kommt ein Lager im ersten Stock. Alles wirkt großzügig und hell. Wir verkaufen neue Bücher, alte Bücher, antiquarische Bücher, Kinderbücher, Regale über Regale über Regale von Büchern, die die zahlreichen Wände dieser geräumigen, lichten Kathedrale bedecken. Das Gebäude liegt etwas zurückgesetzt von dem belebten Marktplatz. Wir haben einen gepflegten, hübschen Garten, in dem Lavendel und Rosmarin den gepflasterten Pfad säumen, der zu der großen Eichentür des Ladens führt. Im Sommer flattert an dem schmiedeeisernen Zaun eine Kette mit Wimpeln, die ein Kunde freundlicherweise für uns gefertigt hat. Außerdem gibt es ein handgemaltes Schild mit der Aufschrift: Willkommen in
The Old and New Bookshop Heute geöffnet von 9 Uhr bis 17 Uhr. Wir laden Sie herzlich zum Stöbern ein. Aus unternehmerischer Sicht kann»the Old and New Bookshop«eigentlich keinen Gewinn machen. Natürlich haben wir eine Gruppe treuer Stammkunden das haben solche Läden immer, aber eben nur eine kleine Gruppe. Also muss es irgendwo Geld geben, das das Geschäft über Wasser hält und das es ermöglicht, Philips Wohnung im zweiten Stock so geschmackvoll auszustatten. Ich habe mich nie danach erkundigt. Philip spricht nicht über Geld, so wie er sich auch nie über sein Privatleben äußert. Ich selbst habe meinen Teil an romantischen Abenteuern, wenn man das so nennen kann, gehabt. Zumindest gab es entsprechende Angebote. Ein junger Mann,
jünger als ich, der Mitglied der etwas seltsamen Gruppe ist, die regelmäßig samstags in den Laden kommt (und anscheinend der Zeit mindestens ein Jahrzehnt hinterherhinkt, denn er trägt immer einen schwarz-lila Jogginganzug), wollte mir bereits mehrmals seine Faxnummer aufdrängen. Ein anderer Mann (mit rotem Gesicht, aber nicht ganz unattraktiv) hat mir vor Kurzem gestanden, ich sei die»bestaussehende«frau, die er»seit Monaten«gesehen habe. Das war schlicht und einfach gelogen, und die wirklich hübsche Jenna, die ganz in der Nähe stand und vorgab, Regale aufzuräumen, kicherte. Ich warf ihr einen Blick zu, den sie ungerührt erwiderte. Und dann, vor einem Jahr, der Schulleiter einer örtlichen Grundschule (in unserer Stadt gibt es drei davon), ein Stammkunde mit der Gewohnheit, seine Einkäufe samt und
sonders dem Schulkonto anzulasten. Nachdem ich ihn bedient und ihm seine elegante»the Old and New«-Papiertüte gereicht hatte, blieb er stehen und zögerte. Schließlich räusperte er sich und lud mich für einen Donnerstagabend zum Essen ein, falls mir das passte. Falls ich Zeit hätte. Er besaß ein charmantes Lächeln und dickes, schwarzes Haar, das vermutlich gefärbt war. An diesem Vormittag brachte mein Vater ein paar Bücher vorbei, alte Bücher, die meiner Babunia gehörten, meiner Großmutter. Sie wohnt schon seit zwei Jahren in einem Pflegeheim, aber wir haben lange gebraucht, bis wir es übers Herz brachten, ihre Habseligkeiten durchzusehen. Dabei besitzt sie nicht einmal viele Dinge. Gott sei Dank ist Babunia keine große Sammlerin. Allerdings ist mein Vater derzeit nicht so
belastbar. Natürlich bin ich ihre Bücher schon durchgegangen und habe einige für mich selbst aussortiert, Bücher, an die ich mich aus meiner Kindheit erinnere. Als sie sich bereiterklärte, ins Heim zu ziehen, sagte sie, ich könne alles behalten, was ich haben wollte. Sie hätte nun keine Verwendung mehr für ihre Bücher und ihre Nähutensilien. Das war ein unbeschreiblich trauriger Augenblick. Dennoch blieb niemandem von uns eine andere Möglichkeit. Dad schaffte es einfach nicht mehr, sich um sie zu kümmern. Ich bot an, meine Arbeitszeit in der Buchhandlung zu reduzieren, doch davon wollte niemand etwas wissen. Als ich meinen Vater den Pfad entlangkommen sah, winkte ich ihm zu, aber er sah mich nicht. Daraufhin lief ich zu der schweren Tür und öffnete sie für ihn.