Inzwischen ist sie jeden Tag während der Schulzeit von halb zwölf bis halb drei dort, gibt nicht mehr nur Essen aus für inzwischen gut 35 Kinder, sondern ist Ansprechpartnerin, Hilfe und gute Seele in einer Person. Dabei hat sie immer ein offenes Ohr für die Nöte anderer und vor allem immer neue Ideen. Unter Ihrer Ägide wurden zum Beispiel Hausaufgabenbetreuung, Fortbildungsmaßnahmen und PC-Kurse auf den hauseigenen Computern eingeführt. Außerdem gibt es inzwischen Kicker- und Billardtische, Theater-, Mal- und Bastelkurse, Judotraining, Fußball, gemeinsame Waldspaziergänge, offene Jugendarbeit und einen Müttertreff. Dank neuer Räume konnte die Betreuung in den vergangenen Jahren kontinuierlich erweitert werden.
Aber nicht nur das: Seitdem sich Pastor Wesenick Ende 2001 zur Ruhe setzte, übernahm Frau von Paris die gesamte Leitung der Kindertafel. Und diese Aufgabe umfasst weit mehr als die Koordination der 15 ehrenamtlichen Helfer. So pflegt sie intensive Verbindungen und Beziehungen zu unserer Stadtverwaltung, hält Kontakt zum Jugendamt und anderen Sozialeinrichtungen. Außerdem führt sie viele Einzelgespräche mit Behörden, unterstützt die Jugendlichen und ihre Eltern beim Kontakt mit der Polizei, Gerichten oder Schulen. Sie ist unermüdlich auf der Suche nach Sponsoren, bittet Firmen in der Region und bundesweit um ihre Unterstützung, startet Aufrufe in der Tagespresse, überregionalen Zeitschriften oder Fernsehen. Und zu guter Letzt setzt sie sich mit Inbrunst ein für ihre Schützlinge, wenn es darum geht ihnen Ausbildungs- oder Jobmöglichkeiten zu verschaffen. Wer aber jetzt glaubt, dass Frau von Paris damit ausgelastet wäre, der irrt sich. Neben all dieser Arbeit unterstützt sie zusätzlich noch die Kirchenvorstandsarbeit wie auch die Stadtteilarbeit. Und genau für ihren Einsatz um all diese Dinge hat sie zu Recht 2004 die Niedersächsische Verdienstmedaille für vorbildliche Verdienste um den Nächsten sowie 2007 den Preis Unbezahlbar und Freiwillig erhalten. Mit Ihrem Engagement, liebe Frau von Paris, schlagen Sie eine Brücke zwischen Mangel und Überfluss getreu dem Wort:
"Einem anderen geben, was er braucht: Ein Stück Brot, ein Lächeln, ein offenes Ohr." Möglichkeit, mitzumachen und diese positive Erfahrung zu machen und weiterzugeben. Verantwortung zu übernehmen in einer funktionierenden Zivilgesellschaft, gemeinschaftliche Fürsorge wahrzunehmen, dafür steht die Kindertafel. Leider ist die Bereitschaft, sich ehrenamtlich zu engagieren, heute keine Selbstverständlichkeit. Ohne ein solches Engagement kommt die Gesellschaft aber nicht aus. So brauchen wir mehr positive Beispiele, die zeigen, wie wichtig so etwas ist. Dass, wer für andere etwas tut, auch etwas zurückbekommt, was ihn mit Begeisterung weiter bei der Sache sein lässt. Birgit von Paris ist solch ein positives Beispiel. Mit ihrem Beispiel geben Sie auch anderen die Ihr Engagement ist Ausdruck eines bestimmten Selbstverständnisses, es entsteht aus Mitmenschlichkeit, aus Interesse an der guten Sache und aus dem Wunsch etwas zu gestalten. Wer wie Sie, Frau von Paris, seine Tatkraft und seinen Sachverstand in eine so wichtige Funktion zum Wohle unserer Kinder einbringt, ist ein Musterbeispiel für eine funktionierende Bürgergesellschaft. Ich möchte Ihnen für Ihr unermüdliches Engagement danken, mit dem Sie unser Gemeinwesen bereichert haben. Umso mehr freue ich mich deshalb, Ihnen heute die Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland aushändigen zu dürfen.